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„Ach ja! Ich weiß es. Aber, ich weiß auch, dass deine Mami euch beide sehr<br />

lieb hat und sie hat mir die Geschichte auch erzählt und es sehr bereut. Weißt<br />

du, was am besten ist? Du vergisst es ganz einfach und gibst deiner Mami ein<br />

Küsschen, dann kriegst du sogar noch eins zurück."<br />

Wir waren damals immer voller Angst, denn wir wurden wirklich zu blinden<br />

Gefolgsleuten von Adolf Hitler erzogen und sollten immer bereit sein, seine<br />

Befehle zu befolgen und große Angst davor haben, es nicht zu tun. Weil das<br />

sehr hart bestraft wird.<br />

Meine Mutter kontrollierte auch stets streng meine Hausaufgaben. Sie achtete<br />

besonders genau darauf, dass ich sauber und schön geschrieben hatte.<br />

Manchmal hörte ich draußen schon Lothar pfeifen, aber ich musste alles noch<br />

einmal und noch schöner schreiben. Mutter ermahnte mich immer:<br />

„Mein Schatz! Pass bitte in der Schule gut auf. Ihr lernt heute in der Schule<br />

Dinge, von denen ich noch nie etwas gehört habe und dann kann ich dir auch<br />

nicht mehr helfen. Aber du könntest es mir erklären, was ihr gelernt habt."<br />

Das habe ich auch immer getan. Aber das mehr oder weniger erzwungene<br />

Schönschreiben hat mir nie gefallen. Aber später hat es mir dazu verholfen,<br />

Schriften gut zeichnen und malen zu können. Aber ich bin dann doch dahinter<br />

gekommen. Meine Mutter war nur dann streng, wenn sie sich selbst nicht ganz<br />

sicher fühlte und auch nicht genau wusste, wie man es besser machen kann. Ich<br />

entdeckte nämlich, dass sie meine Fehler trotz meiner Schönschrift übersehen<br />

hatte.<br />

Das Bild von Adolf Hitler<br />

hing damals in jedem Klassenzimmer und auch bei uns in der Wohnküche.<br />

Dort hing das gleiche Hitler-Bild, nur etwas kleiner. Auch unten bei Großvater<br />

hing in der Küche diese Hitlerbild. Ich begriff damals noch nicht, warum mein<br />

Großvater das Hitlerbild in seiner Küche immer als unseren Schutzheiligen<br />

bezeichnete:<br />

„Mein Junge, diese Bild ist unser Schutzheiliger, aber das verstehst du nur noch<br />

nicht richtig.“<br />

Dazu nickte Oma meist sehr nachdrücklich.<br />

„Opa! Wieso ist das Hitler-Bild dein Schutzheiliger? Das kann dich doch gar<br />

nicht beschützen? Das ist doch nur ein Bild."<br />

„Doch! Doch mein Junge! Es beschützt uns sogar sehr gut."<br />

Aber ich konnte das nicht verstehen und fragte meine Mutter:<br />

„Warum beschützt das Hitler-Bild und die Fahne meinen Opa?"<br />

„Das verstehe ich auch nicht ganz, aber ich werde deinen Opa noch einmal<br />

danach fragen."<br />

Aber ich wartete lange auf eine Antwort. Später kam ich selbst dahinter. Denn<br />

Großvater war seit seiner Jugend Mitglied in der SPD und es bestand die reale<br />

Gefahr, dass Großvater deshalb eingesperrt wird oder sogar ins das KZ kommt.<br />

Aber diese ganze schlimme Wahrheit, wurde mir erst nach 1945 deutlich, als<br />

Großvater ganz eilig zu einem kurzen Treffen mit seinen Parteigenossen ging.<br />

Wir hatten Sommerferien. Es regnete schon den zweiten Tag in Strömen und<br />

ich konnte nicht hinaus zum spielen. Aus dem vielen Regen entwickelte sich<br />

sogar ein richtiges Hochwasser und das Wasser strömte als braune und<br />

dreckige Soße durch unsere Straße hin zur Salza.<br />

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