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Spion des Herzens

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sche speziell für sich anfertigen lassen. Ein Bett würde darin Platz haben.“<br />

„Meine Tante ist eine Quelle der Weisheit, Mrs. Ravenhurst. In der Gesellschaft<br />

geschieht kaum etwas, das ihrer Aufmerksamkeit entgeht“, bemerkte<br />

Verity, die für einen Moment meinte, in den Augen ihrer Gastgeberin<br />

einen forschenden Ausdruck zu entdecken, der in<strong>des</strong> sofort wieder<br />

verschwand.<br />

„Ich bin nur wenige Jahre älter als Sie, Miss Harcourt. Da können wir<br />

doch wohl auf die Förmlichkeit verzichten. Ich hoffe, Sie nennen mich<br />

Sarah und erlauben mir, Sie mit Verity anzureden.“<br />

Ohne eine Antwort abzuwarten, führte sie ihre Gäste eine breite Freitreppe<br />

hinauf. Unterwegs erklärte sie, dass für den Abend ein zwangloses<br />

Dinner geplant sei --- ganz unter Frauen, da Brinley noch nicht eingetroffen<br />

und ihr Ehemann leider in Geschäften abberufen worden sei. Verity<br />

verzog die Lippen zu einem etwas boshaften Lächeln, was unbemerkt<br />

blieb, da Sarah gerade Lady Billington ihr Zimmer zeigte. Als sie den<br />

Raum wieder verließ, hatte Verity sich wieder in der Gewalt.<br />

Sarah öffnete die nächste Tür auf dem Korridor. „Ich habe Sie hier untergebracht,<br />

weil ich dachte, Sie wären gern in der Nähe Ihrer Tante.“<br />

Verity trat in ein helles Schlafzimmer, das sehr geschmackvoll in verschiedenen<br />

Blautönen eingerichtet war. „Wie hübsch“, rief sie. „Blau ist<br />

meine Lieblingsfarbe.“<br />

„Ja, sehr hübsch“, bestätigte Sarah, deren Blick unverwandt auf den<br />

zarten Zügen ihres jungen Gastes ruhte. „Da ich annehme, dass Sie wie<br />

die anderen nach der Reise müde sind, lasse ich Sie jetzt allein.“<br />

„O nein, so empfindlich bin ich nicht. Falls Sie allerdings beschäftigt<br />

sind, möchte ich Sie nicht aufhalten.“<br />

„Im Gegenteil, ich würde gern eine Weile bleiben. Das gibt uns Gelegenheit,<br />

einander besser kennen zu lernen.“ Sie machte es sich in der<br />

Fensternische bequem und beobachtete Verity, die die Bänder ihrer Schute<br />

löste. Über ihre anderen Gäste wusste sie bereits ein bisschen Bescheid,<br />

doch in Bezug auf Verity hatte sich der Major nicht sehr mitteilsam<br />

gezeigt. „Wenn ich es recht verstanden habe, kennen Sie Brin schon<br />

lange?“ begann sie vorsichtig.<br />

„Ja, als wir uns zum ersten Mal trafen, war ich ungefähr zehn Jahre<br />

alt. Meine Mutter kehrte kurz nach dem Tod meines Vaters in ihr heimatliches<br />

Yorkshire zurück. Leider überlebte sie ihn nur um zwei Jahre, so<br />

dass ich bei meinem Onkel Lucius aufgewachsen bin.“ Verity lächelte<br />

zärtlich, als sie sich neben Sarah auf die gepolsterte Fensterbank setzte.<br />

„Er ist ein überaus liebenswerter Mann. Wir sind bestens miteinander<br />

ausgekommen.“<br />

„Dann sind Sie zu beneiden, meine Liebe. Mein Vormund war ein äußerst<br />

unangenehmer Mensch.“ Ein verschmitztes Lächeln umspielte Sarahs<br />

Lippen. „Allerdings wurde aus ihm ein wunderbarer Ehemann. Ich<br />

hätte keinen besseren finden können.“<br />

„Ravenhurst wahr Ihr Vormund?“ Verity klatschte entzückt in die<br />

Hände. „Bitte erzählen Sie mir alles.“<br />

Sarah hatte beabsichtigt, so viel wie möglich über diese temperamentvolle<br />

junge Frau zu erfahren, statt<strong>des</strong>sen erzählte sie ihr nun ihre eigene<br />

