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Werbung und Selbstreferentialität

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Universität Karlsruhe (TH)<br />

Institut für Literaturwissenschaft<br />

Hauptseminar: <strong>Selbstreferentialität</strong> in Literatur, Film <strong>und</strong> anderen Medien<br />

Dozent: Prof. Dr. Andreas Böhn<br />

Sommersemester 2002<br />

Maibritt Hutzel<br />

<strong>Werbung</strong> <strong>und</strong> <strong>Selbstreferentialität</strong><br />

Literaturwissenschaft (HF), Soziologie (NF), Philosophie (NF); M.A.


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einführung S. 1<br />

2. Geschichte der <strong>Werbung</strong> S. 2<br />

2.1. <strong>Werbung</strong> als Reflexion des gesellschaftlichen Lebens <strong>und</strong> Wandels S. 3<br />

2.1.1. <strong>Werbung</strong> der ersten Art S. 3<br />

2.1.2. <strong>Werbung</strong> der zweiten Art S. 4<br />

2.1.3. <strong>Werbung</strong> der dritten Art S. 4<br />

2.1.4. <strong>Werbung</strong> der vierten Art S. 4<br />

3. <strong>Werbung</strong> heute S. 5<br />

4. <strong>Werbung</strong> für <strong>Werbung</strong> S. 7<br />

5. Selbstreferentielle <strong>Werbung</strong> S. 10<br />

6. Intertextuelle Bezüge in der <strong>Werbung</strong> S. 15<br />

7. Parodie <strong>und</strong> <strong>Werbung</strong> S. 18<br />

8. Fingierte Werbespots in Kinofilmen S. 20<br />

9. Schluss S. 22<br />

Literaturverzeichnis S. 24


1. Einführung<br />

<strong>Werbung</strong> ist ein äußerst vielschichtiges Phänomen, das unter vielen verschiedenen Aspekten<br />

untersucht werden kann. Im vorliegenden Referat wird es in erster Linie jedoch nicht darum<br />

gehen, <strong>Werbung</strong> unter betriebswirtschaftlichen Aspekten (Stichwörter: Product Placement,<br />

Eventmarketing, Sponsoring, Direct Response) oder psychologischen Aspekten (Stichwort:<br />

Werbewirkung) zu beleuchten. Die Sprache der <strong>Werbung</strong>, der Umgang mit diesem Phänomen<br />

<strong>und</strong> die mediale Verarbeitung von <strong>Werbung</strong> werden den Rahmen dieser Arbeit bilden.<br />

Um die heutige <strong>Werbung</strong> <strong>und</strong> ihre Strategien nachvollziehen zu können, ist es nötig, die Ent-<br />

wicklung der <strong>Werbung</strong> von den Anfängen bis heute nachzuzeichnen, insbesondere die Wand-<br />

lung der <strong>Werbung</strong> von reiner Information zu Infotainment bis hin zu reinem Entertainment.<br />

Dabei kann die <strong>Werbung</strong> als Reflexion des gesellschaftlichen Wandels (Kapitel 2.1) angese-<br />

hen werden. Ihr Image war <strong>und</strong> ist nicht immer durchweg positiv, deswegen werde ich in Ka-<br />

pitel 4 näher auf das Thema „<strong>Werbung</strong> für <strong>Werbung</strong>“ eingehen. <strong>Werbung</strong> beschäftigt sich seit<br />

den 80er Jahren vermehrt mit sich selbst, was sich in selbstreferentiellen Anzeigen <strong>und</strong> Wer-<br />

bespots äußert (Kapitel 5). Des Weiteren entwickeln die Werbetexter zahlreiche Botschaften<br />

<strong>und</strong> intertextuelle Bezüge in Werbespots <strong>und</strong> Anzeigen, die nur aufgr<strong>und</strong> unseres Kulturba-<br />

siswissens von uns decodiert werden können (Kapitel 6).<br />

Mittlerweile ist <strong>Werbung</strong> ein Bestandteil unseres Lebens geworden, der aber nach wie vor<br />

polarisiert. Aufgr<strong>und</strong> dieser Tatsache kommt es seit Jahren immer häufiger zu Parodien, die<br />

auf Werbespots oder Werbeanzeigen gemünzt sind (Kapitel 7). Wie bei den intertextuellen<br />

