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675 Jahre Oberkochen - Schwäbische Post

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<strong>675</strong> JAHRE OBERKOCHEN Samstag, 4. Dezember 2010 5<br />

Baugeschäft in siebter Generation<br />

Blick in die Historie des ältesten Handwerksbetriebs: Seit 228 <strong>Jahre</strong>n sind die Wingerts im Geschäft<br />

„Ich bin stolz darauf, was meine<br />

Vorfahren geleistet haben, die Tradition<br />

der 228-jährigen Geschichte<br />

unseres Familienbetriebs ist Auftrag<br />

und Verpflichtung, mit dieser<br />

soliden Grundlage in die Zukunft<br />

zu blicken“, betont Franz Wingert.<br />

Er leitet das Baugeschäft Wingert<br />

nun in siebter Generation.<br />

LOTHAR SCHELL<br />

<strong>Oberkochen</strong>. Franz Uhl belegt in seinem<br />

Beitrag im <strong>Oberkochen</strong>er Heimatbuch,<br />

dass das Baugeschäft Wingert der<br />

älteste noch bestehende Handwerksbetrieb<br />

in <strong>Oberkochen</strong> ist. Als Maurermeister<br />

Franz Anton Wingert vor 228 <strong>Jahre</strong>n<br />

seine ersten Bauten errichtete, war<br />

<strong>Oberkochen</strong> ein Dorf mit gerade einmal<br />

rund 800 Einwohnern.<br />

Landwirtschaft und einige Handwerksbetriebe<br />

prägten das Ortsbild. Wer bauen<br />

wollte, musste die Steine dem heimischen<br />

Jurakalk entnehmen. „Es gibt viele<br />

mündliche Überlieferungen, welch<br />

schwere Arbeit dies weit entfernt von der<br />

heutigen Technik war“, sagt der heutige<br />

Geschäftsführer Franz Wingert.<br />

Die Ursprünge der Wingertschen Unternehmenstradition<br />

gehen auf Johannes<br />

Bartholomäus Wingert (1784 bis<br />

1820) zurück, der neben seiner Landwirtschaft<br />

in <strong>Oberkochen</strong> eine Steinhauerei<br />

betrieben hatte.<br />

Sein Sohn Franz Anton Wingert (1813<br />

bis 1885), der im Ort unter dem Hausnamen<br />

„Schmidkapper“ bekannt war,<br />

führte nach dem unerwarteten Tod seines<br />

Vaters dieses Geschäft weiter. Aus<br />

den umliegenden Steinbrüchen wurden<br />

die Steine heraus gebrochen und mit<br />

Hammer und Meißel per Hand bearbeitet.<br />

Steinerne Zeugnisse aus dieser Zeit<br />

sind die mit Hand behauenen Sockelquader<br />

im Fundament der katholischen<br />

Kirche.<br />

Franz Anton Wingert und sein Sohn Johannes<br />

Wingert (1846 bis 1929) übten<br />

Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!<br />

Seit <strong>675</strong> <strong>Jahre</strong>n ist <strong>Oberkochen</strong> ein Ort,<br />

an dem sich seine Bürger wohl fühlen<br />

können. Und seit 60 <strong>Jahre</strong>n fühlt sich<br />

auch Carl Zeiss an diesem Standort<br />

wohl. Mechanische Präzision war hier<br />

schon zu Hause –wir haben die Optik<br />

dazu gebracht. Nun ist <strong>Oberkochen</strong> ein<br />

führender Standort modernster Hoch-<br />

technologien rund um Nanotechnologie<br />

und Photonik. Innovationen aus Ober-<br />

kochen haben weltweite Erfolge gefeiert.<br />

Das Gewerbegebiet im Süden zeigt,<br />

wie die Stadt und das Unternehmen<br />

gewachsen sind.<br />

Wir freuen uns auf die gemeinsame<br />

Zukunft.<br />

www.zeiss.de<br />

228 <strong>Jahre</strong> alt ist das Bauunternehmen Wingert. Geschäftsführer Franz Wingert leitet<br />

