medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios
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medtropole Aktuelles<br />
Nr. 25 April 2011<br />
CHRONISCHE UNTERBAUCHSCHMERZEN:<br />
Psychosomatische Aspekte<br />
NOTFALL NADELSTICH:<br />
Was tun?<br />
RADIKALE RETROPUBISCHE PROSTATEKTOMIE:<br />
Schnell und sicher mit Ultraschallskalpell<br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>einweisende</strong> <strong>Ärzte</strong>
Impressum<br />
Redaktion<br />
Jens Oliver Bonnet<br />
(verantw.)<br />
Prof. Dr. Christian Arning<br />
PD Dr. Oliver Detsch<br />
Dr. Birger Dulz<br />
PD Dr. Siegbert Faiss<br />
Dr. Christian Frerker<br />
Dr. Annette Hager<br />
Dr. Susanne Huggett<br />
Prof. Dr. Friedrich Kallinowski<br />
Prof. Dr. Uwe Kehler<br />
Dr. Jürgen Ma<strong>der</strong>t<br />
Dr. Kilian Röd<strong>der</strong><br />
Prof. Dr. Jörg Schwarz<br />
PD Dr. Aglaja Stirn<br />
Prof. Dr. Gerd Witte<br />
Cornelia Wolf<br />
Her<strong>aus</strong>geber<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong>en<br />
Hamburg GmbH<br />
Unternehmenskommunikation<br />
Rudi Schmidt V. i. S. d. P.<br />
Rübenkamp 226<br />
22307 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 18 18-82 66 36<br />
Fax (0 40) 18 18-82 66 39<br />
E-Mail:<br />
medtropole@asklepios.com<br />
Auflage: 15.000<br />
Erscheinungsweise:<br />
4 x jährlich<br />
ISSN 1863-8341<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
dies ist mittlerweile die 25. Ausgabe im sechsten Jahr des Erscheinens <strong>der</strong><br />
medtropole – <strong>für</strong> uns Anlass genug, eine kurze Rückschau zu halten. Von<br />
Anfang an haben wir uns mit <strong>der</strong> medtropole zum Ziel gesetzt, Sie mit den<br />
vielfältigen Leistungen und Strukturen <strong>der</strong> Fachdisziplinen unserer <strong>Klinik</strong>en<br />
vertraut zu machen. Dazu wollen wir vor allem unsere klinischen Erfahrungen<br />
mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen verschmelzen und Sie<br />
auf diese Weise auf dem Laufenden halten. So spannt diese Ausgabe den<br />
Bogen von den „Volkskrankheiten“ Darm- und Prostatakrebs, Schlaganfall<br />
und den Folgen ärztlicher Eingriffe wie Narbenhernien über chronische<br />
Unterbauchschmerzen <strong>der</strong> Frau bis hin zu vermeintlichen Kolibris wie Hypophysenadenomen<br />
o<strong>der</strong> endokrinen Störungen.<br />
In den Beiträgen <strong>der</strong> aktuellen Ausgabe ist von Restrisiko, Risikomanagement und Frühwarn -<br />
system die Rede – allesamt Begriffe, die uns <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Berichterstattung über die jüngsten, dramatischen<br />
Ereignisse in Japan sehr vertraut sind. So stellt <strong>der</strong> Artikel von Prof. Kallinowski über den<br />
Darmkrebs beispielsweise das Potenzial <strong>der</strong> Früherkennung von Risiken <strong>für</strong> das (Über-)Leben<br />
(geringere Sterblichkeit bei Darmkrebs) dar. Der Artikel von Dr. Pottek verdeutlicht den Vorteil<br />
optimierter und verlässlicher Techniken <strong>für</strong> den Menschen, so wie die schonende Entfernung <strong>der</strong><br />
Prostata per Ultraschallskalpell, die wesentlich zur Senkung des Komplikationsrisikos beiträgt.<br />
Gen<strong>aus</strong>o ermöglicht die intrakranielle Gefäßsonografie bei akutem Schlaganfall eine frühe Risikoabschätzung<br />
und kann damit die Prognose des Patienten verbessern. Das aktuelle Heft beschäftigt<br />
sich aber auch mit komplexen Gefahrenlagen, die sicherlich nicht monok<strong>aus</strong>al interpretiert werden<br />
können, son<strong>der</strong>n eher multifaktorielle Geschehen reflektieren – so wie <strong>der</strong> chronische Unterbauchschmerz,<br />
<strong>der</strong> nach einer umfassenden psychosomatischen Abklärung verlangt. Das Bild<br />
wird vervollständigt durch Beiträge zum Umgang mit beziehungsweise zur Beherrschung von<br />
Notfällen (Nadelstichverletzung) und Komplikationen (Narbenbruch), die letztlich auch von<br />
unserem Tun <strong>aus</strong>gehen können.<br />
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen<br />
Ihr<br />
Priv.-Doz. Dr. Oliver Detsch<br />
Ärztlicher Direktor – Somatik<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Nord – Heidberg
Inhalt<br />
900 | VISCERALCHIRURGIE<br />
Darmkrebs – Bessere Diagnostik führt zu mehr Heilung<br />
904 | UROLOGIE<br />
Radikale retropubische Prostatektomie mit dem Ultraschallskalpell<br />
908 | NEUROLOGIE<br />
Intrakranielle Gefäßsonografie bei akutem Schlaganfall<br />
912 | NEUROCHIRURGIE<br />
Hypophysenadenome – Diagnostik und Therapie<br />
915 | ARBEITSMEDIZIN<br />
Notfall Nadelstich<br />
916 | PSYCHOSOMATIK<br />
Psychosomatische Aspekte<br />
des chronischen Unterbauchschmerzes <strong>der</strong> Frau<br />
920 | PERSONALIA<br />
921 | ENDOKRINOLOGIE<br />
Endokrinologie: Nicht nur Kolibris!<br />
924 | VISCERALCHIRURGIE<br />
Behandlung des Narbenbruchs –<br />
gibt es Standards?<br />
928 | GESCHICHTE DER MEDIZIN<br />
40 Jahre Altonaer Krankenh<strong>aus</strong> in Othmarschen<br />
S. 900<br />
S. 916<br />
S. 928
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Darmkrebs – Bessere Diagnostik führt<br />
zu mehr Heilung<br />
Prof. Dr. Friedrich Kallinowski, Prof. Dr. Walter Gross-Fengels, Dr. Daniel Seemann,<br />
Priv.-Doz. Dr. Michael Siassi<br />
Das kolorektale Karzinom verzeichnet steigende Inzidenzen, aber mit abnehmen<strong>der</strong> Letalität. [9] Dies hat mehrere<br />
Gründe: die Entdeckung <strong>der</strong> Tumore in einem günstigeren Stadium durch die Vorsorgekoloskopie, die Anwendung<br />
multimodaler Therapiekonzepte und die Verbesserung <strong>der</strong> chirurgischen Qualität. Eine neue Möglichkeit, weitere<br />
Fortschritte zu erzielen, ist die Erkennung und Behandlung minimal-residualer Tumoren, die bislang subklinisch<br />
<strong>der</strong> Detektion entgehen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Die PET-CT-Untersuchung mit nachfolgen<strong>der</strong> Punktion<br />
kann die Diagnose frühzeitig sichern und die Einleitung einer gezielten Therapie ermöglichen.<br />
Nutzen <strong>der</strong> Vorsorgekoloskopie<br />
Neuere Analysen belegen den Nutzen <strong>der</strong><br />
koloskopischen Früherkennungsprogramme<br />
in Deutschland. [2] Obwohl nur etwa<br />
drei Prozent <strong>der</strong> vorsorgeberechtigten<br />
Bevölkerung tatsächlich an <strong>der</strong> Vorsorge<br />
teilnimmt, wurden in acht Jahren mehr als<br />
330.000 Läsionen entdeckt und mehr als<br />
50.000 Menschenleben gerettet.<br />
Im Vergleich zu den Verkehrsunfallopfern<br />
entspricht die Zahl <strong>der</strong> Geretteten etwa<br />
allen Verkehrstoten in diesem Zeitraum.<br />
Die vorliegenden Daten könnten den Be -<br />
ginn einer Erfolgsgeschichte wi<strong>der</strong>spiegeln,<br />
da sich die Zahl <strong>der</strong> Neuerkrankungen tendenziell<br />
abflacht und die Todesfälle deutlich<br />
um etwa sechs Prozent in Deutschland<br />
während <strong>der</strong> Neunziger bis Mitte <strong>der</strong><br />
ersten Dekade des neuen Jahrt<strong>aus</strong>ends<br />
zurückgingen. [1] Allerdings bestehen noch<br />
Hin<strong>der</strong>nisse und Probleme, die <strong>aus</strong> dem<br />
900<br />
Weg geräumt werden sollten. Das größte<br />
Hin<strong>der</strong>nis <strong>für</strong> symptomfreie Personen, sich<br />
einer Koloskopie zu unterziehen, sind<br />
sicher die aufwendigen und unangenehmen<br />
Vorbereitungen im Vorfeld, wie die<br />
Reinigung des Darms, sowie die möglichen<br />
Risiken einer solchen Untersuchung. Die<br />
nun <strong>aus</strong>gewerteten Daten zeigen aber, dass<br />
diese Risiken sehr niedrig sind. [4]<br />
Verbesserung <strong>der</strong> chirurgischen Qualität<br />
Die Einführung <strong>der</strong> totalen mesorektalen<br />
Exzision, also die vollständige Entfernung<br />
<strong>der</strong> zugehörigen Lymphknoten mit dem<br />
Tumor tragenden Darmabschnitt unter<br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> einhüllenden Bindegewebsschicht<br />
im kleinen Becken, brachte<br />
in den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts entscheidende Fortschritte<br />
<strong>für</strong> die Prognose <strong>der</strong> Patienten. Exemplarisch<br />
sei dies an den Ergebnissen <strong>der</strong><br />
Heidelberger Universitätsklinik dargestellt,<br />
an <strong>der</strong> <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> neu geschaffenen Ab -<br />
teilung <strong>für</strong> Allgemein- und Viszeralchirurgie<br />
<strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Harburg zu dieser<br />
Zeit tätig war (Abb. 2).<br />
Die Einführung <strong>der</strong> neuen Operationstechnik<br />
nach <strong>der</strong> Veröffentlichung durch den<br />
britischen Chirurgen Heald senkte weltweit<br />
die Rate <strong>der</strong> Lokalrezidive. [3] Allerdings<br />
kam <strong>der</strong> allein durch die Chirurgie<br />
erzielbare Fortschritt an eine Grenze, da<br />
disseminierte Tumorzellen zu einer operativ<br />
nicht beeinflussbaren Metastasierung<br />
führten und sich weitere Fortschritte nur<br />
durch kombinierte Therapiestrategien<br />
erreichen ließen.
Anwendung multimodaler<br />
Therapiekonzepte<br />
Trotz aller Vorsorgemaßnahmen beginnt<br />
die Behandlung in vielen Fällen erst in<br />
späten Tumorstadien, da die zeitliche Verzögerung<br />
zum Therapiebeginn nach dem<br />
Auftreten von Symptomen von vielen Einflussfaktoren<br />
abhängt. [5] Prädominant sind<br />
<strong>der</strong> sozioökonomische Status und <strong>der</strong> Ehe -<br />
stand. Es ist also zu erwarten, dass auch<br />
weiterhin viele Patienten erst in fortgeschrittenen<br />
Tumorstadien zur Therapie<br />
kommen. Hier wurde die Prognose durch<br />
<strong>aus</strong>gefeilte multimodale Konzepte wesentlich<br />
verbessert. [8] Bei Kolonkarzinomen ist<br />
in <strong>der</strong> Regel <strong>aus</strong>reichend Sicherheitsabstand<br />
zu gewinnen, um durch die primäre Operation<br />
lokale Tumorfreiheit zu erreichen.<br />
Bei Rektumkarzinomen hingegen muss die<br />
Therapie an Tumorlage, Stadium und Allgemeinzustand<br />
des Patienten orientiert<br />
werden (Tab. 1).<br />
Visceralchirurgie<br />
Abb. 1: Zahl <strong>der</strong> früh erkannten Karzinome und <strong>der</strong><br />
entdeckten fortgeschrittenen Adenome nach <strong>der</strong><br />
Vorsorgekoloskopie (mod. nach Brenner et al., 2010)<br />
Abb. 2: Zunahme des Langzeitüberlebens (Fünf-Jahres-<br />
Zeiträume) von Patienten mit Rektumkarzinomen,<br />
die zwischen 1980 und 2000 an <strong>der</strong> Universitätsklinik<br />
Heidelberg operativ behandelt wurden. Die kleine<br />
Abbildung zeigt die Verteilung <strong>der</strong> einzelnen UICC-<br />
Stadien in denselben Zeitabschnitten. Dabei wird<br />
deutlich, dass die Fortschritte erzielt wurden, obwohl<br />
immer ungünstigere Tumorstadien zur Behandlung<br />
kamen.<br />
Tab. 1: Stadiengerechte Therapie des Rektumkarzinoms nach <strong>der</strong> S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ (2008)<br />
901
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Lässt sich <strong>der</strong> Tumor in fortgeschrittenen<br />
Stadien durch eine Vorbehandlung zur<br />
Rückbildung bringen, verbessert sich <strong>der</strong><br />
Erfolg <strong>der</strong> chirurgischen Therapie und da -<br />
mit die Prognose des Patienten dramatisch. [6]<br />
Folgerichtig zielen laufende Studien darauf<br />
ab, neue multimodale Therapieschemata<br />
zu entwickeln, die bei möglichst geringer<br />
Toxizität eine möglichst gute Rückbildung<br />
des Tumors erreichen. Von beson<strong>der</strong>em<br />
Interesse ist dabei die möglichst frühe Er -<br />
fassung <strong>der</strong> therapeutischen Wirksamkeit<br />
des gewählten Schemas. An dieser Stelle<br />
kommt eine mo<strong>der</strong>ne diagnostische Modalität<br />
ins Spiel: die Kombination von Positronen-Emissions-<br />
und Computer-Tomographie<br />
(PET/CT).<br />
902<br />
Abb. 3: Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens bei Rektumkarzinomen, stratifiziert nach <strong>der</strong> Tumorrückbildung<br />
unter neo-adjuvanter Radiochemotherapie (modifiziert nach Rödel et al., 2005). Die Tumor-Rückbildungs-Grade<br />
(TRG) sind dabei pathohistologisch definiert – mehr Regression ergibt einen höheren Zahlenwert. Die erwartete<br />
Überlebensrate ohne Radiochemotherapie ist durch den Erstautor geschätzt und durch das rote Feld markiert.<br />
Die PET/CT – eine interessante<br />
diagnostische Modalität <strong>für</strong> die Zukunft<br />
Da kleine Residuen eine solch elementare<br />
Bedeutung <strong>für</strong> die Therapie aufweisen,<br />
wird eine Methode benötigt, die das An -<br />
sprechen von Tumoren unter <strong>der</strong> Therapie<br />
o<strong>der</strong> das Wie<strong>der</strong>auftreten zum frühestmöglichen<br />
Zeitpunkt sichert. Hier bietet sich<br />
das PET/CT als neue diagnostische Modalität<br />
an. Ein Fallbeispiel <strong>aus</strong> dem eigenen<br />
H<strong>aus</strong> soll dies verdeutlichen:<br />
Die aktuelle Vorstellung <strong>der</strong> 67-jährigen<br />
Patientin erfolgte wegen des hochgradigen<br />
Verdachts auf pathologische Lymphknoten<br />
retrocrural, retroperitoneal und proximal<br />
links parailiacal in einem <strong>aus</strong>wärtigen<br />
Abdomen-CT. Vorangegangen war die Entfernung<br />
eines stenosierenden Sigmakarzinoms<br />
bei Dickdarmileus 11/2007 pT4, pN1<br />
(3/11), M0, V1, RX in einem <strong>aus</strong>wärtigen<br />
Krankenh<strong>aus</strong>. Die aktuelle Beurteilung <strong>der</strong><br />
Anastomosenregion mittels Sigmoidoskopie<br />
am 15.11.2010 ergab keinen Anhalt <strong>für</strong><br />
ein Anastomosenrezidiv.<br />
Die Einleitung einer Chemotherapie setzt<br />
die Sicherung <strong>der</strong> Metastasierung vor<strong>aus</strong>.<br />
Da kein klassisches Rezidivgeschehen<br />
paraanastomosal, im regionären Lymph -<br />
abstrom, in <strong>der</strong> Leber o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Lunge<br />
vorliegt, ist die Gewinnung einer Gewebeprobe<br />
häufig frustran und – bei größerer<br />
chirurgischer Exploration – <strong>für</strong> den Patienten<br />
belastend. In diesen Fällen bietet sich<br />
die Lokalisation eines stoffwechselaktiven<br />
Herdes mithilfe des PET/CT an, <strong>der</strong> dann<br />
CT-gestützt punktiert wird. Gleichzeitig<br />
lassen sich wenig stoffwechselaktive<br />
Weichgewebsformationen <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Suche<br />
<strong>aus</strong>schließen. Auf diesem Wege wird elegant<br />
und in geübten Händen <strong>für</strong> den Patienten<br />
wenig belastend Klarheit und diagnosti-
sche Sicherheit geschaffen. Dieses Vorgehen<br />
wurde bei <strong>der</strong> Patientin gewählt und ist in<br />
Abb. 4 demonstriert.<br />