Bezügen kann man bei parodistischen Sendungen nur dann den Sinn decodieren, wenn man<br />

die parodierte <strong>Werbung</strong> im Original kennt. Im darauf folgenden Kapitel werde ich auf Werbe-<br />

spots eingehen, die eigens für einen Film gedreht wurden – so genannte fingierte Werbespots,<br />

als deren Erfinder John Landis gelten kann.<br />

Das Internet war mir bei der Recherche eine große Hilfe, da dort die aktuellsten Daten zum<br />

Thema <strong>Werbung</strong> zu finden sind. Außerdem musste ich auf Gr<strong>und</strong> der diffizilen Bildquellenla-<br />

ge öfters auf den F<strong>und</strong>us des Internet zurückgreifen. Hierbei bildet die Werbekampagne „Lu-<br />

cky Strike“ von der Werbeagentur KNSK in Hamburg eine gute Gr<strong>und</strong>lage, um Anzeigen-<br />

werbung zu erforschen, da für diese Zigarettenwerbung häufig selbstreferentielle, intertextuel-<br />

le <strong>und</strong> parodistische Bezüge verwendet worden sind.


2. Geschichte der <strong>Werbung</strong><br />

Das Wort „werben“ hat seinen Ursprung in dem althochdeutschen Wort „werban“ bzw. „wer-<br />

van“, das „sich bemühen“ oder „etwas betreiben“ bedeutete.<br />

Das erste, jemals eingesetzte Werbemittel war zweifellos die menschliche Stimme, die nicht<br />

nur durch den Wortinhalt, sondern auch durch Modulation <strong>und</strong> die Variation der Töne wirken<br />

kann.<br />

Schon in der Antike wurden Waren werblich gekennzeichnet, um den Verkauf zu fördern.<br />

Im Mittelalter war <strong>Werbung</strong> nur in Ausnahmefällen gestattet. Es gab beispielsweise allgemei-<br />

ne Ausrufe der Steinmetz- <strong>und</strong> Maurerzünfte, Häuser aus Sicherheitsgründen aus Stein zu<br />

bauen.<br />

Ihren ersten großen Bedeutungsaufschwung verzeichnete die <strong>Werbung</strong> mit dem Aufstieg der<br />

Städte als Ballungs- <strong>und</strong> Handelszentren im Spätmittelalter. Es gab eine Vielzahl von Reisen-<br />

den, die ihre Waren durch lautes Ausrufen anboten.<br />

Die Erfindung der beweglichen Buchdrucklettern durch Gutenberg eröffnete neue Möglich-<br />

keiten für die <strong>Werbung</strong>.<br />

Der technische Fortschritt <strong>und</strong> zahlreiche Erfindungen im Zuge der Industriellen Revolution<br />

machten es möglich, Güter in großen Mengen zu produzieren. Anfangs musste jedoch die<br />

kaum wachsende Nachfrage angekurbelt werden. Dies geschah mit einer Reihe von Erfindun-<br />

gen in Hinblick auf Gestaltungs- <strong>und</strong> Verbreitungsmöglichkeiten von Werbemitteln.<br />

Ähnlich verlief die Entwicklung des Plakats. 1824 gestaltete der Buchdrucker Ernst Litfaß die<br />

nach ihm benannte Plakatanschlagsäule.<br />

Um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende entstanden zwei neue Werbeträger: das Radio <strong>und</strong> das Kino. 1923<br />

ging der erste R<strong>und</strong>funksender in Betrieb <strong>und</strong> fünf Jahre später konnte schon der erste kom-<br />

plette Tonfilm vorgeführt werden.<br />

Anfang der 30er Jahre wurden die ersten Fernsehsendungen gezeigt. Der Fernseher verbreite-<br />

te sich rasch: 1959 besaß bereits ein Viertel aller deutschen Haushalte ein eigenes Fernsehge-<br />

rät.<br />

Als erster Sender führte der Bayerische R<strong>und</strong>funk 1956 das Werbefernsehen ein. Schon in<br />

den 50er Jahren wurden Sympathieträger wie berühmte Schauspieler in <strong>Werbung</strong> eingesetzt.<br />

Genau zu dieser Zeit, als die ökonomische Entwicklung die positivsten Ausmaße seit 150<br />

