Kurskombinationen in der Oberstufe

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30 Kurskombinationen (Studienstufe) physikalischen Funktionsweise zur Erhellung der historischen Zusammenhänge beitragen?“ sein. Doch auch die umgekehrte Fragestellung „Kann die Kenntnis der historischen Zusammenhänge irgend etwas zur Physik beitragen?“ stellt sich. Gemessen an diesem doppelten Filter erwies sich die erste Fragestellung für die Bearbeitung des Themas „Elektrifizierung in verschiedenen Stadien und Aspekten“ (s.u. Themenübersicht des 1. Semesters) als sehr geeignet, für die zweite Fragestellung war das Thema „Atomkernspaltung und ihre Folgen“, das im 2. Semester unterrichtet wurde, ertragreich. Ein weiteres Planungsproblem stellte das Fach Englisch dar. Aus praktischen Gründen war die Einbeziehung dieses Faches sehr sinnvoll, denn die besonders für das Fach Geschichte verwendete Literatur war zum größten Teil auf Englisch und es bot sich hier die Möglichkeit einer sehr lebensnahen Schulung von Studierfähigkeit, da in der heutigen Wissenschaft Englisch so etwas wie eine lingua franca dar- 3 Durchführung An den vorausgegangenen Überlegungen zur Themenauswahl und zur Kombination der Fächer mag deutlich werden, daß auch die Materialsuche sich schwieriger gestaltete als für den „normalen“ Unterricht, da sich Themen wie die Elektrifizierung Chicagos nicht in unseren Schulbüchern finden und die Materialgestaltung aufwendiger, da die vorwiegend wissenschaftliche Literatur didaktisch aufbereitet werden mußte. Hinzu kam als weiteres Problem, daß für das Fach Englisch Literatur gefunden werden mußte, in der Aspekte technologischer Entwicklung literarisch verarbeitet werden. Materialien Im folgenden wollen wir einige der unter diesen Gesichtspunkten ausgewählten Materialien für die Fächer Geschichte und Englisch kurz vorstellen. Für das Fach Physik erübrigt sich die Materialvorstellung, da hier die Themen entsprechend den Lehrplanvorgaben gewählt wurden. (s.o.) Thomas P. Hughes, Die Erfindung Amerikas, München 1991 Dieses Werk diente als Basisliteratur für beide Semester. Alle wesentlichen amerikanischen Erfindungen seit 1870 werden als Teil einer zusammenhängenden Entwicklung begriffen und behandelt, in de- stellt und die Fähigkeit, englische Texte zu verstehen, für heutige Studenten fast unerläßlich ist. Englischunterricht auf der Oberstufe hat jedoch noch andere Ziele als das Lesen und Verstehen von Sachtexten. Das Problem war, die zu den Themen ausgewählte passende Literatur zu finden, in der Aspekte technologischer Entwicklung künstlerisch verarbeitet werden. „The Jungle“ von Upton Sinclair war in dieser Hinsicht ein sehr geeigneter Roman, in dem z.B. die Auswirkungen der Automation und der Massenproduktion behandelt werden. Dieser Roman bot den weiteren großen Vorteil, daß Schauplatz der Handlung Chicago ist, so daß sich bei unserem Besuch vor Ort Möglichkeiten der Projektarbeit boten. In „The Big Money“ von John Dos Passos hingegen sind die Auswirkungen der rapiden (auch technologischen) Entwicklungen der USA in den Zwischenkriegsjahren eher indirekt und eher abstrakt reflektiert und somit für die Schülerinnen und Schüler nur mit Mühe nachzuvollziehen. ren Verlauf sich große technologische Systeme in den USA entwickelt und verbreitet und die Entwicklung des Landes mehr und mehr beeinflußt und geprägt haben. In diesem Buch finden sich Hintergrundinformationen zu allen wichtigen von uns behandelten Themen in relativ leicht verständlicher Form und werden trotzdem wissenschaftlich behandelt. Das Buch wurde auszugsweise als Vorbereitung für einzelne Sitzungen von allen Schülerinnen und Schülern gelesen oder für Gruppenarbeiten oder Referate für Einzelarbeit genutzt. Paul A. David, The Hero and the Herd in Technological Society: Reflections on Thomas Edison and the Battle of the System, o.O., o.J. Inhaltlich und sprachlich sehr, für einen Grundkurs eigenlich zu anspruchsvoll, war dieser Essay aber doch von zentraler Bedeutung für unser Thema Elektrifizierung und deshalb für dieses Projekt fast unverzichtbar. In einer wissenschaftlich recht kompliziert angelegten These geht es – am Beispiel Thomas Edisons – um die Einflußmöglichkeiten des Individuums auf den Verlauf der Technologiegeschichte. Auch in didaktisch erheblich reduzierter Form stellten Davids Ausführungen für die Schülerinnen und Schüler noch eine große Herausforderung dar – der sie sich aber stellten und die sie auch bewältigten – was wohl vor allem darauf zurückzuführen ist, daß durch den Anspruch „fächerüber-
