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Klinke der Haustür in der Hand hatte, zog ich an der Spindelschnur. Die<br />

Spatzenmutter flog erschrocken auf und die angebrüteten Spatzeneier fielen<br />

ihre alle auf ihre schönen blonden Haare und die Spatzenmutter flatterte erregt<br />

davon. Sofort schrie sie im Frankfurter Dialekt lauthals los:<br />

„Diese die blöden Spatzen hier in dem blöden Nest. Nun sind meine Haare<br />

ganz schmutzig.“<br />

Weil sie zu laut geschrienen hatte, kamen schnell ein paar Leute herbeigelaufen<br />

und sie amüsierten sich köstlich über ihr Missgeschick. Dadurch hatte meine<br />

Mutter die Sache mitbekommen und energisch sagte sie dazu:<br />

„Jetzt reicht es aber! Die hat jetzt genug abbekommen. Wenn dich der Lortz<br />

erwischt, schlägt er dich windelweich."<br />

„Ha, ha! Aber nur, wenn er mich erwischt. Außerdem soll die Blonde<br />

demnächst auch noch geduscht werden. Wir wissen nur noch nicht genau, wie<br />

wir es machen."<br />

„Du wehe! Lasst das! Ich warne dich."<br />

Meine Großmutter kochte wie immer auf ihren alten schwarzen gusseisernen<br />

Herd in ihrer Wohnküche, aber nur auf diesem Herd konnten wir Kinder uns<br />

Kartoffelditscher braten und sogar Bonbons aus Marmeladeklecksen<br />

anfertigen. Diese Marmeladebonbons waren hart wie Stein und man konnte<br />

sich daran die Zähne ausbeißen. Auf dem gepflegten und immer hoch<br />

glänzenden Küpersbusch-Küchenherd meiner Mutter durften wir so etwas nie<br />

machen.<br />

Diesmal war aber Frau Lortz viel schneller als unsere Großmutter. Sie war<br />

jedoch so egoistisch und legte keine Kohlen nach. Sie wusste aber, dass<br />

Großmutter auch noch kochen wollte. Aber als Großmutter anfangen wollte zu<br />

kochen, war der Herd schon wieder kalt und sie musste erneut das Feuer<br />

anzünden. So etwas ist zwischen Hausfrauen, die sich einen Herd teilen<br />

müssen, offensichtlich höchst unverzeihlich. Deshalb forderte Großmutter<br />

stehenden Fußes die Frau Lortz sofort zu einem Gespräch heraus:<br />

„Du hast das Feuer im Herd ausgehen lassen. Warum?"<br />

„Ich brauchte es nicht mehr. In Frankfurt habe ich nur elektrisch gekocht und<br />

jetzt mache ich mir an der Kohle keine schmutzigen Finger."<br />

Das aber brachte Großvater, der alle mitgehört hatte, aber in heftige Erregung<br />

über seine Schwester.<br />

„Dann wärst du dumme, arrogante Nuss doch in Frankfurt geblieben! Du<br />

kannst auch sofort wieder abreisen nach Frankfurt. Dort kannst du auch<br />

weiterhin elektrisch kochen. Aber hier müssen wir miteinander auskommen<br />

und das geht nur, wenn eine auf die andere Rücksicht nimmt."<br />

Lotz schrie aus Großvaters Wohnzimmer zurück:<br />

„Meine Frau ist aber keine dumme Nuss! Außerdem haben wir die gleichen<br />

Rechte wie ihr. Sonst beschwere ich mich auf der Gemeinde.“<br />

Großvater wusste es offenbar viel besser:<br />

„Die, die war doch schon immer eine dumme Nuss. Das weiß ich viel besser<br />

als du. Die kenne ich nämlich schon viel länger. Aber das mit dem gleichen<br />

Recht, dass hast du sehr gut gesagt und das musst du deiner dummen Nuss<br />

auch noch einmal erklären. Aber Rechte sind auch immer Pflichten! Merk dir<br />

das! Der Bürgermeister kann dir das auch noch einmal erklären. Geh nur hin!“<br />

Lortz besaß zwei große, fast riesige Schrankkoffer Diese standen in Großvaters<br />

Werkstatt herum, weil sie nicht mehr in die Wohnstube hinein passten. In dem<br />

einen Schrankkoffer waren nur Indianerklamotten und der Lotz hatte mir<br />

meine Neugierde auch angesehen. Aber diese Koffer standen meist im Wege,<br />

wenn Großvater etwas reparieren wollte. Wie oft Großvater gegen diese<br />

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