Ein Wort zuvor
Ein Wort zuvor
Ein Wort zuvor
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Meistens brachte Bongo auch seinen Hund mit in die Schule. Er lag dann still<br />
im Klassenraum und rührte sich nicht und schlief. Selbst wenn Bongo über die<br />
Bänke tobte und laut in der Klasse herum schrie, blieb sein Hund ganz ruhig<br />
liegen, er war es eben so gewohnt. Wie viele Schulkinder diesen Hund bereits<br />
gestreichelt, betatschet, getreten und verhauen hatten, weiß ich nicht. Aber ein<br />
richtiger Hund war er nun auch nicht mehr, eher eine alte Töle. Er war schon<br />
alt und hatte eine ganz graue Schnauze und oft wurde er von uns heimlich<br />
gekniffen und getreten, statt seinem Herrchen. Wenn einer von uns zur Tafel<br />
musste, um etwas anzuschreiben, verkroch sich Bongos Töle, die sich meist ist<br />
in den letzten Winkel oder unter Bongos Stuhl<br />
verkroch. <strong>Ein</strong>mal machte uns Bongo auch darauf aufmerksam, das sein Hund<br />
immer Hunger leiden muss.<br />
„Was kann man machen, wenn jemand Hunger leidet?“<br />
„Schütze“<br />
„Ich habe auch Hunger. Damit ist ihr Hund nicht allen, Herr Becker.“<br />
„Mensch, wir hungern doch alle, damit der Krieg gewonnen wird. Heute wird<br />
niemand mehr satt. Aber hier geht es nicht um deinen Hunger, sondern um den<br />
Hunger meines Hundes. Verstehst du das wenigstens?“<br />
„Nein!“<br />
„Ganz schön verstockt! Setz dich!“<br />
„Aber in dieser Klasse gibt es ja auch noch Bauernsöhne und die könnten für<br />
meinen Hund ruhig etwas mitbringen.“<br />
„Für mich auch!“<br />
„Ich auch!“<br />
Bongo schüttelte mit dem Kopf und vielleicht begriff er, dass er das falsche<br />
Thema angeschnitten hatte.<br />
Aber dennoch brachten wir seit diesem Appell Futter für Bongos Hund mit.<br />
Manchmal lag ein vergessenes Frühstücksbrot schon lange unter der Bank, aber<br />
für Bongos Töle war es noch lange gut genug. Deshalb meldeten wir uns, auch<br />
um den Unterricht zu stören:<br />
„Herr Becker! Ich habe für ihren Hund etwas mitgebracht.“<br />
Nun durfte jeder nach vorn gehen und das Hundefutter in das seitliche Fenster<br />
legen. Aber nur diejenigen gingen nach vorm um Futter zu Spenden, die<br />
gestern und vorgestern nichts von Bongo ab bekommen hatten. Wer aber Futter<br />
abgegeben hatte, der wurde er von Bongo sehr ausdrücklich belobigt:<br />
„Gut so! Mein braver Junge. Mach weiter so. So ist es gut!"<br />
„Schön, mein liebes Mädchen. Das hast an ihn gedacht. Du hast ein gutes<br />
Herz!"<br />
„Das hast du gut getan, mein bestes Stück."<br />
„Na, na, na? Oh? Da bin ich aber gespannt, ob er das frist. Weil es von dir<br />
kommt. Aber es ist schon gut so, mein braver Junge. Morgen hat er aber schon<br />
wieder Hunger. Denke daran!“<br />
Mit diesem Lob gingen wir die Brust heraus gestreckt zu unsere Bank zurück<br />
und wiederholten laut und deutlich hörbar für alle das soeben von Bongo<br />
empfangene Lob und machten darüber unsere Witze. Als der dicke Richt auch<br />
einmal einen Obolus nach vorn gebracht hatte und zu seiner Bank zurückkam,<br />
sagte er sehr neiderfüllt:<br />
"Der frist doch das bestimmt alles selbst."<br />
Wir hätten uns vor Lachen zerreißen können und Bongo wollte unbedingt<br />
wissen, warum wir so schallend lachen mussten. Aber er hat es nicht<br />
herausgekriegt, weil in diesem Moment der Unterricht zu Ende war. Aber<br />
Bongos Hund war schon alt und hatte nichts zu lachen. Denn wir ihn alleine<br />
erwischten, wurde er gezwickt und getreten, aber eigentlich galt dies seinem<br />
Herrchen. <strong>Ein</strong>es Tages berichtete uns Bongo mit feuchten Augen, dass sein<br />
40