Die CT-gestützte Punktion <strong>der</strong> stoffwechselaktivsten<br />
Lymphknotenmetastase ergibt ein<br />
tubuläres Adenokarzinom vom intestinalen<br />
Typ und sichert somit das locoregionäre<br />
Rezidiv des bereits bekannten Sigmakarzinoms,<br />
sodass die gezielte Behandlung zeitnah<br />
eingeleitet werden kann.<br />
Ausblick<br />
Das Auftreten kolorektaler Karzinome<br />
könnte über die Einführung einer Chemoprävention<br />
mit Acetylsalicylsäure weiter<br />
gesenkt werden. [7] Die Früherkennungsprogramme<br />
könnten breitere Bevölkerungsschichten<br />
erreichen. Eine individualisierte<br />
Radiochemotherapie unter Einbeziehung<br />
genetischer Daten könnte die Tumorrück-<br />
bildung weiter verbessern. Die residualen<br />
Tumoren könnten über minimal invasive<br />
operative o<strong>der</strong> endoskopische Verfahren<br />
mit geringerer Belastung <strong>für</strong> die Patienten<br />
entfernt werden. Alle diese Möglichkeiten<br />
stehen an <strong>der</strong> Schwelle zur <strong>Klinik</strong> o<strong>der</strong><br />
befinden sich in <strong>der</strong> Erprobung.<br />
Literatur<br />
Abb. 4: Das Ganzkörper-PET/CT vom November<br />
2010 zeigt mehrere hochgradig stoffwechselaktive<br />
Lymphknotenmetastasen prävertebral von BWK 11<br />
bis auf Höhe des oberen Sakrums, dabei Wirbelkörpereinbruch<br />
in LWK 1 und LWK 2 – jeweils<br />
mit erhaltener Wirbelkörperhinterkante (oben<br />
exemplarisch dargestellt). Lungen- o<strong>der</strong> Leber -<br />
metastasen können <strong>aus</strong>geschlossen werden.<br />
Kleine Hypodensitäten im Bereich <strong>der</strong> Leber<br />
werden auch mittels farbkodierter Sonographie<br />
als Zysten gesichert (unten als Beispiel an einem<br />
Leberfokus demonstriert).<br />
Abbildungen: Frau Dr. Lauer, Praxis <strong>für</strong> Nuklearmedizin,<br />
PET/CT und molekulare Bildgebung,<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Harburg<br />
[1] Benko G, Pfeifer J. Das kolorektale Karzinom im Wandel<br />
<strong>der</strong> Zeit. Inzidenzprogredienz: Mythos o<strong>der</strong> Realität?<br />
coloproctology 2009; 31: 283-90.<br />
[2] Brenner H, Altenhofen L, Hoffmeister M. Eight years<br />
of colonoscopic bowel cancer screening in Germany: initial<br />
findings and projections. Dtsch <strong>Ärzte</strong>bl Int 2010; 107(43):<br />
753-9.<br />
[3] Havenga K, Enker WE, Norstein J et al. Improved survival<br />
and local control after total mesorectal excision or D3<br />
lymphadenectomy in the treatment of primary rectal cancer:<br />
an international analysis of 1411 patients. Eur J Surg<br />
Oncol 1999; 25: 368-74.<br />
Kontakt<br />
Prof. Dr. Friedrich Kallinowski<br />
Allgemein- und Viszeralchirurgie<br />
Eißendorfer Pferdeweg 52<br />
21075 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 18 18-86 25 34<br />
Fax (0 40) 18 18-86 34 57<br />
E-Mail: f.kallinowski@asklepios.com<br />
Visceralchirurgie<br />
[4] Klug SJ. Colonoscopy screening in Germany – a success<br />
story? Dtsch <strong>Ärzte</strong>bl Int 2010; 107(43): 751-2.<br />
[5] Langenbach MR, Sauerland S, Kröbel KW, Zirngibl H.<br />
Why so late?! – delay in treatment of colorectal cancer is<br />
socially determined. Langenbecks Arch Surg 2010; 395:<br />
1017-24.<br />
[6] Rödel C, Martus P, Papadoupolos T et al. Prognostic<br />
significance of tumor regression after preoperative chemoradiotherapy<br />
for rectal cancer. J Clin Oncol 2005; 23: 8688-<br />
96.<br />
[7] Rothwell PM, Wilson M, Elwin CE et al. Long-term<br />
effect of aspirin on colorectal cancer incidence and mortality:<br />
20-year follow-up of five randomised trials. Lancet<br />
2010; 376(9754): 1741-50.<br />
[8] Schmiegel W, Pox C, Reinacher-Schick A et al. S3-Leitlinie<br />
„Kolorektales Karzinom“. Z Gastroenterol 2008; 46:<br />
1-73.<br />
[9] Wiedemann GJ. Darmkrebs: mehr Kranke, aber weniger<br />
Tote. <strong>Klinik</strong>arzt 2010; 39: 441.<br />
903
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Radikale retropubische Prostatektomie<br />
mit dem Ultraschallskalpell<br />
Eine sehr schnelle und extrem sichere Operationstechnik<br />
Dr. Tobias Pottek<br />
Wenige Diagnosen erlebten in den vergangenen 20 Jahren eine <strong>der</strong>art aufstrebende Konjunktur wie die des<br />
Prostatakarzinoms. Begründet ist dieses Phänomen <strong>aus</strong>schließlich in <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Laboruntersuchungen<br />
zur Detektion des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) als Früherkennungsmarker. Vor <strong>der</strong> PSA-Ära war die<br />
radikale Prostatektomie meist eine palliative Maßnahme, die sehr häufig Inkontinenz und fast immer Impotenz<br />
bedeutete.<br />
Inzwischen führt die Früherkennung in<br />
den meisten Fällen rechtzeitig zur Behandlungsindikation,<br />
wie auch immer diese<br />
<strong>aus</strong>fällt. Neben den verschiedenen radikalen<br />
Operationsformen kommen auch strahlentherapeutische<br />
Maßnahmen – sowohl<br />
perkutan wie auch als Brachytherapie –<br />
und kontrolliertes Abwarten infrage. Alle<br />
an<strong>der</strong>en Varianten wie beispielsweise<br />
Kryotherapie, hochfokussierter Ultraschall<br />
(HiFu) o<strong>der</strong> Thermotherapien sind nicht<br />
sicher wissenschaftlich validiert und nur<br />
dem jeweiligen Anwen<strong>der</strong> als Wirtschaftsund<br />
Werbungsfaktor dienende Außenseitermethoden,<br />
die sich mangels Evidenz auf<br />
Dauer nicht am Markt halten werden und<br />
die auch in <strong>der</strong> deutschen S3-Leitlinie nicht<br />
empfohlen werden. [2]<br />
Es gibt auch heute noch Stimmen, die den<br />
Sinn <strong>der</strong> Früherkennung von Prostatakarzinomen<br />
bezweifeln. In einer groß angelegten<br />
europäischen Untersuchung (ERSPCtrial)<br />
wurden 162.387 Männer randomisiert<br />
904<br />
zwei Gruppen zugeteilt. Eine Gruppe<br />
betrieb Prostatakrebsfrüherkennung, die<br />
an<strong>der</strong>e nicht. In <strong>der</strong> Gruppe, die sich dem<br />
Screening unterzog, verstarben 214 Männer<br />
(0,29 %) am Prostatakrebs, in <strong>der</strong> Kontrollgruppe<br />
dagegen 326 (0,36 %): Die Studie<br />
zeigte eine relative Risikoreduktion von<br />
20 Prozent. [4] Mit dieser Arbeit konkurriert<br />
eine amerikanische Studie, die einen deutlich<br />
geringeren Unterschied zwischen einer<br />
Screening- und einer Kontrollgruppe er -<br />
mittelt hatte. [1] Wie die Diskussion endgültig<br />
<strong>aus</strong>gehen wird, hängt unter an<strong>der</strong>em<br />
auch von ethnischen, epidemiologischen<br />
und sozialen Faktoren ab. Sicher ist, dass<br />
Früherkennung von Prostatakarzinomen<br />
stattfindet und individuelle Beratungen<br />
und Entscheidungen zur täglichen Praxis<br />
des Urologen gehören.<br />
Die chirurgische Option „radikale Prostatektomie“<br />
ist und bleibt unbestritten die<br />
wirksamste Maßnahme zur vollständigen<br />
Eradikation <strong>der</strong> letzten Tumorzelle – sofern<br />
noch kein organüberschreitendes Wachstum<br />
stattgefunden hat.<br />
Das entscheidende Problem in <strong>der</strong> Behandlung<br />
des früh erkannten Prostatakarzinoms<br />
ist dabei, dass die Therapie die Lebensqualität<br />
des ansonsten völlig gesunden Mannes<br />
nachhaltig negativ beeinflussen kann.<br />
Drei Ziele müssen im Fokus stehen, wenn<br />
es um die effektive Behandlung des Prostatakarzinoms<br />
geht: Tumorkontrolle, Kontinenz<br />
und Potenz. Alle drei Ziele sind von<br />
vielfältigen, teilweise unabhängigen Faktoren<br />
abhängig. Im englischen Sprachraum<br />
wird <strong>für</strong> diese Zielsetzung inzwischen<br />
gelegentlich <strong>der</strong> Begriff „trifecta“ benutzt.<br />
Dieser Begriff kommt ursprünglich <strong>aus</strong><br />
dem Umfeld des Pfer<strong>der</strong>ennsports und<br />
bezeichnet eine beson<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> sogenannten<br />
„Dreierwette“.<br />
Aus <strong>der</strong> Universitätsklinik in Padua wurde<br />
kürzlich über die Ergebnisse <strong>der</strong> roboter -
Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3:<br />
assistierten Prostatektomie berichtet: Bei<br />
242 Patienten wurden die genannten Kriterien<br />
durch validierte Fragebögen (ICIQ-UI<br />
und IIEF-6) sowohl vor <strong>der</strong> Operation wie<br />
auch nach einem Jahr evaluiert. Ein Jahr<br />
nach dem Eingriff hatten 231 Patienten<br />
(95,5 %) kein PSA mehr im Serum, 216<br />
Patienten (89 %) waren kontinent und 145<br />
(60 %) potent. Bei 137 Patienten (57 %)<br />
waren alle drei Parameter wie gewünscht<br />
erreicht. Die Männer, bei denen diese „trifecta“<br />
erreicht wurde, waren signifikant<br />
jünger (59,7 vs. 63,4 Jahre, p < 0,001) als die<br />
Männer, bei denen das nicht gelang. Nach<br />
einer multivariaten Analyse war zudem<br />
<strong>der</strong> präoperative IIEF-6-Score ein Prädiktor<br />
<strong>für</strong> den Erfolg einer radikalen Prostatektomie<br />
(p < 0,001). Niedrigere Body-Mass-Indizes<br />
(BMI) und niedrigere Prostatavolumina<br />
waren ebenfalls Prädiktoren, wenn auch<br />
nicht hochsignifikant. [3]<br />
Neben <strong>der</strong> roboterassistierten gibt es auch<br />
noch die konventionell-laparoskopische<br />
Prostatektomie, am besten studiert und am<br />
häufigsten vorgenommen bleiben aber<br />
weiterhin weltweit die offenen Verfahren.<br />
Der retropubische Zugangsweg ist <strong>der</strong> etablierteste.<br />
Der perineale Zugang wird von<br />
einigen Operateuren bevorzugt, spielt aber<br />
insgesamt eine untergeordnete Rolle. Die<br />
Operateure unserer <strong>Klinik</strong> haben sich im<br />
Laufe <strong>der</strong> vergangenen Jahre mit allen<br />
Varianten <strong>der</strong> Prostatektomie aktiv <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>gesetzt<br />
und viele Spielarten selbst<br />
eingesetzt.<br />
Operationsverlauf<br />
In unseren Händen hat sich die retropubische<br />
radikale Prostatektomie mit dem<br />
Ultraschallskalpell durchgesetzt. Dabei<br />
wird nach Eröffnung des extraperitonealen<br />
Raumes um die Prostata über einen 7 bis<br />
8 cm langen medianen Unterbauchschnitt<br />
eine standardisierte Lymphadenektomie<br />
vorgenommen. Die Lymphknoten auf <strong>der</strong><br />
Vena iliaca externa und die in <strong>der</strong> Fossa<br />
Urologie<br />
obturatoria werden beidseitig mit dem<br />
Ultraschallskalpell disseziert und entnommen<br />
(Abb. 1). Schnellschnittuntersuchungen<br />
werden nicht mehr regelhaft durchgeführt.<br />
Danach wird die endopelvine Faszie<br />
beidseitig neben <strong>der</strong> Prostata inzidiert und<br />
nach lateral abgeschoben (Abb. 2). Direkt<br />
dorsal dieser Faszie verlaufen kräftige<br />
venöse Bündel des sogenannten Plexus<br />
Santorini. Hier erweist sich wie<strong>der</strong> das<br />
Ultraschallskalpell als vorteilhaft, weil es<br />
beim Schneiden gleichzeitig koaguliert,<br />
ohne elektrischen Strom o<strong>der</strong> Hitze in die<br />
Umgebung abzugeben (Abb. 3). Ist die<br />
Harnröhre am Apex erreicht, kann die Faszie<br />
auf <strong>der</strong> Prostata bei 10 und 2 Uhr längs<br />
inzidiert werden. In dieser Schicht liegen<br />
die Gefäßnervenbündel, die bei erektionsprotektivem<br />
Vorgehen geschont werden<br />
müssen. Dann wird die Harnröhre inzidiert<br />
und <strong>der</strong> zu Beginn <strong>der</strong> Operation eingelegte<br />
Katheter identifiziert. Nun lassen<br />
sich die Nähte <strong>für</strong> die spätere urethrovesikale<br />
Anastomose vorlegen (Abb. 4). Die<br />
905
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6:<br />
Harnröhre wird weiter sukzessive abgesetzt,<br />
bis sie vollständig durchtrennt ist.<br />
Dann kann die Prostata im Niveau <strong>der</strong><br />
Denonvillier’schen Faszie vom Rektum<br />
disseziert und angehoben werden, bis an<br />
<strong>der</strong> Basis die Samenblasen und die Samenleiter<br />
erscheinen (Abb. 5). Der Blasenhals<br />
wird von ventral eröffnet und die Prostata<br />
hier im Niveau des Detrusormuskels abgetrennt<br />
(Abb. 6). Nun lässt sich die komplette<br />
Prostata entnehmen (Abb. 7). Die am<br />
Harnröhrenstumpf vorgelegten Nähte werden<br />
durch den Blasenhals gestochen und<br />
nach kontrollierter Platzierung eines Ka -<br />
theters geknotet. Silikonschläuche werden<br />
zur Drainage von Wundsekret gelegt, be -<br />
vor die Wunde schichtweise anatomisch<br />
rekonstruiert und die Haut mit einer Klammernahtreihe<br />
verschlossen wird.<br />
Postoperativ erfolgt die Pflege auf <strong>der</strong> normalen<br />
Station, eine intensivmedizinische<br />
Überwachung ist nicht erfor<strong>der</strong>lich. Die<br />
Patienten werden schnellstmöglich mobili-<br />
906<br />
siert und normaler oraler Kost zugeführt,<br />
die Drainagen sukzessive je nach För<strong>der</strong>ung<br />
gezogen. Am achten postoperativen<br />
Tag wird die urethrovesikale Anastomose<br />
transrektal-sonografisch eingestellt und bei<br />
retrogra<strong>der</strong> Füllung <strong>der</strong> Blase mit Kochsalzlösung<br />
beobachtet. Tritt keine Paravasation<br />
ein, wird <strong>der</strong> Harnröhrenkatheter<br />
entfernt. Der Patient kann erstmals nach<br />
<strong>der</strong> Operation die Blase entleeren und den<br />
Harnstrahl unterbrechen. Zudem erhält er<br />
Hinweise, wie er die muskuläre Funktion<br />
des Beckenbodens trainieren kann. An -<br />
schließend kann <strong>der</strong> Patient <strong>aus</strong> <strong>der</strong> stationären<br />
Behandlung entlassen werden. Den<br />
meisten Patienten wird eine Anschlussheilbehandlung<br />
vermittelt, in <strong>der</strong>en Rahmen<br />
die Speicher- und Entleerungsfunktion <strong>der</strong><br />
Blase weiter trainiert wird – neben an<strong>der</strong>en<br />
Maßnahmen zur Bearbeitung und Bewältigung<br />
von Krankheitsfolgen, auch <strong>der</strong> psychischen<br />
Achsen.<br />
Eigene Ergebnisse<br />
In <strong>der</strong> Zeit von Juli 2007 bis Mai 2010<br />
haben wir 246 radikale Prostatektomien<br />
mit dem Ultraschallskalpell (an zwei <strong>Klinik</strong>en)<br />
durchgeführt. Die mittlere Schnitt-<br />
Naht-Zeit betrug 74 Minuten (58 – 146),<br />
bei nervenschonen<strong>der</strong> Technik 89 Minuten<br />
(78 – 146). Der Blutverlust lag im Mittel bei<br />
217 ml (80 – 800 ml). In einem Fall wurde<br />
eine Bluttransfusion indiziert und vorgenommen<br />
(0,4 %). Es traten nur zwei klinisch<br />
relevante Lymphozelen auf (0,8 %).<br />
Sechs Patienten wurden aufgrund einer<br />
Inkontinenz operativ versorgt, vier bekamen<br />
ein transobturatorisches Band und<br />
zwei einen artifiziellen Sphinkter (3 %).<br />
55 Prozent <strong>der</strong> nervenschonend operierten<br />
Patienten haben Erektionen. Etwa ein Drittel<br />
davon benutzt zusätzlich orale PDE-5-<br />
Hemmer.
