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Drucksache 15/3700 – 58 – Deutscher Bun<strong>de</strong>stag – 15. Wahlperio<strong>de</strong><br />

2 Schriftlichkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung<br />

(6.3)<br />

Bei <strong>de</strong>r Festlegung <strong>de</strong>r Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung<br />

von Patientenverfügungen han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

ein Scheinproblem. Alle verbreiteten Informationen über<br />

Patientenverfügungen empfehlen die Schriftform und alle<br />

existieren<strong>de</strong>n Verfügungen sind schriftlich abgefasst.<br />

Gleichzeitig wird auch von <strong>de</strong>nen, die die Schriftform<br />

vorschreiben wollen, ausdrücklich betont, dass mündliche<br />

Erklärungen nicht unwirksam sein sollen, son<strong>de</strong>rn bei <strong>de</strong>r<br />

Ermittlung <strong>de</strong>s „mutmaßlichen Willens“ (s. hierzu<br />

unten 4) berücksichtigt wer<strong>de</strong>n müssen. Erfüllt aber eine<br />

mündlich abgegebene Erklärung auch alle sonstigen<br />

„Qualitätskriterien“, die eine praktische Umsetzung erleichtern<br />

sollen (vorherige Beratung, Aktualität, Konkretheit<br />

u. Ä.; vgl. 6.4), dann wird auch diese als tatsächlicher<br />

Patientenwille beachtet wer<strong>de</strong>n müssen. Schriftform o<strong>de</strong>r<br />

Mündlichkeit entschei<strong>de</strong>n daher nicht wirklich über die<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>r Verfügung, son<strong>de</strong>rn nur über die Art und<br />

Weise, wie <strong>de</strong>r Verfügungsinhalt nachgewiesen wird<br />

(Urkun<strong>de</strong>n- o<strong>de</strong>r Zeugenbeweis).<br />

Die im Zwischenbericht genannte Parallele zu an<strong>de</strong>ren<br />

Formvorschriften <strong>de</strong>s BGB ist nicht haltbar, weil <strong>de</strong>r<br />

Formmangel im Fall <strong>de</strong>r Patientenverfügung eben nicht<br />

zur Formnichtigkeit führen soll, wie z. B. beim Grundstückskauf,<br />

beim Testament o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vollmachtserteilung<br />

gem. § 1904 Abs. 2 BGB. Die genannten Rechtsgeschäfte<br />

haben rechtlich keinerlei gestalten<strong>de</strong> Wirkung (auch nicht<br />

„sinngemäß“, als „Indiz“ o. ä.), wenn sie nicht in <strong>de</strong>r gesetzlich<br />

vorgeschriebenen Form abgeschlossen sind<br />

(§§ 125 S. 1; 2247 Abs. 1 BGB).<br />

3 Zwingen<strong>de</strong> Beteiligung <strong>de</strong>s<br />

Vormundschaftsgerichts (6.6)<br />

Die Enquete-Kommission schlägt vor, dass die Ablehnung<br />

lebenserhalten<strong>de</strong>r Maßnahmen durch <strong>de</strong>n gesetzlichen<br />

Vertreter <strong>de</strong>s Patienten immer einer Genehmigung<br />

durch das Vormundschaftsgericht bedürfen soll. Diese<br />

zwingen<strong>de</strong> Einbindung <strong>de</strong>s Vormundschaftsgerichts bei<br />

gleichzeitiger Umsetzung einer Patientenverfügung durch<br />

ein Konsil, an <strong>de</strong>m alle relevanten Personen beteiligt sind<br />

(vgl. 6.5), ist meines Erachtens nicht geboten. Es han<strong>de</strong>lt<br />

sich vielmehr um ein inkonsistentes Regelungskonzept.<br />

Ausdrücklich zuzustimmen ist <strong>de</strong>m Gedanken, die Umsetzung<br />

einer Patientenverfügung einem Konsil anzuvertrauen,<br />

das <strong>de</strong>n gesetzlichen Vertreter <strong>de</strong>s Patienten bei<br />

<strong>de</strong>r Entscheidungsfindung berät. Wenn an dieser Beratung<br />

neben <strong>de</strong>m Arzt und <strong>de</strong>m gesetzlichen Vertreter (Betreuer<br />

o<strong>de</strong>r Bevollmächtigter) auch ein Mitglied <strong>de</strong>s Pflegeteams<br />

und ein Angehöriger sowie bei Bedarf noch<br />

weitere Personen beteiligt sind, ist sichergestellt, dass alle<br />

Gesichtspunkte berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, die im konkreten<br />

Fall bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Patientenwillens und bei <strong>de</strong>r<br />

Beurteilung eines Wunsches nach Behandlungsabbruch<br />

zu beachten sind.<br />

Kommen diese Personen übereinstimmend zu <strong>de</strong>m Ergebnis,<br />

dass in <strong>de</strong>r gegebenen Entscheidungssituation <strong>de</strong>r in<br />

einer Patientenverfügung festgelegte Wille eine Behand-<br />

lungsmaßnahme verbietet, dann kann dieser Willensentscheidung<br />

nicht zuwi<strong>de</strong>r gehan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Eine zusätzliche<br />

