20 - Prof. Dr. Reinhard Singer
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Reinhard</strong> <strong>Singer</strong> Sommersemester <strong>20</strong>10<br />
(§ <strong>20</strong> T2, 19.5.<strong>20</strong>10)<br />
Kaufrecht Folien Teil 2:<br />
Lösung Fall 5: Inhalt des Nacherfüllungsanspruchs; Unverhältnismäßigkeit der<br />
Nacherfüllung<br />
K will Aus- und Einbaukosten ersetzt haben<br />
A. Schadensersatzanspruch K – V aus § 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 3, § 280 I und III, § 281<br />
I wegen schuldhafter Lieferung mangelhafter Fliesen<br />
I. Schadensersatzart:<br />
1. BGH: Schadensersatz statt der Leistung (Konsequenz: § 280 III, 281 I, 283)<br />
2. Richtig: Schadensersatz neben der Leistung<br />
(arg.: K will Aus- und Einbaukosten ersetzt haben; Schaden bleibt, auch wenn V mangelfrei<br />
nacherfüllt; Medicus/Petersen BR Rn. 291a)<br />
II. Voraussetzungen<br />
1. Schuldverhältnis K – V: § 433<br />
2. Pflichtverletzung V: nicht vertragsgemäße Erfüllung (§§ 434 I 2, 434)<br />
3. Verschulden: gem. § 280 I 2 vermutet, aber Vermutung widerlegt<br />
a) V hat Lieferung der mangelhaften Fliesen nicht selbst verschuldet<br />
b) Keine Einstandspflicht gem. § 278 BGB für Herstellerin, da diese nicht im<br />
Pflichtenkreis des Verkäufers tätig war (BGH NJW <strong>20</strong>08, 2837).<br />
Erg.: kein Schadensersatz wegen Lieferung mangelhafter Fliesen<br />
B. Schadensersatzanspruch K – V gem. § 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 1, 439 I Fall 2, § 280 I BGB<br />
wegen der unterbliebenen Nachlieferung mangelfreier Fliesen<br />
I. Wirksamer Kaufvertrag; Sachmangel (wie oben A.).<br />
II. Rechtsfolge: Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 1, 439<br />
- Wahlrecht des Käufers: Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung<br />
- Mangelbeseitigung nicht möglich, da Polierfehler nicht zu beseitigen ist.<br />
- Ersatzlieferung: Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Fliesen möglich<br />
Umfang des Nacherfüllungsanspruchs problematisch und kompliziert:<br />
1
1. Zur Nacherfüllung gehören sicher Übereignung und Übergabe neuer –<br />
mangelfreier - Fliesen<br />
2. Einbaukosten für die neuen Fliesen?<br />
a) BGHZ 177, 224: Verkäufer schuldet nur die Übergabe und Übereignung<br />
mangelfreier Fliesen, nicht ihre Verlegung (Einbau)<br />
Ersatzlieferung erfordert zwar eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu<br />
denen V nach § 433 I verpflichtet ist, also Übergabe und Übereignung einer<br />
mangelfreien Sache - nicht weniger, aber auch nicht mehr.<br />
b) Auch § 439 II nützt nichts, weil die dort genannten Kosten nur ersatzfähig sind, wenn<br />
Verkäufer Einbau schuldet.<br />
Verkäufer schuldet aber nur Übergabe und Übereignung neuer Fliesen; dafür sind<br />
die Einbaukosten nicht erforderlich.<br />
Sonst würde Nacherfüllung weiterreichen als Primärschuld des Verkäufers.<br />
c) Art. 3 Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umfasst den Ersatz der Kosten, die<br />
für die „Herstellung des vertragsgemäßen Zustands“ des Verbrauchsgutes<br />
notwendig sind.<br />
