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Diese nötige Gegenläufigkeit sowie das sich aus ihr ergebende Kombinationspotential<br />
der Winde bringt Kleist in seiner Aëronautik betitelten Erwiderung<br />
auf die Einwände der Spenerschen Zeitung selbst zur Sprache. Schließlich<br />
gebe es, so Kleist,<br />
nach den Aufschlüssen der neusten Naturwissenschaft, [...] ein concentrisches<br />
oder excentrisches, in allen seinen Richtungen diametral entgegengesetztes,<br />
Strömen der [...] Luftmassen [...]; dergestalt, daß [...] gewiß über einem gegebenen,<br />
nicht allzubeträchtlichen Kreis der Erdoberfläche, wenn nicht alle, doch so<br />
viele Strömungen, als der Luftfahrer, um die willkührliche Direction darauf zu<br />
gründen, braucht, vorhanden sein mögen. (130)<br />
Nicht erst Kleist, sondern schon die Pioniere der Luftfahrt wissen um die heterogenen<br />
und widerläufigen Schichtungen der Winde. So findet sich in Girard<br />
de Buffons Schreiben an Faujas de Saint-Fond ebenfalls der Verweis auf den<br />
„Unterschied unter den Strömen zu verschiedener Tiefe in der Luft“. 20 Und<br />
wie Kleist beruft sich auch Girard de Buffon in diesem Zusammenhang ausdrücklich<br />
auf physikalisches Grundlagenwissen:<br />
Übrigens stimmen in diesem Punkte alle Physicker, die vom Winde geschrieben<br />
haben, überein. Es ist keiner, der nicht zu errathen suchet, welche Winde am<br />
meisten in verschiedenen Höhen verschiedner Erdgegenden herrschen [...]. Man<br />
hat beyneben alle Tage die Beyspiele dieser Erscheinung unter Augen. [...] Nach<br />
diesen Betrachtungen und Beyspielen kann man wenig Zweifel haben, daß, wenn<br />
man sich in verschiedene Höhen erhebet, man nicht einige günstige und zum<br />
vorgesteckten Ziele befördernde Winde antreffen werde; wie man aber Mittel<br />
hat, nach Belieben sehr leicht auf- oder abzusteigen; so möchte die Kraft und<br />
Gewalt der Luft, die sie auf die aerostatische Maschine ausübet, statt immer ein<br />
Hinderniß zu seyn, vielmehr einst eine sichere Hilfe in unsrer Schiffahrt abgeben.<br />
21<br />
Girard de Buffons Formulierungen machen die in mehrfacher Hinsicht ambivalente<br />
Konstellation sichtbar, die auch Kleists Schreiben aus Berlin und die<br />
sich daran anschließenden Texte zur Aeronautik beherrscht: Der Aeronaut und<br />
sein Aerostat, ein Mensch und seine Maschine sind mit einer Naturgewalt<br />
konfrontiert, mit der natürlichen „Kraft und Gewalt der Luft“. Nun ist die Luft<br />
für die Aeronautik nicht nur eine bedrohliche Gewalt, sondern zugleich das<br />
Medium, von dem der Aerostat getragen wird; der Konfrontation ließe sich also<br />
nur entgehen, indem man auf dem Boden bleibt. Innerhalb der Aeronautik<br />
gibt es zu dieser Konfrontation keine Alternative. Doch lässt sie sich, ist der<br />
Ballon einmal in der Luft, nach zwei Seiten wenden. Eine erste mögliche<br />
Wendung besteht darin, dass der Aeronaut die Kraft des Windes als ein „Hinderniß“<br />
wahrnimmt und versucht, sich seiner Gewalt zu widersetzen. Auf diese<br />
Weise, so Kleist und so auch Girard de Buffon, kommt man allerdings nicht<br />
20 Faujas de Saint-Fond, Beschreibung der Versuche mit der Luftkugel (wie Anm. 5), S. 266.<br />
21 Ebd., S. 266f.<br />
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