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Widerstand aufgerufen, errang im Mai 1809 in der Schlacht von Aspern den<br />

ersten militärischen Sieg über Napoleon – Grund genug für Kleist, den Erzherzog<br />

im Gedicht zur Schlacht emphatisch als „Überwinder des Unüberwindlichen“<br />

136 zu feiern – , erfährt dann aber im Oktober 1809 in der Schlacht von<br />

Wagram eine vernichtende Niederlage und tritt daraufhin als Generalissimus<br />

zurück. In eben dieser Schlacht bei Wagram steht auf französischer Seite auch<br />

der Marshall Johann Baptiste Julius Bernadotte, der sich schon in den Jahren<br />

zuvor um den militärischen Siegeszug Napoleons verdient gemacht hatte. Am<br />

21. August des Jahres 1810 wird Bernadotte, auf Vorschlag des kinderlosen<br />

Schwedenkönigs Karl XIII., von der schwedischen Reichsversammlung zum<br />

Thronfolger und Kronprinzen des Landes gewählt. Am 26. September verkündet<br />

Karl XIII. die Annahme der Wahl durch Bernadotte und ernennt diesen<br />

zugleich zum Generalissimus des Reiches. Am 5. November 1810 adoptiert<br />

der König Bernadotte, der im Jahr 1818 als Karl XIV. den schwedischen Königsthron<br />

besteigen wird.<br />

Kleists „Miscellen“ reinszenieren die personelle, politische und militärische<br />

Konfrontation, zu der es im Kreuzungspunkt der beiden Lebensläufe gekommen<br />

ist. Wieder in Szene gesetzt wird dabei keineswegs der historische, ein<br />

Jahr zurück liegende Ausgang der Konfrontation, sondern nur die Konfrontation<br />

selbst, womit der Ausgang in experimentallogischer Manier wieder als ein<br />

offener erscheint. Dieser experimentallogischen Öffnung der Konfrontation<br />

dienen drei weitere, sich auf die gegebenen Informationen zu Erzherzog, Aeronaut<br />

und Kronprinz beziehende Eingriffe in die Hamburger Nachrichtenvorlage.<br />

Zum Erzherzog findet sich in der Privilegierten Liste der Börsen-Halle<br />

ein einziger Satz:<br />

Mit dem 1. Novemder [sic] wird Se. Kaiserl. Hoheit, der Erzherzog Carl, wieder<br />

die Würde eines Generalissimus übernehmen. 137<br />

Kleists „Miscelle“ entzieht dieser Nachricht die genaue Datierung des angekündigten<br />

Geschehens und transformiert sie zugleich in eine indirekte Rede:<br />

„Es heißt, der Erzherzog Karl werde“. Beide Modifikationen zielen in die<br />

gleiche Richtung: Sie nehmen den konstatierenden Gestus der Vorlage zurück;<br />

sie verwandeln die Nachricht in ein Gerücht. Scheinbar verliert die Nachricht<br />

damit an Gewicht, was angesichts Kleists Verehrung für den Erzherzog erstaunen<br />

mag. Doch dieser scheinbare Rückzug deckt nur eine subversive Angriffsstrategie.<br />

Denn der Option für den nationalen Aufstand und dessen<br />

dispersives Partisanentum entspricht die streuende Kommunikationsform des<br />

Gerüchts und nicht die lineare Nachrichtentechnik offiziöser Verlautbarungen.<br />

Eine offizielle Nachricht gibt sich in ihrer medialen und grammatischen Struk-<br />

136 SW I, S. 31; vgl. zur Verehrung Karls durch Kleist auch die Bemerkungen im Katechismus<br />

für die Deutschen, SW II, S. 350ff.<br />

137 Privilegierte Liste der Börsen-Halle, Nr. 997 (wie Anm. 133), S. 1.<br />

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