Aber zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands gehört nur die Ersatzlieferung<br />
mangelfreier Fliesen, nicht deren Verlegung<br />
Auch nach der Richtlinie kann K nur die Kosten der Ersatzlieferung, nicht aber die<br />
Kosten der Verlegung der Fliesen geltend machen.<br />
3. Streitig ist Frage des Ausbaus:<br />
a) H. M. (OLG Köln, NJW-RR <strong>20</strong>06, 677; Bamberger/Roth/Faust, BGB, 2. Aufl., § 439<br />
Rdnr. 32): Käufer kann im Fall der Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2) grundsätzlich<br />
Ausbau der mangelhaften, bestimmungsgemäß eingebauten Kaufsache verlangen<br />
Konsequenz: wenn Verkäufer Ausbaupflicht schuldhaft nicht erfüllt, kann Käufer<br />
Erstattung der erforderlichen Kosten verlangen (§§ 280, 281).<br />
b) A.A. (Erman/Grunewald, BGB, 12. Aufl., § 439 Rdnr. 5; Thürmann, NJW <strong>20</strong>06, 3457,<br />
3460 f.): V schuldet nur Ersatzlieferung, also Übergabe und Übereignung<br />
fehlerfreier Bodenfliesen, nicht ihren Ausbau.<br />
c) BGH lässt zunächst offen, weil Frage keine Rolle spielt, wenn V nach nationalem<br />
Recht Lieferung mangelfreier Fliesen und Ausbau der mangelhaften Fliesen wegen<br />
Unverhältnismäßigkeit gemäß § 439 III verweigern darf.<br />
V kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit<br />
unverhältnismäßigen Kosten möglich ist (Satz 1).<br />
2
aa) Gesetz unterscheidet 2 Formen der Unverhältnismäßigkeit:<br />
sog. relative Unverhältnismäßigkeit = wenn die vom Käufer gewählte Art der<br />
Nacherfüllung im Vergleich zu der anderen Art unverhältnismäßige Kosten<br />
verursacht (Satz 2 Fall 3)<br />
sog. absolute Unverhältnismäßigkeit = wenn die Art der Nacherfüllung schon<br />
für sich allein unverhältnismäßige Kosten verursacht, wobei Bezugspunkte der<br />
Wert der Sache in mangelfreiem Zustand (Satz 2 Fall 1) und die Bedeutung des<br />
Mangels (Satz 2 Fall 2) sind.<br />
bb) Da nur Ersatzlieferung mangelfreier Fliesen möglich ist, kommt nur absolute<br />
Unverhältnismäßigkeit in Betracht<br />
(1) Maßstab der Unverhältnismäßigkeit: umstritten, BGH orientiert sich an der<br />
weitestgehenden Ansicht (Bitter/Meidt, ZIP <strong>20</strong>01, 2114, 2121):<br />
Mängelbeseitigung unverhältnismäßig, wenn Kosten der Nacherfüllung<br />
- 150% des Werts der Sache im mangelfreien Zustand oder<br />
- <strong>20</strong>0% des mangelbedingten Minderwerts<br />
übersteigen<br />
(2) Fallbezogen: (Selbst-)Kosten für die Lieferung der mangelfreien Fliesen<br />
(ca.1.<strong>20</strong>0 €) und Kosten für den Ausbau der mangelhaften Fliesen (ca. 2.100 €,<br />
einschließlich 19% Mehrwertsteuer) betragen ca. 3.300 €.<br />
- Wert der mangelfreien Fliesen: Kaufpreis 1.418,02 € (einschließlich jetzt 19%<br />
MwSt) 150% von 1400.- (2100)<br />
- mangelbedingter Minderwert der mangelhaften Fliesen: höchstens gezahlter<br />
Kaufpreis 1.382,27 € (einschließlich 16% MwSt) <strong>20</strong>0% 1400.- (2800)<br />
BGH: Kosten für Austausch der Fliesen (3.300.-) im Vergleich zu den Bezugsgrößen<br />
(Wert der mangelfreien Fliesen/mangelbedingter Minderwert) unverhältnismäßig<br />
nach nationalem Recht<br />