Fazit<br />
Bei aller Diskussion um Sinn o<strong>der</strong> Unsinn<br />
von Früherkennungsmaßnahmen besteht<br />
kein Zweifel, dass täglich solche Untersuchungen<br />
in Praxen und <strong>Klinik</strong>en vorgenommen<br />
werden. Führen sie zur Detektion<br />
eines Prostatakarzinoms, stellt sich die<br />
Frage nach dessen Behandlung. Wie im<br />
Einzelfall zu beraten und zu behandeln ist,<br />
lässt sich <strong>aus</strong> <strong>der</strong> S3-Leitlinie <strong>der</strong> Deutschen<br />
Gesellschaft <strong>für</strong> Urologie ableiten. In<br />
vielen Fällen wird man in <strong>der</strong> Diskussion<br />
zwischen Arzt und Patient zu <strong>der</strong> Frage<br />
nach einer radikalen Operation kommen.<br />
Nach unserer Erfahrung mit <strong>der</strong> Ultraschalldissektionstechnik<br />
gibt es keinen<br />
Zweifel daran, hier eine Methode etabliert<br />
zu haben, die allen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
„trifecta“ gerecht wird und zudem die<br />
intra- und postoperativen Komplikationsraten<br />
auf einem nahezu zu vernachlässigenden<br />
Minimum hält.<br />
Abb. 7:<br />
Literatur<br />
[1] Andriole GL, Grubb RL, Buys SS et al: Mortality results<br />
from a randomized prostate-cancer screening trial. N Engl<br />
J Med. 2009; 360: 1310-9.<br />
[2] Deutsche Gesellschaft <strong>für</strong> Urologie (2009): Interdisziplinäre<br />
Leitlinie <strong>der</strong> Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose<br />
und Therapie <strong>der</strong> verschiedenen Stadien des Prostatakarzinomshttp://www.krebsgesellschaft.de/download/s3-leitlinieprostatakarzinom.pdf<br />
[3] Novara G, Ficarra V, D'Elia C, Secco S, Cavalleri S,<br />
Artibani W. Trifecta outcomes after robot-assisted laparoscopic<br />
radical prostatectomy. BJU Int. 2011; 107: 100-4.<br />
[4] Schrö<strong>der</strong> FH, Hugosson J, Roobol MJ et al. Screening<br />
and Prostate-Cancer Mortality in a Randomized European<br />
Study. N Engl J Med. 2009; 360: 1320-8.<br />
Kontakt<br />
Dr. Tobias Pottek<br />
Urologische <strong>Klinik</strong><br />
<strong>Asklepios</strong> Westklinikum Hamburg<br />
Suurheid 20<br />
22559 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 81 91-24 22<br />
Fax (0 40) 81 91-24 24<br />
E-Mail: t.pottek@asklepios.com<br />
Urologie<br />
907
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Intrakranielle Gefäßsonografie<br />
bei akutem Schlaganfall<br />
Prof. Dr. Günter Seidel<br />
Bei <strong>der</strong> Behandlung des akuten Schlaganfalls und <strong>der</strong> transitorischen ischämischen Attacke sind eine schnelle<br />
gezielte Diagnostik und die Einleitung einer auf <strong>der</strong> Pathophysiologie basierten Therapie <strong>für</strong> den Patienten<br />
entscheidend. Vor einer Therapie müssen Art und Ursache <strong>der</strong> Erkrankung geklärt werden. Der erste apparativdiagnostische<br />
Schritt ist die Schnittbildgebung des Hirns mit kranialer Computer- o<strong>der</strong> Magnetresonanztomografie.<br />
Liegt eine zerebrale Ischämie vor, ist <strong>der</strong> Status <strong>der</strong> Hirnarterien von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung <strong>für</strong> das weitere<br />
therapeutische Proce<strong>der</strong>e und die Prognose des Patienten.<br />
Die farbkodierte Duplexsonografie <strong>der</strong><br />
extra- und intrakraniellen Hirnarterien hat<br />
sich als nicht invasive Methode <strong>der</strong> ersten<br />
Wahl zur Hirngefäßdiagnostik etabliert.<br />
Neben dem Gefäßstatus ermöglicht sie die<br />
Beurteilung des Hirnparenchyms und die<br />
Analyse <strong>der</strong> Hirnperfusion. Die Notfall -<br />
sonografie bei Patienten mit akuter zerebraler<br />
Ischämie beschränkt sich auf die<br />
Fragen nach Lokalisation, Ätiologie und<br />
Prognose des pathologischen Prozesses im<br />
klinisch betroffenen Gefäßgebiet. Diese<br />
syndrombezogene Untersuchung ist zeitsparend<br />
und auch bei unruhigen Patienten<br />
technisch durchführbar. Bei einer kurzfristigen<br />
Folgeuntersuchung werden die in <strong>der</strong><br />
Notfalluntersuchung <strong>aus</strong>gesparten Gefäßsegmente<br />
untersucht und damit die Standarddiagnostik<br />
komplettiert.<br />
Rekanalisationsverhalten und Prognose<br />
hängen bei akutem Verschluss von Ästen<br />
<strong>der</strong> Arteria carotis intrakraniell vom Verschlussort<br />
ab (Abb. 1). Je distaler <strong>der</strong> Verschluss<br />
lokalisiert ist, desto höher ist die<br />
908<br />
Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> eine frühe Rekanalisation<br />
und eine entsprechend günstige Prognose.<br />
[1] Ein persistieren<strong>der</strong> Verschluss <strong>der</strong><br />
Arteria cerebri media (MCA) in <strong>der</strong> Frühphase<br />
des Infarktes (< 24 Stunden post<br />
iktus) hat eine ungünstige Kurzzeitprognose<br />
(Ausbleiben <strong>der</strong> klinischen Besserung<br />
mit einer Odds ratio (OR) von 11,1 und<br />
Tod innerhalb von drei Monaten mit einer<br />
OR von 2,5). Dem gegenüber steht nach<br />
früher MCA-Rekanalisation (< 6 Stunden<br />
post iktus) unter systemischer Thrombolyse<br />
eine günstige Kurzzeitprognose <strong>für</strong> klinische<br />
Besserung (OR 12,6) und funktionelle<br />
Unabhängigkeit nach drei Monaten (OR<br />
6,1). [2] Entsprechend lässt sich durch transkranielle<br />
farbduplexsonografische Verlaufsuntersuchungen<br />
während <strong>der</strong> systemischen<br />
Thrombolyse am Krankenbett bei<br />
einem persistierenden arteriellen Verschluss<br />
die Indikation zur lokalen Behandlung mit<br />
Thrombusextraktion stellen. In bis zu 20<br />
Prozent <strong>der</strong> Schlaganfallpatienten ist die<br />
transkranielle Farbduplexsonografie durch<br />
ungenügende Schallpenetration (insuffi-<br />
zientes Knochenfenster) nativ nicht möglich.<br />
In diesen Fällen ermöglichen Ultraschallkontrastmittel<br />
bei bis zu 85 Prozent<br />
<strong>der</strong> Patienten eine diagnostisch sichere<br />
Aussage. Die transkranielle Farbduplex -<br />
sonografie mit und ohne Ultraschallkontrastmittel<br />
ist also bei bis zu 97 Prozent <strong>der</strong><br />
Schlaganfallpatienten diagnostisch verwertbar.<br />
Atherosklerotische Stenosen <strong>der</strong> basalen<br />
Hirnarterien werden je nach untersuchter<br />
Population <strong>für</strong> 10 bis 29 Prozent aller Hirninfarkte<br />
verantwortlich gemacht. [3] Das<br />
jährliche Rezidivrisiko einer intrakraniellen<br />
Gefäßstenose ist nicht genau bekannt, die<br />
Zahlen schwanken zwischen drei und<br />
15 Prozent pro Jahr, wobei hochgradige<br />
Stenosen ein höheres Risiko bedeuten als<br />
mittelgradige Stenosen. Die transkranielle<br />
Farbduplexsonografie bietet durch die<br />
winkelkorrigierte Messung <strong>der</strong> Flussgeschwindigkeit<br />
in den basalen Hirnarterien<br />
eine hohe Reliabilität <strong>für</strong> die Diagnose<br />
intrakranieller Stenosen und ist beson<strong>der</strong>s
zur Verlaufsdiagnostik geeignet. Die Ätiologie<br />
einer intrakraniellen Stenose in <strong>der</strong><br />
Akutphase eines Hirninfarktes kann sowohl<br />
atherosklerotisch bedingt sein als auch als<br />
Residuum einer rekanalisierten Embolie<br />
apparent werden. Letzteres bildet sich<br />
an<strong>der</strong>s als die atherosklerotische Stenose<br />
sehr häufig im kurzfristigen Verlauf komplett<br />
zurück. Die transkranielle Farbduplexsonografie<br />
ist zur Verlaufsdiagnostik<br />
bei intrakraniellen Stenosen auch im mittelund<br />
langfristigen Verlauf geeignet, eine<br />
Progression o<strong>der</strong> Regression zu erkennen.<br />
Neben <strong>der</strong> Hirngefäßdiagnostik erlaubt die<br />
transkranielle Farbduplexsonografie die<br />
Darstellung des Hirnparenchyms. Hierbei<br />
lassen sich Hirnblutungen von Ischämien<br />
differenzieren. Bei Patienten mit akutem<br />
(< 24 Stunden post iktus) supratentoriellen<br />
Schlaganfall kann eine Hirnblutung mit<br />
einem positiven prädiktiven Wert (PPV)<br />
um 90 Prozent und einem negativen prädiktiven<br />
Wert (NPV) über 95 Prozent von<br />
einem Infarkt differenziert werden. [4,5]<br />
a<br />
Lei<strong>der</strong> ist es mit <strong>der</strong> transkraniellen Sonografie<br />
nicht möglich, mit hun<strong>der</strong>tprozentiger<br />
Sicherheit eine (kleine kortikale) Hirnblutung<br />
<strong>aus</strong>zuschließen (Abb. 2). Eine<br />
hämorrhagische Infarkttransformation<br />
im frühen Verlauf des supratentoriellen<br />
Hirninfarktes (Abb. 3) lässt sich sonografisch<br />
mit ähnlich hoher Sicherheit wie eine<br />
primäre Hirnblutung diagnostizieren<br />
(NPV: 91 %, PPV: 97 %). [6]<br />
In <strong>der</strong> Akutphase des supratentoriellen<br />
Hirninfarktes hat das Hirnödem mit seiner<br />
raumfor<strong>der</strong>nden Wirkung eine beson<strong>der</strong>e<br />
Bedeutung. Die transtemporale Sonografie<br />
ermöglicht, den 3. Ventrikel und die Dynamik<br />
seiner Verlagerung durch einen raumfor<strong>der</strong>nden<br />
Infarkt zu erfassen (Abb. 3).<br />
Hierzu wird von beiden Seiten die Distanz<br />
zwischen Sondenauflage und Mitte des<br />
3. Ventrikels gemessen (senkrecht auf <strong>der</strong><br />
Ventrikelwand). Die Hälfte <strong>der</strong> Differenz<br />
<strong>der</strong> beiden Distanzen stellt entsprechend<br />
die Verlagerung <strong>der</strong> Mittellinie (MLV) dar.<br />
Mit diesem einfachen und schnell durch-<br />
b<br />
Neurologie<br />
Abb. 1<br />
a: CT-Angiografie und transkranielle Farbduplexsonografie bei einem Patienten<br />
mit akutem Carotis-T-Verschluss<br />
(MCA = middle cerebral artery, ACA = anterior cerebral artery).<br />
b: Zusammenhang zwischen Verschlussort (ACI = A. carotis interna) und Anteil <strong>der</strong><br />
Patienten mit kompletter Rekanalisation unter systemischer Thrombolyse sowie<br />
geringer Behin<strong>der</strong>ung (mRS = modified Rankin Score) (modifiziert nach [1] ).<br />
führbaren Verfahren lässt sich bei einer<br />
Mittellinienverlagerung von mehr als<br />
2,5 mm in den ersten 16 Stunden nach<br />
Mediainfarkt mit einer Sensitivität von 83<br />
und einer Spezifität von 100 Prozent ein<br />
maligner Verlauf mit transtentorieller Herniation<br />
vor<strong>aus</strong>sagen, wobei zu späteren<br />
Zeitpunkten die diagnostische Sicherheit<br />
zunimmt (MLV > 3,5 mm in den ersten<br />
24 Stunden mit einer Sensitivität und Spezifität<br />
von 100 Prozent). [7]<br />
Als neueste Entwicklung <strong>der</strong> transkraniellen<br />
Sonografie kann die Perfusionssonografie<br />
gelten. Dabei wird mithilfe von<br />
Ultraschallkontrastmittel und nichtlinearen<br />
Ultraschallverfahren <strong>der</strong> Kontrastmittel -<br />
bolus bei <strong>der</strong> Passage <strong>der</strong> zerebralen Mikrozirkulation<br />
im Hirngewebe dargestellt. So<br />
lassen sich neue Kenntnisse zur Kollateralversorgung<br />
bei vorgeschalteten Stenosen<br />
o<strong>der</strong> Verschlüssen und zur Darstellung <strong>der</strong><br />
sogenannten Penumbra gewinnen. Diese<br />
Methode ermöglicht genauere frühprognostische<br />
Aussagen zum klinischen Verlauf<br />
909
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Abb. 2: Transkranielle Sonografie bei einem Patienten<br />
mit hypertensiver Stammganglienblutung und Ventrikeleinbruch<br />
im zeitlichen Verlauf. Bei <strong>der</strong> sonografischen<br />
Verlaufskontrolle kommt es zu einer deutlichen Abnahme<br />
<strong>der</strong> Signalintensität beginnend im Zentrum des<br />
Hämatoms.<br />
als die reine Beurteilung <strong>der</strong> Flussgeschwindigkeit<br />
in den basalen Hirnarterien. [8]<br />
Aktuelle Ultraschallsysteme erlauben die<br />
Analyse <strong>der</strong> Reperfusionskinetik nach<br />
De struktion eines gashaltigen Kontrast -<br />
mittels in <strong>der</strong> Mikrozirkulation (MVI =<br />
Microvas cu lar Imaging). Dieses Verfahren<br />
unterscheidet sich grundsätzlich von <strong>der</strong><br />
herkömmlichen Analyse <strong>der</strong> Kontrastmittelboluskinetik,<br />
wie sie auch <strong>für</strong> die Perfusions-MRT<br />
und -CCT angewendet wird.<br />
Es reduziert die Untersuchungszeit pro<br />
Untersuchungsebene auf fünf bis sieben<br />
Sekunden, was den Einsatz <strong>der</strong> Methode<br />
als Notfalldiagnostik am Krankenbett<br />
unterstreicht (Abb. 4). In <strong>der</strong> Zukunft ist<br />
eine Weiterentwicklung <strong>der</strong> Perfusions -<br />
sonografie zu erwarten.<br />
Neben dem diagnostischen Ultraschall<br />
lässt sich durch Dauerbeschallung einer<br />
verschlossenen basalen Hirnarterie eine<br />
schnellere Rekanalisation herbeiführen:<br />
Die sogenannte Sonothrombolyse nutzt<br />
die durch den Ultraschall applizierte Ener-<br />
910<br />
a<br />
b<br />
Abb. 3<br />
a: Serielle transtemporale Sonografien in gleicher Untersuchungsebene bei einem Patienten mit kontralateralem<br />
Mediainfarkt an Tag 1, 2 und 16. Die Distanz zwischen Sondenauflage und Mitte des 3. Ventrikels (a) ist gelb<br />
dargestellt. Am 2. Tag ist eine Zunahme <strong>der</strong> Echogenität unterhalb des 3. Ventrikels sichtbar (roter Kreis), die einer<br />
hämorrhagischen Infarkttransformation entspricht. Im weiteren Verlauf (16. Tag) nimmt die Echogenität wie<strong>der</strong> ab.<br />
b: Das Diagramm zeigt die Mittellinienverlagerungen einer Gruppe von Patienten mit Mediainfarkt. Die weiße<br />
Kurvenschar stellt Patienten mit malignem Mediainfarkt und transtentorieller Herniation dar, die rote Linie zeigt<br />
den Verlauf eines bei malignem Infarkt entlastungstrepanierten Patienten. Die gelben Linien stellen die Verläufe von<br />
Patienten dar, die nicht transtentoriell hernierten.<br />
gie, um den Fibrinthrombus im Gefäßsystem<br />
schneller aufzulösen. Dieser Effekt tritt<br />
be son<strong>der</strong>s stark in Kombination mit <strong>der</strong><br />
me dikamentösen systemischen Thrombo -<br />
lyse und dem Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln<br />
auf. Eigene Untersuchungen<br />
belegen diesen Effekt bei akuten Verschlüssen<br />
<strong>der</strong> Arteria cerebri media im Drei-Stunden-Zeitfenster.<br />
[9] In kleinen Fallserien wird<br />
auch ein positiver Effekt auf die Rekanalisation<br />
durch Ultraschall ohne den Einsatz<br />
von Thrombolytikum und Ultraschallkontrastmittel<br />
deutlich. [10] Nachteil <strong>der</strong> Methode<br />
scheint ein erhöhtes Blutungsrisiko nach<br />
erfolgter Rekanalisation zu sein. Hierbei<br />
kommt es aber lediglich häufiger zu<br />
hämorrhagischen Infarkttransformationen<br />
und nicht zu kompakten Parenchymblutungen,<br />
die zu einer Verschlechterung des<br />
Outcomes des Patienten führen. Die bisherigen<br />
Studien ergeben <strong>für</strong> dieses innovative<br />
und wenig invasive Verfahren positive<br />
Trends. Eine größere kontrollierte Studie<br />
fehlt bislang allerdings, sodass dieses nicht<br />
zugelassene Therapieverfahren lediglich<br />
als Heilversuch anwendbar ist, wenn keine<br />
mechanische Rekanalisation und keine<br />
medikamentöse Thrombolyse möglich ist.<br />
Zur kompletten neurosonologischen Diagnostik<br />
gehört neben <strong>der</strong> intrakraniellen<br />
Untersuchung <strong>der</strong> basalen Hirnarterien<br />
und im Einzelfall auch <strong>der</strong> Hirnparenchymund<br />
Perfusionssonografie natürlich auch<br />
die farbduplexsonografische Untersuchung<br />
<strong>der</strong> extrakraniellen Hirnarterien. Mit den<br />
so gewonnenen Informationen zu dem<br />
Hirnkreislauf vorgeschalteten Stenosen,<br />
Verschlüssen o<strong>der</strong> Kollateralwegen lassen<br />
sich die intrakraniell gewonnenen Befunde<br />
im Hinblick auf die Pathophysiologie des<br />
Hirninfarktes umfassend interpretieren.
