Hegel und die analytische Philosophie - Friedrich-Schiller ...

schlechthin entscheidend: er trenne die Freunde der Analyse von deren Feinden. 13
3. Der Hegelianismus Russells und Moores vor ihrer analytischen Wende
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Aber nun gilt es, einen überraschenden Punkt zu erwähnen: Vor ihrer analytischen Rebellion
waren Russell und Moore begeisterte Hegelianer gewesen. 14
Russell hat später bekannt: "Ich war damals ein ausgewachsener Hegelianer. [...] Wo immer Kant
und Hegel in Konflikt waren, ergriff ich die Partei Hegels." 15 Anscheinend gedachte Russell
sogar der Hegelianer des 20. Jahrhunderts zu werden: Während eines Spaziergangs im Berliner
Tiergarten im Frühjahr 1895 faßte er den Plan, mehrere Bücher zur Philosophie der
Wissenschaften zu schreiben; und damit keineswegs genug: gleich trat ihm auch eine ganze Serie
von Büchern zu sozialen und politischen Fragen vor das geistige Auge; und zu guter Letzt
konzipierte er gar eine Hegelsche Synthese in einem enzyklopädischen Werk, das Theorie und
Praxis umfassen sollte. 16 - Hegels Geist schien in der Tat noch immer in Berlin zu wehen.
Auch Moore durchlief eine idealistische Phase - allerdings dauerte sie kürzer als die Russells. 17
Moore wandte sich schon Ende 1896 von McTaggart & Co. ab.
Eigentlich war es also eine Jugendliebe, von der die beiden Gründerfiguren sich durch den
Schritt zur Analyse befreiten - und bekanntlich ist man in späteren Jahren gegen nichts
intoleranter als gegen Jugendlieben, die man inzwischen als Jugendsünden betrachtet. 18
13 "The question at issue is much wider than the truth or falsehood of Hegel's philosophy; it
is the question that divides the friends of analysis from its enemies" (Russell, A History of
Western Philosophy, 744). In der Selbstdarstellung seiner philosophischen Entwicklung von
1959 betont Russell ein weiteres Mal: "I still hold to the doctrine of external relations" (Russell,
My Philosophical Development, 65). "Ever since I abandoned the philosophy of Kant and Hegel,
I have sought solutions of philosophical problems by means of analysis; and I remain firmly
persuaded, in spite of some modern tendencies to the contrary, that only by analysing is progress
possible" (ebd., 11).
14 "Under the influence of McTaggart and others at Cambridge, Russell and Moore became
idealists in their student days, more indebted to Hegel, as they interpreted him, than to any other
dominant figure" (Hylton, "Hegel and analytic philosophy", 448).
15 Russell, My Philosophical Development, 32.
16 Vgl. Russell, "My Mental Development", 11.
17 "He also had had a Hegelian period, but it was briefer than mine" (Russell, "My Mental
Development", 12). "Moore, like me, was influenced by McTaggart, and was for a short time a
Hegelian. But he emerged more quickly than I did, and it was largely his conversation that led
me to abandon both Kant and Hegel" (Russell, Autobiography, 61).
18 Intoleranz gab es freilich bald auch in der umgekehrten Richtung. Russell berichtet, daß
McTaggart, nachdem Russell sich von dessen Anschauungen abgewandt hatte, sich jeden
persönlichen Kontakt verbat und führenden Anteil an der Kündigung von Russells Dozentur
hatte (vgl. Russell, Autobiography, 60). - Die Hostilität zwischen analytischer und nichtanalytischer
Philosophie `kontinentalen' Stils reicht weit zurück.