2. Recht des V, Ersatzlieferung wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit zu verweigern,<br />
verstößt aber uU gegen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie<br />
a) Art. 3 Abs. 3, Unterabs. 2 der Richtlinie gestattet dem nationalen Gesetzgeber nur die<br />
Berücksichtigung der relativen Unverhältnismäßigkeit ("Kosten…, die … verglichen<br />
mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären").<br />
b) Art. 3 Abs. 3, Unterabs. 1 der Richtlinie gestattet aber auch Berücksichtigung der<br />
Unmöglichkeit; in Betracht kommt daher richtlinienkonforme Auslegung des § 439<br />
III in dem Sinne, dass absolute Unverhältnismäßigkeit (lediglich) die Fälle der<br />
Unmöglichkeit nach § 275 I – III erfasst<br />
3
Falls der EuGH sich dieser Interpretation anschließt, könnte V die Nacherfüllung<br />
nicht verweigern, da die strengen Anforderungen der sog. faktischen Unmöglichkeit<br />
nach § 275 II nicht vorlägen<br />
§ 275 II verlangt grobes Missverhältnis zwischen Aufwand des Schuldners und<br />
Leistungsinteresse des Gläubigers<br />
§ 275 II evident nicht erfüllt (klassische Beispiele - Eichenlaub, Ring auf dem<br />
Meeresgrund - nicht vergleichbar; Vergleich Gläubigerinteresse (1.400.-)<br />
/Schuldneraufwand (3.300.-) nicht annähernd so krass.<br />
3. Falls sich aber V aufgrund einer solchen richtlinien-konformen Interpretation nicht auf §<br />
439 III berufen darf, kommt es nun doch darauf an, ob K im Rahmen der Nacherfüllung<br />
gem. § 439 I auch den Ausbau der mangelhaften Kaufsache verlangen kann.<br />
a) Wortlaut § 439 I: Nacherfüllung = Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache, also<br />
Übergabe und Übereignung<br />
Ausbau der zuerst gelieferten mangelhaften Sache gehört schon deswegen nicht zur<br />
Ersatzlieferung, weil er sich auf eine andere Sache bezieht als diese.<br />
Gem. § 439 II muss Verkäufer zwar die zum Zwecke der Nacherfüllung<br />
erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und<br />
Materialkosten tragen<br />
Aber dazu gehören nur die Aufwendungen für die Lieferung einer mangelfreien<br />
Sache, also für die Übergabe und Übereignung, nicht für den Ausbau.<br />
b) Anspruch auf Ausbau der mangelhaften Kaufsache aus Art. 3 Abs. 2, Abs. 3<br />
Unterabs. 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie<br />
Art. 3 Abs. 2 RL: Anspruch des Verbrauchers auf unentgeltliche Herstellung des<br />
vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung nach<br />
Maßgabe des Absatzes 3.<br />
„Ersatzlieferung“ bedeutet uU, dass nicht nur vertragsgemäßes Verbrauchsgut zu<br />
liefern, sondern darüber hinaus das gelieferte vertragswidrige Verbrauchsgut zu<br />
ersetzen und damit zu entfernen ist (im Parkettstäbe-Fall BGHZ 177, 224 hat V diese<br />
Verpflichtung akzeptiert).<br />
Art. 3 Abs. 3 Unterabsatz 3 der Richtlinie verlangt, dass die Ersatzlieferung „ohne<br />
erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss, wobei die Art<br />
des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut<br />
benötigte, zu berücksichtigen sind“.<br />
Die gebotene Berücksichtigung der Art und des Verwendungszwecks des<br />
