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AKADEMIE -REPORT - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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Sicherheit – ein deutsches Grundbedürfnis?<br />

Krieg, Wirtschaftskrisen,<br />

Ausgrenzung bedrohen<br />

den Menschen. Er kann<br />

sein Leben verlieren, sein Hab<br />

und Gut, die Achtung anderer.<br />

Er trifft Vorkehrungen, damit all<br />

dies nicht eintritt. Auch das Handeln<br />

von Staaten lässt sich in<br />

diesen Kategorien beschreiben.<br />

Suche nach Sicherheit – eine anthropologische<br />

Konstante. Von<br />

einem „deutschen Grundbedürfnis“<br />

spricht man, weil durch die<br />

historischen Erfahrungen des<br />

vergangenen Jahrhunderts –<br />

Wolfgang Krieger (Universität Marburg)<br />

ging der Frage nach, ob das Sicherheitsbedürfnis<br />

der Deutschen in<br />

besonderem Maße ausgeprägt ist. Er<br />

erinnerte an das „Trauma der extremen<br />

Schutzlosigkeit“, das in der Zeit nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland<br />

herrschte. Das Vertrauen der Menschen<br />

in einen sicheren Staat ohne Diktatur<br />

sei in dieser Zeit zerstört gewesen.<br />

Dieses allgemeine Gefühl der Unsicherheit<br />

habe schließlich mit zu der<br />

umfangreichen Sozialgesetzgebung in<br />

der Adenauerzeit beigetragen. Der Referent<br />

rief den Tagungsteilnehmern<br />

weitere Katastrophen der Nachkriegszeit<br />

ins Gedächtnis, wie zum Beispiel<br />

die Hamburger Flutkatastrophe 1962,<br />

den Contergan-Skandal, die Bedrohung<br />

durch die Berlin-Blockade und<br />

schließlich die Rote Armee Fraktion.<br />

Diese Ereignisse verunsicherten die<br />

Deutschen tief und bestärkten sie in ihrem<br />

Sicherheitsstreben.<br />

„Pionierstaat der<br />

Sozialgesetzgebung“<br />

Die Sozialstaatlichkeit der Nachkriegszeit<br />

habe auf einer langen deutschen<br />

Tradition aufgebaut, wie Manfred G.<br />

Schmidt referierte. Eine jahrhundertealte,<br />

tief in der Gesellschaft verwurzelte<br />

Herrschaftstradition, der die Verantwortung<br />

des Herren gegenüber seinem<br />

Knecht zugrunde lag, habe<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2007<br />

zwei Weltkriege, moralische<br />

Verunsicherung, Hyperinflation,<br />

Weltwirtschaftskrise, Teilung<br />

und spätere Wiedervereinigung –<br />

das Streben nach Sicherheit in<br />

besonderer Weise das Denken der<br />

Deutschen prägte und noch immer<br />

prägt. Wie genau, das wurde<br />

bei der Tagung unter Leitung<br />

von Jürgen Weber und Karl-<br />

Heinz Willenborg beleuchtet, auf<br />

der Ebene der Individuen mit den<br />

Ergebnissen der demoskopischen<br />

Forschung, beim staatlichen<br />

Handeln mit Analysen zu wichti-<br />

Wolfgang Krieger: Allgemeines<br />

Gefühl der Unsicherheit.<br />

Foto: Willenborg<br />

Deutschland bereits im 19. Jahrhundert<br />

zum „Pionierstaat der Sozialgesetzgebung“<br />

werden lassen. Die Bismarcksche<br />

Sozialpolitik sollte negativen Folgen<br />

der zunehmenden Industrialisierung<br />

und Verstädterung entgegenwirken<br />

und die Arbeiterschaft an den monarchischen<br />

Staat binden. Neben dieser<br />

Tradition – so machte Schmidt deutlich<br />

– stellte später das demokratische<br />

System einen idealen Nährboden <strong>für</strong><br />

den Ausbau der Sozialstaatlichkeit dar.<br />

Durch das allgemeine Wahlrecht sei es<br />

nun auch der großen Masse der finanziell<br />

schlechter Gestellten, die im besonderen<br />

Maße vom Sozialstaat profi-<br />

gen Politikbereichen, von denen<br />

in der gegenwärtigen Diskussion<br />

die Entwicklung des Sozialstaats<br />

eine herausragende Rolle<br />

spielt. Die kardinalen Herausforderungen<br />

des Sicherheitsstrebens<br />

heute lauten darüber hinaus<br />

Globalisierung und internationaler<br />

Terrorismus. Die Frage,<br />

wie die innere Spannung von<br />

Sicherheit und Freiheit angesichts<br />

dieser Gefährdungen im<br />

Rechtsstaat ausbalanciert werden<br />

kann, wurde ebenfalls thematisiert.<br />

tieren, möglich, Einfluss auf die Gesetzgebung<br />

zu nehmen. Dies zeige sich<br />

deutlich daran, dass die zwei großen<br />

deutschen Sozialstaatsparteien – die<br />

CDU/CSU und die SPD – bei ihren<br />

Wahlkämpfen besonders mit sozialen<br />

Themen versuchten, Wählerstimmen<br />

<strong>für</strong> sich zu gewinnen.<br />

Manfred G. Schmidt: Sanierung des<br />

Sozialsystems schwer umzusetzen.<br />

Foto: Schwarzer<br />

Jedoch sei der <strong>für</strong> den deutschen Bundesstaat<br />

typische Dauerwahlkampf <strong>für</strong><br />

den Staat auch ein Problem, weil so<br />

eine „Sanierung“ des Sozialsystems<br />

nur schwer umzusetzen sei. Daneben<br />

hänge der Sozialstaat von sozioökonomischen<br />

Wirkkräften ab. „Wirtschaftlich<br />

begünstigt durch die enor-<br />

�<br />

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