21.07.2013 Aufrufe

Deutsche Gesellschaft für Audiologie - Universität Oldenburg

Deutsche Gesellschaft für Audiologie - Universität Oldenburg

Deutsche Gesellschaft für Audiologie - Universität Oldenburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ischen System erreicht werden kann, wenn die höher liegenden Gruppierungsmechanismen<br />

nicht berücksichtigt werden.<br />

Gestaltprinzipien<br />

Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Forschung der visuellen Wahrnehmung<br />

die sogenannten Gestaltprinzipien formuliert, welche nun auch <strong>für</strong> auditorische Empfindungen<br />

Anwendung finden. Bregman (1990) nennt dazu zwei Grundregeln (allocation und accounting):<br />

• Jedes Element eines komplexen Signals kann nur einer Quelle zugeordnet werden.<br />

• Alle Elemente des akustischen Ereignisses müssen einer Quelle zugeordnet werden.<br />

Kann ein Element keiner existierenden Quelle zugeordnet werden, so wird es selbst zu<br />

einer Quelle.<br />

Für die Bildung von auditorischen Objekten werden diese Gestaltprinzipien auf verschiedenen<br />

Ebenen angewendet.<br />

• Kontinuität: Amplitudenmoduliertes Rauschen wird als einzelnes Objekt wahrgenommen,<br />

falls die Modulation glatt (zum Beispiel sinusförmig) ist. Bei Rechteckmodulation hingegen<br />

hört man zwei Objekte. Pfeifen, zusammenhängend oder abgesetzt, erzeugt eine<br />

oder zwei Quellen.<br />

• Nähe: Aufeinanderfolgende Noten, die spektral nahe beieinander liegen (Pitch), werden<br />

zur gleichen Quelle gezählt. Es braucht viel, bis eine Melodie durch Störsignale zerfällt.<br />

• Ähnlichkeit: Ähnliche Klangkomponenten werden gruppiert; Noten mit demselben Timbre<br />

werden meistens derselben Quelle zugeordnet.<br />

• Gemeinsames Schicksal: Ändern sich Teiltöne eines Klangs auf gleiche Weise, werden<br />

sie gruppiert. Gemeinsamer Amplitudenanstieg und gemeinsame Modulationen sind<br />

starke Gruppierungsprinzipien. Werden in einem harmonischen Klang einige Teiltöne<br />

moduliert, heben sie sich von den anderen ab, und man hört zwei Klänge.<br />

• Geschlossenheit: Geschlossenheit hilft, Kontinuität trotz abrupter Änderungen zu erhalten.<br />

Lücken in einem Signal trennen Ereignisse, während Rauschen in den Lücken hilft,<br />

sie wieder zu fusionieren. Ein Beispiel dazu wäre Klatschen beim Sprechen. Auch die<br />

Trennung von mehreren gleichzeitigen Sprechern wird dadurch unterstützt.<br />

• Gute Fortsetzung: Die meisten Klänge ändern nicht plötzlich den Charakter; ein Klavier<br />

wird nicht plötzlich wie eine Violine tönen. Das heisst, dass feine, glatte Änderungen einer<br />

einzigen Quelle zugeordnet werden, plötzliche Wechsel erzeugen eine neue Quelle.<br />

Wenn wir uns die Prozesse zur akustischen Szenenanalyse nochmals vor Augen führen und<br />

mit den Methoden aktueller Hörgeräte-Automaten vergleichen so erkennen wir, dass die<br />

heutigen Lösungsansätze sehr technisch inspiriert sind und noch wenig mit unserem eigenen<br />

Wahrnehmungssystem zu tun haben. Wir haben aber die Grenzen der heutigen Lösungen<br />

erkannt und neue Wege entdeckt, die noch fehlenden Klassifizierungsleistungen einzubringen.<br />

Die primitive Gruppierung auditorisch basierter Merkmale mit Hilfe der Gestaltprinzipien<br />

ist ein vielversprechender Lösungsansatz zur besseren Klassifizierung der akustischen<br />

Umgebung. Es dürfte möglich sein, einige Prinzipien zu formulieren und in Hörsystemen<br />

einzusetzen.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die eingangs genannten Ziele der rehabilitativen <strong>Audiologie</strong> (Hören, Verstehen, Klangqualität)<br />

sind durch digitale Signalverarbeitung heute nur unzureichend erfüllbar, obwohl in den<br />

letzten Jahren ein deutlicher Fortschritt erzielt worden ist und auch mit weiteren Fortschritten<br />

165

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!