Verbrauchsgutes könnte dafür sprechen, dass der Verkäufer auch die Beseitigung des<br />
vertragswidrigen Verbrauchsgutes schuldet, um den nötigen Platz für die art- und<br />
zweckentsprechende Verwendung des Ersatzes zu schaffen.<br />
Da Verkäufer wohl den Ausbau der Fliesen schuldet, muss er daher auch die<br />
Kosten erstatten.<br />
4
Ergebnis: Da richtlinienkonforme Auslegung in die Kompetenz des EuGH fällt, legte BGH<br />
auch diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.<br />
Im Ergebnis gute Aussichten, dass K Ausbaukosten zugesprochen bekommt<br />
Schema des Falles zur Übersicht:<br />
K – V:<br />
I. Schadensersatz wegen mangelhafter Leistung: §§ 437 Nr. 3, 280 I - (kein Verschulden<br />
des V)<br />
II. Schadensersatz wegen schuldhafter Nichterfüllung der Nacherfüllungspflicht (§§ 439<br />
I, 280 I, III, 281)<br />
1. V schuldet gem. § 439 I Lieferung neuer Fliesen<br />
2. V schuldet keinen Einbau – auch nicht Kosten (§ 439 II)<br />
3. V schuldet Ausbau nur, wenn<br />
a) nicht unverhältnismäßig<br />
- national: Lieferung neuer Fliesen und Ausbau (3.300.-) = unverhältnismäßig<br />
- Verbrauchsgüterkaufrichtlinie: nur bei relativer Unverhältnismäßigkeit (-) oder<br />
Unmöglichkeit gem. § 275 (-)<br />
b) Ausbau national nicht geschuldet gem. § 439 I<br />
c) Aber uU gemeinschaftskonforme Auslegung<br />
Ersatzlieferung = Ausbau (Art. 3 II RL)<br />
Ausbau vermeidet erhebliche Unannehmlichkeiten (Art. 3 III 3 RL)<br />
---------------------------------------------------------------------<br />
d) Selbstvornahme durch den Käufer<br />
Lösung Fall 6:<br />
Ansprüche Karla gegen Volker<br />
1. Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 1, 439? K will Geld, nicht Nacherfüllung<br />
Wegen durchgeführter Reparatur ist Nacherfüllung auch unmöglich geworden (§ 275<br />
I).<br />
5
2. Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt oder Minderung (§§ 346 I, 323 I bzw.<br />
441 IV, 437 Nr. 2)<br />
a) § 323 I verlangt Frist zur Nacherfüllung<br />
b) Fristsetzung wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung zwar entbehrlich (§<br />
326 V)<br />
c) aber Rücktritt dennoch ausgeschlossen gem. § 323 VI, weil K für den<br />
Umstand, der sie zum Rücktritt berechtigen würde (Unmöglichkeit der<br />
Nacherfüllung), allein verantwortlich ist (da sie den Mangel selbst beseitigt<br />
hat).<br />
3. Anspruch auf Zahlung ersparter Nacherfüllungskosten gem. § 326 II 2 (analog)<br />
a) Grundgedanke: Nacherfüllung ist infolge der Selbstvornahme durch K<br />
unmöglich geworden. V behält deshalb zwar seinen Kaufpreisanspruch (§<br />
326 II 1), muss sich aber die ersparten Nacherfüllungskosten anrechnen<br />
lassen (§ 326 II 2).<br />
Da K bereits bezahlt hat, ist V um die ersparten Aufwendungen<br />
bereichert; Herausgabe an K gem. §§ 326 IV, 346 I<br />
b) § 326 II 2 ist im Falle nicht vertragsgemäßer Leistung zwar nicht<br />
anwendbar (§ 326 I 2), aber nach einem Teil des Schrifttums trifft der<br />
Grundgedanke zu, eine Bereicherung des Verkäufers zu verhindern.<br />
c) Gegen einen Erstattungsanspruch des Käufers BGHZ 162, 219; BGH<br />
NJW <strong>20</strong>06, 1195; arg.:<br />