Jahren annahm, vollzog sich in der Industrie <strong>und</strong> in der <strong>Werbung</strong> eine Wandlung. Die Indust-<br />

rie produzierte längst mehr, als für den Lebensunterhalt gebraucht wurde. Für viele Produkte


mussten also neue Bedürfnisse künstlich geschaffen werden; dabei spielte die <strong>Werbung</strong> eine<br />

wichtige Rolle.<br />

In den 60er Jahren stand die <strong>Werbung</strong> vor einer neuen Herausforderung: die Jugend <strong>und</strong> Pro-<br />

testkultur. Die Frankfurter Schule um Adorno, Habermas <strong>und</strong> Marcuse war der Auffassung,<br />

dass der Konsumzwang durch die <strong>Werbung</strong> einerseits zur Ausplünderung der Verbraucher,<br />

andererseits zu unzureichenden Investitionen in Schulen <strong>und</strong> im Sozialbereich führe.<br />

Der darauf folgende Imageverlust der <strong>Werbung</strong> reichte bis in die 80er Jahre hinein. Ab den<br />

80er Jahren verlor die <strong>Werbung</strong> jedoch zunehmend ihr Negativ-Image. Die Beschäftigung mit<br />

<strong>Werbung</strong> nahm in der Öffentlichkeit, in der Wissenschaft <strong>und</strong> in den Medien zu. Dieser Wan-<br />

del lag vor allem an den immer zahlreicher werdenden Werbeagenturen, die immer besser<br />

Ausgebildete beschäftigten <strong>und</strong> ansprechendere <strong>Werbung</strong> produzierten.<br />

1987 wurde das Duale R<strong>und</strong>funksystem eingeführt. Es gibt seither immer mehr private Sender<br />

(neben den öffentlich-rechtlichen wie ARD <strong>und</strong> ZDF), die sich fast ausschließlich durch Wer-<br />

bespots finanzieren. 1<br />

2.1. <strong>Werbung</strong> als Reflexion des gesellschaftlichen Lebens <strong>und</strong> Wandels<br />

„<strong>Werbung</strong> dokumentiert den Wandel, sie kann ihn niemals selbst verursachen.“ 2 Ob diese<br />

Aussage auch auf die heutige Gesellschaft zutrifft, die mit ihrem Lifestyle, ihren Wohnungs-<br />

einrichtungen <strong>und</strong> Auftreten in vielen Fällen an einen Werbespot erinnert, wage ich zu be-<br />

zweifeln. <strong>Werbung</strong> bewirkt heutzutage einiges <strong>und</strong> findet enormes wissenschaftliches, öko-<br />

nomisches <strong>und</strong> gesellschaftliches Interesse.<br />

Dies sind jedoch Entwicklungen, die erst in jüngster Zeit zu beobachten sind. Die gesell-<br />

schaftlichen <strong>und</strong> politischen Zustände einer Gesellschaft wandeln sich <strong>und</strong> mit ihr die Wer-<br />

bung. Deutlich wird dies bei einem Rückblick auf die Entwicklung der <strong>Werbung</strong> seit dem<br />

Zweiten Weltkrieg. Dabei wird eine Unterteilung der <strong>Werbung</strong> in vier Arten vorgenommen. 3<br />

2.1.1. <strong>Werbung</strong> der ersten Art<br />

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkte sich die <strong>Werbung</strong> darauf, dem Verbrau-<br />

cher mitzuteilen, welche Marke es wieder auf dem Markt gab. „Endlich wieder Nivea Zahn-<br />

pasta“ oder „Es gibt wieder Rama“ waren typische Werbesprüche. Da mehr Nachfrage als<br />

1<br />

Geschichtlicher Hintergr<strong>und</strong> vgl. Schweiger, Günter / Schrattenecker, Gertraud: <strong>Werbung</strong>. Eine Einführung.<br />

Stuttgart 2001, 5. Auflage, S. 1 - 5<br />

2<br />

Kloss, Ingomar: <strong>Werbung</strong> : Lehr-, Studien- <strong>und</strong> Nachschlagewerk, München 2000, S. 38<br />

3<br />

Die Unterteilung habe ich von Ingomar Kloss (2000) übernommen, S. 38 - 42


Angebot herrschte, waren Postitionsabgrenzungen zu Konkurrenzprodukten nicht notwendig.<br />

