Kurskombinationen in der Oberstufe

Einleitung
Kurskombinationen, die Zusammenarbeit zweier
oder mehr möglichst schüleridentischer Kurse für
Teile oder die gesamte Dauer der Studienstufe, bieten
besonders gute Möglichkeiten für eine enge
Verzahnung fachlichen und fächerverbindenden Lernens.
Die jeweiligen Fachinhalte können gemeinsam
geplant und aufeinander abgestimmt, die spezifischen
Sichtweisen, Methoden, Fragestellungen und Ergebnisse
in wechselseitiger Ergänzung oder im bewußten
Kontrast thematisiert und reflektiert werden.
Vor, zwischen und nach getrennten Fachphasen
können die Fächergrenzen geöffnet werden, als
Auftakt, Fundament oder Problemhorizont für fachspezifische
Lehrgänge, als individuelle oder Gruppenarbeit
an übergreifenden Forschungsfragen, als
gemeinsame Zwischenbilanz mit neuen Impulsen für
den weiteren Fachunterricht, als Schlußstein konvergierender
Untersuchungen und Diskurse.
Das erste Unterrichtsbeispiel, eine Leistungskurs-
Kombination Geschichte und Englisch am Gymnasium
Hochrad, zeigt mit seinem fächerverbindenden
Unterricht u.a. zu den Themen „Shakespeare und
das Elisabethanische Zeitalter“, „Sklaverei“, „Auswanderung
aus Europa – Einwanderung in die USA“
und „Vietnam-Krieg“ nicht nur überzeugend, daß ein
solcher Unterricht ohne Abstriche an den hohen
fachlichen Ansprüchen von Leistungskursen möglich
ist, sondern auch den deutlichen Zugewinn für beide
Fächer und für die Entwicklung der Kompetenzen
der Schülerinnen und Schüler. Bei einer Beteiligung
an übergreifenden Projekten läuft das Fach Englisch
häufig Gefahr, auf einen bloßen „Zulieferer“ fremdsprachlicher
Fähigkeiten reduziert zu werden. Durch
die Zusammenarbeit mit dem Fach Geschichte,
durch das historisch reflektierte Kennenlernen und
Verstehen der Lebenswirklichkeit, Kultur und Gesellschaft,
können dagegen auch die originären
Fachlernziele des Fremdsprachenunterrichts in den
Bereichen Landeskunde und Literatur mit größerer
Anschaulichkeit und analytischer Schärfe erreicht
werden (wie auch Kenntnisse der literarischen Verarbeitung
bestimmter Epochen den geschichtlichen
Horizont erweitern). Die ganz selbstverständliche
Verwendung englischer und amerikanischer Originaltexte
und Quellen bietet auf der anderen Seite
auch für den Geschichtsunterricht ohne größeren
Aufwand zusätzliche Möglichkeiten für vertiefendes
und gründliches Arbeiten (und erhöht den fremdsprachlichen
„Input“, ohne das Zeitkonto für den
Englischunterricht zu belasten). Solche Synergie-
effekte und das insgesamt sehr viel größere Zeitbudget
für dieselbe Schülergruppe erlaubten in Verbindung
mit der Blockung zweier Doppelstunden im
Stundenplan die Öffnung des Unterrichts für den
Besuch außerschulischer Lernorte, für Einladungen
von Experten und Zeitzeugen in den Unterricht, für
eine gemeinsam vorbereitete Projektreise und vor
allem für intensive Gruppenarbeiten ohne Bindung
an den 45-Minuten-Takt, in denen die Schülerinnen
und Schüler lernten, immer selbständiger Themen
zu wählen, Materialien auszuwerten und eigene Texte
zu erstellen.
Die Verbindung der Fächer Englisch und Geschichte,
eine gemeinsame Projektreise, Intensivphasen und
selbständige Gruppenarbeiten sind auch zentrale
Elemente des zweiten Unterrichtsbeispiels. Der besondere
Reiz dieser Kombination von Grundkursen
an der Wichern-Schule liegt darüber hinaus in der
Verbindung aller drei Aufgabenfelder durch die Zusammenarbeit
mit dem Fach Physik. Mit den Semesterthemen
„Die Elektrifizierung der USA – von der
Telegraphie zur Telekommunikation“ und „Die
Atomkernspaltung und die Verantwortung des Wissenschaftlers“
rücken im Kontext von Sozialgeschichte
und Politik exemplarisch Naturwissenschaft,
Technik und ihre wirtschaftliche Verwertung
als zentrale Grundzüge der modernen Industriegesellschaften
in den Mittelpunkt des Unterrichts. Den
Zusammenhang von Wissenschaft und Technik, die
Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen und
technischen Entwicklungen und die historische und
kulturelle Bedingtheit naturwissenschaftlicher Erkenntnisse
zu erfahren und zu verstehen, sind für die
Gegenwart und Zukunft unverzichtbare Lernziele,
die so beispielsweise auch im Physiklehrplan genannt
werden, aber im reinen Fachunterricht in der Regel
nicht so intensiv verfolgt werden (können). Der Beitrag
verschweigt nicht die Probleme und Schwierigkeiten,
die bei einem solchen Brückenschlag zwischen
den „zwei Kulturen“ der Natur- und Geisteswissenschaften
in der konkreten unterrichtlichen
Umsetzung auftreten. Nicht immer gelang die enge
Verbindung aller drei Fächer, häufiger war Geschichte
„Gelenkfach“, das entweder mit Englisch oder mit
Physik enger zusammenarbeitete, während das dritte
Fach jeweils eigene Wege ging. Dennoch, so die
Bilanz aller am Unterricht Beteiligten, gab es einen
spürbaren Mehrertrag gegenüber dem reinen, auch
methodisch innovativen, Fachunterricht: vernetzendes
Denken und vertiefte Urteilsfähigkeit.