- §§ 437 ff enthalten eine abschließende Regelung; anders als dem Besteller<br />
im Werkvertragsrecht ist dem Käufer eine Selbstvornahme nicht<br />
gestattet.<br />
- Zudem würde ein solcher Anspruch dem Vorrang der Nacherfüllung<br />
widersprechen; dem Verkäufer würde sein Recht zur zweiten Andienung<br />
genommen.<br />
- Nacherfüllung soll dem Verkäufer Gelegenheit geben, die verkaufte Sache<br />
daraufhin zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht, bereits im<br />
Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen oder welche Ursache er hat.<br />
Diese Möglichkeit (und die Chance, Beweise zu sichern) würde Verkäufer<br />
verlieren, wenn Käufer ohne Fristsetzung Erstattungsansprüche geltend<br />
machen könnte.<br />
Ergebnis: Nach h.M. hat Käufer im Falle einer Selbstvornahme keinen<br />
Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer, weder aus § 326 II 2, noch aus<br />
§ 812 I 1, F. 2 oder §§ 677, 683 S. 1.<br />
----------------------------------------------------------------------<br />
6
Fortsetzung: Rechte des Käufers bei Sachmangel nach Gefahrübergang<br />
1. Nacherfüllung: ... s.o.<br />
2. Rücktritt vom Kaufvertrag, § 437 Nr. 2 Fall 1<br />
a) Voraussetzung:<br />
erfolgloses Setzen einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung<br />
Ratio legis: Vorrang der Nacherfüllung; Verkäufer erhält die letzte Chance, sich<br />
den Kaufpreis zu verdienen<br />
b) Ausnahmen: Entbehrlichkeit der Fristsetzung<br />
aa) Fälle des § 323 II: Schuldrecht AT (endgültige und ernsthafte<br />
Leistungsverweigerung usw. )<br />
bb) § 440 S. 1<br />
Verweigerung beider Formen der Nacherfüllung gem. § 439 III oder<br />
Fehlschlagen bzw. Unzumutbarkeit der Nacherfüllung für den Käufer<br />
Nachbesserung (Reparatur) gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als<br />
fehlgeschlagen, § 440 S. 2<br />
cc) wenn Leistungspflicht gem. § 275 I – III ausgeschlossen (§ 326 V)<br />
betrifft Unmöglichkeit der Leistung wie der Nacherfüllung (unbehebbarer<br />
Mangel).<br />
c) Rücktritt verschuldensunabhängig<br />
d) kein Ausschluss des Rücktritts<br />
(1) § 323 V 1, Teilleistung<br />
----------------------------------------------------------------------<br />
Fall 7: Rechte des Käufers:<br />
1. Rücktritt gem. § 323 I<br />
Voraussetzung: keine oder nicht vertragsgemäße Leistung<br />
a) K darf Teilleistungen zurückweisen (§ 266) und – nach Fristsetzung –<br />
zurücktreten (§ 323 I) sowie Schadensersatz verlangen (§ 281 I).<br />
b) Aber § 266 gilt nicht bei Teilunmöglichkeit, weil sich Verpflichtung des<br />
Käufers dann wegen § 275 I auf den noch möglichen Teil der Leistung<br />
beschränkt; für diese mögliche Teilleistung gilt § 323 V 1 - Rücktritt vom<br />
ganzen Vertrag nur bei Interessefortfall gem. § 323 V 1<br />
7
aa) Voraussetzung: Teilbarkeit der Leistung<br />
Teilbarkeit: zerlegbar ohne Wertminderung und ohne Beeinträchtigung<br />
des Leistungszwecks<br />
Bsp.: Gattungsleistungen, Lieferung mehrerer Sachen<br />
bb) Fallbezogen:<br />
c) Rechtsfolgen:<br />
Lorenz aaO.: Leistung teilbar<br />
LG Rottweil: §§ 266, 323 I (Zurückweisung)<br />