Die Produkte mussten nicht einmal ob ihrer qualitativen Eigenschaften von der <strong>Werbung</strong> ge-<br />

lobt werden. <strong>Werbung</strong> war zu dieser Zeit reine Information.<br />

2.1.2. <strong>Werbung</strong> der zweiten Art<br />

Nachdem sich der Markt von den Wirren des Krieges erholt hatte <strong>und</strong> sich der Anbietermarkt<br />

durch mehr Firmen, die Konkurrenzprodukte herstellten, langsam in einen Nachfragemarkt<br />

wandelte, war die <strong>Werbung</strong> gezwungen, verstärkt für die Produkte zu argumentieren, da sich<br />

diese nicht mehr so leicht verkauften. Argumentiert wurde dennoch auf einer eher rationalen<br />

Ebene: „Pril entspannt das Wasser“ 4 oder „Ein Strumpf, der – wie man sieht – sich sehen<br />

lassen kann.“ (Ergee) 5 sind entsprechende Beispiele.<br />

2.1.3. <strong>Werbung</strong> der dritten Art<br />

Diese <strong>Werbung</strong> erfolgte in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs: den sechziger Jahren.<br />

Dabei warben die Firmen nicht mehr für ihre Produkte, sondern versuchten mittels <strong>Werbung</strong>,<br />

Images <strong>und</strong> Leitbilder zu verkaufen. Die Produkte wurden mit Attributen ausgestattet, die mit<br />

ihnen selbst nichts mehr zu tun hatten. Die Afri-Cola-Kampagne („se-<br />

xy…mini…super…flower…pop-op…Cola…alles ist in Afri Cola“ 6 ) griff erstmals Werte der<br />

neuen Jugendkultur auf. Die <strong>Werbung</strong> wurde immer raffinierter, stand dann aber auch vor<br />

einer neuen Herausforderung: der Protestkultur. Der laut Frankfurter Schule „bemitleidens-<br />

werte“ Verbraucher lernte jedoch, mit der <strong>Werbung</strong> umzugehen <strong>und</strong> nicht alles zu glauben,<br />

was ihm die <strong>Werbung</strong> weismachen wollte. „Nimm Frauengold <strong>und</strong> du blühst auf!“ 7 bedeutete<br />

nicht mehr, dass mit Hilfe dieses Beruhigungsmittel alle Probleme zu lösen waren. Man spür-<br />

te auch nicht den „Duft der großen weiten Welt“ 8 , nur weil man Reemtsma-Zigaretten rauch-<br />

te.<br />

2.1.4. <strong>Werbung</strong> der vierten Art<br />

Ab den 80er Jahren kam es zu einem weiteren Wandel. Der Trend ging vom Produktnutzen<br />

weg, hin zum Ästhetischen. <strong>Werbung</strong> lieferte zunehmend Orientierungsangebote, Lifestyle-<br />

Empfehlungen <strong>und</strong> Trendberichte.<br />

4 Hars, Wolfgang: Lexikon der Werbesprüche. 500 bekannte deutsche Werbeslogans <strong>und</strong> ihre Geschichte, Frank-<br />

furt a.M. 1999, S. 293<br />

5 ders., S. 105<br />

6 ders., S. 319<br />

7 ders., S. 271<br />

8 ders., S. 64


<strong>Werbung</strong> wurde immer selbstbewusster <strong>und</strong> wurde zum Selbstzweck. Sie stand unter dem<br />

Motto: wer gute <strong>Werbung</strong> macht, der macht auch gute Produkte. Die Zigarettenfirma, die<br />

Camel herstellte, produzierte Werbespots, in denen ein Kamel die Hauptrolle spielte („Wirf<br />

nie eine brennende Camel aus dem Fenster“: der Zuschauer sieht ein brennendes Kamel gen<br />

Boden fallen; „Den Bus rufen“: ein mit einer Lichterkette geschmücktes Kamel wartet an ei-<br />

ner Bushaltestelle).<br />

Mittlerweile ist im Bereich Werbewirtschaft schon so viel Erfahrung gesammelt worden, dass<br />