„The USA – a Technological Society“. Ein Beispiel für fächerverbindenden Unterricht in der Studienstufe 31 greifendes Projekt“ eine höhere Motivation und eine größere Akzeptanz auch eines schwierigeren Textes gegeben war. Dasselbe gilt für den sprachlichen Aspekt: Hier erwies sich die Zulieferfunktion des Faches Englisch als von zentraler Bedeutung. Gelesen und bearbeitet wurde „The Hero and the Herd“ arbeitsgleich als Intensivlektüre im Geschichtsunterricht, wobei der Englischlehrer meist anwesend war. Besonders schwierige Passagen wurden z.T. übersetzt. Erst nach gründlicher Sicherung des Textverständnisses wurden die Thesen – auf deutsch – diskutiert. Upton Sinclair, The Jungle, 1908, New York 1960 Unter dem Aspekt der Themenstellung „The USA – a Technological Society“ mußte eine geeignete Ganzschrift gefunden werden, an der die Folgen der Elektrifizierung für die amerikanische Gesellschaft gezeigt werden konnten. Da für den Kurs eine Reise nach Chicago geplant war, bot sich der Roman „The Jungle“ von Upton Sinclair an, der die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen von Chicago aufzeichnet. Sinclairs Werk ist als Propagandaroman bezeichnet worden. Die naturalistische Grundstruktur des Werkes mit deterministischen und materialistischen Zügen für die Schülerinne und Schüler durchschaubar zu machen und diese Literaturform als typisch für das ausgehende 19. Jahrhundert und das frühe 20. Jahrhundert in seiner Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse erkennbar zu machen, war Ziel des Englischunterrichts. Es mußte deutlich werden, daß die Aussagen des Romans aus der Geisteshaltung des fin de siecle, den evolutionären Lehren Darwins und Spencers und darüber hinaus auch aus dem Sozialismus heraus zu verstehen waren. Das Schicksal der Charaktere, vor dem Hintergrund industrieller Massenproduktion, sollte die sozialen Verhältnisse der Vereinigten Staaten unter diesen Bedingungen illustrieren. Eine Zielsetzung, die im reinen Geschichtsunterricht meist nicht erwartet werden kann, da hier die Erscheinungsfülle der Geschichte hinter Strukturen und Institutionen überschaubar zu bleiben versucht. 2 Holly Compton, Die Atombombe und ich, Frankfurt 1958 2 Zur Verwendung von Literatur als historischer Quelle siehe Praxis Geschichte, 1/94. Hier besonders der Basisbeitrag S. 4ff. Im zweiten Semester wurde das Thema Atomphysik sowohl anhand wissenschaftlicher Literatur als auch anhand autobiographische Aufzeichnungen behandelt. Die Schülerinnen und Schüler sollten die moralischen Entscheidungen und die Motivation der beteiligten Wissenschaftler aus diesen Autobiographien herausarbeiten, um den Zugang zur zentralen Fragestellung nach der Verantwortung des Wissenschaftlers zu finden. In dieser Hinsicht spiegelt das Werk A. H. Comptons den Idealtypus des amerikanischen Wissenschaftlers wider. Weitere Hinweise zur verwendeten Literatur finden sich im Durchführungsteil. Leitende Fragestellungen Folgende fächerübergreifende Fragestellungen waren leitend für die Arbeit im Unterricht: 1. Ist die technologische Orientiertheit das wesentliche Kennzeichen der US-Gesellschaft? 2. Ist die Technologie Ursache oder Folge gesellschaftlicher Veränderung? 3. Welche Folgen hatten oder haben z.B. die Versorgung von Haushalten und Fabriken mit elektrischen Strom. Telefon, Fernsehen oder Computer auf Leben und Arbeit der Menschen? 4. Welche Eigendynamik beinhalten die technologischen Entwicklungen? Beherrschen wir sie noch oder beherrschen sie uns? Im folgenden sollen an einigen Beispielen Chancen und Möglichkeiten, aber auch Probleme des fächerverbindenden Unterrichts aufgezeigt werden. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf diesen Fragestellungen: • Inwieweit gelang eine wirkliche Verknüpfung der drei, oder zumindest von zwei Fächern in dem oben beschriebenen Sinne, daß die Kenntnisse der drei Fächer sich zu einem schlüssigeren, tiefergehenden Gesamtbild ergänzen? • Wo lagen die Besonderheiten bei der Kombination Geistes- und Naturwissenschaft?
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