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Vor Ort - Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH in Berlin

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Heimatgeschichte<br />

Hunderte auf Hausdächern<br />

Aus der Geschichte des Thälmannparks <strong>in</strong> <strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong> Von Hartmut Seefeld<br />

Als anno 1900 e<strong>in</strong>e der ersten<br />

elektrischen Straßenbahnen der deutschen<br />

Reichshauptstadt durch die<br />

Danziger Straße ratterte, deklarierten<br />

die f<strong>in</strong>digen Berl<strong>in</strong>er das Gefährt<br />

umgehend zur »Wüstenbahn«. Besonders<br />

zwischen <strong>Prenzlauer</strong> Allee und<br />

Greifswalder Straße gab es damals<br />

noch e<strong>in</strong>e Vielzahl unbebauter Brachen.<br />

Das wiederum war ke<strong>in</strong> Wunder,<br />

denn nachdem die Stadt 1872/73 an<br />

der Ecke Greifswalder/Danziger Straße<br />

die IV. Berl<strong>in</strong>er Gasanstalt erbaut<br />

hatte, war die Gegend für Investoren<br />

ziemlich unattraktiv. E<strong>in</strong>zig e<strong>in</strong> Obdachlosenheim<br />

(heute Krankenhaus<br />

<strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong>) und e<strong>in</strong>en Siechenhauskomplex<br />

(heute Bezirksamt) platzierten<br />

Berl<strong>in</strong>er Beamte <strong>in</strong> die Nähe<br />

des Gaswerks. Bis 1908 entstanden auf<br />

dem 26 Hektar großen Areal zwischen<br />

dem Bahngraben und der Danziger<br />

Straße sechs Gasometer und diverse<br />

technische Anlagen, <strong>in</strong> denen man<br />

neben Koks, Teer, Schwefel und<br />

Ammoniak jährlich bis zu 492.000 m³<br />

Leuchtgas aus Kohle produzierte.<br />

Mancher der aus Backste<strong>in</strong> gemauerten<br />

Gasbehälter hatte e<strong>in</strong>en Durchmesser<br />

von über 55 Metern.<br />

Im Mai 1936 erfolgte der Auftakt<br />

für die stufenweise Stillegung des<br />

mittlerweile <strong>in</strong> die Stadt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gewachsenen<br />

Umweltsünders. Das Projekt<br />

»Volkspark <strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong>« ward<br />

geboren, und die Gasag als Betreiber<br />

des Werks gab zunächst e<strong>in</strong>e Fläche<br />

an der Ecke der nördlichen W<strong>in</strong>sstraße<br />

(heute Ella-Kay-Straße) für e<strong>in</strong>e Begrünung<br />

frei. Zwei Jahre später wurde die<br />

vom Reichsarbeitsdienst hergerichtete<br />

Grünanlage freigegeben. Mit dem<br />

Kriegsbeg<strong>in</strong>n 1939 wurden die Stillegungspläne<br />

schlagartig aufgegeben,<br />

denn das Gas war unverzichtbare<br />

Grundlage der Kriegswirtschaft. Bombentreffer<br />

brachten Ende 1943 die<br />

Produktion zeitweilig zum Erliegen,<br />

erst zehn Jahre später konnte die<br />

Kapazität wieder ausgelastet werden.<br />

Wiege der Bürgerbewegung<br />

Am 5. Mai 1981 beendete die letzte<br />

Schicht ihre Arbeit im Gaswerk. Zuvor<br />

war seit 1979 die Versorgung des<br />

gesamten <strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong> auf Erdgas<br />

umgestellt worden. Die Industriebrache<br />

hatte die SED bereits für e<strong>in</strong>en<br />

Wohn- und Erholungspark verplant.<br />

Bereits im März 1983 erfolgte der<br />

erste Spatenstich für das neue<br />

©<strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong> Museum<br />

Großer Aufmarsch zur E<strong>in</strong>weihung des Thälmannparks und zur Enthüllung des Thälmanndenkmals am 15. April 1986.<br />

<strong>Vor</strong> <strong>Ort</strong> 05. 2006 13<br />

Quartier. Doch das <strong>Vor</strong>haben war<br />

umstritten. Zum e<strong>in</strong>en beließ man<br />

damals hochgiftige Altlasten im Boden,<br />

die dann erst Mitte der 90er Jahre<br />

aufwändig entsorgt werden konnten,<br />

zum anderen präsentierte sich e<strong>in</strong>e<br />

der ersten Bürger<strong>in</strong>itiativen <strong>in</strong> der<br />

DDR mit dem Slogan »Gasometer<br />

sprengt man nicht« <strong>in</strong> der Öffentlichkeit.<br />

Trotz dieser Proteste wurden am<br />

28. Juli 1984 die drei verbliebenen<br />

Gasometer gesprengt, wobei Hunderte<br />

trotz e<strong>in</strong>er Informationssperre am<br />

Tag der Sprengung auf den Dächern<br />

der umliegenden Häuser das Geschehen<br />

beobachteten.<br />

Am 15. April 1986 wurde der<br />

Thälmannpark im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

Großkundgebung <strong>in</strong> Anwesenheit des<br />

DDR-Staatschefs und SED-Generalsekretärs<br />

Erich Honecker übergeben. In<br />

der knapp dreijährigen Bauzeit waren<br />

1.332 Wohnungen für 4.000 Menschen,<br />

e<strong>in</strong>e Schwimmhalle, das Planetarium<br />

an der <strong>Prenzlauer</strong> Allee<br />

(eröffnet im Oktober 1987) sowie e<strong>in</strong>e<br />

Schule entstanden. Das e<strong>in</strong>stige Verwaltungsgebäude<br />

an der Danziger<br />

Straße 101 wurde zum Kulturhaus<br />

<strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong>. Nur e<strong>in</strong>en Tag nach<br />

dieser Eröffnung war Honecker erneut<br />

im Thälmannpark unterwegs, diesmal<br />

<strong>in</strong> Begleitung des sowjetischen<br />

Staatschefs Michail Gorbatschow.<br />

Dessen Augenmerk wurde besonders<br />

auf das Thälmannmonument des<br />

russischen Bildhauers Lew Kerbel an<br />

der Greifswalder Straße gelenkt. An<br />

der gewaltigen Bronzeplastik zu<br />

Ehren des 1944 im KZ Buchenwald<br />

ermordeten Kommunistenführers<br />

Ernst Thälmann –14 Meter hoch, 15<br />

Meter breit und 50 Tonnen schwer–<br />

hatte Kerbel rund vier Jahre gearbeitet.<br />

Der von der SED-Führung durchgesetzte<br />

Monumentalentwurf stieß<br />

jedoch auf harsche Kritik. Selbst der<br />

Verband Bildender Künstler der DDR<br />

lehnte sich auf. Geholfen hat es freilich<br />

nicht. Nach der Wende, als überall <strong>in</strong><br />

der DDR Denkmäler zur Disposition<br />

gestellt wurden, erwog man auch den<br />

Abriss der Thälmannplastik. Doch im<br />

Gegensatz zum Friedrichsha<strong>in</strong>er Len<strong>in</strong>denkmal,<br />

das sehr bald <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Köpenicker Kiesgrube verscharrt wurde,<br />

hat Thälmann die stürmischen<br />

Zeiten überstanden, nicht zuletzt<br />

wegen der geschätzten 500.000 Euro<br />

Abrisskosten.

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