<strong>Werbung</strong> sich zunehmend selbst reflektiert, <strong>und</strong> zwar sowohl hinsichtlich ihrer Organisa-<br />

tionen <strong>und</strong> Wettbewerbe, als auch ihrer Produkte. Diese Ausformungen der <strong>Werbung</strong> werde<br />

ich später noch näher erläutern.<br />

Zur <strong>Werbung</strong> der vierten Art kann man auch beispielsweise die „Benetton“-<strong>Werbung</strong> zählen,<br />

obwohl diese noch einen Schritt weitergeht. Diese <strong>Werbung</strong> hat überhaupt nichts mehr mit<br />

den Produkten der Firma Benetton zu tun (Kleidung <strong>und</strong> Accessoires), sondern zeigte auf<br />

Plakaten provozierende Situationen <strong>und</strong> Figuren. Ein blutbeflecktes T-Shirt <strong>und</strong> eine Hose,<br />

die angeblich von einem bosnischen Soldaten getragen worden war, die Familie eines Aids-<br />

kranken an dessen Sterbebett, eine Nonne <strong>und</strong> ein Priester, die sich küssen, erregten die Ge-<br />

müter der Öffentlichkeit <strong>und</strong> warfen die Frage nach der Moral in der <strong>Werbung</strong> auf.<br />

3. <strong>Werbung</strong> heute<br />

Im Jahr 2002 wurden 32,2 Mrd. € in die <strong>Werbung</strong> investiert. Die Folgen sind zurückgehende<br />

Kosten für den Massenmedienkonsum: das Privatfernsehen ist quasi umsonst, Zeitungen <strong>und</strong><br />

Zeitschriften werden immer erschwinglicher. Für die Befürworter <strong>und</strong> Lobbyisten der Wer-<br />

bung ist daher folgendes eine Tatsache: <strong>Werbung</strong> schafft vielfältige Inhalte, unterstützt den<br />

Pluralismus, die Pressefreiheit <strong>und</strong> damit letztendlich die Demokratie.<br />

Über die Hälfte der Werbeaufwendungen fließt in <strong>Werbung</strong>, die im Fernsehen in Form von<br />

Werbespots gezeigt wird. Danach folgen Anzeigen in Zeitschriften <strong>und</strong> Zeitungen. Der starke<br />

Rückgang des Werbeaufwands in diesen zwei Mediengattungen war wohl der Auslöser zu<br />

Überlegungen des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VZV), wie man der Öffentlich-<br />

keit vor Augen führt, dass Anzeigen in Zeitschriften <strong>und</strong> Zeitungen sehr wirksam sind. Nähe-<br />

re Ausführungen zu diesem Thema finden sich im Kapitel „<strong>Werbung</strong> für <strong>Werbung</strong>“.


Quelle: Gesamtverband Werbeagenturen (GWA) 9<br />

Quelle: GWA<br />

Die Werbeästhetik gewinnt zunehmend Einfluss auf die Filmästhetik. Beispielsweise erinnert<br />

die kühle Ausstattung des Films „9 ½ Wochen“ (USA 1985) sehr stark an die damalige Wer-<br />

9 http://www.gwa.de/index.php?id=409


eästhetik. Umgekehrt nehmen Werbespots Präsentationsformen des Programms an, zum Bei-<br />

spiel wird <strong>Werbung</strong> im Stil von Nachrichten oder von Krimis produziert.<br />

Da Konsumartikel in der Regel schon so weit ausgereift sind, dass es zwischen den in der<br />

gleichen Preisklasse liegenden Erzeugnissen verschiedener Hersteller keine nennenswerten<br />

Unterschiede mehr gibt, wird die <strong>Werbung</strong> für Konsumartikel immer weniger informativ ges-<br />

taltet. Beim K<strong>und</strong>en liegt ja kein Informationsbedürfnis mehr vor. 10<br />

Je mehr Produkte auf den Markt kommen, je ähnlicher sich diese Produkte werden, desto grö-<br />

ßer wird der Zwang der Werbeindustrie, Werbespots <strong>und</strong> Anzeigen auffallender zu gestalten.<br />

Deswegen muss die Werbekommunikation als ein wesentlicher Bereich persuasiver Kommu-<br />

nikation immer neue Ideen entwickeln. 11<br />

Aus dieser Notwendigkeit heraus entwickeln sich verschiedene Werbestrategien <strong>und</strong> Vorge-<br />

hensweisen, nur zu dem Zweck, die Aufmerksamkeit des Konsumenten zu erlangen.<br />