Prüfung durch das Vormundschaftsgericht erscheint<br />

hier we<strong>de</strong>r notwendig noch hilfreich. Es ist nicht ersichtlich,<br />

wie <strong>de</strong>r Vormundschaftsrichter zu einem an<strong>de</strong>ren Ergebnis<br />

kommen könnte als das Konsil. Die am Konsil beteiligten<br />

Personen haben in Bezug auf ihre Patientennähe<br />

allesamt einen weiten Vorsprung vor <strong>de</strong>m Richter, <strong>de</strong>n<br />

persönlich nichts mit diesem „Fall“ verbin<strong>de</strong>t. Zwar kann<br />

Unbeteiligtsein auch ein Vorteil sein, nämlich dann, wenn<br />

ein Streitfall von „objektiver“ und „neutraler“ Sicht aus<br />

geschlichtet wer<strong>de</strong>n soll. Hier ist die Sachlage aber an<strong>de</strong>rs:<br />

Bei <strong>de</strong>r Beurteilung einer Verzichtserklärung in einer<br />

Patientenverfügung, <strong>de</strong>r Prüfung, ob entgegenstehen<strong>de</strong><br />

Erklärungen bekannt gewor<strong>de</strong>n sind und <strong>de</strong>r Beurteilung<br />

<strong>de</strong>r medizinischen Situation kommt es gera<strong>de</strong> nicht auf<br />

Neutralität und Sachferne, son<strong>de</strong>rn auf möglichst genaue<br />

Kenntnis <strong>de</strong>s Patienten, seines persönlichen Umfel<strong>de</strong>s,<br />

seiner Gefühls- und Gedankenwelt und <strong>de</strong>r konkret gegebenen<br />

Behandlungsalternativen an. All dies kann sich ein<br />

Richter nur mühsam und zeitaufwendig über die am Konsil<br />

beteiligten Personen aneignen. Eine inhaltlich bessere<br />

Entscheidung als die <strong>de</strong>s Konsils ist in <strong>de</strong>r Praxis nicht<br />

<strong>de</strong>nkbar.<br />

Die von <strong>de</strong>r Kommissionsmehrheit befürchtete Gefahr eines<br />

Missbrauchs ist <strong>de</strong>shalb nicht gegeben, weil aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Amtsermittlungsprinzips je<strong>de</strong>r Beteiligte o<strong>de</strong>r Unbeteiligte,<br />

<strong>de</strong>r ein Vorgehen zum Nachteil <strong>de</strong>s Patienten<br />

vermutet, eine vormundschaftsgerichtliche Kontrolle von<br />

Behandlungsabbruchentscheidungen in Gang setzen<br />

kann. Wenn das Konsil sich keine übereinstimmen<strong>de</strong><br />

Meinung bil<strong>de</strong>n kann und ein Dissens über das weitere<br />

Vorgehen entsteht, dann ist auch ein Streitfall gegeben,<br />

<strong>de</strong>r einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Solange aber<br />

zwischen Arzt, gesetzlichem Vertreter, Pflegeteam und<br />

Angehörigen Konsens besteht, ist eine zwingen<strong>de</strong> Einschaltung<br />

<strong>de</strong>s Vormundschaftsgerichts nicht geboten. Von<br />

daher wäre es besser gewesen, die Enquete-Kommission<br />

hätte sich <strong>de</strong>m ursprünglichen intern diskutierten Vorschlag<br />

angeschlossen und das Vormundschaftsgericht nur<br />

dann obligatorisch zur Entscheidung berufen, wenn das<br />

Konsil keinen allseitigen Konsens fin<strong>de</strong>t.<br />

Durch die von <strong>de</strong>r Kommissionsmehrheit vorgesehene<br />

Reichweitenbeschränkung ergibt sich noch folgen<strong>de</strong>s<br />

Problem: Wenn das Gericht zu <strong>de</strong>m Ergebnis kommt,<br />

dass die Patientenverfügung einen Behandlungsverzicht<br />

bei einem nicht irreversibel tödlich verlaufen<strong>de</strong>n Krankheitsbild<br />

enthält, muss es die Genehmigung zum Unterlassen<br />

<strong>de</strong>r Behandlungsmaßnahme versagen. Die Folge<br />

ist, dass das Gericht durch Verweigerung <strong>de</strong>r Genehmigung<br />

die Verantwortung dafür übernimmt, dass <strong>de</strong>r Patient<br />

gegen seinen erklärten Willen weiterhin behan<strong>de</strong>lt<br />

wird. Solche Gerichtsentscheidungen, die einen gewünschten<br />

Behandlungsverzicht verhin<strong>de</strong>rn, dürften nur<br />

schwer mit <strong>de</strong>m Grundrecht <strong>de</strong>s Patienten auf körperliche<br />

Unversehrtheit in Einklang zu bringen sein (s. auch<br />

oben 1).<br />

Anfechtbar und wenig überzeugend erscheint auch die<br />

Begründung <strong>de</strong>r Enquete-Kommission, eine in je<strong>de</strong>m Fall

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