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Pythagoras & Co. - Griechische Mathematik vor Euklid - Mathematik.de

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Die Stellung <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> als Bildungs- und Kulturgut<br />

Die Entwicklung <strong>de</strong>r beweisen<strong>de</strong>n <strong>Mathematik</strong> und insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r beweisen<strong>de</strong>n<br />

Geometrie hat die griechische Kultur bereits im 5. Jahrhun<strong>de</strong>rt v.Chr. <strong>de</strong>utlich geprägt. Im<br />

4. Jahrhun<strong>de</strong>rt v.Chr. steigt die Geometrie zur gepriesenen Schule <strong>de</strong>s Verstan<strong>de</strong>s auf.<br />

Die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong>n, Problemen und Resultaten <strong>de</strong>r beweisen<strong>de</strong>n<br />

Geometrie wird ein zunehmend selbstverständlicher Teil <strong>de</strong>r gehobenen Bildung.<br />

Eine Einführung in die <strong>Mathematik</strong> (insbeson<strong>de</strong>re in die Geometrie) gehörte im Athen <strong>de</strong>s<br />

4. Jh. v.Chr. zur Sekundar-Ausbildung <strong>de</strong>r 14 bis 18 Jährigen „Gymnasiasten“. Wer an<br />

weitergehen<strong>de</strong>m Unterricht interessiert war, <strong>de</strong>r musste sich an einem Sophisten wen<strong>de</strong>n<br />

o<strong>de</strong>r einen <strong>de</strong>r Orte <strong>de</strong>s Wissens wie Philosophenschulen o<strong>de</strong>r (ab 300 v.Chr.) das<br />

Museion aufsuchen. Das setzte Zeit zur Muße und einen gewissen Wohlstand <strong>vor</strong>aus.<br />

Dass die beweisen<strong>de</strong> <strong>Mathematik</strong> nun als zentrales Kulturgut gilt, drückt sich auch im<br />

hohen Ansehen aus, das be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> <strong>Mathematik</strong>er genießen. Die wichtigen<br />

<strong>Mathematik</strong>er gehörten dabei entwe<strong>de</strong>r zur vielfältig geglie<strong>de</strong>rten Gruppe <strong>de</strong>r Gentleman-<br />

Gelehrten o<strong>de</strong>r zur ebenso heterogenen Gruppe <strong>de</strong>r Sophisten. Die griechische<br />

<strong>Mathematik</strong> wur<strong>de</strong> nicht von einer kleinen abgegrenzten Gruppe ansonsten kulturell<br />

inaktiver Berufsmathematiker geschaffen, son<strong>de</strong>rn von einer breit gebil<strong>de</strong>ten kulturellen<br />

Elite, die neben <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> auch viele an<strong>de</strong>re Bereiche <strong>de</strong>s Geisteslebens prägte. Ja,<br />

häufig waren die be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n <strong>Mathematik</strong>er zugleich auch politisch einflussreiche<br />

Gestalten. Ein Faktum, <strong>de</strong>ssen heutige Befremdlichkeit <strong>de</strong>utlich macht, wie gänzlich<br />

an<strong>de</strong>rs damals <strong>Mathematik</strong> in <strong>de</strong>r Kultur verankert war.<br />

Die Entstehung <strong>de</strong>r beweisen<strong>de</strong>n <strong>Mathematik</strong> hat zu einer erheblichen Neuorientierung im<br />

Bereich Bildung geführt. Wer ein kluger Kopf wer<strong>de</strong>n wollte, <strong>de</strong>r musste seinen Verstand<br />

zunächst einmal an geometrischen Beweisen schulen. Wer als gebil<strong>de</strong>t gelten wollte,<br />

sorgte besser dafür, dass er mit <strong>de</strong>n neuen Resultaten in <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> Schritt hielt und<br />

<strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r Dinge kannte. Wer mit seinen Geisteskräften beeindrucken wollte, für <strong>de</strong>n<br />

bot die <strong>Mathematik</strong> ein Betätigungsfeld, auf <strong>de</strong>m man sich Anerkennung, Lorbeeren, ja<br />

selbst unsterblichen Ruhm erwerben konnte. Dem bereits im 4. Jahrhun<strong>de</strong>rt zur Legen<strong>de</strong><br />

verklärten Thales wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r unsterbliche Ruhm nicht zuletzt wegen <strong>de</strong>r ihm nachgesagten<br />

mathematischen Leistungen zuteil. Wenn Demokrit, eine Schlüsselgestalt <strong>de</strong>s antiken<br />

Atomismus, seine Geisteskräfte betonen wollte, dann verwies er darauf, dass ihm in <strong>de</strong>r<br />

Geometrie so schnell keiner etwas <strong>vor</strong>mache.<br />

Der ionische Naturphilosoph Anaxagoras, <strong>de</strong>m man in Athen <strong>de</strong>n Prozess machte, weil er<br />

die Göttlichkeit <strong>de</strong>r Sonne in Abre<strong>de</strong> stellte, nutzte seinen Aufenthalt im Gefängnis sinnvoll:<br />

Er dachte über die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises nach. Jenes Problem, das Aristophanes in<br />

seiner Komödie Die Vögel in einem seiner Scherze einfließen ließ. 87 Einzelne Beweise<br />

wur<strong>de</strong>n ebenso wie Fragen nach <strong>de</strong>r Zulässigkeit bestimmter Beweistechniken von<br />

prominenten Größen <strong>de</strong>r Antike kontrovers diskutiert.<br />

Man konnte mit seinem sophistischen Rhetorik-Lehrer nicht nur die Ilias <strong>de</strong>s Homer,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die Probleme <strong>de</strong>r Kreis-Quadratur diskutieren. An Platons Aka<strong>de</strong>mie galt<br />

eine soli<strong>de</strong> Kenntnis <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> als gleichermaßen unerlässlich wie selbstverständlich.<br />

Wer die Existenz inkommensurabler Strecken nicht verstan<strong>de</strong>n hatte, <strong>de</strong>n<br />

nannte Platon einen erbärmlichen Wicht. Ein auf die Themen <strong>de</strong>s Feuilletons verkürzter<br />

Bildungsbegriff war damals offensichtlich nicht die <strong>vor</strong>herrschen<strong>de</strong> Mo<strong>de</strong>.<br />

Es ist zu ergänzen, dass es auch jene gab, die sich bei <strong>de</strong>r Betonung <strong>de</strong>s pädagogischen<br />

Werts <strong>de</strong>r Geometrie eher abseits hielten, o<strong>de</strong>r dieser sogar ablehnend gegenüber stan<strong>de</strong>n.<br />

Sokrates z.B. gehörte zu jenen, die keine hohe Meinung von <strong>de</strong>r Geometrie hatten:<br />

87 Man sollte aber <strong>de</strong>swegen nicht unterstellen, dass das Athener Publikum <strong>de</strong>r Aristophanes Komödien in seiner<br />

Majorität über eine gehobene geometrische Bildung verfügte. Man musste nur wissen, dass es das Problem <strong>de</strong>r<br />

Kreis-Quadratur gab, und dass es als schwierig galt, um <strong>de</strong>n Scherz zu verstehen.<br />

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