a<br />
Literatur<br />
[1] Saqqur M, Uchino K, Demchuk AM, et al. Site of arterial<br />
occlusion identified by transcranial Doppler predicts the<br />
response to intravenous thrombolysis for stroke. Stroke<br />
2007; 38(3): 948-54.<br />
[2] Stolz E, Cioli F, Allendoerfer J, Gerriets T, Del Sette M,<br />
Kaps M. Can early neurosonology predict outcome in<br />
acute stroke? A metaanalysis of prognostic clinical effect<br />
sizes related to the vascular status. Stroke 2008; 39: 3255-<br />
61.<br />
[3] Warfarin-Aspirin Symptomatic Intracranial Disease<br />
(WASID) Trial Investigators. Design, progress and challenges<br />
of a double-blind trial of warfarin versus aspirin for<br />
symptomatic intracranial arterial stenosis. Neuroepidemiology<br />
2003; 22: 106-17.<br />
[4] Seidel G, Kaps M, Gerriets T. Potential and limitations<br />
of transcranial color-coded sonography in stroke patients.<br />
Stroke 1995; 26: 2061-6.<br />
[5] Mäurer M, Shambal S, Berg D, et al. Differentiation<br />
between intracerebral hemorrhage and ischemic stroke by<br />
transcranial color-coded duplex-sonography. Stroke 1998;<br />
29: 2563-7.<br />
b<br />
Abb. 4<br />
a: CCT-Kontrolle am 2. Erkrankungstag mit demarkiertem insulären Hirninfarkt (roter Pfeil) bei einem Patienten<br />
mit akutem Mediaverschluss. Microvascular Imaging (MVI) zwei Stunden nach Symptombeginn mit signalintenser<br />
Darstellung des durchbluteten Hirngewebes (b). Das infarzierte Hirngewebe ist nicht von Kontrastmittel durchflossen<br />
und damit schwarz dargestellt. Zu diesem Zeitpunkt zeigte das initiale CCT noch keine Auffälligkeiten. Die gelbe<br />
Markierung zeigt die Beschallungsebene des MVI.<br />
[6] Seidel G, Cangür H, Albers T, Burgemeister A, Meyer-<br />
Wiethe K. Sonographic evaluation of hemorrhagic transformation<br />
and arterial recanalization in acute hemispheric<br />
ischemic stroke. Stroke 2009; 40: 119-23.<br />
[7] Gerriets T, Stolz E, König S, et al. Sonographic monitoring<br />
of midline shift in space-occupying stroke - an early<br />
outcome predictor. Stroke 2001; 32: 442-7.<br />
[8] Seidel G, Meyer-Wiethe K, Berdien G, Hollstein D,<br />
Toth D, Aach T. Ultrasound perfusion imaging in acute<br />
middle cerebral artery infarction predicts outcome. Stroke.<br />
2004; 35: 1107-11.<br />
[9] Eggers J, König IR, Koch B, Händler G, Seidel G.<br />
Sonothrombolysis with transcranial color-coded sonography<br />
and recombinant tissue-type plasminogen activator in<br />
acute middle cerebral artery main stem occlusion. Results<br />
from a randomized study. Stroke 2008; 39: 1470-5.<br />
[10] Eggers J, Seidel G, Koch B, König IR. Sonothrombolysis<br />
in acute ischemic stroke for patients ineligible for rt-PA.<br />
Neurology 2005; 64: 1052-4.<br />
Kontakt<br />
Prof. Dr. Günter Seidel<br />
Abteilung Neurologie<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Nord<br />
Tangstedter Landstraße 400<br />
22417 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 18 18-87 30 76<br />
Fax (0 40) 18 18-87 30 69<br />
E-Mail: g.seidel@asklepios.com<br />
Neurologie<br />
911
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Hypophysenadenome –<br />
Diagnostik und Therapie<br />
Dr. Martin Brunken, Prof. Dr. Uwe Kehler<br />
Hypophysenadenome stellen wegen ihres breiten diagnostischen und therapeutischen Spektrums eine<br />
interdisziplinäre Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung dar. Ophthalmologische und/o<strong>der</strong> endokrinologische Symptome bestimmen<br />
das klinische Bild, seltener unspezifische Kopfschmerzen o<strong>der</strong> schwere Krankheitsbil<strong>der</strong> im Rahmen einer akuten<br />
Einblutung. Die mikrochirurgisch/endoskopische Operation symptomatischer Hypophysenadenome ist die<br />
Behandlung <strong>der</strong> Wahl, bei Prolaktinomen die medikamentöse Therapie.<br />
Hypophysenadenome machen etwa zehn<br />
Prozent <strong>der</strong> intracraniellen Tumore <strong>aus</strong>.<br />
Die Verbreitung kernspintomographischer<br />
Untersuchungen erklärt die hohe Inzidenz<br />
kleiner Hypophysenadenome (< 1 cm),<br />
die auch durch Autopsie-Serien bis 25 Prozent<br />
[1] bekannt ist. Diese asymptomatischen,<br />
zufällig entdeckten intrasellären<br />
Hypophysenadenome (Inzidentalome)<br />
werden erst bei signifikanter Größenzunahme<br />
in Verlaufskontrollen behandelt.<br />
Symptome<br />
Die häufigsten Adenome mit ihrer hormonell<br />
bedingten Symptomatik sind in Tab. 1<br />
zusammengefasst. Große Adenome verursachen<br />
in <strong>der</strong> Regel eine mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
komplette Hypophyseninsuffizienz<br />
und bei suprasellärer Ausdehnung häufig<br />
eine Chiasmakompression mit bitemporaler<br />
Hemianopsie und Visusmin<strong>der</strong>ung.<br />
Kopfschmerzen sind durch den meningealen<br />
Reiz bei bis zu 30 Prozent <strong>der</strong> Hypophysenadenome<br />
anzutreffen. [2] Selten<br />
kommt es durch Invasion in den Sinus<br />
912<br />
cavernosus und beson<strong>der</strong>s bei Tumoreinblutung<br />
zu einer Ophthalmoplegie mit<br />
Diplopie und Ptosis. Einblutungen (Adenoma<br />
apoplecticum) können mit einem<br />
schweren Krankheitsbild (akute Erblindung,<br />
Ophthalmoplegie, starke Kopfschmerzen<br />
und Bewusstseinsstörungen)<br />
einhergehen. Sie stellen wie die rasch<br />
zunehmende Sehstörung einen absoluten<br />
Notfall dar, <strong>der</strong> sofort in ein neurochirurgisches<br />
Zentrum überwiesen werden sollte.<br />
Das Prolaktinom gehört zur Differential -<br />
diagnose <strong>der</strong> Amenorrhoe o<strong>der</strong> Zyklusstörungen.<br />
Diese Beschwerden sind nicht spezifisch<br />
<strong>für</strong> ein Prolaktinom, dem häufigsten<br />
Hypophysenadenom, und sind gerade bei<br />
leichter Hyperprolaktinämie < 150 ng/ml<br />
von an<strong>der</strong>en Ursachen abzugrenzen. Im<br />
Gegensatz zum Cushing-Syndrom beziehungsweise<br />
zur Akromegalie korreliert <strong>der</strong><br />
Prolaktinspiegel mit <strong>der</strong> Adenomgröße,<br />
weshalb hohe Spiegel häufig bei Makro -<br />
adenomen mit zusätzlicher Chiasmakompression<br />
zu finden sind.<br />
Obwohl die klassischen klinischen Bil<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Akromegalie und des Cushing-Syndroms<br />
lange bekannt sind, wird in vielen<br />
Fällen die richtige Diagnose erst spät<br />
gestellt, weil die allmählichen körperlichen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen auch von Angehörigen erst<br />
spät wahrgenommen werden. Gesellen<br />
sich dazu eine arterielle Hypertonie und<br />
ein Diabetes mellitus, ist immer eine Akromegalie<br />
(Abb. 6) beziehungsweise ein<br />
Cushing-Syndrom in Betracht zu ziehen.<br />
Diagnostik<br />
Neben <strong>der</strong> genauen klinischen Untersuchung<br />
ist die Visus- und Gesichtsfeldprüfung<br />
Bestandteil <strong>der</strong> Diagnostik, wie auch<br />
die sorgfältige endokrinologische Anamnese<br />
und Befun<strong>der</strong>hebung sowie die laborchemischen<br />
Untersuchungen <strong>der</strong> Hormone<br />
des Hypophysenvor<strong>der</strong>lappens. Die Basaldiagnostik<br />
sollte zumindest die Hormone<br />
Prolaktin, ACTH, Cortisol, HGH, IGF-1,<br />
LH, FSH, Estradiol/Testosteron, TSH und<br />
fT4 erfassen. Leichte Begleitprolaktinämien<br />
bis 150 ng/ml sind auch ohne Prolaktinom
Abb. 1: Paraselläre Anatomie (gelber Pfeil: Chiasma opticum,<br />
weißer Pfeil: A. carotis, grüner Pfeil: Hypophyse, roter Pfeil: Adenom)<br />
Inzidentalom keine<br />
Prolaktinom<br />
Akromegalie<br />
Cushing-Adenom<br />
Hormoninaktives<br />
Hypophysenadenom<br />
nicht ungewöhnlich. Vorsicht ist bei großen<br />
Prolaktinomen geboten: Hier muss Prolaktin<br />
über weitere Verdünnungsstufen bis<br />
1:100 nachbestimmt werden, da bei hohen<br />
Spiegeln durch den Hook-Effekt falsch<br />
niedrige Werte gemessen werden können.<br />
Bei hypophysärer Insuffizienz sollte bereits<br />
präoperativ mit <strong>der</strong> Substitution begonnen<br />
und diese postoperativ weitergeführt wer-<br />
den. [3]<br />
Hormonbedingte Symptome und Befunde<br />
Frau: Zyklusstörung, Amenorrhoe, Galaktorrhoe<br />
Mann: Libido, Potenzverlust<br />
Vergröberung <strong>der</strong> Gesichtszüge, <strong>der</strong> Hände und Füße,<br />
Karpaltunnelsyndrom, Diabetes mellitus, Herzvergrößerung<br />
Stammfettsucht, Striae am Stamm, Hypertonie,<br />
Diabetes mellitus, Osteoporose<br />
evtl. Hypophyseninsuffizienz, Müdigkeit, Leistungsverlust,<br />
blasses Hautkolorit, Libidoverlust, Zyklusstörung<br />
Tab. 1: Typische hormonbedingte Symptome und Befunde bei Hypophysenadenomen<br />
Bildmorphologisch lassen sich Makroadenome<br />
zuverlässig kernspintomographisch<br />
nachweisen. Zur Differentialdiagnostik<br />
und Operationsplanung sind MR-Dünnschichtaufnahmen<br />
<strong>der</strong> Sella notwendig<br />
(Abb. 1 – 5). An<strong>der</strong>e paraselläre Raumfor<strong>der</strong>ungen<br />
wie Meningeome, Craniopharyngeome,<br />
Carotisaneurysmen o<strong>der</strong> Sellazysten<br />
lassen sich aufgrund <strong>der</strong> topografischen<br />
Beziehungen zu ihrem jeweiligen parasellären<br />
Ursprung (Tuberculum sellae, Hypophysenstiel<br />
o<strong>der</strong> Dienzephalon) o<strong>der</strong><br />
durch ihre Binnenstruktur radiologisch<br />
unterscheiden.<br />
Medikamentöse Therapie<br />
Für Prolaktinome ist die Behandlung mit<br />
Dopaminagonisten die Therapie <strong>der</strong> Wahl.<br />
Effektiv wird eine Hemmung <strong>der</strong> Prolak -<br />
tinsektretion aber auch eine Verkleinerung<br />
des Adenoms erreicht (Abb. 2). Bei Unverträglichkeit<br />
stehen heute neuere Dopaminagonisten<br />
bereit, sodass bei Therapieversagen<br />
selten die Operation erfolgen muss.<br />
Die medikamentöse Behandlung <strong>der</strong> Akromegalie<br />
mit Octreotid führt bei regelmäßigen<br />
abdominellen Nebenwirkungen in<br />
vielen Fällen nicht zu einer IGF-Normalisierung,<br />
sodass die medikamentöse<br />
Behandlung nur in zweiter Linie sinnvoll<br />
ist. Eine medikamentöse Behandlung des<br />
Cushing-Adenoms ist <strong>der</strong>zeit nicht mög-<br />
lich. [4]<br />
Abb. 2: Prolaktinom (links vor Behandlung, rechts nach Behandlung mit Dopaminagonisten)<br />
Tab. 2: Primäre Behandlungsempfehlung<br />
Operative Therapie<br />
Primäre Behandlung<br />
Neurochirurgie<br />
Inzidentalom (asymptomatisch, < 1cm) abwarten, jährliche Kontrolle<br />
Prolaktinom medikamentös<br />
Akromegalie Operation/medikamentös<br />
Cushing-Adenom Operation<br />
Hormoninaktives Adenom Operation<br />
Der primäre Zugang zur Sella ist trans -<br />
nasal-transsphenoidal mit dem Ziel, das<br />
Adenom selektiv und radikal unter Erhalt<br />
<strong>der</strong> regulären Hypophyse zu entfernen<br />
(Abb. 3, 4). Mikrochirugisch/endoskopisch<br />
lassen sich auch supraselläre Anteile gut<br />
entfernen. Die Endoskopie erlaubt dabei<br />
eine bessere Ausleuchtung und sogar einen<br />
Blick um die Ecke. [5] Nicht o<strong>der</strong> wenig<br />
invasive Adenome lassen sich auf diese<br />
Weise radikal entfernen, bei extensiv invasiven<br />
Adenomen dagegen verbleiben regelmäßig<br />
Tumorreste. Schwerwiegende Komplikationen<br />
durch Gefäßverletzungen o<strong>der</strong><br />
Verschlechterung des Sehens sind in erfahrenen<br />
Zentren rar. Seltene postoperative<br />
Liquorfisteln sistieren in <strong>der</strong> Regel unter<br />
passagerer lumbaler Drainage.<br />
Die rechtzeitige Operation führt zu einer<br />
raschen Erholung <strong>der</strong> Sehstörung und Sistieren<br />
<strong>der</strong> Kopfschmerzen (Abb. 4, 5). Nach<br />
<strong>der</strong> kompletten Resektion hormonaktiver<br />
Adenome kommt es zu einem raschen<br />
913
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Abb. 4: Hormoninaktives Adenom (*), Symptomatik: Kopfschmerzen (links präoperativ, rechts postoperativ)<br />
Abb. 3: Transnasal mikrochirurgisch-endoskopischer<br />
Zugang zur Sella<br />
Hormonabfall. Hypophysenpartialinsuffizienzen<br />
erholen sich häufig.<br />
Verän<strong>der</strong>ungen des Wasser- und Elektrolyth<strong>aus</strong>halts<br />
in den ersten postoperativen<br />
Tagen sind nicht ungewöhnlich, ein über<br />
die erste Woche anhalten<strong>der</strong> Diabetes insipidus<br />
dennoch selten. Bei präoperativer<br />
Hypophyseninsuffizienz wird die hormonelle<br />
Substitution weitergeführt. Bei fehlen<strong>der</strong><br />
präoperativer Insuffizienz wird eine<br />
weitere Substitution von einer weiteren<br />
Basisdiagnostik abhängig gemacht. Eine<br />
postoperative endokrinologische Feindiagnostik<br />
sollte zwei bis drei Monate nach<br />
Operation durchgeführt werden.<br />
Eine frühe postoperative NMR-Kontrolle<br />
ist in <strong>der</strong> Regel bei zögerlicher Rückverlagerung<br />
des Diaphragmas, Blutungsresten<br />
und frühen reaktiven Kontrastmittelanreicherungen<br />
nicht hilfreich. Nach drei Monaten<br />
wird eine zuverlässige erste Ausgangskontrolle<br />
empfohlen (Abb. 4, 5). Danach<br />
folgen jährliche endokrinologische Untersuchungen<br />
und NMR-Kontrollen. Die ste-<br />
914<br />
Abb. 5: Eingeblutetes hormoninaktives Adenom<br />
(oben: präoperativ, unten: postoperativ)<br />
reotaktische Strahlentherapie mit fraktionierter<br />
Bestrahlung o<strong>der</strong> Einzeitbestrahlung<br />
ist dem Adenomrezidiv vorbehalten,<br />
wenn eine weitere Operation <strong>aus</strong>scheidet.<br />
Alternativ kann bei <strong>der</strong> Akromegalie die<br />
medikamentöse Behandlung versucht werden.<br />
Fazit<br />
Neuere Medikamente führten zu einer verbesserten<br />
Verträglichkeit in <strong>der</strong> Behandlung<br />
von Prolaktinomen. Indikationen <strong>für</strong><br />
die operative Behandlung sind große hormoninaktive<br />
Adenome, das Cushing-Adenom<br />
und die Akromegalie, auch wenn bei<br />
Letzterer die medikamentöse Behandlung<br />
in zweiter Linie möglich ist. Die Ergebnisse<br />
<strong>der</strong> Operation verbessern sich bezüglich<br />
Radikalität, Selektivität und Komplikationsraten<br />
durch Einsatz mo<strong>der</strong>ner mikrochirurgischer<br />
und endoskopischer Operationstechniken,<br />
die eine wesentlich bessere<br />
visuelle Kontrolle ermöglichen. Im Rezidivfall<br />
steht die stereotaktische fraktionierte<br />
o<strong>der</strong> Einzeitbestrahlung zur Verfügung.<br />
Abb. 6: Typisches Erscheinungsbild einer Akromegalie<br />
Kontakt<br />
Dr. Martin Brunken<br />
Neurochirurgische Abteilung<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Altona<br />
Paul-Ehrlich-Straße 1<br />
22763 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 18 18-81 16 71<br />
Fax (0 40) 18 18-81 49 11<br />
E-Mail: m.brunken@asklepios.com<br />
Literatur<br />
[1] Ambrosi B, Faglia G. Epidemiology of pituitary tumors.<br />
Excertpa Medica Int Cong Ser. 1991; 961: 159-68.<br />
[2] Levy MJ et al. The clinical characteristics of headache in<br />
patients with pituitary tumours. Brain. 2005; 128: 1921-30.<br />
[3] Lüdecke DK. Betreuung von Patienten mit hormon -<br />
inaktiven Adenomen <strong>der</strong> Hypophyse. Med Klein. 2003;<br />
98(11): 616-27.<br />
[4] Petersenn S et al. Therapie von Hypophysentumoren.<br />
Dtsch <strong>Ärzte</strong>bl. 2006; 103(8): A 474-81.<br />
[5] Al-Mefty O, Pravdenkova S, Gragnaniello C. A technical<br />
note on endonasal combined microscopic endoscopic<br />
with free head navigation technique of removal of pituitary<br />
adenomas. Neurosurg Rev 2010; 33: 243-9.
