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Ausdruck der menschlichen Lebendigkeit. Bewegung und Lebendigkeit dürften hier <strong>als</strong> synonym verwendet<br />
aufgefaßt werden, und der Autor zeigt durch sein un non sò che an, daß ihm diese Verbindung keineswegs<br />
selbstverständlich und geläufig ist, wenn er hier auch an das französische je ne sais quoi des Descartes<br />
anknüpft, der in seinen »Règles« von 1628 schrieb:<br />
"Der menschliche Geist besitzt in der Tat etwas ich-weiß-nicht-wie Göttliches, worin die ersten Samen<br />
nützlicher Gedanken eingestreut sind, die, so sehr sie auch durch gegenteilige Studien vernachlässigt und<br />
erstickt sein mögen, dennoch auf spontane Weise Früchte hervorbringen." 6<br />
Die Stelle aber, die ihn zu diesem Kommentar veranlaßte, ist indes wohlbekannt, bekannter noch der in ihm<br />
angeschnittene kunstgeschichtliche Tatbestand: die Rede ist dort von dem seit Michelangelos Ausspruch<br />
strapazierten Terminus der figura serpentinata 7 , der wohl zu allererst von Lomazzo (1584) kolportiert, den<br />
neuzeitlichen Interpreten des Manierismus ein zum Schlagwort degradiertes Instrument ihrer<br />
chronologischen Klassifikationsraster abgegeben hat. Zwischen der Doni-Madonna des Michelangelo und<br />
dem Merkur des Giovanni da Bologna ist das allgemeine Stilideal der Darstellung menschlicher Figuren, das<br />
der Manierismus <strong>als</strong> Lehrformel nutzte, lokalisierbar geworden:<br />
"Darunter versteht man eine irrational proportionierte menschliche Figur, die S-förmig bewegt ist (...). In<br />
diesem anaturalistischen, künstlich erdachten Figurenideal wurde die regelhafte Proportionslehre der<br />
Renaissance (...) außer Kraft gesetzt ". In diesem Ideal "lebt etwas Neumittelalterliches, der Säulenfigur der<br />
gotischen Kathedralen Vergleichbares, in veränderter Form auf (...). Um im Jahrhundert des einbrechenden<br />
Naturalismus ihre innere Schau vor der platten Wirklichkeit zu retten, wandten die Manieristen die<br />
idealistische 'figura serpentinata' mit besonderem Eifer und Vorliebe an." 8<br />
Lomazzos Ausführungen werden <strong>als</strong> "sehr anfechtbar" eingeschätzt, ihm aber zugebilligt, daß er mit diesem<br />
"Ausdruck sehr richtig eine Tendenz des manieristischen Stiles vor Augen" führe. 9<br />
Gelegentlich wurde auch darauf hingewiesen, daß hier eine "antikisierende Formgebung" im Spiele sei, die<br />
"zu einer Steigerung der eigenen Körperlichkeit" beitrug und in den Kompositionen "eine vitale Körperlichkeit,<br />
Bewegung und die Raumerschließung" mitten in der Hochrenaissance hervorbrachte. 10 Arnold Hauser<br />
konstatierte: "Die Kontorsion der Figuren erzeugte eine starke Kontrapostwirkung und wird zum Musterbild<br />
der figura serpentinata, der Grundformel von Michelangelos Figurenzeichnungen, die in der Medici Madonna<br />
und dem Sieger weiter entwickelt und in der Jungfrau des Jüngsten Gerichts auf die Spitze getrieben<br />
erscheint." 11<br />
Was aber hat denn nun Paolo G. Lomazzo wirklich geschrieben?<br />
"Man berichtet, daß Michelangelo eines Tages seinem Schüler, dem Maler Marco aus Siena folgenden<br />
Ratschlag gegeben habe: er solle immer die Figuren in Form einer Pyramide machen, serpentinata,