Kurskombinationen in der Oberstufe

46 Kurskombinationen (Studienstufe)
Abiturklausur Geschichte
Aufgabe: Technologische Systeme
Teilaufgaben:
Ia) Erklären Sie in eigenen Worten, was der Autor hier mit „Beharrungsvermögen technologischer Systeme“
meint.
Ib) Erläutern Sie an einem der im Text gegebenen Beispiele, warum dies zum Problem werden kann.
II) Stellen Sie dar, inwiefern die elektrische Stromversorgung ein großes technologisches System im
Sinne des Textes darstellt.
III) Nehmen Sie unter Bezugnahme auf einen oder mehrere Ihnen bekannter „Systemkämpfe“ Stellung
zu der am Schluß des Textes (Z. 37-41) vom Autor aufgestellten These.
Text:
Ein schwerwiegender Denkfehler der begeisterten Befürworter einer radikal neuen Technologie liegt darin, daß sie
... nicht berücksichtigen, wie tief Organisationen, Grundsätze, Haltungen und Absichten ebenso wie technische
Komponenten in technologischen Systemen verankert sind... Die Vertreter eines neuen Stils in der Technologie
[haben] das Beharrungsvermögen oder die konservativen Kräfte technologischer Systeme nicht zu erkennen vermocht.
Wie wir gesehen haben, gehören zu den großen technologischen Systemen... nicht nur technische und physikalische
Dinge... sondern auch Kraftwerke, Fabriken ... und Hilfseinrichtungen wie Aufsichtsbehörden und Gesetze.
Auch das Beharrungsvermögen des Systems für die Erzeugung des Sprengstoffs für Kernwaffen ergibt sich aus der
Beteiligung zahlreicher Organisationen wie des Militärs, der Industrie, der Universitäten und vieler anderer sowie
aus dem Einsatz Hunderttausender von Personen, deren fachliches Können und deren Mitarbeit die Funktionsfähigkeit
des Systems garantieren. Darüber hinaus erhöhten die Impulse des kalten Krieges die Dauerhaftigkeit des Systems.
Die Abrüstung stieß nicht nur wegen der Existenz Zehntausender von Kernwaffen auf fast unüberwindliche
Hindernisse, sondern auch wegen der im Militär, der Industrie und an den Universitäten bestehenden, komplex wirkenden
konservativen Kräfte ... und dann haben wir erlebt, wie die Kernenergie, deren Nutzungsmöglichkeiten zunächst
nur im Laboratorium erforscht wurden, das Entstehen eines gewaltigen industriellen Komplexes ermöglicht
hat. Die Zahl der dabei beschäftigten Personen ist von wenigen Hundert auf Hunderttausende angestiegen und die
Investition von Tausenden auf Milliarden Dollar. Große Systeme zeigen also ein Verhalten, das sich mit der physikalischen
Massenträgheit vergleichen läßt. Die Masse ihrer technischen, organisatorischen Komponenten und Verhaltensmuster
neigt dazu, ihr ständiges Wachsen und die einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten.
Große technologische Systeme repräsentieren mächtige Interessen anderer Art. Zahlreiche Menschen entwickeln
besondere Fähigkeiten und erwerben ein Fachwissen, um den Anforderungen des Systems zu genügen, dessen Teil
sie sind. Eine wesentliche Veränderung der charakteristischen Merkmale des Systems oder gar seine Aufgabe würde
dazu führen, daß diese Menschen keine Fachleute mehr sind. Die Maschinen, Geräte und Verfahren in dem System
sind sein Kapital, aber es ist eine besondere Art von Hardware-Kapital mit bestimmten Merkmalen, die man „systemspezifisch“
nennen könnte. Systemveränderungen führen dazu, daß dieses Kapital wertlos wird. Angesichts dieser
Möglichkeiten errichten die in technologischen Systemen Beschäftigten und diejenigen, die ihr Geld in diesen Systemen
investiert haben, ein Bollwerk aus organisatorischen Strukturen, ideologischen Verpflichtungen und politischen
Machtstrukturen, um sich selbst und die Systeme zu schützen. Nur selten treffen wir auf ein neuentwickeltes
System, das Geistesprodukt eines radikalen Erfinders, das in dieser Weise geschützt wird; aber ebenso selten wird
es ein ausgereiftes System geben, dessen sich große Geschäftsunternehmen oder Regierungsbehörden bedienen, das
einen solchen Schutz entbehrt. Das ist einer der Hauptgründe dafür, daß ausgereifte Systeme neuentstandene zu
erdrücken pflegen.
Aus: Thomas P. Hughes, Die Erfindung Amerikas, C.H.Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München 1991, S. 459-
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