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Pythagoras & Co. - Griechische Mathematik vor Euklid - Mathematik.de

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Figürliches und an<strong>de</strong>re Beson<strong>de</strong>rheiten beim Umgang mit Zahlen<br />

Das Verhältnis, das die Pythagoreer im 6. und 5. Jahrhun<strong>de</strong>rt (v.Chr.) zu Zahlen hatten,<br />

unterschei<strong>de</strong>t sich in vielerlei Hinsicht von unserem heutigen. Sie fan<strong>de</strong>n damals auch<br />

noch Gerechtigkeit, Seele und Vernunft in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Zahlen. Aristoteles schreibt:<br />

Während dieser Zeit und schon <strong>vor</strong>her befaßten sich die sogenannten<br />

Pythagoreer mit <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> und brachten sie zuerst weiter, und darin<br />

eingelebt hielten sie <strong>de</strong>ren Prinzipien für die Prinzipien alles Seien<strong>de</strong>n. Da<br />

nämlich die Zahlen in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> <strong>de</strong>r Natur nach das Erste sind, und sie<br />

in <strong>de</strong>n Zahlen viele Ähnlichkeiten (Gleichnisse) zu sehen glaubten mit <strong>de</strong>m,<br />

was ist und entsteht, mehr als in Feuer, Er<strong>de</strong> und Wasser, wonach ihnen (z.B.)<br />

die eine Bestimmtheit <strong>de</strong>r Zahlen Gerechtigkeit sei, eine an<strong>de</strong>re Seele o<strong>de</strong>r<br />

Vernunft, wie<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Reife und so in gleicher Weise so gut wie je<strong>de</strong>s<br />

einzelne, und sie ferner die Bestimmungen und Verhältnisse <strong>de</strong>r Harmonien in<br />

Zahlen fan<strong>de</strong>n; – da ihnen also das übrige seiner ganzen Natur nach <strong>de</strong>n<br />

Zahlen zu gleichen schien, die Zahlen aber sich als das Erste in <strong>de</strong>r gesamten<br />

Natur zeigten, so nahmen sie an, die Elemente <strong>de</strong>r Zahlen seien Elemente alles<br />

Seien<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r ganze Himmel sei Harmonie und Zahl.<br />

(Aristoteles: Metaphysik. Buch I, Kap. 5, 985b) 34<br />

Wir wer<strong>de</strong>n uns hier nur mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich banaleren Aspekten <strong>de</strong>r Zahlen beschäftigen.<br />

Auch dazu haben die Pythagoreer vieles beigetragen.<br />

Wenn hier von Zahlen die Re<strong>de</strong> ist, so geht es um natürliche Zahlen. Die Eins gehört<br />

dabei aber nicht dazu. Das Zählen begannen die Pythagoreer einerseits ganz<br />

selbstverständlich mit <strong>de</strong>r Eins, an<strong>de</strong>rseits war die Eins für sie keine richtige Zahl. Eins<br />

und Einheit waren bei ihnen zwei eng verwobene und kaum getrennte Begriffe. Die Wahl<br />

<strong>de</strong>r Einheit bestimmt, wonach o<strong>de</strong>r was gezählt wird. Das Zählen ist aber etwas an<strong>de</strong>res<br />

als die Wahl <strong>de</strong>r Einheit. Da die Wahl <strong>de</strong>r Einheit aber auch so ausgedrückt wer<strong>de</strong>n kann,<br />

dass man bestimmt was als Eins gilt, so schien <strong>de</strong>n Pythagoreern die Eins keine Zahl wie<br />

an<strong>de</strong>re zu sein.<br />

Mehr noch: Für die Pythagoreer ist die Eins zugleich gera<strong>de</strong> wie ungera<strong>de</strong> und eine<br />

Fundamentalgröße <strong>de</strong>r Zahlen wie <strong>de</strong>s Himmels:<br />

Als Elemente <strong>de</strong>r Zahl aber betrachteten sie das Gera<strong>de</strong> und das Ungera<strong>de</strong>,<br />

von <strong>de</strong>nen das eine begrenzt sei, das an<strong>de</strong>re unbegrenzt, das Eine aber<br />

bestehe aus diesem bei<strong>de</strong>n (<strong>de</strong>nn es sei sowohl gera<strong>de</strong> als ungera<strong>de</strong>) die Zahl<br />

aber aus <strong>de</strong>m Einen, und aus Zahlen, wie gesagt, bestehe <strong>de</strong>r ganze Himmel.<br />

(Aristoteles: Metaphysik. Buch I, Kap. 5, 986a) 35<br />

Diesen ganzen philosophisch aufgeplusterten Ballast zu <strong>de</strong>n Zahlen im allgemeinem und<br />

<strong>de</strong>m Einem im beson<strong>de</strong>ren, kann man (zum Glück!) praktisch vollständig ignorieren, wenn<br />

man sich <strong>de</strong>n mathematischen Teilen <strong>de</strong>r pythagoreischen Zahlentheorie nähert. Selbst<br />

dass die Eins nicht als eine natürliche Zahl wie an<strong>de</strong>re gilt, spielt dort kaum eine Rolle.<br />

Für die mathematische Praxis ergibt sich aus all <strong>de</strong>m eigentlich nur ein einziger wichtiger<br />

Punkt: Die Pythagoreer mei<strong>de</strong>n die Bruchrechnung. Sie haben eine heilige Scheu da<strong>vor</strong>,<br />

die Eins zu zerteilen. Der Philosoph Platon schließt sich <strong>de</strong>r entschie<strong>de</strong>nen Ablehnung <strong>de</strong>r<br />

Bruchrechnung durch die Pythagoreer <strong>vor</strong>behaltlos an. Er lässt die Figur SOKRATES, die er<br />

im hier einschlägigen Dialog Der Staat als Sprachrohr benutzt, folgen<strong>de</strong>s ausführen:<br />

Denn du weißt ja, wie es die geschulten <strong>Mathematik</strong>er machen: wenn einer<br />

versucht die reine Eins in Gedanken zu zerteilen, so lachen sie ihn aus und<br />

weisen ihn ab, und wenn du sie zerstückelst, so antworten sie mit<br />

Vervielfältigung <strong>de</strong>rselben, immer darauf bedacht zu verhüten, daß die Eins<br />

34 Aristoteles: Philosophische Schriften. Bd 5. Übersetzt von Hermann Bonitz. Hamburg: Meiner Verlag 1995. S. 14f<br />

35 Aristoteles: Philosophische Schriften. Bd 5. Übersetzt von Hermann Bonitz. Hamburg: Meiner Verlag 1995. S. 15f<br />

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