Da <strong>Werbung</strong> zwar im Vergleich zu früher einen besseren Ruf verzeichnet, aber dennoch di-<br />

verser Kritik ausgesetzt ist, wird mittlerweile auch für die <strong>Werbung</strong> geworben.<br />

4. <strong>Werbung</strong> für <strong>Werbung</strong><br />

Der Verband Privater R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Telekommunikation e. V. (VPRT e.V.) hat folgende<br />

Werbeaktion in die Wege geleitet:<br />

Mit einer dreißig Sek<strong>und</strong>en langen Schwarzblende <strong>und</strong> dem anschließenden Texthinweis:<br />

"Ohne <strong>Werbung</strong> sieht Ihr Programm ganz schön finster aus. Denn <strong>Werbung</strong> finanziert diese<br />

Sendung", hatten die privaten Fernsehsender (RTL, SAT.1, ProSieben, Kabel 1, VOX, RTL<br />

II, Super RTL, tm3, DSF <strong>und</strong> n-tv) am 27. Juli 2000 um 20.25 Uhr ihre Programme außerhalb<br />

der Werbeblöcke für 45 Sek<strong>und</strong>en unterbrochen. Ziel der Kampagne war es, die Zuschauer<br />

über die Bedeutung der <strong>Werbung</strong> für die Sicherung der Angebotsvielfalt im privaten Fernse-<br />

hen zu informieren. Sie wird nach der gemeinsamen Aktion zum Auftakt in diesem Jahr durch<br />

die einzelnen Sender fortgesetzt.<br />

Der Präsident des VPRT e.V., Jürgen Doetz, meinte hierzu: "Den Zuschauern sollte bei unse-<br />

rer Schwarz-Demo bewusst werden, dass unsere Programme nicht durch Gebühren, sondern<br />

von der <strong>Werbung</strong> finanziert werden. Ich bin überzeugt, dass die Aktion die Akzeptanz der<br />

10 vergl. Rapp, Reinhard: Die Berechnung von Assoziationen: ein korpuslinguistischer Ansatz, Hildesheim 1996<br />

11 vergl. Kessler, Christine: Diskurswechsel als persuasive Textstrategie, in: Beiträge zur Persuasionsforschung,<br />

hrsg. von dies./Hoffmann, Michael, Frankfurt a.M. 1999, S. 273f.


Zuschauer für die notwendigen Werbe-Unterbrechungen im Programm deutlich erhöhen wird.<br />

Wir brauchen diese Akzeptanz, um ein gutes <strong>und</strong> abwechslungsreiches Angebot zu machen.<br />

Die Alternative wäre der Rückfall in die Zeiten des öffentlich-rechtlichen Monopols." 12<br />

Eine weitere Werbekampagne für die <strong>Werbung</strong> ist die „Informationsaktion <strong>Werbung</strong>“ 13 , mit<br />

der sich mehrere Verbände <strong>und</strong> Unternehmen der Werbewirtschaft (zusammengeschlossen<br />

zum „Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft“, ZAW) seit mehr als zwei Jahren an die<br />

Öffentlichkeit wenden, um dem Verbraucher den Wert der <strong>Werbung</strong> für die Wirtschaft <strong>und</strong><br />

für die Sicherung von Arbeitsplätzen zu verdeutlichen <strong>und</strong> Missverständnisse oder Vorurteile<br />

bezüglich der <strong>Werbung</strong> abzubauen. Diese Gemeinschaftsaktion begann mit sechs Motiven für<br />

die Pressemedien, deren Basisaussage in allen Fällen lautet: „<strong>Werbung</strong>: Vielfalt, Wettbewerb,<br />

Arbeitsplätze.“ Am Beispiel der Karton-Pyramide lässt sich diese Aussage vertiefen: Fehlt der<br />

