Ein Wort zuvor

„Pfui!"
Es muss wohl ein Bauernsohn gewesen sein, der schon sehr früh nur an Wurst
gewöhnt war und auf dessen Entzug er mit heftigen Attacken reagierte. Oft
tauschten wir unsere mit Marmelade oder Kunsthonig bestrichenen Schulbrote
mit den Wurstbemmen der Bauernsöhne. Der Vorteil lag auf beiden Seiten.
Wir konnten einmal in ein Wurstbrot beißen und die Bauernjungen hatten
endlich auch einmal eine Abwechslung.
In diesem Moment flüsterte mir Lothar erregt zu:
„Du Otmar! Hast du es schon gehört? Schimme hat auf die Huflattichblätter
geschifft."
Dort wo diese Tatsache bereits bekannt war, gluckste und kicherte es überall in
die Klasse.
Inzwischen hatten es alle erfahren und alle waren begeistert und Bongo fraß
ruhig mitten im Unterricht und mit sichtbarem Vergnügen die Huflattichblätter,
auf die Schimme geschifft hatte. Wir konnten uns kaum noch beherrschen. Es
war einfach zum schreien! Auf dem Schulhof erfuhr es nun auch der Rest der
ganzen Schule. Darüber lachten jetzt alle Schüler unserer Schule, vielleicht
auch die anderen Herrn nationalsozialistischen Lehrer, denn die waren
untereinander auch ganz schön schadenfroh und giftig. Auch das ganze Dorf
hat es heute noch erfahren und es lachte sich darüber halbtot, denn Bongo war
bekannt. Bongo kannten alle im Dorf und Schimme bekam von überall Beifall.
Was wir aber im Siegesjubel noch nicht wussten: Einer aus dem Dorfe hat es
Bongo zugesteckt. Die Verräter sind eben überall. Denjenigen hätten wir aber
nicht zwischen die Finger bekommen dürfen. Wir haben uns redlich bemüht,
heraus zu bekommen, wer der Verräter war, aber er blieb uns bis heute
verborgen. Auch mein Großvater betrieb Ermittlungsarbeiten und befragte
viele Leute im Dorfe, wir haben es nicht ermitteln können.
Gestern hatten wir uns halbtot gelacht über Bongo, aber heute mussten wir
wieder zu Bongo in den Unterricht.
Bongo sah im Gesicht sehr alt und aschfahl aus. Er war nervös und unruhig. Er
wusste ja genau, dass er seine Schüler öfter als notwendig mit seinem
pädagogischen Werkzeug traktiert hatte. Sein Gewissen setzte ihm nun zu und
er hatte auch längst begriffen, dass sich seine Schüler nun an ihm bitter gerächt
hatten und dies auf eine derart niederträchtige und geradezu primitive Art und
Weise. Erst sein Hund nun das! Er spürte auch das Hohngelächter seiner lieben
Kollegen und er ahnte auch, dass alle und jeder nun über ihn gelacht hatten.
Innerlich kochte Bongo vor Wut, er könnte jetzt alle und sogar sich selbst
zerreißen. So etwas war ihm in den vielen Jahren als Lehrer noch nicht passiert.
Aber und er wusste inzwischen auch, an wen er sich zu rächen hatte.
Gut! Es hätte ja für ihn noch die Möglichkeit gegeben, die Sache ganz einfach
abzutun oder selbst darüber zu lachen. Er hätte es auch als einem saudummen
Schülerstreich abtun können, aber irgendwie war er blockiert. Es war nicht sein
Tag. Vielleicht hätte er auch allen noch erzählen können, dass sie es als
ehemalige Schüler noch viel schlimmer mit ihren Lehrern getrieben hatten.
Aber er konnte das jetzt nicht mehr, denn ihm war in übelster Weise Schmach
angetan worden und dies noch von seiner eigenen Klasse und nun wollte er
sich rächen, er musste seiner Wut freien Lauf lassen. Seine Ehre war nun im
ganzen Dorf verletzt worden. Dieses blöde Dorf lachte nun auch über ihn.
Blamiert war er nun schon bis auf die Knochen vor allen und er spürte, dass
sich die Leute nach ihm umdrehten, wenn er durch das Dorf ging, und sie
zeigte alle mit Fingern nach ihm.
„Der war es! Der hat die Blätter gefressen, auf die Schimmel geschifft hat.“
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