medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios
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Medtropole | Ausgabe 25 | April 2011<br />
Behandlung des Narbenbruchs –<br />
gibt es Standards?<br />
Dr. Thomas Mansfeld<br />
Eine Narbenhernie entsteht nach einer Operation mit Eröffnung <strong>der</strong> Bauchhöhle (Laparotomie) bei 10 bis 20<br />
Prozent aller Patienten. [11,12] Sie ist damit die häufigste Langzeitkomplikation. Bei geschätzten 700.000 Laparotomien<br />
pro Jahr treten also etwa 100.000 Narbenhernien in Deutschland auf. Nach den Daten des Instituts <strong>für</strong> das<br />
Entgeltsystem wurden 2007 knapp 44.000 Narbenhernien in Deutschland versorgt. [13] Hinzu kommt eine kaum<br />
zu beziffernde volkswirtschaftliche Dimension.<br />
In <strong>der</strong> Regel heilen Laparotomiewunden<br />
binnen drei Monaten problemlos ab. Die<br />
entstehenden Narben sind stabil, tolerieren<br />
Druckbelastungen bis zu 180 mmHg und<br />
unterscheiden sich in ihrer Festigkeit nicht<br />
von <strong>der</strong> normalen Bauchdecke. Im Unterschied<br />
zur akuten Nahtdehiszenz (Platzbauch),<br />
die nur bei circa einem Prozent <strong>der</strong><br />
Patienten auftritt und meist eine sofortige<br />
operative Revision erfor<strong>der</strong>t, ist die chronische<br />
Nahtdehiszenz von <strong>der</strong> Ausbildung<br />
einer o<strong>der</strong> mehrer Bruchpforten und einem<br />
Bruchsack gekennzeichnet. Das Auftreten<br />
<strong>der</strong> Hernie nach <strong>der</strong> Operation ist zeitlich<br />
sehr variabel, die Ursachen lassen sich in<br />
patientenabhängige und chirurgisch-technische<br />
Faktoren unterteilen (Tab. 1). [12]<br />
Die chirurgisch-technischen Einflüsse sind<br />
gut untersucht. Die Annahme, längs verlaufende<br />
Laparotomien seien häufiger <strong>für</strong><br />
eine Narbenhernie verantwortlich als Querlaparotomien,<br />
ließ sich in verschiedenen<br />
Studien nicht bestätigen. [6,19] Die Häufigkeit<br />
einer Bauchwandhernie im Bereich <strong>der</strong><br />
Trokareinstichstellen <strong>für</strong> laparoskopische<br />
Operationen liegt bei 0 bis 5,2 Prozent. [9]<br />
Dagegen fehlt <strong>der</strong> Nachweis, dass laparoskopisch<br />
assistierte Operationen zu einer<br />
geringeren Rate an Narbenhernien führen.<br />
924<br />
Die Ergebnisse <strong>der</strong> INSECT-Studie [18] lassen<br />
vermuten, dass die fortlaufende verzögert<br />
resorbierbare Schlingennaht seltener zur<br />
Hernie führt als die einzeln gestochene<br />
Naht mit resorbierbaren Fäden. Auch eine<br />
Störung des Kollagenstoffwechsels wird als<br />
Motor einer Narbenbruchentstehung an -<br />
genommen. Ein gestörtes Verhältnis von<br />
stabilem, <strong>aus</strong>gereiftem Typ I-Kollagen zu<br />
un<strong>aus</strong>gereiftem, instabilem Typ III-Kollagen<br />
ließ sich sowohl bei Leisten- als auch bei<br />
Narbenhernien nachweisen. [10] Versuche,<br />
dieses Verhältnis medikamentös zu ver -<br />
bessern, führten noch zu keinem klinisch<br />
relevanten Verfahren. Ein großer Teil <strong>der</strong><br />
„endogenen“ Faktoren bleibt jedoch gar<br />
nicht o<strong>der</strong> nur schwer beeinflussbar. [14]<br />
Diagnostik<br />
Das Beschwerdespektrum bei Narbenhernien<br />
reicht von völliger Beschwerdefreiheit<br />
bis hin zur vollständigen Arbeitsunfähigkeit<br />
aufgrund von Schmerzen o<strong>der</strong> Einschränkungen<br />
<strong>der</strong> körperlichen Belastbarkeit.<br />
Narbenhernien lassen sich klinisch<br />
meist bei <strong>der</strong> Untersuchung im Liegen und<br />
Stehen sowie durch einen Pressversuch<br />
nachweisen. Bei erschwerten Untersuchungsbedingungen<br />
(z. B. bei adipösen<br />
Patienten) lassen sich die Verhältnisse durch<br />
eine Sonographie o<strong>der</strong> eine CT/NMR-Bildgebung<br />
(Abb. 1) meist klären. Mit zunehmen<strong>der</strong><br />
Größe des Fasziendefekts kommt<br />
es zur Verlagerung von Intestinalorganen<br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Bauchhöhle in den Bruchsack bis<br />
hin zu teils grotesken Hernien, bei denen<br />
die Bauchorgane „ihr Heimatrecht in <strong>der</strong><br />
Bauchhöhle verloren haben“ (Abb. 2a– d).<br />
Vor <strong>der</strong> operativen Versorgung <strong>aus</strong>gedehnter<br />
Narbenhernien, bei denen ein Großteil<br />
<strong>der</strong> Bauchorgane im Bruchsack lange vor<br />
die Bauchhöhle verlagert war, sollten eine<br />
Lungenfunktionsprüfung durchgeführt<br />
und die kardiale Situation abgeklärt werden,<br />
da nach Verschluss <strong>der</strong> Narbenhernie<br />
mit Reposition <strong>der</strong> vorgefallenen intestinalen<br />
Organe ein erhöhter intraabdominaler<br />
Druck die Lungen- und Herzfunktion einschränken<br />
kann. Im Gegensatz zu den<br />
meist wenig schmerzhaften o<strong>der</strong> schmerzlosen,<br />
in <strong>der</strong> Regel seit Jahren bestehenden<br />
reponiblen Hernien geht eine Inkarzeration<br />
stets mit starker lokaler Schmerzhaftigkeit<br />
einher. Ein solcher Zustand stellt eine<br />
sofortige Operationsindikation dar.