m.E. nicht teilbar, wenn es Käufern auf die - nicht mehr lieferbare -<br />
Gefrierkombination F-Finesse ankam (Parteiwille entscheidend)<br />
aa) falls keine Teilbarkeit: vollständige Unmöglichkeit mit der Folge § 323 I (so<br />
LG Rottweil; Palandt/Grüneberg, § 323 Rn. 24)<br />
bb) falls Teilbarkeit: Teilunmöglichkeit; gem. § 323 V 1 Rücktrittsrecht, falls<br />
Interesse an Teilleistung fortgefallen<br />
Lorenz: wegen möglicher Ersatzlieferung „höchst fraglich“, also wohl § 326<br />
V 1 (-)!<br />
2. Gleichstellung Mankolieferung – Sachmangel gem. § 434 III<br />
a) Konsequenz: Rücktritt gem. § 323 bei Teilbarkeit der Lieferung nur, wenn<br />
Mangel erheblich (§ 323 V 2) und (so Lorenz aaO.) Interesse an ganzer Leistung<br />
fortgefallen (§ 323 V 1).<br />
Also: § 323 V 1 und 2 kumulativ anzuwenden<br />
arg.: sonst Wertungswiderspruch zur Teilschlechtleistung (Bsp.: Finesse<br />
funktioniert nicht), bei der zwingend § 323 V 2 anzuwenden ist (arg.: nicht<br />
vertragsgemäße Leistung)<br />
Fallbezogen: Mangel erheblich, aber wohl Interesse nicht weggefallen = § 323 V<br />
1(-).<br />
b) Falls keine Teilbarkeit, gilt ohnehin nur § 323 V 2 (kein Rücktritt bei<br />
unerheblichen Mängeln = unerheblichem Manko – z.B. wenn Finesse ohne<br />
Originalglühbirne geliefert wird)<br />
Fallbezogen: Mangel nicht unerheblich; Rücktritt möglich<br />
Ergebnis: Rücktritt m.E. wegen fehlender Teilbarkeit möglich; a.A. Lorenz: § 323 V 1 (-).<br />
----------------------------------------------------------------------<br />
8
3. Minderung, § 437 Nr. 2 Fall 2<br />
Statt des Rücktritts kann der Käufer auch die Minderung wählen, dh er behält die<br />
mangelhafte Kaufsache und schuldet nur einen herabgesetzten Kaufpreis, § 441 I<br />
a) Voraussetzungen<br />
- wie Rücktritt, d.h. grds. Fristsetzung erforderlich<br />
- Ausnahme: auf die Erheblichkeit des Mangels kommt es bei Minderung nicht an<br />
(§ 441 I 2).<br />
b) Betrag der Minderung, § 441 III<br />
geminderter Preis =<br />
Wert der mangelhaften Sache x vereinbarter Kaufpreis<br />
Wert der mangelfreien Sache<br />
Bsp: Käufer liefert mangelhafte Vase; diese ist ohne Mangel <strong>20</strong>0 € wert, mit Mangel jedoch<br />
nur 150 €. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 1<strong>20</strong> €.<br />
Der nunmehr geschuldete Kaufpreis beträgt<br />
150 x 1<strong>20</strong><br />
<strong>20</strong>0<br />
= 90 €.<br />
Damit ist sichergestellt, dass das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis erhalten bleibt.<br />
Hat Käufer - wie im Beispiel - ein Schnäppchen erzielt, bleibt ihm dieses – relativ - auch<br />
nach Minderung erhalten.<br />
Hat hingegen (wie im Normalfall) Verkäufer einen Gewinn erzielt, verliert er diesen<br />
aufgrund eines Mangels nicht vollständig, sondern nur verhältnismäßig.<br />
c) Rückforderung gem. §§ 441 IV, 346 I<br />
Hat der Käufer bereits den gesamten Kaufpreis entrichtet, kann er den Mehrbetrag vom<br />
Verkäufer gem. §§ 441 IV, 346 I zurückverlangen.<br />
d) ius variandi<br />
Fraglich ist, ob der Käufer, dem ein Wahlrecht zwischen Minderung und Rücktritt zusteht,<br />
an seine einmal getroffene Wahl gebunden ist<br />