Notfall Nadelstich<br />
Dr. Hartmut Wigger<br />
Infektionsrisiko<br />
Das Risiko einer Infektionsübertragung<br />
durch die Stichverletzung hängt von <strong>der</strong><br />
Menge <strong>der</strong> eingebrachten Erreger ab. Diese<br />
hängt vor allem von dem Durchmesser<br />
und <strong>der</strong> Blutanhaftung <strong>der</strong> Nadel und von<br />
<strong>der</strong> Virämie des „Spen<strong>der</strong>s“ ab.<br />
Nach einer Nadelstichverletzung wird das<br />
durchschnittliche Risiko bei HBV auf circa<br />
30 bis 100 Prozent, bei HCV auf etwa drei<br />
Prozent und bei HIV auf unter 0,3 Prozent<br />
geschätzt. [2]<br />
Was ist zu tun<br />
nach einer Stichverletzung?<br />
■ 1. Blutfluss an <strong>der</strong> Stichstelle sofort<br />
über 1 bis 2 Minuten för<strong>der</strong>n. Dann<br />
gründliche Desinfektion des Einstichstellenbereichs<br />
mit einem Hautdesinfektionsmittel.<br />
Wenn möglich, sollte ein<br />
mit Desinfektionsmittel getränkter Tupfer<br />
aufgebracht werden.<br />
■ 2. Das Stichinstrument auf eine Benetzung<br />
durch „Spen<strong>der</strong>blut“ überprüfen.<br />
■ 3. Klären, ob eine Infektionskrankheit<br />
vorliegt. Anzustreben ist eine Untersuchung<br />
des Spen<strong>der</strong>s auf Hepatitis B<br />
und C sowie HIV (nur mit Einverständnis<br />
des Spen<strong>der</strong>s).<br />
a. Bei einem HIV-positiven Spen<strong>der</strong><br />
muss innerhalb <strong>der</strong> ersten zwei Stunden<br />
nach <strong>der</strong> Stichverletzung die Entscheidung<br />
über eine medikamentöse<br />
Post-Expositionsprophylaxe getroffen<br />
werden.<br />
■ 4. Unfalldokumentation und Prüfung,<br />
ob ein aktueller Impfschutz gegen<br />
Hepatitis B vorliegt und Abnahme <strong>der</strong><br />
Ausgangsserologie über die ZNA o<strong>der</strong><br />
den D-Arzt.<br />
■ 5. Unfallmeldung an die Arbeitssicherheit.<br />
■ 6. Nachkontrollen über die Arbeits -<br />
medizin im Regelfall in sechs Wochen,<br />
zwölf Wochen und sechs Monaten nach<br />
<strong>der</strong> Stichverletzung.<br />
Literatur<br />
Kontakt<br />
Dr. Hartmut Wigger<br />
Arbeitsmedizin<br />
Eine Nadelstichverletzung bedeutet <strong>für</strong> die Beschäftigten im Gesundheitsdienst ein Risiko, sich mit einer<br />
durch Blut übertragbaren Krankheit wie Hepatitis B, Hepatitis C o<strong>der</strong> HIV zu infizieren. Nach Angabe <strong>der</strong><br />
Berufsgenossenschaft <strong>für</strong> Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege arbeiten rund 3,5 Millionen Menschen in<br />
Europa im Gesundheitswesen. Studien zufolge kommt es hier zu geschätzten 1,2 Millionen Nadelstichverletzungen<br />
pro Jahr. [1] Der Gesetzgeber hat durch die TRBA 250 seit Jahren geregelt, dass, bis auf wenige Ausnahmen, nur<br />
noch verletzungssichere Instrumente eingesetzt werden dürfen.<br />
[1] EU stärkt Schutz vor spitzen Instrumenten; BGW mitteilungen<br />
– Ausgabe 3/2010.<br />
[2] Wicker S, Gottschalk R, Rabenau HF. Gefährdungen<br />
durch Nadelstichverletzungen: Betrachtung <strong>aus</strong> arbeits -<br />
medizinischer und virologischer Sicht; Dtsch <strong>Ärzte</strong>bl 2007;<br />
104(45): A-3102.<br />
Hanseatisches Zentrum <strong>für</strong> Arbeitsmedizin<br />
(HANZA)<br />
c/o <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> St. Georg<br />
Lohmühlenstraße 5<br />
20099 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 70 70 816-16<br />
Fax (0 40) 70 70 816-22<br />
E-Mail: h.wigger@asklepios.com<br />
915
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Psychosomatische Aspekte des chronischen Unterbauchschmerzes <strong>der</strong> Frau<br />
„Die Ursache Ihrer Schmerzen<br />
ist unklar!“<br />
Dr. Catrin Mautner-Lison<br />
„Wir haben alles untersucht, Sie haben nichts. Gehen Sie doch mal zum Psychologen!“ Häufig suchen Frauen<br />
ihren ambulanten Gynäkologen aufgrund chronischer Unterbauchschmerzen auf. Erbringt die umfassende, oft<br />
mehrfach invasive gynäkologische Diagnostik keinen wegweisenden pathologischen Befund o<strong>der</strong> erklärt <strong>der</strong><br />
organpathologische Befund die Schmerzen nicht, steht die betroffene Frau zusätzlich zu ihrem weiterhin hohen<br />
Leidensdruck, den sie aufgrund <strong>der</strong> fortbestehenden Schmerzen erlebt, nicht selten im Licht, eine Simulantin zu<br />
sein o<strong>der</strong> zu übertreiben. Arzt und Patientin erleben sich gleichsam hilflos. Um dies zu umgehen, wechseln die<br />
Patientinnen im Verlauf mehrfach den behandelnden Facharzt o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arzt verweist die Patientin an Kollegen.<br />
So setzt sich oft ein langwieriger und frustrieren<strong>der</strong> Leidensweg <strong>der</strong> Frau von Arzt zu Arzt in Gang. Nicht selten<br />
folgen nicht nur unnötige, son<strong>der</strong>n auch schädigende medizinische Interventionen und Prozeduren.<br />
Definition<br />
International liegt <strong>der</strong>zeit keine einheitliche<br />
Namensgebung <strong>für</strong> dieses komplexe Krankheitsbild<br />
vor. Im angloamerikanischen<br />
Sprachraum findet sich <strong>der</strong> Begriff „chronic<br />
pelvic pain“ <strong>für</strong> das variable Schmerz -<br />
syndrom ohne eindeutige Diagnose.<br />
Die S2k-Leitlinie (2009) <strong>der</strong> fe<strong>der</strong>führenden<br />
DGPFG (Deutsche Gesellschaft <strong>für</strong> Psychosomatische<br />
Frauenheilkunde und Geburtshilfe)<br />
in Kooperation mit den deutschen<br />
medizinischen Fachgesellschaften legt aufgrund<br />
fehlen<strong>der</strong> Klassifizierungsmöglichkeiten<br />
in ICD-10 und DSM-IV folgende<br />
Definition zugrunde:<br />
„Der chronische Unterbauchschmerz ist ein<br />
andauern<strong>der</strong>, schwerer und quälen<strong>der</strong><br />
Schmerz <strong>der</strong> Frau mit einer Dauer von<br />
916<br />
mindestens sechs Monaten. Er kann sich<br />
zyklisch, intermittierend-situativ o<strong>der</strong><br />
nicht zyklisch chronisch <strong>aus</strong>prägen. Dieser<br />
Schmerz führt zu einer deutlichen Einschränkung<br />
<strong>der</strong> Lebensqualität. Bei einem<br />
Teil <strong>der</strong> Patientinnen können körperliche<br />
Verän<strong>der</strong>ungen/Störungen als überwiegend<br />
ursächlich anzusehen sein. Bei an<strong>der</strong>en<br />
Patientinnen können emotionale Konflikte<br />
o<strong>der</strong> psychosoziale Belastungen als<br />
entscheidende ursächliche Faktoren gelten.“<br />
Man kann davon <strong>aus</strong>gehen, dass 60 bis 80<br />
Prozent <strong>der</strong> Patientinnen mit chronischem<br />
Unterbauchschmerz die Diagnosekriterien<br />
<strong>der</strong> anhaltenden somatoformen Schmerzstörung<br />
<strong>der</strong> ICD-10 (F 45.4) erfüllen. [1] Das<br />
Beschwerdebild „chronischer Unterbauchschmerz“<br />
ist demnach jeweils vor dem<br />
Hintergrund sowohl körperlicher als auch<br />
psychosozialer Faktoren zu betrachten.<br />
Epidemiologie<br />
Aufgrund <strong>der</strong> uneinheitlichen Definition<br />
des Beschwerdebildes gibt es keine zuverlässigen<br />
Daten über die Prävalenz. In <strong>der</strong><br />
US-amerikanischen Literatur finden sich<br />
Schätzungen von 15 Prozent aller Frauen,<br />
die von chronischen Unterbauchschmerzen<br />
betroffen sind. Zehn Prozent <strong>der</strong> gynäkologischen<br />
Konsultationen sollen aufgrund<br />
chronischer Unterbauchbeschwerden erfolgen.<br />
[1] In einer Metaanalyse <strong>der</strong> WHO wird<br />
ein Anteil von 20 Prozent <strong>der</strong> ambulanten<br />
Patientinnen beschrieben, die wegen chronischer<br />
Unterbauchschmerzen den Facharzt<br />
konsultieren. [2] Die einzige deutsche<br />
Studie zu Häufigkeit, Altersverteilung und<br />
Komorbidität des chronischen Unterbauchschmerzes<br />
<strong>der</strong> Frau ermittelte in einer<br />
Repräsentativerhebung einen Anteil von<br />
zwölf Prozent <strong>der</strong> weiblichen Bevölkerung
mit <strong>der</strong> definierten Beschwerdesymptomatik.<br />
Zudem zeigte sie eine signifikante<br />
Häufung komorbi<strong>der</strong> Beschwerdebil<strong>der</strong><br />
wie Regel- und Verdauungsbeschwerden,<br />
Erschöpfung, Glie<strong>der</strong>-, Magen- und Herzbeschwerden.<br />
Auch Sexualstörungen,<br />
Ängste und Depressivität beeinträchtigen<br />
signifikant häufiger die Lebensqualität <strong>der</strong><br />
Betroffenen. [3] Auch ein gehäuftes Auftreten<br />
von Migränekopfschmerz wird beschrie-<br />
ben. [4]<br />
Ursachen<br />
Der unspezifische Unterbauchschmerz<br />
kann verschiedene Ursachen haben. Neben<br />
gynäkologischen Erkrankungen wie Endo -<br />
metriose, Ovarialzysten o<strong>der</strong> chronisch<br />
rezidivieren<strong>der</strong> Adnexitis können urologische<br />
(zum Beispiel chronisch rezidivierende<br />
o<strong>der</strong> interstitielle Zystitis/„Blad<strong>der</strong><br />
Pain Syndrome“), gastroenterologische<br />
(zum Beispiel entzündliche Darmerkrankungen,<br />
Divertikulitis, Reizdarmsyndrom)<br />
o<strong>der</strong> neurologische (zum Beispiel neuro -<br />
pathische Schmerzen, Polyneuropathie)<br />
Erkrankungen vorliegen. Sie sind differentialdiagnostisch<br />
ebenso <strong>aus</strong>zuschließen wie<br />
Erkrankungen des Bewegungsapparates,<br />
zum Beispiel Wirbelsäulenerkrankungen. [1,5]<br />
Psychologische Faktoren lassen sich nicht<br />
eindeutig als Ursache <strong>der</strong> Beschwerden<br />
identifizieren. Allerdings besteht ein statistisch<br />
signifikanter Zusammenhang zwischen<br />
Depressionen und Somatisierungsstörungen<br />
mit chronischen Unterbauchschmerzen. [2]<br />
Als prädisponierende Faktoren wurden<br />
neben Drogen- und Alkoholmissbrauch,<br />
Fehlgeburten, starken Menstruationsblutungen<br />
und entzündlichen Unterbauch -<br />
erkrankungen Gewalterfahrungen und<br />
sexueller Missbrauch benannt. [2] Zudem<br />
Psychosomatik<br />
treten komorbide psy chosomatische/psy -<br />
chiatrische Krankheitsbil<strong>der</strong> gehäuft auf,<br />
vor allem depressive Syndrome, Ängste,<br />
Somatisierungsstörungen [1] und posttraumatische<br />
Belastungsstörungen. [6] Damit<br />
lässt sich trotz fehlen<strong>der</strong> eindeutiger Studienlage<br />
den psychosomatischen Faktoren<br />
zumindest eine entscheidende Bedeutung<br />
<strong>für</strong> das Krankheitsbild des chronischen<br />
Unterbauchschmerzes zumessen.<br />
Diagnostik<br />
Parallel zur notwendigen gynäkologischen<br />
Basisdiagnostik (pelvine Untersuchung,<br />
laborchemische Untersuchung, bildgebende<br />
Diagnostik) ist eine <strong>aus</strong>führliche Anamnese<br />
zur Schmerzlokalisation, -intensität und<br />
-dauer wie auch zur subjektiven Krankheitstheorie<br />
<strong>der</strong> Patientin, <strong>der</strong> Beeinträchtigung<br />
<strong>der</strong> Lebensqualität und Begleitsymp-<br />
917
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
tomatik anzustreben. Die diagnostische<br />
Laparoskopie stellt <strong>aus</strong> gynäkologischer<br />
Sicht die Methode <strong>der</strong> Wahl dar, um vor<br />
allem intraperitoneale Erkrankungen <strong>aus</strong>zuschließen.<br />
Aus psychosomatischer Sicht<br />
sollte bereits dieser diagnostische Eingriff<br />
von einer psychodiagnostischen Abklärung<br />
begleitet werden. Insbeson<strong>der</strong>e wenn die<br />
Patientin neben dem chronischen Unterbauchschmerz<br />
weitere chronische Be -<br />
schwerden beklagt, ist frühzeitig eine<br />
begleitende psychosomatische Diagnostik<br />
anzudenken. Validierte Screeninginstrumente<br />
stehen bisher nicht zur Verfügung.<br />
Therapie<br />
Die medikamentöse und operative Therapie<br />
richtet sich nach den diagnostizierten<br />
speziellen Krankheitsbil<strong>der</strong>n. Psychosomatische<br />
Behandlungsansätze sind hilfreich,<br />
wenn eine eindeutige Zuordnung zu einem<br />
organischen Korrelat nicht möglich ist o<strong>der</strong><br />
die Schmerzsymptomatik nach eingeleiteter<br />
Therapie <strong>der</strong> körperlichen Erkrankung<br />
fortbesteht. Der primäre Behandler sollte<br />
hierbei möglichst frühzeitig eine interdisziplinäre<br />
Diagnostik verankern und ein mul-<br />
918<br />
timodales Behandlungskonzept aufstellen,<br />
um diagnostisch notwendige Schritte nicht<br />
zu vernachlässigen und nicht gerechtfertigte<br />
invasive Eingriffe zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Die psychosomatischen Behandlungsansätze<br />
werden im Idealfall gestuft implementiert.<br />
Ein konsiliarisches psychosomatisches<br />
Erstgespräch dient zur Einbettung<br />
des primär somatischen therapeutischen<br />
Vorgehens in ein bio-psycho-soziales<br />
Behandlungsmodell. Im Vor<strong>der</strong>grund steht<br />
dabei die Exploration des subjektiven<br />
Krankheitskonzeptes <strong>der</strong> Patientin, <strong>der</strong><br />
psychosozialen Belastungsfaktoren und<br />
etwaiger begleiten<strong>der</strong> psychosomatischer<br />
Erkrankungen. Im beschriebenen Ge -<br />
sprächsrahmen sollte die Patientin bereits<br />
über psychosomatische Zusammenhänge<br />
aufgeklärt und zu einem ganzheitlichen<br />
Krankheitsverständnis angeregt werden.<br />
Bei entsprechen<strong>der</strong> Indikation empfiehlt<br />
sich ein multimodales Behandlungskonzept<br />
mit begleiten<strong>der</strong> ambulanter psychotherapeutischer<br />
o<strong>der</strong> (teil)stationärer<br />
psychosomatischer Behandlung. Daten<br />
zu spezifischen psychotherapeutischen<br />
Behandlungsansätzen liegen kaum vor.<br />
Ein frauenspezifischer Ansatz mit einzelund<br />
gruppentherapeutischen Modulen,<br />
<strong>der</strong> zusätzlich körper- und bewegungstherapeutische<br />
Verfahren einschließt, erweist<br />
sich als vielversprechend.<br />
Die Tagesklinik Ulmenhof <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong> <strong>für</strong><br />
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie/Schmerztherapie<br />
in Hamburg be -<br />
handelt im Schwerpunkt „Gynäkologische<br />
Psychosomatik“ seit einem Jahr Frauen mit<br />
chronischen Unterbauchschmerzen und<br />
an<strong>der</strong>en gynäkologischen Krankeitsbil<strong>der</strong>n,<br />
die im Zusammenhang mit behandlungsrelevanten<br />
psychischen Erkrankungen<br />
wie somatoformen Schmerzstörungen,<br />
Depressionen und Angst-/Panikerkrankungen<br />
stehen. Ein multimodaler Ansatz<br />
<strong>aus</strong> psychodynamischen einzel- und gruppentherapeutischen<br />
Sitzungen, Psychoedukation,<br />
psychodynamischer Tanz- und<br />
Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren<br />
wie Qigong und körpertherapeutischen<br />
Verfahren wie Feldenkrais und Shiatsu bietet<br />
den therapeutischen Zugang zu den<br />
Beschwerdebil<strong>der</strong>n.
