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"(...) niem<strong>als</strong> haben selbst ägyptische Hieroglyphen unsere gelehrten Antiquare so erregt, wie seit einiger<br />

Zeit sich Maler und Bildhauer über diesen einfachen Strich hermachten. Sie kamen zu mir, um mich die<br />

Bedeutung erläutern zu lassen und wie ich ihnen nun meine Vorstellung mitteilte, konnten sie sich nicht<br />

enthalten, mir zu sagen, daß sie dies alles schon wüssten (...)".<br />

Ein zweites Mal verwandte Hogarth eine vollständigere Illustration zur gleichen Lomazzo-Stelle 1753 für das<br />

Titelemblem der ersten Ausgabe seiner »Analysis of Beauty« und gab damit diesem Bilde ein<br />

unübersehbares Gewicht. Mit der Schönheitslinie bezeichnete er die Leitidee seines ganzen Buches, von der<br />

er im Vorwort schreibt, daß sie "(...) mir in meiner Vorstellung lediglich <strong>als</strong> Teil eines Systems erschien." 24<br />

Diese Idee wird an figürlichen Darstellungen erläutert, die auf zwei großen Kupferstichtafeln seinem Buch<br />

beigebunden sind. Der Bezug auf die vorausgehenden Anleitungsbücher für junge Künstler französischer<br />

und italienischer Herkunft ist unübersehbar und problemlos, die Rezeption auch der Lomazzo nachfolgenden<br />

Interpretation des Zusammenhanges zwischen antiker Plastik, dem Kontrapost und der idealen<br />

Kompositionsform seit Michelangelos Zeiten. Hogarth verweist in der Einleitung auf die Stelle in Lomazzos<br />

Buch. Dennoch ist deutlich, daß die Schönheitslinie eine andere Funktion eingenommen hat.<br />

Steht sein Kommentar zu Lomazzo auch in einem Kunsttheorie-Lehrbuch, so nimmt er zumindest an dieser<br />

Stelle keinen Bezug auf einzelne Kunstwerke. Seine Erläuterung umfaßt einen anderen Kanon sinnlich<br />

erfahrbarer Welt, der eine andere Art von ästhetischer Besonderheit für die Augen des Menschen an den<br />

Oberflächen seiner Erscheinung bezeichnet. Von dort kann er seinen Ausgang nehmen, um dem Künstler<br />

die Idee des Schönen zu vermitteln.<br />

Hogarth verfährt ganz anders. Natürliche Erscheinungsformen spielen bei seiner Erläuterung der<br />

Schönheitslinie eine scheinbar untergeordnete Rolle. Zwar kommen auf seiner zweiten Tafel Pflanzen vor:<br />

eine Blüte der Feuerlilie und die eines Alpenveilchens. Aber schon die wenigen menschlichen Köpfe sind<br />

Zitate. Erst recht aber alle übrigen Gebilde. Sie sind Produkte und damit interpretierte Formen, von<br />

Menschen geschaffene Vorstellungen schöner Gestaltung. Deshalb ist einsichtig, aus welchem Grunde er im<br />

Mittelteil der Tafel auf Darstellungen ägyptischer Kunst, klassischer Antike und der Neuzeit eingeht. Diesen<br />

Formen, die jeweils in unterschiedlichem Grade seiner Forderung nach ästhetisch gelungener Gestaltung<br />

entsprechen, verweisen nun jeweils auf einen Lebenszusammenhang, der das außerkünstlerische<br />

Vorkommen der dargestellten Skulpturen, Geräte, Bücher, Abbildungen und Personen mit in den Blick<br />

nehmen. Die einzelnen Formen stehen für das Insgesamt der je von Menschen hergestellten Kunstwerke,<br />

d.h. die Tafel ist auch ein geschichtliches Kompendium. Dabei nehmen die kanonischen Exempel von<br />

antiken Statuen einen vorrangigen Platz ein. Die Tafel ist zudem eine Paraphrase auf den Garten des Clitos,<br />

des Freundes Sokrates, wie uns Xenophon in seinen Memorabilia (III.8 u. 10) überliefert. Sokrates erklärte<br />

ihm am Beispiel des Mörteltrogs eines Maurers und des Dungkorbes, daß auch diese ihre Schönheit<br />

haben. 25

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