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Pythagoras & Co. - Griechische Mathematik vor Euklid - Mathematik.de

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Eudoxos hat also die Proportionentheorie entwickelt, um auch dann noch<br />

Größenverhältnisse (Proportionen) betrachten zu können, wenn diese sich nicht durch<br />

Quotienten natürlicher Zahlen (positive Bruchzahlen) beschreiben lassen. (Die Details<br />

dieser sehr abstrakten Theorie wer<strong>de</strong>n hier übergangen.)<br />

Heute verwen<strong>de</strong>n wir in solchen Fällen irrationale Zahlen (Beispiele dafür sind √2 o<strong>de</strong>r die<br />

Zahl , das Verhältnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser). Irrationale Zahlen sind<br />

reelle Zahlen, die sich nicht als <strong>de</strong>r Quotient aus einer natürlichen und einer ganzen Zahl<br />

darstellen lassen (die also keine Bruchzahlen sind). Irrationale Zahlen haben eine niemals<br />

en<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, niemals periodisch wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Dezimalbruchentwicklung und waren in <strong>de</strong>r Antike<br />

unbekannt.<br />

Die Proportionenlehre <strong>de</strong>s Eudoxos ist nicht so leistungsstark wie ein voll ausgereiftes<br />

Konzept <strong>de</strong>r reellen Zahlen (unter Einschluss <strong>de</strong>r irrationalen Zahlen). Sie reichte aber<br />

aus, um eine geometrische Ähnlichkeitslehre zu entwickeln. <strong>Euklid</strong> stellt in Buch VI <strong>de</strong>r<br />

Elemente eine auf <strong>de</strong>r Proportionenlehre <strong>de</strong>s Eudoxos fußen<strong>de</strong> Ähnlichkeitslehre <strong>vor</strong>.<br />

Ähnlich heißen dabei zwei Figuren dann, wenn sie in ihren Winkeln übereinstimmen und<br />

die jeweils gleiche Winkel umfassen<strong>de</strong>n Seiten dasselbe Größenverhältnis aufweisen<br />

(wenn diese Seiten in Proportion stehen, so die antike Formulierung).<br />

Eine grundlegen<strong>de</strong> Sanierung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Antike wahrgenommenen begrenzten<br />

Ausdrucksstärke <strong>de</strong>r Arithmetik fin<strong>de</strong>t erst im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt statt (siehe De<strong>de</strong>kindsche<br />

Schnitte). Nun wer<strong>de</strong>n endlich auch irrationale Zahlen auf ein sicheres Fundament gestellt.<br />

Auch wenn Eudoxos die Leistung De<strong>de</strong>kinds nicht ganz erreichte, so verwen<strong>de</strong>t er bei<br />

seiner Proportionenlehre doch erstaunlich mo<strong>de</strong>rn wirken<strong>de</strong> Definitionen:<br />

Man sagt, daß Größen in <strong>de</strong>mselben Verhältnis stehen, die erste zur zweiten<br />

wie die dritte zur vierten, wenn bei beliebiger Vervielfältigung die<br />

Gleichvielfachen <strong>de</strong>r ersten und dritten <strong>de</strong>n Gleichvielfachen <strong>de</strong>r zweiten und<br />

vierten gegenüber, paarweise entsprechend genommen, entwe<strong>de</strong>r zugleich<br />

größer o<strong>de</strong>r zugleich gleich o<strong>de</strong>r zugleich kleiner sind;<br />

Und die dasselbe Verhältnis haben<strong>de</strong>n Größen sollen in Proportion stehend<br />

heißen; (<strong>Euklid</strong>: Elemente. Buch V, Definitionen) 71<br />

In Kommentierung dieser Stelle schreibt H. Wußing:<br />

Diese Definition <strong>de</strong>r Proportion benötigt ersichtlich keinerlei Voraussetzungen<br />

über die Kommensurabilität <strong>de</strong>r Größen. Zugleich ist sie geeignet, alle<br />

bekannten Sätze über Proportionen beweisen zu können, eine Leistung, die es<br />

gestattet, die Verbindung zwischen <strong>de</strong>r geometrischen Algebra, <strong>de</strong>r<br />

Proportionenlehre, <strong>de</strong>r Ähnlichkeitslehre einerseits und einer das<br />

Inkommensurable, Irrationale umfassen<strong>de</strong>n Größenlehre an<strong>de</strong>rerseits in<br />

mathematisch korrekter Weise herzustellen. Doch war es noch ein weiter Weg<br />

bis zum Begriff <strong>de</strong>r Irrationalzahl. 72<br />

Zum Abschluss dieses Abschnitts noch eine Bemerkung: In Zusammenhang mit Eudoxos<br />

taucht immer wie<strong>de</strong>r die Frage auf, ob man das sogenannte archimedische Axiom nicht<br />

eigentlich in Axiom <strong>de</strong>s Eudoxos umbenennen müsste. Nun, Eudoxos hat das sogenannte<br />

archimedische Axiom unzweifelhaft schon benutzt, aber wahrscheinlich war auch er nicht<br />

<strong>de</strong>r erste. 73 Wollen wir <strong>de</strong>nn wirklich die mathematischen Bezeichnungen solcher<br />

altehrwürdigen Konzepte stets an <strong>de</strong>n aktuellen Stand <strong>de</strong>r mathematik-historischen<br />

Forschung anpassen?<br />

Man sollte an<strong>de</strong>re Mittel und Wege fin<strong>de</strong>n können, um <strong>de</strong>m Genie <strong>de</strong>s Eudoxos jene<br />

Würdigung zu Teil wer<strong>de</strong>n zu lassen, die es unzweifelhaft verdient.<br />

71 <strong>Euklid</strong>: Die Elemente. Hrsg. u. übersetzt von Clemens Thaer. Frankfurt a.M.: Harri Deutsch, 3. Aufl. 1997, S. 91<br />

72 Hans Wußing: 6000 Jahre <strong>Mathematik</strong>. Bd 1. Berlin Hei<strong>de</strong>lberg: Springer Verlag 2008. S. 185<br />

73 Vgl. Helmuth Gericke: <strong>Mathematik</strong> in Antike, Orient und Abendland. Wiesba<strong>de</strong>n: Matrix Verlag 2005. S. 115f<br />

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