Im Behandlungsverlauf wird nach gemeinsamer<br />
Erarbeitung eines psychosomatischen<br />
Verständnismodells ein ressourcenorientierter<br />
Zugang geschaffen. Er verhilft<br />
den Patientinnen, individuell auf die jeweilige<br />
Symptomatik abgestimmt, schrittweise<br />
zu einem subjektiven Krankheitsverständnis<br />
und soll das psychosoziale Funktionsniveau<br />
verbessern. Die Kombination <strong>aus</strong><br />
Körperverfahren, Gesprächspsychotherapie<br />
und edukativen Elementen bietet <strong>der</strong><br />
oft auf körperliche Symptome und Be -<br />
schwerden fokussierten Patientin im haltgebenden<br />
tagesklinischen Rahmen die<br />
Möglichkeit, schrittweise psychosomatische<br />
Zusammenhänge zu generieren und<br />
integrieren.<br />
Die kontinuierlich begleitende ärztliche<br />
Behandlung findet im Aust<strong>aus</strong>ch mit den<br />
ambulanten gynäkologischen und h<strong>aus</strong>ärztlichen<br />
Kollegen statt. Das tagesklinische<br />
Konzept ist darauf angelegt, im Bedarfsfall<br />
eine stufenweise Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Patientin zu begleiten, die bei <strong>der</strong> Erprobung<br />
<strong>der</strong> Belastungsfähigkeit zusätzliche<br />
Hilfestellung benötigt. Somit lässt sich<br />
einer Chronifizierung <strong>der</strong> Symptomatik<br />
entgegenwirken und eine wichtige Lücke<br />
in <strong>der</strong> Überleitung zur ambulanten Weiterbehandlung<br />
wird geschlossen. In naher<br />
Zukunft soll das Behandlungskonzept wissenschaftlich<br />
evaluiert werden.<br />
Literatur<br />
[1] AWMF 016-001. Kurzfassung <strong>der</strong> S2k-Leitlinie<br />
„Chronischer Unterbauchschmerz <strong>der</strong> Frau”<br />
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/016-001k.pdf<br />
[2] Latthe P, Mignini L, Gray R, Hills R, Khan K. Factors<br />
predisposing women to chronic pelvic pain: systematic<br />
review. BMJ 2006; 332(7544): 749-55.<br />
[3] Beutel ME, Weidner K, Brähler E. Der chronische<br />
Unterbauchschmerz <strong>der</strong> Frau und seine Komorbidität.<br />
Geburtsh Frauenheilkunde 2005; 65: 61-7.<br />
[4] Karp BI, Sinaii N, Nieman LK, Silberstein SD, Stratton<br />
P. Mifraine in women with chronic pelvic pain with and<br />
without endometriosis. Fertil Steril 2011; 95(3): 895-9.<br />
[5] Riecher-Rössler A, Bitzer J. Frauengesundheit. Ein Leitfaden<br />
<strong>für</strong> die ärztliche und psychotherapeutische Praxis.<br />
München: Elsevier 2005; 449.<br />
[6] Heim C, Ehlert U, Hanker JP, Hellhammer DH. Abuserelated<br />
posttraumatic stress disor<strong>der</strong> and alterations of the<br />
hypothalamic-pituitary-adrenal axis in women with chronic<br />
pelvic pain. Psychosom Med 1998; 60(3): 309-18.<br />
Kontakt<br />
Dr. Catrin Mautner-Lison<br />
FÄ Psychiatrie und Psychotherapie<br />
Oberärztin <strong>der</strong> Tagesklinik Ulmenhof<br />
Ulmenstraße 29a<br />
22299 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 46 85 60-0<br />
Fax (0 40) 46 85 60-20<br />
E-Mail: c.mautner@asklepios.com<br />
Psychosomatik<br />
919
Medtropole | Ausgabe 25 19 | April Oktober 2011 2009<br />
KONTAKT<br />
Dr. Carsten Heintz<br />
Leiter <strong>der</strong> Sektion Gefäßchirurgie<br />
Abteilung <strong>für</strong> Allgemein-, Gefäß- und<br />
Viszeralchirurgie<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Nord – Heidberg<br />
Tangstedter Landstr. 400, 22417 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 18 18-87 31 06<br />
Fax (0 40) 18 18-87 29 97<br />
E-Mail: c.heintz@asklepios.com<br />
Dr. Carsten Heintz<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Nord:<br />
Neue Sektion Gefäßchirurgie<br />
Zum Jahresanfang 2011 übernahm Dr.<br />
Carsten Heintz die neu gegründete Sektion<br />
Gefäßchirurgie innerhalb <strong>der</strong> Abteilung <strong>für</strong><br />
Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie.<br />
Heintz wurde 1966 in Hamburg geboren<br />
und studierte an <strong>der</strong> Justus-Liebig-Universität<br />
in Gießen. 1994 begann er seine chirurgische<br />
Ausbildung im AK Ochsenzoll in<br />
<strong>der</strong> Abteilung von Prof. Rückert, wechselte<br />
dann ans AK Harburg, wo er 2002 unter<br />
Prof. Imig den Facharzt <strong>für</strong> Chirurgie und<br />
2004 die Schwerpunktbezeichnung Gefäßchirurgie<br />
erwarb. Anschließend arbeite er<br />
dreieinhalb Jahre als Leiten<strong>der</strong> Oberarzt<br />
<strong>der</strong> Abteilung <strong>für</strong> Gefäßchirurgie an <strong>der</strong><br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Wandsbek (Chefarzt Dr.<br />
Breuer).<br />
Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte<br />
sind die endovaskuläre Therapie und insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Versagensmechanismen<br />
endoluminaler Gefäßimplantate. Heintz<br />
promovierte zum Thema „Korrosion von<br />
Nitinol als Versagensmechanismus von<br />
Aorten-Endoprothesen“ (Doktorvater Prof.<br />
E. Sebastian Debus) und hat eine Reihe<br />
von wissenschaftlichen Artikeln publiziert.<br />
Er beherrscht das gesamte Gebiet <strong>der</strong> ohne<br />
Herz-Lungen-Maschine durchführbaren<br />
Gefäßchirurgie. Seine klinischen Schwerpunkte<br />
sind neben <strong>der</strong> endovaskulären<br />
Therapie Rekonstruktionen in Hybrid-<br />
Technik, die Carotischirurgie und die komplexe<br />
Therapie des diabetischen Fußsyndroms<br />
sowie die pedale Bypasschirurgie.<br />
Großen Wert legt Dr. Heintz auf eine enge<br />
920<br />
Prof. Dr. Gunter Nils Schmidt<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit. Aus<br />
diesem Kontext her<strong>aus</strong> erfolgte auf seine<br />
Initiative die Gründung des Gefäßzentrums<br />
Hamburg-Nord. An <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong><br />
<strong>Klinik</strong> Nord will Dr. Heintz das medizinische<br />
Angebot <strong>für</strong> Patienten mit akuten und<br />
chronischen Gefäßerkrankungen <strong>aus</strong>bauen<br />
und um weitere Schwerpunkte (endovaskuläre<br />
Operationen, komplexe Therapie<br />
<strong>der</strong> chronischen Wunden mit Aufbau eines<br />
Wundzentrums, periphere rekonstruktive<br />
Gefäßchirurgie) erweitern.<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Altona:<br />
Neuer Chefarzt <strong>für</strong> Anästhesiologie<br />
Am 1. April übernahm Prof. Dr. Gunter<br />
Nils Schmidt als Nachfolger von Prof. Dr.<br />
Hanswerner B<strong>aus</strong>e die Leitung <strong>der</strong> Abteilung<br />
<strong>für</strong> Anästhesiologie, Intensivmedizin,<br />
Notfallmedizin und Schmerztherapie <strong>der</strong><br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Altona. Schmidt wurde<br />
1972 in Hamburg geboren, wo er auch aufwuchs,<br />
seinen Zivildienst absolvierte und<br />
Humanmedizin studierte. 2000 begann er<br />
seine anästhesiologische Ausbildung unter<br />
Prof. Dr. Dr. Schulte am Esch im UKE, die<br />
er 2005 als Facharzt abschloss. 2007 wurde<br />
Schmidt zum Oberarzt <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong> ernannt.<br />
Hier promovierte er auch zum Thema<br />
„Pharmakodynamische Effekte von Clonidin<br />
quantifiziert mit Elektroenzephalographie<br />
und subjektiver Schmerzempfindung<br />
– eine experimentelle Studie an wachen<br />
Probanden“. Nach seiner Habilitation mit<br />
dem Thema „Identifikation des sensorischen<br />
Blocks als Komponente <strong>der</strong> Narkosetiefe<br />
anhand von somatosensorisch evo-<br />
Personalia<br />
KONTAKT<br />
Prof. Dr. Gunter Nils Schmidt<br />
Chefarzt <strong>der</strong> Abteilung <strong>für</strong> Anästhesiologie,<br />
Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Altona<br />
Paul-Ehrlich-Straße 1<br />
22763 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 18 18-81 17 81<br />
Fax (0 40) 18 18-81 49 15<br />
E-Mail: gu.schmidt@asklepios.com<br />
zierten Potentialen (SSEP) – eine Untersuchung<br />
mit Propofol und Remifentanil an<br />
Probanden“ erhielt er 2006 die Venia Legendi<br />
als Privatdozent. 2009 wurde Schmidt in<br />
Hamburg zum Universitätsprofessor <strong>für</strong><br />
Anästhesiologie berufen, erwarb die Zu -<br />
satzbezeichnung „Spezielle anästhesiologische<br />
Intensivmedizin“ und begann ein<br />
berufsbegleitendes MBA-Studium „Gesundheitsmanagement“.<br />
Schmidts wissenschaftlicher<br />
Schwerpunkt ist die Erhöhung <strong>der</strong><br />
Patientensicherheit. Er verfasste zahlreiche<br />
nationale und internationale Publikationen<br />
zu Messverfahren zur Vermeidung zu flacher<br />
Narkosen. Darüber hin<strong>aus</strong> etablierte<br />
Prof. Schmidt ein Simulationszentrum <strong>für</strong><br />
das Training von Not- und Zwischenfällen,<br />
in dem <strong>Ärzte</strong> und Pflegekräfte den Umgang<br />
mit schweren Komplikationen trainieren.<br />
Wie beim Pilotentraining im Flugsimulator<br />
werden dabei neben dem Fachwissen zur<br />
Beherrschung <strong>der</strong> Notfälle die Kommunikation,<br />
die Entscheidungsfindung sowie<br />
die Teamfähigkeit <strong>der</strong> Trainierenden analysiert<br />
und gestärkt. Für seine Konzepte und<br />
Arbeiten wurde er mit mehreren Preisen<br />
<strong>aus</strong>gezeichnet.
Endokrinologie: Nicht nur Kolibris!<br />
PD Dr. Martin Merkel, Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland<br />
Beispielhaft lassen sich zwei aktuelle Entwicklungen<br />
in <strong>der</strong> Endokrinologie her<strong>aus</strong>greifen,<br />
die <strong>für</strong> eine breite Masse an Patienten<br />
von Bedeutung sind: Zum einen die<br />
Frage, ob ein Diabetes eventuell durch<br />
chirurgische Maßnahmen geheilt werden<br />
kann, und zum an<strong>der</strong>en, welche Bedeutungen<br />
verschiedene Fettarten beziehungsweise<br />
Fettverteilungen im Körper haben –<br />
ob zum Beispiel das subkutane Fettgewebe<br />
vor einer Fettüberladung <strong>der</strong> Organe schützt<br />
und ob das braune Fettgewebe eine Verbindung<br />
zwischen Übergewicht, Fettstoffwechsel<br />
und Energieverbrauch darstellt.<br />
Chirurgische Therapie des Diabetes<br />
mellitus<br />
Bei den interventionellen Behandlungs -<br />
strategien des Diabetes mellitus Typ 2 wird<br />
grundsätzlich zwischen resezierenden<br />
(zum Beispiel Schlauchmagen, Magenbypass)<br />
und nicht-resezierenden Maßnahmen<br />
(zum Beispiel Magenband, endoluminaler<br />
Schlauch o<strong>der</strong> bestimmte gastrointestinalestimulatorische<br />
Verfahren) unterschieden. [1]<br />
Die chirurgisch resezierenden Verfahren<br />
sind bei einem BMI (Body-Mass-Index)<br />
über 35 kg/m² indiziert, in <strong>der</strong> Praxis wer-<br />
den unter Umständen mehr als 40 kg/m²<br />
gefor<strong>der</strong>t. [2]<br />
Chirurgische Verfahren, die nicht nur den<br />
Magen, son<strong>der</strong>n auch den oberen Gastro -<br />
intestinaltrakt, vor allem das Duodenum,<br />
anatomisch o<strong>der</strong> funktional verän<strong>der</strong>n,<br />
führen überraschen<strong>der</strong>weise bei <strong>der</strong> Mehrzahl<br />
<strong>der</strong> Patienten zu einer Remission be -<br />
ziehungsweise „Heilung“ eines bestehenden<br />
Typ-2-Diabetes, die sich in normalisierten<br />
Blutzuckerwerten, HbA1c < 7,0 Prozent<br />
beziehungsweise Reduktion <strong>der</strong> Diabetesmedikamente<br />
<strong>aus</strong>drückt. Der antidiabetische<br />
Effekt dieser gastrointestinalen Chirur gie<br />
scheint unabhängig von <strong>der</strong> Gewichts -<br />
reduktion zu sein [3] und tritt sogar bei<br />
schlanken Patienten nach einer solchen<br />
Operation auf. [4]<br />
Als Ursache dieses Effektes wird vermutet,<br />
dass die Sekretion von Darmhormonen,<br />
die Insulinsensitivität und neuronale Afferenzen<br />
(zum Auslösen eines Sättigungs -<br />
gefühls) verän<strong>der</strong>t werden. Diese Erkenntnisse,<br />
die Diabetes-Chirurgie sowie an<strong>der</strong>e<br />
interventionelle Maßnahmen verän<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong>zeit die Behandlungsstrategie des Typ-<br />
2-Diabetes.<br />
Endokrinologie<br />
Endokrine Probleme werden häufig als „Kolibris“ angesehen. Tatsächlich sind Schilddrüsenerkrankungen,<br />
Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Adipositas und Osteoporose außerordentlich häufige,<br />
hormonell zumindest mitverursachte Krankheiten. Die 1. Medizinische Abteilung <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> St. Georg<br />
ist auf die Behandlung von Patienten mit endokrinen Krankheiten o<strong>der</strong> Diabetes spezialisiert.<br />
Die beobachteten antidiabetischen-Effekte<br />
(bis hin zu einer Diabetes-Heilung) zeigen,<br />
dass <strong>der</strong> obere Gastrointestinaltrakt funktional<br />
nicht nur <strong>für</strong> die Therapie eine<br />
Bedeutung haben könnte, son<strong>der</strong>n auch <strong>für</strong><br />
die Entstehung des Diabetes mellitus.<br />
In diesem Zusammenhang sind Verfahren<br />
in <strong>der</strong> Entwicklung beziehungsweise klinischen<br />
Testung, die am oberen Gastrointestinaltrakt<br />
angreifen und damit die diabetische<br />
Stoffwechsellage verbessern und das<br />
autonome Nervensystem – bis hin zu<br />
hypothalamischen Zentren zur Kontrolle<br />
von Nahrungszufuhr und Blutdruck –<br />
günstig beeinflussen können. Ein solches<br />
Verfahren ist das Tantalus ® -System, [5] das<br />
durch elektrische Stimulation <strong>der</strong> Antrum-<br />
Muskulatur in <strong>der</strong> Refraktärzeit die Antwort<br />
