Pythagoras & Co. - Griechische Mathematik vor Euklid - Mathematik.de
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Wie im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s Textes <strong>de</strong>utlich wird, geht es hier um die Propagierung eines<br />
Mo<strong>de</strong>lls <strong>de</strong>r beweisen<strong>de</strong>n Wissenschaft als Quelle jeglicher Art <strong>de</strong>s Wissens. Salopp<br />
formuliert: Aristoteles empfiehlt „Von <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong> lernen, heißt Wissenschaft lernen“.<br />
Bei aller Liebe zur <strong>Mathematik</strong>, von allen Wissenschaften zu verlangen, dass sie sich in<br />
beweisen<strong>de</strong> Wissenschaften verwan<strong>de</strong>ln, ist etwas zu viel verlangt. Aristoteles geht aber<br />
noch weiter, er verlangt, dass alle Resultate aus wenigen ersten Grundsätzen und<br />
Prinzipien hergeleitet wer<strong>de</strong>n. Er verlangt also zusätzlich, dass die Wissenschaften einen<br />
axiomatischen Aufbau haben sollten, etwas, was wir von <strong>de</strong>r Geometrie in <strong>Euklid</strong>s<br />
Elementen kennen. Da <strong>Euklid</strong> aber nach Aristoteles geschrieben hat, stellt sich die<br />
spannen<strong>de</strong> Frage, hatten die <strong>vor</strong>euklidischen Elemente bereits einen axiomatischen<br />
Aufbau und Aristoteles hat dies von dort in seine Wissenschaftslehre übernommen o<strong>de</strong>r<br />
hat erst Aristoteles in dieser klaren Form das Konzept <strong>de</strong>r axiomatischen Wissenschaft<br />
erdacht und <strong>Euklid</strong> hat es dann von ihm übernommen? Wir wissen es nicht. Wir wissen<br />
nur, dass in <strong>Euklid</strong>s Elemente die uns von Aristoteles her bekannte Unterscheidung<br />
zwischen Axiomen und Postulaten auftaucht.<br />
Die aristotelische Wissenschaftslehre macht im Übrigen auch <strong>de</strong>utlich, entlang welcher<br />
Linie sich Aristoteles die Aufgabenteilung zwischen Wissenschaft und Philosophie <strong>vor</strong>stellt.<br />
Ihre obersten Grundsätze und Prinzipien erhalten die Wissenschaften jeweils von<br />
<strong>de</strong>r Philosophie <strong>vor</strong>gegeben. Innerhalb dieses Rahmens dürfen dann die Wissenschaften<br />
selbstständig schalten und walten. Bei aller Sympathie, die Aristoteles für die Wissenschaft<br />
hegt, ihre ersten Grundsätze, Prinzipien und allgemeinsten Voraussetzungen sollten<br />
sich die Wissenschaften doch besser von <strong>de</strong>n Philosophen <strong>vor</strong>geben lassen.<br />
Das ist eine I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r auch Platon zugeneigt ist. In <strong>de</strong>n letzten Abschnitten von Buch VI<br />
<strong>de</strong>s Dialogs Der Staat (Politeia), lässt Platon seine Figur SOKRATES ganz ähnliche<br />
Gedanken äußern. Zur Bestimmung erster Sätze (Prämissen), oberster Prinzipien und<br />
Grundsätze bedarf es <strong>de</strong>r Philosophie. Erst wenn <strong>de</strong>r Philosoph solche Voraussetzungen<br />
als zuverlässig benannt hat, kann <strong>de</strong>r <strong>de</strong>duktiv arbeiten<strong>de</strong> Wissenschaftler produktiv<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Platon, <strong>de</strong>r schon in <strong>de</strong>r Antike <strong>de</strong>n Beinamen <strong>de</strong>r <strong>Mathematik</strong>er erhielt, ist <strong>vor</strong> allem von<br />
<strong>de</strong>r Geometrie fasziniert. Mehr noch als die logische Strenge beeindruckt ihn die Ablösung<br />
<strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geometrie von <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r sinnlichen Erfahrungen. Die<br />
Gegenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geometrie haben Eigenschaften, für die es in <strong>de</strong>r Sinnenwelt kein<br />
Vorbild gibt. So haben ihre Linie z.B. keine Breite, ihre Punkte keine Aus<strong>de</strong>hnung. Zu<strong>de</strong>m<br />
sind die Gegenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geometrie immun gegen alle Verän<strong>de</strong>rungen. In ihrer Welt gibt<br />
es kein Wer<strong>de</strong>n und kein Vergehen. Platon radikalisiert dieses Konzept <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>alisierung<br />
und entwickelt so seine I<strong>de</strong>enlehre, eine zutiefst durch die <strong>Mathematik</strong> inspirierte<br />
Philosophie.<br />
Für Platon ist es selbstverständlich, dass auch Dinge außerhalb unserer Erfahrungswelt<br />
existieren (siehe z.B. die Punkte, Linien, Dreiecke <strong>de</strong>r Geometrie). Mehr noch, diese sind<br />
<strong>de</strong>r eigentliche Gegenstand von Erkenntnis. Tiefe, wirkliche Erkenntnis ist bei <strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong>n<br />
unserer Erfahrungswelt gar nicht möglich. Hier haftet allen Urteilen immer <strong>de</strong>r Beigeschmack<br />
<strong>de</strong>s bloßen Meinens an. Das wahrhaft Seien<strong>de</strong> ist die Welt <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>en. Etwas,<br />
was nochmals weiter von <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r sinnlichen Erfahrungen entfernt ist als die Welt <strong>de</strong>r<br />
i<strong>de</strong>alen Objekte <strong>de</strong>r Geometrie. Der Aufstieg zur höchsten I<strong>de</strong>e, <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Guten, ist<br />
wenigen <strong>vor</strong>behalten. Und diese Wenigen sind zum Herrschen über die Vielen bestimmt.<br />
So hat Platon ausgehend von einer philosophischen Aus<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Geometrie, eine<br />
autoritäre bis totalitäre Staatsphilosophie entwickelt. Man sieht, nicht je<strong>de</strong>r Aspekt einer<br />
mathematisch inspirierten Philosophie ist automatisch beeindruckend und brillant. 98<br />
98 Siehe hierzu auch: Platon – <strong>Mathematik</strong>, I<strong>de</strong>enlehre und totalitäre Staatsutopien unter:<br />
www.antike-griechische.<strong>de</strong>/Platon.pdf<br />
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