heute die Geschicke. (Foto: ls)<br />

noch zusätzlich das Maurerhandwerk<br />

aus. Der Mörtel bestand hauptsächlich<br />

aus dem Straßenabraum, der äußerst<br />

kalkhaltig war. Später wurden zur Mörtelaufbereitung<br />

in Erdlöchern Kalksteine<br />

mit Holzfeuerung gebrannt und dann<br />

abgelöscht.<br />

Die Bauarbeiten an der Bahnstrecke<br />

waren ein wichtiges Projekt<br />

Im Jahr 1854 zählte <strong>Oberkochen</strong> bereits<br />

fast 1200 Einwohner, denn aus<br />

kleinsten Anfängen war schon eine<br />

Werkzeugindustrie entstanden, die Bohrer<br />

und Fräser für die Holzbearbeitung<br />

herstellte und durch ihr Wachstum auch<br />

erhöhte Anforderungen an den Bausektor<br />

stellte. Johannes Wingert beschäftigte<br />

damals bereits zehn Gehilfen, berichtet<br />

die Chronik der Familie Wingert.<br />

Der Betrieb war an den Bauarbeiten<br />

der Bahnstrecke, die 1886 in Betrieb genommen<br />

wurde, maßgeblich beteiligt.<br />

In den kalten Wintermonaten war Holzarbeit<br />

in den Waldungen rund um <strong>Oberkochen</strong><br />

angesagt und –man höre und<br />

staune –wenn an den Wochenenden<br />

Musik zu Hochzeitsfesten gebraucht<br />

wurde, dann holte man auch gerne<br />

Mauerermeistergehilfen, die mit ihren<br />

Blasinstrumenten zum Tanz aufspielten.<br />

Im Alter von 83 <strong>Jahre</strong>n starb Johannes<br />

Wingert und Franz Anton Wingert (1888<br />

bis 1956) übernahm die Verantwortung.<br />

Er war es, der entscheidende Phasen auf<br />

dem Gebiet des Bauwesens und gemeindlichen<br />

Wachstums erlebt, trotz aller<br />

Schwierigkeiten das Unternehmen<br />

ausgebaut und durch Modernisierung<br />

die Leistungsfähigkeit gesteigert hat.<br />

Der Vater des heutigen Geschäftsführers<br />

Franz Wingert, Franz Anton Wingert<br />

übernahm den Betrieb und leitete diesen<br />

bis 1985. Nach seiner Meisterprüfung<br />

hatte er schnell erkannt, dass der<br />

Betrieb in einer gewandelten Umwelt<br />

dem technischen Fortschritt angepasst<br />

und der Maschinenpark erneuert werden<br />

muss. Zur Maurerarbeit trat nun der<br />

Beton- und Stahlbau.<br />

Eine mutige Finanzplanung war nötig,<br />

um einen adäquaten Maschinenpark für<br />

mehrgeschossige Bauten zu realisieren.<br />

In Sachen kaufmännischer Abwicklung<br />

kümmerte sich Franz Anton Wingerts<br />

Schwester Hilde Wingert vier Jahrzehnte<br />

lang um die Büroarbeiten, das Finanzwesen<br />

und jeglichen Geschäftsverkehr.<br />

„Ich weiß, dass ich meiner Schwester viel<br />

zu verdanken habe“, lässt sich Franz Anton<br />

Wingert in der Chronik zitieren.<br />

Die heutige Generation ist stolz<br />

auf die Leistung der Vorfahren<br />

Im Jahr 1978 konnte die Firma Wingert<br />

einen Bauhof im Gewerbegebiet<br />

Schwörz am Kocher erwerben. Das Büro<br />

befindet sich in der Bühlstraße 30. Der<br />

heutige Geschäftsführer Franz Wingert,<br />

der an der Technischen Universität<br />

Stuttgart studiert hatte, übernahm 1985<br />

den Betrieb des Vaters. „Mein Vater<br />

machte mir klar, dass nur eine solide und<br />

gute Vorbildung Grundlage zur Weiterführung<br />

eines modernen Baubetriebs<br />

sein kann“, erinnert sich Franz Wingert,<br />

der –nicht ohne Stolz und höchste Anerkennung<br />

–über die Leistungen der Altvorderen<br />

in schwieriger Zeit berichtet.<br />

Seine Erfahrungen im Geschäftsleben<br />

und mit der Bürgerschaft brachte Franz<br />

Wingert auch ins kommunale Geschehen<br />

und in die Verbandsarbeit ein. 15<br />

<strong>Jahre</strong> lang war Wingert Mitglied des Gemeinderats<br />

und zehn <strong>Jahre</strong> leitete er als<br />

Vorsitzender die Aalener Bauinnung.<br />

Die Firma Wingert ist heute vornehmlich<br />

im Wohnungsbau, aber auch im Industriebau<br />

tätig. Viele Gebäude in <strong>Oberkochen</strong><br />

tragen ihre Handschrift.<br />

Mit Gaul zum<br />

Frühshoppen<br />

Heimatverein-Anekdoten II<br />

Die Scheerers, Mühlenbesitzer<br />

zur Unteren Mühle in <strong>Oberkochen</strong>,<br />

durfte man über drei Generationen<br />

hinweg zum alten „Ortsadel“<br />

rechnen. Im Gegensatz zum letzten<br />

Scheerer, dem Hans Scheerer (gest.<br />

1990) war dessen Vater Kaspar<br />

Scheerer noch etwas wie ein kleiner<br />

ungekrönter Ortskönig.<br />

Er gehörte noch zu den „Berittenen“.<br />

Er hatte, bedingt durch eine<br />

Kriegsverletzung, Probleme mit einem<br />

seiner Beine. Dennoch ließ er<br />

das Reiten nicht sein. Täglich sah<br />

man ihn hoch zu Roß mitten durch<br />

den Ort zum Frühschoppen in die<br />

„Grube“ reiten. Seinen Gaul bestieg<br />

er aufgrund des kaputten Fußes auf<br />

sehr außergewöhnliche Weise: Er<br />

holte den Gaul aus dem Wirtschaftsgebäude<br />

von gegenüber der Mühle<br />

und führte ihn unten in den ebenerdigen<br />

Mahlraum der Mühle.<br />

Dort band er ihn neben seinem<br />

Getreide-und-Mehl-Aufzug, in welchem<br />

gelegentlich auch Kinder<br />

durch die Mühlgeschosse reisen<br />

durften –eine abenteuerliche Konstruktion,<br />

die noch heute bewundert<br />

werden kann. Alsdann bestieg er seinen<br />

Aufzug und beförderte sich vermittelst<br />

desselben in die zum auf<br />

den-Gaul-steigen geeignete Höhe,<br />

rutschte dann auf seines Pferdes Rücken<br />

und ritt zur Mühle raus, das<br />

Mühlbergele rauf und mitten durch<br />

den Ort zum Frühschoppen in die<br />

„Grube“. Dort angekommen dirigierte<br />

er sein Pferd so weit an die<br />

Stufen hinan, die zum Eingang zur<br />

„Grube“ führen, dass er, wenn auch<br />

nicht so bequem wie den Aufstieg,<br />

auch den Abstieg vom Pferd schaffte.<br />

Sodann band der sein Pferd an einen<br />

der großen in der Hauswand der<br />

„Grube“ eingemauerten Metallringe<br />

und ging zum Frühschoppen, während<br />

sein Pferd draußen etwas Hafer<br />

geboten bekam. Dietrich Bantel

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