<strong>der</strong> glatten Muskulatur <strong>der</strong> Magenwand<br />
auf den natürlichen Reiz <strong>der</strong> Nahrungs -<br />
aufnahme – einschließlich <strong>der</strong> autonomen<br />
Afferenzen und des Sättigungsgefühls –<br />
verstärkt. [6]<br />
921
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Abb. 1: Elektrische Magenstimulation zur Diabetes-<br />
Therapie durch das Tantalus ® -System. Zwei Fundus-<br />
Elektroden detektieren die Nahrungsaufnahme; die<br />
Antrum-Elektroden geben den nicht fühlbaren elektrischen<br />
Stimulus (Bild mit freundlicher Genehmigung<br />
von Metacure).<br />
Stimulator <strong>für</strong> den Magen<br />
Das Tantalus ® -System wird minimal invasiv<br />
implantiert, die Elektroden werden an <strong>der</strong><br />
hinteren Magenwand sowie am Magen -<br />
<strong>aus</strong>gang platziert (Abb. 1). Bisher wurden<br />
in verschiedenen Studien weltweit etwa<br />
70 Patienten mit Übergewicht und Diabetes<br />
mellitus behandelt. Die ersten Analysen<br />
zeigen eine mittlere Gewichtsreduktion<br />
von etwa fünf Kilogramm und eine HbA1c-<br />
Senkung um ein Prozent. Zudem können<br />
<strong>der</strong> Blutdruck und auch das LDL-Cholesterin<br />
deutlich gebessert werden. Aktuelle<br />
Studien untersuchen unter an<strong>der</strong>em die<br />
Effekte dieses Systems auf die Insulin -<br />
sen sitivität und auf die gastrointestinalen<br />
Hormone beziehungsweise Inkretine.<br />
Unter unserer Leitung untersucht eine<br />
internationale multizentrische Studie die<br />
Rolle dieses Systems in <strong>der</strong> Therapiestrategie<br />
des Typ-2-Diabetes. Wir bieten dieses<br />
Therapiekonzept in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong><br />
St. Georg in Hamburg als eines <strong>der</strong> wenigen<br />
Zentren in Deutschland an. Vielleicht<br />
wird hier eine neue Tür zu einer „interventionellen“<br />
Diabetologie aufgestoßen!<br />
922<br />
normal kalt<br />
Abb. 2: Oberkörper einer Testperson im Glukose-PET vor und nach Kältestimulation. Braunes Fettgewebe (BAT, Pfeile)<br />
findet sich nur nach leichter Kältestimulation (rechts: 2 h 16 °C), nicht unter Umgebungstemperatur (links).<br />
Die dunkle Färbung entsteht durch die hohe Aufnahme von Glukose nach Aktivierung des BAT.<br />
Abb. adaptiert nach [8].<br />
Fett ist nicht gleich Fett<br />
Adipositas entsteht, wenn die Energieaufnahme<br />
den Energieverbrauch überschreitet.<br />
Überschüssige Energie wird in Form<br />
von Triglyzeriden im weißen Fettgewebe<br />
gespeichert. Vor allem das viszerale Fettgewebe<br />
sezerniert in <strong>der</strong> Folge eine Vielzahl<br />
von Hormonen, Zytokinen und Mediatoren,<br />
die bei Adipositas den gesamten Intermediärstoffwechsel<br />
– allem voran den Glukose-<br />
und Lipidmetabolismus – ungünstig<br />
beeinflussen und das kardiovaskuläre Risiko<br />
erhöhen kann. Insofern ist es wichtig zu<br />
verstehen, wie <strong>der</strong> Körper Energie durch<br />
Thermogenese abbauen kann. Hier spielt<br />
das braune Fettgewebe (BAT) eine entscheidende<br />
Rolle.<br />
Die Bedeutung von BAT zur Aufrechterhaltung<br />
<strong>der</strong> Körpertemperatur durch zitterfreie<br />
Thermogenese bei Neugeborenen ist<br />
lange bekannt. Bisher galt allerdings die<br />
Annahme, dass dieses BAT im ersten<br />
Lebensjahr bis auf wenige, metabolisch<br />
unwichtige Reste rasch verschwindet. [7]<br />
Neue Techniken <strong>der</strong> Bildgebung und Stoffwechselanalysen<br />
zeigten aber, dass sich<br />
auch bei erwachsenen Menschen größere<br />
BAT<br />
Mengen braunes Fettgewebe finden lassen.<br />
[8] Das Vorkommen von BAT bei <strong>der</strong><br />
Mehrzahl <strong>der</strong> Erwachsenen (64 %) wurde<br />
kürzlich bei knapp 3.000 <strong>aus</strong>tralischen<br />
Probanden bestätigt. [9] Die Menge variiert<br />
inter individuell aber deutlich. BAT findet<br />
sich vor allem entlang <strong>der</strong> zervikalen<br />
Gefäßscheiden, supraklavikulär sowie seltener<br />
paraaortal/paravertebral – aber<br />
nicht, wie vor allem bei Nagern beobachtet,<br />
zwischen den Schulterblättern (Abb. 2).<br />
In eigenen Studien [10] konnte eine BAT-<br />
Aktivierung durch mäßige Kälteexposition<br />
im M<strong>aus</strong>modell selbst schwerste Hypertriglyzeridämien<br />
von über 2.000 mg/dl vollständig<br />
normalisieren. Das zuvor lipämische<br />
Plasma klarte vollständig auf. Gleichzeitig<br />
fehlte <strong>der</strong> postprandiale Triglyzeridanstieg.<br />
Durch organspezifische plasmatische Triglyzeridhydrolyse<br />
und Lipoproteinaufnahme<br />
wurde <strong>der</strong> Lipidtransport in das BAT<br />
vervielfacht und überstieg sogar die Aufnahmekapazität<br />
<strong>der</strong> Leber. Parallel dazu<br />
normalisierte BAT-Aktivierung bei diätinduzierter<br />
Adipositas die Insulinresistenz<br />
und senkte den postprandialen Blutzuckerspiegel.
„Gemeinsam forschen, heilen und verhin<strong>der</strong>n“<br />
... war das Motto des 54. Symposions – gleichzeitig<br />
Jahrestagung – <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong><br />
Endo krinologie (DGE) im Hamburger CCH vom<br />
30. 3. bis zum 2. 4. 2011. Die gemeinsam mit <strong>der</strong><br />
Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Endokrinologie<br />
(CAEK) <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> Allgemeinund<br />
Viszeralchirurgie (DGAV) durchgeführte Tagung<br />
unter Leitung von Professor Dirk Müller-Wieland<br />
(<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> St. Georg) und Professor Jochen<br />
Kußmann (Schön <strong>Klinik</strong> Hamburg-Eilbek) setzte<br />
ihren Schwerpunkt auf interdisziplinäre, klinisch<br />
orientierte Schnittthemen zwischen Chirurgie und<br />
Medizin inklusive dem Stellenwert neuer diagnostischer<br />
Verfahren. In den Symposien des Kongresses<br />
wurden Themen <strong>aus</strong> den Gebieten <strong>der</strong> Endokrinologie<br />
arbeitsgruppenübergreifend diskutiert, die freien Vor-<br />
Die überwiegende Zahl klinischer BAT-<br />
Studien zeigt, dass bei schlanken Personen<br />
mehr BAT vorhanden ist als bei Menschen<br />
mit Übergewicht. Vor diesem Hintergrund<br />
ist es entscheidend, ob BAT sich auch therapeutisch<br />
nutzen lässt, um mehr Energie<br />
in Wärme umzusetzen, und ob es einen<br />
Weg gibt, weißes in braunes Fettgewebe<br />
umzuwandeln. Die Zukunft wird zeigen,<br />
ob braunes Fettgewebe durch Energie -<br />
verbrauch das Körpergewicht langfristig<br />
beeinflussen kann und ob es eines Tages<br />
ein therapeutisches Target zur Therapie<br />
von Adipositas, Diabetes, Dyslipidämie<br />
und koronarer Herzerkrankung wird.<br />
träge repräsentierten die aktuellen wissenschaftlichen<br />
Projekte <strong>der</strong> DGE. Spezifische klinische Probleme<br />
wurden in „Meet the Expert“-Veranstaltungen<br />
be sprochen. Der Kongress begann mit einem Symposium<br />
zur zentralnervösen Steuerung <strong>der</strong> Nahrungs -<br />
zufuhr und zur metabolischen Chirurgie. Damit<br />
wurde das brennende Problem <strong>der</strong> dramatischen<br />
Zunahme <strong>der</strong> Adipositas an prominenter Stelle aufgegriffen.<br />
Besprochen wurden nicht nur Effekte<br />
metabolisch-chirurgischer Interventionen auf das<br />
Körpergewicht bei Adipositas, son<strong>der</strong>n auch Mechanismen<br />
einer eventuellen Diabetes-Remission und<br />
weitere Entwicklungen und Chancen einer möglichen<br />
interventionellen Diabetes-Therapie. In <strong>der</strong> anschließenden<br />
Hot Topics-Session diskutierten die Teilnehmer<br />
Genetik und Gentherapie in Lipidologie und Athero-<br />
Literatur<br />
[1] Burchard A, Müller-Wieland D. Diabeteschirurgie und<br />
interventionelle Diabetestherapien. In: Häring H-U, Gallwitz<br />
B, Müller-Wieland D, Usadel K-H, Mehnert H, editors.<br />
Diabetologie in <strong>Klinik</strong> und Praxis. 6 ed. Stuttgart: Thieme<br />
Verlag; 2011: 257-66.<br />
[2] Rubino F, Schauer PR, Kaplan LM, et al. Metabolic surgery<br />
to treat type 2 diabetes: clinical outcomes and mechanisms<br />
of action. Annu Rev Med. 2010; 61: 393-411.<br />
[3] Gan SS, Talbot ML, Jorgensen JO. Efficacy of surgery in<br />
the management of obesity-related type 2 diabetes mellitus.<br />
ANZ J Surg. 2007; 77(11): 958-62.<br />
[4] Ramos AC, Galvao Neto MP, de Souza YM, et al. Laparoscopic<br />
duodenal-jejunal exclusion in the treatment of<br />
type 2 diabetes mellitus in patients with BMI
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Behandlung des Narbenbruchs –<br />
gibt es Standards?<br />
Dr. Thomas Mansfeld<br />
Eine Narbenhernie entsteht nach einer Operation mit Eröffnung <strong>der</strong> Bauchhöhle (Laparotomie) bei 10 bis 20<br />
Prozent aller Patienten. [11,12] Sie ist damit die häufigste Langzeitkomplikation. Bei geschätzten 700.000 Laparotomien<br />
pro Jahr treten also etwa 100.000 Narbenhernien in Deutschland auf. Nach den Daten des Instituts <strong>für</strong> das<br />
Entgeltsystem wurden 2007 knapp 44.000 Narbenhernien in Deutschland versorgt. [13] Hinzu kommt eine kaum<br />
zu beziffernde volkswirtschaftliche Dimension.<br />
In <strong>der</strong> Regel heilen Laparotomiewunden<br />
binnen drei Monaten problemlos ab. Die<br />
entstehenden Narben sind stabil, tolerieren<br />
Druckbelastungen bis zu 180 mmHg und<br />
unterscheiden sich in ihrer Festigkeit nicht<br />
von <strong>der</strong> normalen Bauchdecke. Im Unterschied<br />
zur akuten Nahtdehiszenz (Platzbauch),<br />
die nur bei circa einem Prozent <strong>der</strong><br />
Patienten auftritt und meist eine sofortige<br />
operative Revision erfor<strong>der</strong>t, ist die chronische<br />
Nahtdehiszenz von <strong>der</strong> Ausbildung<br />
einer o<strong>der</strong> mehrer Bruchpforten und einem<br />
Bruchsack gekennzeichnet. Das Auftreten<br />
<strong>der</strong> Hernie nach <strong>der</strong> Operation ist zeitlich<br />
sehr variabel, die Ursachen lassen sich in<br />
patientenabhängige und chirurgisch-technische<br />
Faktoren unterteilen (Tab. 1). [12]<br />
Die chirurgisch-technischen Einflüsse sind<br />
gut untersucht. Die Annahme, längs verlaufende<br />
Laparotomien seien häufiger <strong>für</strong><br />
eine Narbenhernie verantwortlich als Querlaparotomien,<br />
ließ sich in verschiedenen<br />
Studien nicht bestätigen. [6,19] Die Häufigkeit<br />
einer Bauchwandhernie im Bereich <strong>der</strong><br />
Trokareinstichstellen <strong>für</strong> laparoskopische<br />
Operationen liegt bei 0 bis 5,2 Prozent. [9]<br />
Dagegen fehlt <strong>der</strong> Nachweis, dass laparoskopisch<br />
assistierte Operationen zu einer<br />
geringeren Rate an Narbenhernien führen.<br />
924<br />
Die Ergebnisse <strong>der</strong> INSECT-Studie [18] lassen<br />
vermuten, dass die fortlaufende verzögert<br />
resorbierbare Schlingennaht seltener zur<br />
Hernie führt als die einzeln gestochene<br />
Naht mit resorbierbaren Fäden. Auch eine<br />
Störung des Kollagenstoffwechsels wird als<br />
Motor einer Narbenbruchentstehung an -<br />
genommen. Ein gestörtes Verhältnis von<br />
stabilem, <strong>aus</strong>gereiftem Typ I-Kollagen zu<br />
un<strong>aus</strong>gereiftem, instabilem Typ III-Kollagen<br />
ließ sich sowohl bei Leisten- als auch bei<br />
Narbenhernien nachweisen. [10] Versuche,<br />
dieses Verhältnis medikamentös zu ver -<br />
bessern, führten noch zu keinem klinisch<br />
relevanten Verfahren. Ein großer Teil <strong>der</strong><br />
„endogenen“ Faktoren bleibt jedoch gar<br />
nicht o<strong>der</strong> nur schwer beeinflussbar. [14]<br />
Diagnostik<br />
Das Beschwerdespektrum bei Narbenhernien<br />
reicht von völliger Beschwerdefreiheit<br />
bis hin zur vollständigen Arbeitsunfähigkeit<br />
aufgrund von Schmerzen o<strong>der</strong> Einschränkungen<br />
<strong>der</strong> körperlichen Belastbarkeit.<br />
Narbenhernien lassen sich klinisch<br />
meist bei <strong>der</strong> Untersuchung im Liegen und<br />
Stehen sowie durch einen Pressversuch<br />
nachweisen. Bei erschwerten Untersuchungsbedingungen<br />
(z. B. bei adipösen<br />
Patienten) lassen sich die Verhältnisse durch<br />
eine Sonographie o<strong>der</strong> eine CT/NMR-Bildgebung<br />
(Abb. 1) meist klären. Mit zunehmen<strong>der</strong><br />
Größe des Fasziendefekts kommt<br />
es zur Verlagerung von Intestinalorganen<br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Bauchhöhle in den Bruchsack bis<br />
hin zu teils grotesken Hernien, bei denen<br />
die Bauchorgane „ihr Heimatrecht in <strong>der</strong><br />
Bauchhöhle verloren haben“ (Abb. 2a– d).<br />
Vor <strong>der</strong> operativen Versorgung <strong>aus</strong>gedehnter<br />
Narbenhernien, bei denen ein Großteil<br />
<strong>der</strong> Bauchorgane im Bruchsack lange vor<br />
die Bauchhöhle verlagert war, sollten eine<br />
Lungenfunktionsprüfung durchgeführt<br />
und die kardiale Situation abgeklärt werden,<br />
da nach Verschluss <strong>der</strong> Narbenhernie<br />
mit Reposition <strong>der</strong> vorgefallenen intestinalen<br />
Organe ein erhöhter intraabdominaler<br />
Druck die Lungen- und Herzfunktion einschränken<br />
kann. Im Gegensatz zu den<br />
meist wenig schmerzhaften o<strong>der</strong> schmerzlosen,<br />
in <strong>der</strong> Regel seit Jahren bestehenden<br />
reponiblen Hernien geht eine Inkarzeration<br />
stets mit starker lokaler Schmerzhaftigkeit<br />
einher. Ein solcher Zustand stellt eine<br />
sofortige Operationsindikation dar.
