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orientiert, <strong>als</strong>o jeden sinnlichen Eindruck <strong>als</strong> durch Zeichen vermittelt, nur <strong>als</strong> eine Relation beurteilt und<br />
andererseits das in immer neuen Wendungen mit dem Blick auf je unterschiedlich sinnfällige Produkte der<br />
Natur und der Kultur seiner Zeit ausführt. Insofern sind alle seine mitgeteilten Beobachtungen Urteile im<br />
kantischen Sinne und gehen über den einfachen Tatbestand der Sinnesaffektion entschieden hinaus. Darin<br />
liegt die Funktion, das Kondensat der figura serpentinata, die er in ihrer abstrakten Form <strong>als</strong> Titelemblem für<br />
die Ausgabe seines Werkes verwendet hat. Dies ist gleichsam der unproblematische Teil seiner Analyse der<br />
Schönheit. Problematisch dahingegen ist gerade dasjenige, was er aus diesem Schema macht, der Prozeß<br />
seiner Deutungen und derjenigen Gegenstandsbereiche, die er zu den ästhetischen Objekten oder<br />
Objektaspekten seiner Umwelt erklärt. Er hat keinen allgemeingültigen Begriff für dasjenige zur Hand, was<br />
hinreichend die einfache, positive, unmittelbare Qualität der Totalität aller von ihm beobachteten<br />
Ähnlichkeiten umfaßt. Sie erscheinen den Lesern der damaligen Zeit und auch uns noch völlig disparat und<br />
dissonant <strong>als</strong> pure subjektivistische Anmutungen zufälliger Empfindungen zusammengetragen. Das formale<br />
Element, auf das er sie immer wieder zu beziehen sucht, eben die figura serpentinata ist der Tradition ihrer<br />
Deutung nach <strong>als</strong> Modell für die Darstellung von bewegten Gestalten emotional oder mechanisch bewegt<br />
vorfindlich gewesen, bei Dürer zunächst nur <strong>als</strong> eine regelmäßige geometrische Figur aufgefaßt worden.<br />
Aber nicht nur der eher zufällige Vergleich mit dem Dufresnoy Kommentar des Oliverius, sondern der<br />
Versuch, das durch die figura serpentinata, die Schönheitslinie Hogarth', in wechselseitige Relationen<br />
gebrachte Ensemble einer Fülle scheinbar völlig disparater Sinneseindrücke, erlaubt es uns im Nachhinein<br />
diese insgesamt in einer begrifflichen Einheit zu erfassen, deren ästhetischer Qualität Hogarth offenkundig<br />
auf der Spur gewesen ist. Dies unterscheidet sein Buch ganz entschieden von allen vergleichbaren Texten<br />
der voraufliegenden Kunsttheorie, vor allem derjenigen des französischen 17. Jahrhunderts. Er verläßt die<br />
vorgegebene Hierarchie der exemplarischen Gegenstände der ästhetischen Diskussion, indem er die<br />
klassischen Vorbilder antike Skulptur und die Malerei der Renaissance <strong>als</strong> Sonderfälle in einem weiten<br />
Spektrum natürlicher und künstlicher Handlungen und Gegenstände auffaßt. Dieser Bestand - dazu sind die<br />
im Text angeführten Beispiele ebenso zu rechnen, wie seine graphischen und malerischen Produkte -<br />
konstatiert aber nun nicht eine beliebige Menge je getrennter Objekte, die über die Natur und kulturellen<br />
Produkte in einem statischen Raum verteilt bleiben, sondern er etabliert zwischen ihnen eine Hierarchie, die<br />
am unterschiedlichen Vorschein und dem Werden und Vergehen einer ästhetischen Qualität orientiert bleibt.<br />
Damit wird für uns überhaupt erst erkennbar, daß Hogarth nicht nur einen in der Abstraktion angesiedelten<br />
Prozeß beschreibt, sondern den des organischen Lebens, den er bis in die Stufe der höchsten Entfaltung <strong>als</strong><br />
das ästhetisch Vollendete auszuweisen versucht. Die graduell unterscheidbare Teilhaftigkeit an diesem<br />
ästhetischen Optimum ist offenkundig dasjenige Allgemeine, das ihm schließlich die Einordnung seiner<br />
Eindrücke in Relation zur Schönheitslinie ermöglicht.<br />
Hogarth führt an keiner Stelle an, ob er diese ästhetische Qualität auch nur bruchstückhaft an sich oder in<br />
sich selber verwirklicht sieht. Das würde schon die akzeptierte Bescheidenheit <strong>als</strong> Autor nicht zulassen, noch<br />
viel weniger konnte er aus dem überkommenen Dualismus von erkennendem Subjekt und zu erkennendem