AKADEMIE -REPORT - Akademie für Politische Bildung Tutzing
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Europatag der Schulen:<br />
„Europa ist eine Erfolgsgeschichte“<br />
Politiker stellen europäische Idee nicht grundsätzlich in Frage<br />
„Bayern braucht Europa – Europa braucht Bayern“ lautete das<br />
Thema einer Podiumsdiskussion anlässlich des Europatages der<br />
bayerischen Schulen. Moderiert von <strong>Akademie</strong>direktor Heinrich<br />
Oberreuter diskutierten Staatsminister a.D. Reinhold Bocklet (CSU,<br />
MdL), Vorsitzender der Internationalen Kommission seiner Partei<br />
und Mitglied des Landtagsausschusses <strong>für</strong> Bundes- und Europaangelegenheiten,<br />
Peter Paul Gantzer (SPD, MdL), Vizepräsident des<br />
Bayerischen Landtages und Martin Runge (B 90/Die Grünen, MdL),<br />
wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion.<br />
110 Lehrer und Gymnasiasten aus der<br />
Umgebung waren gekommen und folgten<br />
hochkonzentriert dem Diskussionsgegenstand:<br />
Bayerns Brückenfunktion<br />
in Europa und die bayerische Selbstbehauptung,<br />
unser Bild von Europa<br />
und was wir daran verbessern können,<br />
außerdem Fragen nach den Bedingungen<br />
<strong>für</strong> eine europäische Erziehung<br />
und nach wirtschaftlichen Vorteilen der<br />
Regionen durch die EU.<br />
Heinrich Oberreuter eröffnete die Diskussion<br />
mit einem kurzen Abriss über<br />
das Entstehen des vereinten Europa.<br />
Die ältere Generation hatte den Übergang<br />
vom Krieg zum Frieden, den<br />
Wiederaufbau, die wirtschaftliche Kooperation<br />
der ehemaligen Kriegsgegner<br />
sowie die schrittweise politische<br />
Einigung hautnah miterlebt. Das heutige<br />
Problem Europas bestehe darin,<br />
dass die junge Generation Europa und<br />
die Kritik daran als etwa Selbstverständliches<br />
erlebe und ihr der Vergleichsmaßstab<br />
fehle.<br />
Ziele neu definieren<br />
Bayern sei in Europa angekommen und<br />
Europa sei es zu verdanken, so Peter<br />
Paul Gantzer, dass die ehemaligen<br />
Feinde in Ost und West zusammengefunden<br />
haben. Nach Meinung von<br />
Reinhold Bocklet seien die Ziele der<br />
vor 50 Jahren gegründeten EWG, die<br />
Schaffung eines vereinten Europa,<br />
durch die Historie erfüllt worden: „Die<br />
Idee Europa ist eine Erfolgsgeschichte“,<br />
sagte Bocklet und darüber herrschte<br />
„Konsens auf dem schwarz-rot-grü-<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2007<br />
nen Podium“, stellte Oberreuter fest.<br />
Bocklet weiter: „Aber die europäischen<br />
Ziele müssen neu festgelegt werden“.<br />
Europa müsse in Zukunft mehr politisch<br />
und nicht nur wirtschaftlich definiert<br />
werden, bestätigte Runge. Bocklet<br />
sprach sich gegen eine europäische<br />
Verfassung und <strong>für</strong> einen Grundlagenvertrag<br />
der europäischen Völker aus.<br />
Gantzer widersprach an diesem Punkt:<br />
„In einem Verfassungsvertrag werden<br />
wir als europäische Bürger manifestiert“.<br />
Anderseits wolle er nicht, „dass<br />
in Brüssel Angelegenheiten geregelt<br />
werden, die man auch in bayerischer<br />
Kommunalpolitik regeln könne“. Für<br />
Martin Runge hingegen ist ausschlaggebend,<br />
die Bürger Europas mitzunehmen<br />
und die Institutionen zu stärken,<br />
dann erst solle man sich Gedanken über<br />
die Staatlichkeit Europas machen.<br />
Dynamischer Prozess<br />
Gerade die Jugend könne sich heute<br />
kaum noch vorstellen, dass es den Euro<br />
einmal nicht gab, meinte Gantzer, und<br />
noch vorhandene demokratisch-rechtsstaatliche<br />
Defizite dürften das Festhalten<br />
an der europäischen Idee nicht<br />
grundsätzlich in Frage stellen. Als<br />
derzeit „leider nicht besonders populär“<br />
bezeichnete Runge die europäischen<br />
Fragestellungen. „Das liegt<br />
schon daran, dass es keine europäische<br />
Kommunikation gibt und Brüsseler<br />
Ereignisse immer mit dem nationalen<br />
Filter wahrgenommen werden“, so<br />
Bocklet. Runge sprach von einem „Dilemma“<br />
in wirtschaftspolitischer Hin-<br />
sicht, besonders beim Thema „Wirtschaftsförderung<br />
im Grenzland“. Auf<br />
der einen Seite werde die Forderung<br />
an die EU vorgetragen, sich hier zu<br />
engagieren, auf der anderen Seite einer<br />
drastischen Begrenzung des EU-<br />
Haushaltes das Wort geredet und dabei<br />
bewusst in Kauf genommen, dass sie<br />
das Aus jeglicher Regionalförderung<br />
aus EU-Mitteln <strong>für</strong> Bayern bedeuten<br />
würde.<br />
Zu dem Verhältnis von Kultur und<br />
Ökonomie meinte Peter Paul Gantzer,<br />
dass die Wirtschaft schon immer als<br />
Motor, auch <strong>für</strong> die Einigung, ausschlaggebend<br />
war. Dennoch, so Runge,<br />
müssen die gemeinsamen Werte<br />
und die europäische Identität der Bevölkerung<br />
auch hervorgehoben werden.<br />
Für Bocklet hingegen sind gerade<br />
die kulturellen Unterschiede innerhalb<br />
der Europäischen Union ein<br />
Merkmal Europas.<br />
Bocklet vermisste einerseits bei den<br />
politischen Eliten die Leidenschaft <strong>für</strong><br />
den Europagedanken, verwahrte sich<br />
andererseits aber gegen die häufige<br />
Verwechslung Europas mit einem<br />
Staat und forderte eine intensivere Einbindung<br />
des Deutschen Bundestags in<br />
den europäischen Gesetzgebungsprozess.<br />
Die europäische Ordnung müsse<br />
von den Bürgern und den Nationen<br />
legitimiert werden, anderenfalls scheitere<br />
das Projekt Europa. Oberreuter<br />
forderte, die Politiker müssten den<br />
Bürgern das Ziel eines vereinten Europas<br />
darlegen und die demokratischen<br />
und rechtsstaatlichen Defizite<br />
beseitigen.<br />
Dass „Europa“ ein dynamischer Prozess<br />
ist, viel schon erreicht und noch<br />
mehr zu gestalten ist, nahmen die<br />
Schüler von diesem Projekt zum Europatag<br />
mit nach Hause. �<br />
Karin Siebert/Daniel Arnold<br />
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