Block <strong>Werbung</strong> als Gr<strong>und</strong>lage des Aufbaus <strong>und</strong> Ausbaus von Marktanteilen, brechen die an-<br />

deren Elemente Produkt, Service-Leistungen <strong>und</strong> infolge dessen auch Jobs weg – jeweils dar-<br />

gestellt als Ebenen in einer Kartonpyramide.<br />

12 http://www.vprt.de/db/presse/pm-0014.html<br />

13 Bilder sind auf dieser Homepage zu finden: http://195.143.20.7/zaw/index.htm


Im Rahmen dieser „Informationsaktion <strong>Werbung</strong>“ waren auch im deutschen Fernsehen 30-<br />

sekündige Werbespots zu sehen, die die zentralen Effekte von <strong>Werbung</strong> veranschaulichen<br />

sollten.<br />

Seit Januar 2000 wurde die Aktion durch Einschaltung von weiteren Werbeträgern wie Inter-<br />

net, Anzeigenblätter <strong>und</strong> Plakate intensiviert.<br />

Im Jahr 1999 startete der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger die „Stefan Kappers“-<br />

Kampagne 14 . Diese Kampagne lief unter dem Motto „Experiment zur Wirksamkeit von<br />

Printwerbung“. Sie umfasste zahlreiche Anzeigen <strong>und</strong> Plakate, auf denen immer ein Mann<br />

namens Stefan Kappers vor verschiedenen Örtlichkeiten zu sehen war. Die Anzeigen wurden<br />

mit einer mehr oder weniger sinnvollen Aussage (Herr Kappers auf einem Heuhaufen liegend:<br />

„Ah, Heu.“) abger<strong>und</strong>et. Ziel dieser Kampagne war, zu beweisen, dass ein „No-Name-<br />

Produkt“ oder ein der breiten Öffentlichkeit unbekannter Mensch durch intensive Printwer-<br />

bung einen großen Bekanntheitsgrad erlangen kann. Nach einer Untersuchung des Verbandes<br />

konnten nach der Kampagne 26% der Deutschen mit dem Namen „Stefan Kappers“ etwas<br />

anfangen.<br />

Die Kampagne „Print wirkt“ 15 vom selben Verband verfolgt ähnliche Ziele wie die „Informa-<br />

tionsaktion <strong>Werbung</strong>“ <strong>und</strong> die „Stefan Kappers“-Kampagne: Sie will die Aufmerksamkeit der<br />

Leser auf die Wirksamkeit von Printwerbung lenken. In ihren Anzeigen werden weder Mar-<br />

ken, Firmenlogos noch Originalbilder gezeigt. Dennoch sind die Anzeigen so gestaltet, dass<br />

14 Alle Daten <strong>und</strong> Bilder dieser Kampagne sind auf dieser Homepage zu finden: http://www.pzonline.de/pmonl/werbeforschung/Kappers_RZ_26_2.pdf<br />

15 Bilder sind auf folgender Homepage zu finden: http://www.print-wirkt.de/index2.htm


der Leser sofort weiß, welche Marke oder Firma gemeint ist – allein durch die große Ähnlich-<br />

keit der „Print-wirkt“-Motive mit bekannten Anzeigen von verschiedenen Firmen.<br />

Einige Beispiele sind folgende:<br />

Ohne dass der Markenname erwähnt wird, weiß der Leser sofort, welche Marke oder welche<br />

Firma gemeint ist (Lucky Strike <strong>und</strong> Deutsche Post AG), da sich Originalkampagnen auf ein<br />

klares Erscheinungsbild konzentrieren <strong>und</strong> somit die Wiedererkennung der Marke garantiert<br />

<strong>und</strong> die Marke selbst gestärkt <strong>und</strong> gefestigt wird. Die „Print-wirkt“-Kampagne nimmt diese<br />

klare Bildsprache auf <strong>und</strong> versucht dem Leser somit indirekt zu beweisen, inwieweit sich<br />

<strong>Werbung</strong> unbewusst einprägt.<br />

5. Selbstreferentielle <strong>Werbung</strong><br />

Um den Begriff „<strong>Selbstreferentialität</strong>“ näher zu erläutern, bedarf es eines Zitates vom „Meis-<br />

ter“ der selbstreferentiellen Systeme, Niklas Luhmann:<br />

"Es gibt selbstreferentielle Systeme. Das heißt zunächst nur in einem ganz allgemeinen Sinne:<br />