9
Rücktritt und Minderung sind Gestaltungsrechte; diese sind in der Regel unwiderruflich<br />
(Pal./Weidenkaff, § 439 Rn. 6 a.E.).<br />
Umgekehrt ist Käufer nicht an Nacherfüllungsverlangen gebunden; arg.: § 281 IV e contrario:<br />
Übergang von Schadensersatz zur Nacherfüllung ausgeschlossen (BGH NJW <strong>20</strong>06, 1198 Tz.<br />
18; Medicus/Petersen, BR, Rn. 283).<br />
4. Schadensersatz, § 437 Nr. 3 Fall 1<br />
a) Schadensersatz neben der Leistung (§§ 437 Nr. 3, 280 I)<br />
aa) Schuldverhältnis (= Kaufvertrag)<br />
bb) Lieferung einer mangelhaften Sache.<br />
cc) Vertretenmüssen: wird gem. § 280 I 2 vermutet.<br />
dd) Schaden<br />
Verkäufer, der die Ware eines Herstellers lediglich vertreibt, hat die mangelhafte<br />
Lieferung regelmäßig nicht zu vertreten (keine Untersuchungspflicht)<br />
Ausnahme: er ist durch Reklamationen anderer Kunden oder durch den Hersteller<br />
auf den Mangel aufmerksam geworden.<br />
Im Einzelfall auch Untersuchungspflicht beim spezialisierten Fachhandel (Medicus<br />
§ 74 Rn. 72; BGH NJW <strong>20</strong>04, 2301; <strong>20</strong>06, 1589: Importeur einer in China<br />
hergestellten Tapetenkleistermaschine ist verpflichtet, diese beim Inverkehrbringen<br />
auf ihre Verkehrsssicherheit zu untersuchen).<br />
Schaden, der durch mangelfreie Nacherfüllung nicht beseitigt wird<br />
= den der Käufer an anderen Rechtsgütern infolge des Mangels erleidet.<br />
b) Schadensersatz statt der Leistung<br />
(aa) „kleiner“ Schadensersatz, §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281<br />
Käufer behält mangelhafte Sache und macht als Schadensersatz die Wertdifferenz zu<br />
dem vertragsgemäßen Zustand geltend.<br />
Schadensersatzanspruch ähnelt Minderung; im Unterschied zu dieser kann Käufer aber<br />
auch Reparaturkosten und sonstige Vermögensschäden, die auf dem Mangel beruhen<br />
(zB entgangenen Gewinn), geltend machen.<br />
Ferner Ähnlichkeit mit Surrogationstheorie im allg. Leistungsstörungsrecht (§§ 281,<br />
283).<br />
10
Bsp.: K kauft Auto mit Getriebeschaden; Kaufpreis 10.000.-; Wert in mangelfreiem<br />
Zustand (12.000.- /Weiterverkauf); wegen Getriebeschadens tatsächlicher Wert 7.000.-<br />
„Kleiner“ Schadensersatz: K behält Auto und erhält von V 5.000.-<br />
(bb) „großer“ Schadensersatz (Schadensersatz statt der ganzen Leistung), §§ 437 Nr. 3,<br />
280 I, III, 281 I 3<br />
Käufer gibt mangelhafte Sache zurück und verlangt das volle Erfüllungsinteresse in<br />
Geld (Rückzahlung des Kaufpreises, entgangener Gewinn).<br />
Schadensersatzanspruch ähnelt Rücktritt (genauer: Kombination von Rücktritt und<br />
Schadensersatz), im allg. Leistungsstörungsrecht der Differenztheorie (Kombination<br />
zulässig wegen § 325).<br />
Bsp. (wie zuvor): K erhält Kaufpreis (10.000.-) zurück und zusätzlich <strong>20</strong>00.- = Gewinn<br />
aus Weiterverkauf<br />
5. Aufwendungsersatz, §§ 437 Nr. 3, 284<br />
Alternativ (nicht kumulativ!) zum Schadensersatz kann der Käufer auch<br />
Aufwendungsersatz geltend machen (arg.: „anstelle …“).<br />
Voraussetzungen: wie Schadensersatzanspruch<br />
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