Lebensgeschichte --- wie sie vor drei Jahren aus Bath weggelaufen war,<br />

wie Ravenhurst sie verfolgt und schließlich in einem Gasthof an der Straße<br />

aufgespürt hatte, in dem später ein Mord verübt worden war.<br />

Verity lauschte interessiert, ihre schönen Augen blitzten. „Wie aufregend!<br />

Und natürlich auch sehr romantisch. Sie haben sich tatsächlich in<br />

Ihren Vormund verliebt und ihn geheiratet. Es ist sehr schade, dass er<br />

nicht hier ist. Ich hätte ihn gern kennen gelernt.“<br />

„Er wird für die Gesellschaft am Freitag früh genug zurückkehren“,<br />

versicherte Sarah. „Es war ein unglücklicher Umstand, dass er ausgerechnet<br />

zu diesem Zeitpunkt weggerufen wurde.“<br />

„Ja, ausgerechnet jetzt“, pflichtete Verity ihr treuherzig bei.<br />

Sarah brach in Gelächter aus. „Wie ich merke, ist es pure Zeitverschwendung,<br />

Ihnen etwas vormachen zu wollen. Ja, der Schuft hat mich<br />

absichtlich allein gelassen“, gab sie zu. „Marcus kann manchmal sehr<br />

ungeduldig sein, besonders bestimmten Mitgliedern <strong>des</strong> weiblichen Geschlechts<br />

gegenüber. Alles in allem ist es vermutlich gut, dass er beschlossen<br />

hat, sich rar zu machen.“<br />

„Dann ist es mehr als großzügig von ihm, dass er sein Haus einer<br />

Schar Frauen geöffnet hat, von denen er die meisten vermutlich nicht<br />

kennt“, erwiderte Verity ehrlich. „Was dagegen Major Carter betrifft, so<br />

lassen seine Manieren sehr zu wünschen übrig. Nicht nur, dass er Ihre<br />

offensichtlich enge Freundschaft dazu benutzt, um Sie zu überreden, bestimmte<br />

Personen einzuladen --- er besitzt nicht einmal genügend Höflichkeit,<br />

um Sie beim Eintreffen Ihrer Gäste zu unterstützen.“<br />

Dass sie aus der angenehmen Stimme keinen Groll, sondern lediglich<br />

Gleichgültigkeit herauszuhören glaubte, störte Sarah mehr als alles andere,<br />

und so beeilte sie sich, ihren Freund zu verteidigen. „Brin hat mich<br />

gewarnt, dass er nicht vor dem Abend hier sein kann. Und ich wurde von<br />

ihm auch nicht genötigt, mein Haus zu öffnen, ganz im Gegenteil.“ Sie<br />

wandte sich um und betrachtete durch das Fenster die weiten Grünflächen.<br />

„Ich liebe Ravenhurst und bin zufrieden damit, den Großteil eines<br />

Jahres hier zu verbringen. Marcus und ich gelten als altmodisches Ehepaar,<br />

weil wir uns selbst genug zu sein scheinen. Doch seit unserer Hochzeit<br />

vor drei Jahren habe ich ihm zwei Kinder geboren und war nur zweimal<br />

für kurze Zeit in London. Ich bin ernsthaft in Gefahr, ein Sonderling<br />

zu werden.“ Sarah blickte Verity an. „Als Brin mich bat, die Gastgeberin<br />

für einige elegante junge Damen zu spielen, habe ich mit Freuden eingewilligt.<br />

Jetzt fürchte ich nur, es könnte Ihnen nach den Aufregungen der<br />

Saison bei den schlichten Vergnügungen auf dem Land bald langweilig<br />

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