AKADEMIE -REPORT - Akademie für Politische Bildung Tutzing
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Aber seit ungefähr 30 Jahren<br />
kehrt die Armut zurück – nicht<br />
nur, aber auch in Deutschland.<br />
Durchaus zutreffend spricht man von<br />
neuer Armut, denn sie betrifft besonders<br />
Familien mit Kindern, während<br />
vorher Rentnerinnen und Rentner<br />
am stärksten belastet waren. Dass<br />
in Deutschland die Arbeitslosigkeit<br />
ein zentraler Faktor <strong>für</strong> diese Entwicklung<br />
ist, kann kaum überraschen. Neue<br />
Ergebnisse der Armutsforschung<br />
weisen aber auf eine<br />
wachsende Armutsbelastung<br />
bei gleichzeitiger Vollzeitbeschäftigung<br />
hin (working<br />
poor). Generell sind<br />
Migranten überproportional<br />
betroffen, auch beim bereits<br />
erkennbaren Wiederanstieg<br />
der Altersarmut.<br />
Zehn Prozent<br />
Arme<br />
Armutsstudien kommen zu<br />
unterschiedlichen Ergebnissen<br />
– je nach Armutsdefinition,<br />
Schwellenwerten, Erhebungsmethoden<br />
und aktuellen<br />
politischen Einflüssen<br />
wie Kindergelderhöhungen.<br />
Für Deutschland wurden <strong>für</strong><br />
die 1990er Jahre bei Kindern<br />
Armutsbelastungen<br />
zwischen sechs bis acht Prozent<br />
ermittelt, die heutigen<br />
Werte liegen laut DJI-Studien<br />
bereits über zehn Prozent.<br />
Überall da, wo in den letzten<br />
Jahren die auffälligsten<br />
24<br />
Arbeitslos + kinderreich = arm<br />
Dimensionen der Kinderarmut in Deutschland<br />
„Kinderarmut in Deutschland – versagt der Wohlfahrtsstaat?“ Mit<br />
dieser Frage setzte sich zu Beginn der Tagung Gerhard Beisenherz<br />
vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München auseinander. Der<br />
Wohlfahrtsstaat des 20. Jahrhunderts ist <strong>für</strong> ihn eine der wirksamsten<br />
Einrichtungen, dem in allen Epochen gegenwärtigen Phänomen<br />
Armut zu begegnen. Mit einem Netz vor allem finanzieller Sicherungen<br />
erreichte er ein hohes Maß an Armutsvorsorge. Für akute<br />
Notfälle gab es zusätzlich das System der Sozialhilfe.<br />
Verschlechterungen bei der Kinderarmut<br />
zu registrieren waren – nämlich<br />
neben Deutschland in Italien, Ungarn<br />
und Mexiko – sind die sinkenden Löhne<br />
der Väter und noch mehr der Mütter<br />
dieser Kinder und der fehlende Ausgleich<br />
durch staatliche Sozialtransfers<br />
der Hauptgrund gewesen (UNESCO-<br />
Studie von 2005 über zwölf OECD-<br />
Länder). England hat Erfolge erzielt bei<br />
der Zurückdrängung von Kinderarmut<br />
durch mehr Erwerbstätigkeit der Mütter<br />
und die Subventionierung von<br />
Niedriglöhnen. Dasselbe gilt auch <strong>für</strong><br />
die USA, aber die dort in neueren Studien<br />
beobachteten negativen Folgen in<br />
der individuellen Entwicklung der<br />
Kinder (<strong>Bildung</strong>, Verhalten) konnte<br />
man in England vermeiden, weil der<br />
Staat parallel in <strong>Bildung</strong> und Betreuung<br />
investiert hat.Versagen ja oder<br />
nein? Man muss sehen, so Beisenherz,<br />
dass der moderne Wohlfahrtsstaat<br />
nicht <strong>für</strong> alle Wohlstand garantieren<br />
kann. Das Hauptrisiko ist heute nicht<br />
mehr der Erhalt der persönlichen Arbeitsfähigkeit,<br />
sondern ob man eine<br />
Stelle findet. Für dies Problem aber<br />
hat der klassische Wohlfahrtsstaat keine<br />
Instrumente.<br />
Für die Lebenssituation der Kinder ist<br />
das kommunale Umfeld von großer<br />
Bedeutung. Je stärker Armut sich in<br />
Mehr als verdoppelt<br />
In Deutschland gibt es verhältnismäßig viele Kinder, die auf Sozialhilfe angewiesen<br />
sind. Von den 2,76 Millionen Sozialhilfeempfängern am Jahresende 2002 waren<br />
über eine Million jünger als 18 Jahre, 50 Jahre und älter waren 516 000. Kinder<br />
haben ein größeres Risiko als andere Bevölkerungsgruppen, zu „Sozialfällen“ zu<br />
werden. (Statistische Angaben: Statistisches Bundesamt)<br />
�<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2007