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Spion des Herzens

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Eine schmale Hand wurde von Brin gehalten, die andere ruhte über ihrem<br />

Kopf. Die Pose wirkte irgendwie unwirklich, zu elegant, um echt zu<br />

sein. Das Mädchen glich der tragischen Heldin in einem Theaterstück.<br />

Verity bemerkte ein leichtes Flattern der Augenlieder. Das kleine Biet<br />

täuschte eine Ohnmacht vor.<br />

„Ich glaube nicht, dass es nötig ist, die anderen zu alarmieren“, meinte<br />

Brin, der ihr verschwörerisch zuzwinkerte. „Wahrscheinlich liegt es an der<br />

Hitze. Sie wird bald wieder zu sich kommen.“<br />

Offensichtlich wollte er Hilary die Möglichkeit geben, das Gesicht zu<br />

wahren, doch Verity war nicht so großmütig. Sie verabscheute jede Anwendung<br />

von Tricks. Und diese kleine Vorstellung war einfach zu viel.<br />

Hilary verdiente es, eine Lektion zu erhalten.<br />

„Ich denke, Sie haben Recht“, erwiderte sie. „Sollen wir sie nicht einfach<br />

hier liegen lassen?“<br />

„Aber nein, das können wir doch nicht.“ Sein tiefer Seufzer klang<br />

höchst überzeugend. „Ich nehme an, dass ich sie tragen muss.“<br />

Verity, die nur mühsam ihren gleichmütigen Ton beibehielt, riet ihm<br />

ab. „An Ihrer Stelle würde ich das nicht tun. Es ist ein warmer Tag, und<br />

Hilary ist nicht gerade ein Leichtgewicht. Sie würden zusammenbrechen,<br />

bevor Sie hundert Yards zurückgelegt haben.“<br />

Brin wandte sich ab, seine Schultern bebten vor unterdrücktem Gelächter.<br />

„Was schlagen Sie vor?“ fragte er.<br />

„Geben Sie mir Ihren Hut.“<br />

„Wozu?“<br />

„Ich fülle ihn am See mit Wasser, das Sie dann über ihr ausschütten<br />

können. Das bringt sie bestimmt wieder zu sich.“ Verity wunderte sich<br />

nicht im Min<strong>des</strong>ten, als Antwort darauf ein klägliches Stöhnen zu hören.<br />

„Ich glaube, sie kommt wieder zu sich“, sagte sie.<br />

„Was ist geschehen?“ Hilarys Lider flatterten dramatisch, bevor sie die<br />

blauen Augen öffnete und zu Brin aufschaute. „Ich fühle mich so seltsam,<br />

Major Carter.“<br />

„Du fühlst gleich meine Stiefelspitze, wenn du nicht sofort mit diesem<br />

Unsinn aufhörst“, drohte Verity, die mit ihrer Geduld am Ende war. „Ich<br />

habe noch nie ein derart übles Schauspiel erlebt.“<br />

Hilary richtete sich mit bemerkenswerter Schnelligkeit auf, sah hoch<br />

und entdeckte ein amüsiertes Funkeln in seinen braunen Augen.<br />

„Ich habe mich wirklich nicht wohl gefühlt, Major Carter.“ Sie ließ sich<br />

von ihm auf die Füße helfen und bedachte Verity mit einem giftigen Blick.<br />

„Ganz gleich, was andere Leute auch denken mögen.“<br />

„In dem Fall rate ich Ihnen, sich ins Haus zu begeben und eine Weile<br />

hinzulegen. Das dürfte genügen, damit es Ihnen wieder gut geht.“<br />

Sein liebenswürdiger Ton brachte ihm ein Lächeln ein. Als sie einen<br />

weiteren Blick in Veritys Richtung riskierte und erkannte, dass sich deren<br />

Gesichtsausdruck nicht verändert hatte, warf sie hochmütig den Kopf<br />

zurück und entfernte sich.<br />

„Ich glaube nicht, dass sie diesen Trick noch einmal probiert.“ Brin<br />

schaute ihr nach, wie sie den Pfad entlangging, der zu dem Gehölz führte.<br />

„Es gibt Zeiten, da schäme ich mich für meine eigenen Geschlechtsgenossinnen.<br />

Manche Frauen schrecken vor nichts zurück, um Aufmerksamkeit<br />

zu erregen.“ Als sie sich ebenfalls auf den Weg zum Haus machten,<br />

streifte sie ihn mit einem Blick, aus dem Bewunderung sprach. „Gott<br />

sei Dank ist Ihnen sofort aufgefallen, dass Hilary Theater spielte. Ich war<br />

schon drauf und dran, Hilfe zu holen.“<br />

„Während meiner Zeit bei der Armee habe ich viele bewusstlose Männer<br />

gesehen, Verity. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass mir einer<br />

davon leicht die Hand gedrückt hätte.“<br />

„Hat sie das getan?“ Ihr Sinn für Komik gewann die Oberhand. „Was<br />

für ein Dummkopf!“<br />

„Wie auch immer. Sie wird Ihnen allerdings nicht so schnell verzeihen,<br />

dass Sie befürchtet haben, ich wäre nicht imstande, sie zu tragen.“<br />

„Zugegeben, das war ein bisschen gemein, zumal bei ihr von Übergewicht<br />

keine Rede sein kann. Aber nach dem albernen Schauspiel hat sie<br />

es nicht anders verdient. Ich mag nun mal keine Tricks.“<br />

„Nein“, erwiderte er mit einem Ausdruck in den Augen, bei dem ihr die<br />

Knie weich wurden. „Ihnen würde nie in den Sinn kommen, diese Art von<br />

weiblichen Listen anzuwenden.“<br />

Verity war sich <strong>des</strong>sen nicht so sicher. Wenn er sie weiterhin so anschaute,<br />

bestand große Gefahr, dass sie selbst auch in Ohnmacht fiel.<br />

11. Kapitel<br />

Nachdem Verity sich umgekleidet hatte, beschloss sie, ihre Tante aufzusuchen.<br />

Als sie zusammen mit Brin zum Haus zurückgekehrt war, hatte<br />

man ihr mitgeteilt, Lady Billington habe sich auf ihr Zimmer zurückgezogen,<br />

um sich vor dem Dinner noch etwas auszuruhen. Verity war nicht<br />

übermäßig besorgt gewesen. Ihre Tante erfreute sich bester Gesundheit<br />

und hatte sich noch nie über die zahllosen kleinen Leiden beklagt, die<br />

anscheinend so viele ihrer Geschlechtsgenossinnen plagten. Andererseits<br />

war sie keine kräftige Person, und wenn Brin mit den Damen zu Fuß eine<br />

ausgedehnte Tour durch Oxford unternommen hatte, würde Lady Billington,<br />

die nie eine große Spaziergängerin gewesen war, sich nach der ungewohnten<br />

Anstrengung ziemlich erschöpft fühlen.<br />

Als Verity ins Zimmer trat, saß ihre Tante, die bereits ein elegantes Abendkleid<br />

trug, vor dem Spiegel <strong>des</strong> Frisiertisches und ließ sich von Dodd<br />

das Haar richten.<br />

„Da bist du ja, Liebes“, rief sie. „Ich hoffte, mit dir reden zu können,<br />

bevor wir uns unten mit den anderen treffen.“<br />

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