Spion des Herzens
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die Franzosen mit Informationen versorgt.“<br />
Verity nickte zustimmend zu allem, was er äußerte, erkundigte sich<br />
aber dann, ob er eine Ahnung hätte, wer der Verräter sein konnte.<br />
„Dank Ihrer Beobachtungen haben wir möglicherweise einen Hinweis.<br />
Mehr kann ich im Augenblick nicht verraten.“ Ehe sie ihn fragen konnte,<br />
ob er tatsächlich den Major verdächtigte, legte er ihr die Hände auf die<br />
Schultern und drehte sie herum, sodass sie ihm ins Gesicht sehen musste.<br />
Den Schal hatte er durch eine Maske aus Leder ersetzt, deren schmale<br />
Schlitze spöttisch funkelnde Augen frei gaben. Auch der Mund blieb unverhüllt.<br />
Die verwegene Aufmachung verlieh ihm einen finsteren Anstrich,<br />
während er bisher, das Gesicht hinter dem Schal verborgen, lediglich geheimnisvoll<br />
gewirkt hatte. Seltsamerweise empfand Verity keine Angst.<br />
Seltsam war auch, dass ihr gar nicht in den Sinn kam, sich zu wehren,<br />
als er sie enger an sich zog, oder schamhaft den Kopf abzuwenden, bevor<br />
er seinen Mund auf den ihren presste.<br />
Sie öffnete instinktiv die Lippen. Spontan hob sie die Arme und legte<br />
sie ihm um den Hals. Er reagierte sofort. Aufstöhnend riss er sie so fest<br />
an sich, dass ihr und sein muskulöser Körper zu einem zu verschmelzen<br />
schienen. Immer noch dachte Verity keinen Augenblick an Widerstand. Es<br />
war fast so, als ob sie mit Leib und Seele ihm gehörte, als ob sie von Geburt<br />
an diesem Mann bestimmt sei, und nichts, was sie sagte oder tat, sie<br />
von dem ihr vom Schicksal ausersehenen Weg abbringen konnte. Dass<br />
das möglicherweise der Wahrheit entsprach, erschreckte sie nicht im<br />
Min<strong>des</strong>ten. Wie hätte etwas so Natürliches und Wunderbares falsch sein<br />
können?<br />
Nachdem er sich widerstrebend von ihren Lippen gelöst hatte,<br />
schmiegte er sein Gesicht an ihre weichen Locken. „Mädchen, so geht das<br />
nicht“, murmelte er schwer atmend. „Ich muss einen klaren Kopf behalten,<br />
doch das ist verdammt schwer, wenn ich von dem bloßen Gedanken<br />
an Sie wie berauscht bin. Sobald dies alles vorbei ist, können Sie sicher<br />
sein, dass ich Sie niemals wieder gehen lasse. Sie gehören mir, Miss, haben<br />
mir immer gehört. Das weiß ich jetzt. Und ich werde nicht erlauben,<br />
dass irgendjemand Sie mir wegnimmt.“<br />
Erst da beschlich Verity eine leise Furcht. Obwohl er einen leichten<br />
Ton angeschlagen hatte, war die wilde Entschlossenheit in seiner Stimme<br />
nicht zu verkennen. Sie wusste, dass er seine Worte ernst meinte --- er<br />
war genau so unfähig, ihr zu widerstehen, wie sie ihm. Als er sie ein<br />
Stück von sich weg schob, verrieten ihre Augen Unsicherheit und Angst.<br />
„Schauen Sie mich nicht so an, Miss“, bat er und strich mit dem Finger<br />
sanft über ihre Wange. „Alles wird sich zum Guten wenden.“ Er hauchte<br />
einen federleichten Kuss auf ihre Stirn. „Gehen Sie jetzt, solange ich noch<br />
die Kraft besitze, Sie wegzuschicken.“<br />
Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass er ihr nach-<br />
blickte, bis sie im Haus verschwunden war. Zum Glück waren inzwischen<br />
viele weitere Gäste eingetroffen, sodass Verity, ohne große Aufmerksamkeit<br />
zu erregen, den Raum erreichte, in dem sie ihre Tante zurückgelassen<br />
hatte.<br />
„Gütiger Himmel, Kind, da bist du ja endlich. Ich wollte mich gerade<br />
auf die Suche nach dir machen. Wo, um alles in der Welt, hast du dich<br />
die ganze Zeit aufgehalten?“<br />
„Ich war draußen, um ein bisschen frische Luft zu schöpfen.“ Verity<br />
sah keinen Grund, warum sie schwindeln sollte. In ihrem gegenwärtigen<br />
Gemütszustand --- von unerfüllten Sehnsüchten und gleichzeitig von dem<br />
Wunsch beseelt, dass ihr gesunder Menschenverstand endlich wieder die<br />
Oberhand gewinnen möge ---, wäre sie im Lügen nicht sehr erfolgreich<br />
gewesen, selbst, wenn sie es versucht hätte. „Es ist sehr warm hier“, erklärte<br />
sie.<br />
Lady Billingtons Aufmerksamkeit war nicht entgangen, dass das Gesicht<br />
ihrer Nichte eine liebliche Röte zierte. Veritys veilchenblaue Augen<br />
strahlten, und ihre Lippen wirkten ein bisschen geschwollen. Wenn sie es<br />
nicht besser gewusst hätte, wäre sie zu dem Schluss gelangt, dass das<br />
Mädchen geküsst worden war. Doch leider hatte ihr Schützling keine<br />
Spur von Romantik an sich.<br />
„In Zukunft vermeide bitte, allein hinauszugehen. Man weiß nie, wer<br />
sich draußen herumtreibt.“<br />
Oder wie der Betreffende sich benimmt, dachte Verity, die mehr als nur<br />
ein Wenig Verwirrung empfand --- ganz zu schweigen von Scham über ihr<br />
zügelloses Verhalten im Garten. Als sie sich plötzlich bewusst wurde, dass<br />
ein Paar blauer Augen auf sie gerichtet war, erkundigte sie sich bei ihrer<br />
Tante, wer der große und gut aussehende blonde Gentleman sei, der<br />
ständig in ihre Richtung schaue.<br />
Lady Billington streifte mit einem schnellen Blick die andere Seite <strong>des</strong><br />
Raumes. „Mr. Lawrence Castleford. Sein Onkel, Lord Castleford, ist mit<br />
deinem Onkel Charles befreundet. Wenn mein Gedächtnis mich nicht<br />
täuscht, hat der alte Herr ebenfalls etwas mit dem Kriegsministerium zu<br />
tun. Er hat einen Sohn, aber es ist allgemein bekannt, dass er seinen Neffen<br />
ihm vorzieht. Anscheinend ist er ein höchst sonderbarer Vater.“ Da<br />
just in diesem Moment die Gastgeberin zu dem außerordentlich attraktiven<br />
Mr. Castleford trat, fragte Lady Billington stirnrunzelnd: „Wärest du<br />
vielleicht jetzt so freundlich, meine Neugier zu befriedigen? Warum hegst<br />
du eine solche Abneigung gegen Lady Morland?“<br />
„Abneigung ist zu viel gesagt. Mir sind einfach Menschen ihrer Art<br />
nicht sympathisch.“<br />
„Das verstehe ich nicht ganz, Liebes. Sie ist zwar lediglich die Tochter<br />
eines Landedelmannes, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass du an<br />
ihrer Herkunft etwas auszusetzen hast.“<br />
Verity lächelte boshaft. „In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei<br />
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