Abb. 1: CT-Aufnahme einer sehr großen Narbenhernie<br />
nach multiplen intraabdominellen Voroperationen<br />
Operationsindikation<br />
Grundsätzlich bedeutet eine Narbenhernie<br />
immer die Indikation zur Operation, da<br />
sich <strong>der</strong> Bruch sonst immer weiter <strong>aus</strong>dehnt.<br />
Hierdurch wird die Versorgung<br />
häufig weiter erschwert, Komplikationen<br />
wie Ileus, Passagestörung o<strong>der</strong> Schmerzen<br />
drohen. Natürlich sind Nutzen und Risiko<br />
im individuellen Fall regelhaft abzuwägen,<br />
unter Berücksichtigung von Alter, kardiopulmonalem<br />
Zustand, Größe <strong>der</strong> Hernie<br />
o<strong>der</strong> Patientenwunsch.<br />
Narbenhernien unterscheiden sich in <strong>der</strong><br />
Größe des Defektes, <strong>der</strong> Lokalisation, <strong>der</strong><br />
Größe des Bruchsackes und vor allem im<br />
individuellen Risikoprofil des Patienten.<br />
Diese Bedingungen erschweren die Angabe<br />
von Standards erheblich. Galt bis in die<br />
Demografisch Patientenspezifisch Intraoperativ Postoperativ<br />
Lebensalter > 45 Jahre Malignome Notfalloperation Wundinfektion<br />
Geschlecht m > w Anämie Rezidivoperation<br />
Übergewicht Erfahrung des Operateurs<br />
Lungenerkrankung Nahttechnik<br />
Diabetes mellitus Fadenmaterial<br />
Niereninsuffizienz<br />
Nikotinabusus<br />
Kollagenstoffwechselstörung<br />
Tab. 1: Risikofaktoren <strong>für</strong> das Entstehen einer Narbenhernie<br />
a b c<br />
Abb. 2a – e: Großes Narbenhernienrezidiv nach Nabelhernienoperation.<br />
Intestinum hat sein „Heimatrecht<br />
verloren“. Darstellung <strong>der</strong> Bauchdecken, primärer<br />
Verschluss und Sicherung mit Onlay-Mesh-Plastik.<br />
d e<br />
Mitte <strong>der</strong> 90er-Jahre noch die plastische<br />
Versorgung durch Direkt-Naht (Mayo) als<br />
Standard, erzwangen die schlechten Ergebnisse<br />
dieses Verfahrens mit Rezidivquoten<br />
bis zu 63 Prozent eine Umorientierung. [3,7]<br />
Zahlreiche Studien belegten, dass durch<br />
die Augmentation <strong>der</strong> verschlossenen<br />
Faszienrän<strong>der</strong> mit einem Kunststoffnetz<br />
Rezidivraten überwiegend unterhalb <strong>der</strong><br />
Zehn-Prozent-Marke erreichbar sind<br />
(2 – 12 %). [5,15,17] Da ab einem Bruchpfortendurchmesser<br />
von drei Zentimetern mit<br />
einer deutlich höheren Rezidivquote bei<br />
Versorgung durch ein direktes Nahtverfahren<br />
zu rechnen ist, wird ab dieser Größe<br />
die Netzaugmentation empfohlen.<br />
Netzmaterialien<br />
Visceralchirurgie<br />
Bei <strong>der</strong> Verstärkung <strong>der</strong> Bauchwand durch<br />
Implantation von Kunststoffnetzen sollte<br />
das Netz direkt mechanisch belastbar sein<br />
und eine narbige Einheilung mit möglichst<br />
stabiler Narbe induzieren. Zur Verfügung<br />
stehen vor allem Netze <strong>aus</strong> Polyester, PTFE<br />
und Polypropylen. Heute werden vorzugsweise<br />
„leichtgewichtige“ Meshes verwendet,<br />
die während des Einb<strong>aus</strong> eine Materialreduktion<br />
um bis zu 70 Prozent erfahren.<br />
Bei verbesserter Biokompatibilität und<br />
gleicher Stabilität wie die schwergewichtigen<br />
Netze ist eine Reduktion von Schmerzen,<br />
Fremdkörpergefühl und eine Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Bauchwandbeweglichkeit zu<br />
erwarten.<br />
925
Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Abb. 3: Mögliche Netzpositionen innerhalb <strong>der</strong><br />
Bauchwand<br />
Für den intraabdominellen Netzeinsatz im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Laparoskopie mit direktem<br />
Kontakt zu intestinalen Organen sind zahlreiche<br />
sogenannte Composite-Netze auf<br />
dem Markt, bei denen das Kunststoffnetz<br />
mit antiadhäsiven und resorbierbaren be -<br />
ziehungsweise nicht resorbierbaren Materialien<br />
beschichtet ist, um die Adhäsionsbildung<br />
so gering wie möglich zu halten.<br />
Ebenfalls zum intraabdominellen Einsatz<br />
und zur Rekonstruktion sehr großer<br />
Bauchwandhernien auch bei Infekt-Situationen<br />
werden „Bio-Netze“ angeboten.<br />
Diese Kollagen-Matrices werden zum Beispiel<br />
<strong>aus</strong> Schweinedünndarm-Mukosa hergestellt<br />
und sollen jegliche Fremdkörperreaktion<br />
vermeiden.<br />
Operation<br />
Das Kunststoffnetz lässt sich in verschiedenen<br />
Positionen in <strong>der</strong> Bauchwand fixieren<br />
(Abb. 3). Die besten Ergebnisse werden <strong>für</strong><br />
die retromuskuläre Position berichtet. Entscheidend<br />
<strong>für</strong> den Erfolg <strong>der</strong> Operation ist<br />
die Platzierung des Netzes, das den Defekt<br />
allseitig mindestens fünf Zentimeter überlappen<br />
sollte.<br />
926<br />
Abb. 4: Komponenten-Separation nach Ramirez – durch Inzision des vor<strong>der</strong>en Blattes <strong>der</strong> Rektusscheide kann eine<br />
erhebliche Medialisierung <strong>der</strong> Rektus-Muskelbäuche erfolgen, die den Bauchdeckenverschluss ermöglicht<br />
Die Implantation in „inlay“-Position sollte<br />
Ausnahmefällen vorbehalten bleiben, da<br />
<strong>der</strong> Vorteil <strong>der</strong> Spannungsfreiheit mit deutlich<br />
erhöhten Rezidivraten von bis zu 40<br />
Prozent erkauft wird. Wird die Netz-Prothese<br />
auf <strong>der</strong> Faszie platziert („onlay“-<br />
Technik), ist mit einem Wie<strong>der</strong>auftreten<br />
des Bruchs in bis zu 20 Prozent zu rechnen.<br />
Bei sehr großen Defekten existieren verschiedene<br />
Taktiken, um einen primären<br />
Defektverschluss zu erzielen. Ramirez<br />
beschrieb erstmals 1990 eine Technik <strong>der</strong><br />
Separation <strong>der</strong> Bauchwandkomponenten<br />
zum Verschluss großer Bauchwanddefekte<br />
ohne Netzaugmentation: Teile <strong>der</strong> seitlichen<br />
muskulären Bauchwand werden so<br />
präpariert, dass sie sich gegeneinan<strong>der</strong> zur<br />
Mittellinie hin verschieben lassen und<br />
somit den primären Verschluss von Bauchwanddefekten<br />
bis zu einem Durchmesser<br />
von 15 Zentimetern erlauben. Teilschritte<br />
dieses Verfahrens werden inzwischen auch<br />
laparoskopisch durchgeführt.<br />
Einen entscheidenden Beitrag zur Bauchwandstabilität<br />
leistet dabei die Medialisierung<br />
<strong>der</strong> beiden Rektus-Muskelbäuche<br />
(Abb. 4). Entscheidend ist die Präparation<br />
in <strong>der</strong> richtigen Schicht zwischen Externusund<br />
Internusmuskulatur, um die hier ver-<br />
laufenden Gefäße und Nerven und damit<br />
die Innervation und Durchblutung <strong>der</strong><br />
Bauchwandmuskulatur zu erhalten. Als<br />
zusätz liche Verstärkung kann das so erzielte<br />
Rekonstruktionsergebnis mit einer Netz -<br />
implantation in Sublay- o<strong>der</strong> Onlay-Position<br />
augmentiert werden.<br />
Ist die Hernie sehr groß, kann das „progressive<br />
Pneumoperitoneum“ zur Anwendung<br />
kommen. Hierbei wird über mehrere<br />
Wochen durch zunehmende intraabdominelle<br />
CO2-Insufflation ein Überdruck aufgebaut,<br />
<strong>der</strong> die Bauchwand vordehnt. Aufgrund<br />
<strong>der</strong> seltenen Indikation sind die<br />
Erfahrungen mit diesem Verfahren jedoch<br />
sehr begrenzt.<br />
Seit <strong>der</strong> Erstbeschreibung 1993 findet die<br />
laparoskopische Reparation von Narbenhernien<br />
zunehmend Verbreitung, die<br />
„IPOM“-Technik (Intraperitoneales Onlay<br />
Mesh, Abb. 5a – c). Nach Anlage eines<br />
Pneumoperitoneums und Darstellen <strong>der</strong><br />
Bruchpforte wird ein Kunststoffnetz eingebracht,<br />
das entwe<strong>der</strong> durch seine Primärstruktur<br />
o<strong>der</strong> eine Beschichtung inert<br />
gegenüber <strong>der</strong> Darmwand ist, denn das<br />
Entstehen schwerer Adhäsionen o<strong>der</strong> gar<br />
Darmfisteln ist eine ge<strong>für</strong>chtete Folge <strong>der</strong>
a<br />
b<br />
c<br />
intraperitonealen Einbringung des Netzes.<br />
Zunächst wird das Netz mit Spiralen,<br />
Klammern o<strong>der</strong> Nähten stabil in <strong>der</strong><br />
Bauchwand verankert, sodass es den<br />
Bauchwanddefekt spannungsfrei überbrückt.<br />
Das Netz soll dann durch Umund<br />
Einbau körpereigenen Gewebes die<br />
Bildung einer stabilen Narbenplatte induzieren<br />
und so einen dauerhaften Verschluss<br />
<strong>der</strong> Narbenhernie generieren. Vor<strong>aus</strong>setzung<br />
da<strong>für</strong> ist eine <strong>aus</strong>reichende Überlappung<br />
des Netzes von etwa 5 – 7 Zentimetern.<br />
Die Ergebnisse <strong>der</strong> laparoskopischen<br />
Technik sind vielversprechend, die Rezidivraten<br />
liegen überwiegend unter 5 Prozent.<br />
[2,4,8] Kurzfristig kommt es zu einer<br />
geringeren Rate an Wundheilungsstörungen,<br />
Morbidität und Rezidivrate scheinen<br />
geringer zu sein. Die Vorteile des minimal<br />
invasiven Zugangs wie geringer Schmerzmittelverbrauch,<br />
kürzere Hospitalisierung<br />
und Krankschreibung sowie geringere<br />
Behandlungskosten lassen sich auch <strong>für</strong><br />
Narbenhernien belegen. [1,16]<br />
Kontakt<br />
Dr. Thomas Mansfeld<br />
Viszeralmedizin, Allgemein- und<br />
Viszeralchirurgie, Endoskopie und<br />
Gastroenterologie<br />
<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Wandsbek<br />
Alphonsstraße 14<br />
22043 Hamburg<br />
Tel. (0 40) 18 18-83 12 64<br />
Fax (0 40) 18 18-83 16 32<br />
Mobil (0 160) 96 98 38 16<br />
Fazit<br />
E-Mail: t.mansfeld@asklepios.com<br />
Abb. 5 a – c: Laparoskopische Versorgung einer Oberbauchnarbenhernie.<br />
In <strong>der</strong> Bruchpforte fixiertes Netz<br />
(a), nach Adhäsiolyse (b), Verschluss mit beschichtetem<br />
Kunststoffnetz in IPOM-Technik (c).<br />
■ Prinzipiell stellt jede Narbenhernie eine<br />
Operationsindikation dar, da sich das<br />
Auseinan<strong>der</strong>weichen <strong>der</strong> Bauchdecke<br />
auf an<strong>der</strong>em Wege nicht aufhalten lässt.<br />
Die individuelle Konstellation von Le -<br />
bensalter, kardiopulmonalem Zustand,<br />
Diabetes mellitus, Adipositas etc. muss<br />
bei <strong>der</strong> Entscheidung berücksichtigt<br />
werden.<br />
■ Der Bruch sollte – wenn möglich – ab<br />
einem Durchmesser von drei Zentimetern<br />
in <strong>der</strong> Regel durch Implantation<br />
eines Kunststoffnetzes versorgt werden,<br />
das bei offenem Vorgehen optimalerweise<br />
in retroperitonealer Position<br />
fixiert wird.<br />
■ Die laparoskopische Narbenhernien -<br />
reparation weist vielversprechende<br />
Ergebnisse auf, auch wenn sie nicht<br />
komplikationsärmer ist, als die offene<br />
Operation.<br />
■ Ein Standardverfahren <strong>der</strong> Narbenhernienversorgung<br />
existiert nicht. Vielmehr<br />
sollten in <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong> zur optimalen<br />
individuellen Versorgung des Narbenbruches<br />
sowohl offene wie auch laparoskopische<br />
Verfahren beherrscht werden.<br />
Literatur<br />
Visceralchirurgie<br />
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[19] Seiler CM, Diener MK. Welche Zugänge prädisponieren<br />
<strong>für</strong> Narbenhernien? Chirurg 2010; 81(3): 186-91.<br />
927
ISSN 1863-8341<br />
Geschichte <strong>der</strong> Medizin<br />
40 Jahre Altonaer Krankenh<strong>aus</strong><br />
in Othmarschen<br />
Dr. Oswald Müller-Plathe<br />
Es war ein ungewohntes Bild, als am<br />
11. Mai 1971 und an den folgenden Tagen<br />
Konvois von Sanitätsfahrzeugen <strong>der</strong><br />
Bundeswehr durch die belebten Straßen<br />
Ottensens fuhren und 300 nicht entlassungsfähige<br />
Patienten des alten AK Altona<br />
von <strong>der</strong> Max-Brauer-Allee zum neuen<br />
Krankenh<strong>aus</strong> in Othmarschen transportierten.<br />
Nach einer Bauzeit von zehn Jahren war<br />
<strong>der</strong> erste Krankenh<strong>aus</strong>neubau Hamburgs<br />
seit dem Ersten Weltkrieg endlich bezugsfertig.<br />
Am 6. Mai war <strong>der</strong> Bau feierlich eingeweiht<br />
worden. Am 7. Mai, dem Tag <strong>der</strong><br />
offenen Tür, bewun<strong>der</strong>ten die Hamburger<br />
das „Millionending in Othmarschen“, das<br />
mit mehreren umstrittenen Nachbewilligungen<br />
durch die Bürgerschaft 155 Millionen<br />
DM verschlungen hatte.<br />
Der kompakte Bau mit dem markant auf -<br />
ragenden 20-geschossigen Bettenh<strong>aus</strong> <strong>für</strong><br />
1.042 Patienten wurde von dem Architekten<br />
Werner Kallmorgen gestaltet. Die medizinische<br />
Planung verantwortete Prof. Dr.<br />
Reinhard Aschenbrenner. Die strenge<br />
Funktionalität <strong>der</strong> Gesamtanlage überzeugt<br />
bis heute, erfuhr aber mehrere Ergänzungen:<br />
1996 das gemeinsam mit dem Altonaer<br />
Kin<strong>der</strong>krankenh<strong>aus</strong> betriebene Perinatalzentrum,<br />
1997 ein neuer Trakt <strong>für</strong> die<br />
operative Intensivstation und ein Interventionszentrum,<br />
in den letzten Jahren unter<br />
an<strong>der</strong>em eine mo<strong>der</strong>ne Zentrale Notaufnahme<br />
und ein Parkh<strong>aus</strong>. Zwischen 1998<br />
bis 2005 wurden die 26 Stationen des Bettenh<strong>aus</strong>es<br />
mo<strong>der</strong>nisiert (Zweibettzimmer,<br />
Sanitärzonen etc.), die internistischen<br />
Intensivbereiche neu gestaltet, eine Komfortklinik<br />
eingerichtet und die konzern -<br />
eigene Laborgesellschaft MEDILYS integriert.<br />
www.medtropole.de<br />
BU<br />
Um 1990 wurden die Abteilungsstrukturen<br />
an die zunehmende Spezialisierung angepasst.<br />
Man richtete eine III. Chirurgische<br />
Abteilung ein mit den Schwerpunkten<br />
Unfall-, Hand- und Wie<strong>der</strong>herstellungs -<br />
chirurgie, die Inneren Abteilungen wurden<br />
vorrangig auf die Teilgebiete <strong>aus</strong>gerichtet:<br />
I. Med. Abt. Gastroenterologie, II. Med.<br />
Abt. Hämatologie/Onkologie einschließlich<br />
Stammzelltransplantation und Tagesklinik,<br />
III. Med. Abt. Kardiologie/Pneumolo gie/<br />
Intensivmedizin. 2009 kamen eine IV. Med.<br />
Abt. <strong>für</strong> Rheumatologie/Immunologie/<br />
Nephrologie und eine als Abteilung selbst-<br />
ständige interdisziplinäre Zentrale Notaufnahme<br />
hinzu. Ab 2002 wurde die Röntgenabteilung<br />
mo<strong>der</strong>nisiert mit Digitalisierung<br />
<strong>der</strong> Diagnostik bis in die Stationsbereiche.<br />
Die vorbildliche interdisziplinäre Tradition<br />
des H<strong>aus</strong>es begünstigte in den vergangenen<br />
zwei Jahrzehnten die Bildung leistungsstarker<br />
Zentren, allen voran des 2008<br />
zertifizierten Tumorzentrums mit onkologisch<br />
koordinierten Tumorkonferenzen, an<br />
denen alle Disziplinen einschließlich externer<br />
Strahlentherapeuten teilnehmen. Sehr<br />
erfolgreich ist auch die Gastro Clinic mit<br />
ihren internistisch-chirurgisch gemeinsam<br />
betriebenen Stationen und das damit verbundene<br />
Darmzentrum (2009 zertifiziert).<br />
Aus <strong>der</strong> 1998 eingerichteten ersten Stroke<br />
Unit entwickelte sich das von Neurologen,<br />
Neurochirurgen und Neuroradiologen<br />
getragene Neurozentrum. Weitere Zentren<br />
sind das Brustzentrum (Gynäkologie und<br />
Radiologie in Kooperation mit <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong><br />
<strong>Klinik</strong> Barmbek) und das Gefäßzentrum<br />
(Gefäßchirurgie, Radiologie und Kardiologie).<br />
Das <strong>Klinik</strong>um in Othmarschen ist <strong>der</strong> dritte<br />
Bau in <strong>der</strong> nunmehr 227 Jahre währenden<br />
Geschichte des Altonaer Krankenh<strong>aus</strong>es.<br />
Das erste H<strong>aus</strong> wurde ab 1784 in <strong>der</strong><br />
Königstraße betrieben. Es wurde 1861<br />
abgelöst von dem zweiten Bau in <strong>der</strong> Max-<br />
Brauer-Allee, <strong>der</strong> bis 1971 als Krankenh<strong>aus</strong><br />
genutzt wurde. Beide Häuser gehen noch<br />
auf die dänische Zeit Altonas zurück.<br />
Literatur<br />
Müller-Plathe O. Aus <strong>der</strong> Geschichte des Altonaer<br />
Krankenh<strong>aus</strong>es. Husum Verlag. 2011: Im Druck.