Es gibt Systeme mit der Fähigkeit, Beziehungen zu sich selbst herzustellen <strong>und</strong> diese Bezie-<br />

hungen zu differenzieren gegen Beziehungen zu ihrer Umwelt." 16<br />

Seit den 80er Jahren wurden standardisierte Werbeproduktionen, die für reine Produktinfor-<br />

mation <strong>und</strong> das Aufzeigen des Verbrauchernutzens standen, durch eine neue Art der Werbe-<br />

gestaltung abgelöst. Diese war genau an die Lebensstile der Zielgruppen angepasst <strong>und</strong> arbei-<br />

tete mit immer raffinierteren ästhetischen Codes <strong>und</strong> Darstellungsweisen.<br />

16 Luhmann, Niklas: Soziale Systeme. Gr<strong>und</strong>riß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a.M. 1993, S. 31


<strong>Werbung</strong> bleibt eher in Erinnerung, wenn sie witzig oder ästhetisch ist. Wenn man jedoch die<br />

<strong>Werbung</strong> gar nicht versteht oder sie unterschiedliche Reaktionen hervorruft, dann hat man als<br />

Werbeschaffender eventuell dasselbe Ergebnis erzielt: Der Konsument denkt über die Wer-<br />

bung nach, um sie zu verstehen. Die Werbebotschaften der Firma Benetton sind in Gr<strong>und</strong>e<br />

genommen keine <strong>Werbung</strong> für die Produkte, die die Firma herstellt. Sie machen lediglich auf<br />

Missstände oder Tatsachen aufmerksam, die die Öffentlichkeit zumeist ignoriert, da es sich<br />

oft um Tabubereiche handelt.<br />

Einige Werbekampagnen dezentrieren das Produkt beziehungsweise zeigen es erst gar nicht –<br />

Beispiele wären Marlboro oder Absolute Wodka.<br />

Zwei Beispiele für Werbespots, die von ihrer Struktur, ihrer Erzählweise oder ihrer Handlung<br />

an einen anderen Werbespot erinnern, wären zum einen die Camel-<strong>Werbung</strong>, in der ein junger<br />

Mann in einen Club geht <strong>und</strong> von hübschen Damen zu einem Raum gelotst wird, wo ihn ein<br />

Wesen in schwarzen Lackstiefeln erwartet. Der Zuschauer sieht zunächst nur zwei Beine,<br />

dann fährt die Kamera zurück <strong>und</strong> das Wesen wird zu einem Vierbeiner, ein Kamel in Stie-<br />

feln, das dem jungen Mann zuzwinkert. Diese <strong>Werbung</strong> erinnert von der Aufmachung her<br />

(Musik, Atmosphäre, Umgebung) stark an die Campari-<strong>Werbung</strong>, in der ein ähnlich ausse-<br />

hender junger Mann in einen Club kommt <strong>und</strong> dort auch einige mysteriöse Dinge erlebt.<br />

Ein Werbespot für Lutscher, so genannte Chupa Chups, beginnt so wie die Jim-Beam-<br />

<strong>Werbung</strong>, in der ein Mann an einer Bar einen Jim Beam verlangt, einen Whiskey vorgesetzt<br />

bekommt, ihn probiert <strong>und</strong> dann mit einer gefährlich anmutenden Stimme zum Barkeeper<br />

sagt: „Das ist kein Jim Beam.“<br />

In der Lutscher-<strong>Werbung</strong> bestellt ein kleiner Junge zusammen mit drei Fre<strong>und</strong>en an einer Bar<br />

Chupa Chups-Lutscher. Sie bekommen zwar Lutscher, verziehen aber beim Probieren das<br />

Gesicht <strong>und</strong> der Junge sagt zum Barkeeper: „Das sind keine Chupa Chups.“ Seine Fre<strong>und</strong>e<br />

verwandeln sich derweil in Ungeheuer, jagen dem Barkeeper Angst ein <strong>und</strong> zwingen ihn da-<br />

zu, ihnen echte Chupa Chups zu überreichen.<br />

Audi wirbt seit 1993 mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“ für seine Autos. Dieser<br />

Slogan wurde von McDonald’s kopiert: Auf Plakaten war ein Burger zu sehen, darüber der<br />

Ausspruch: „Vorsprung durch Tomate!“ 17<br />

17 Scholz, Bernhard F.: „Vorsprung durch Technik“ oder Vorsprung durch Tomate“? Zitat, Parodie, Plagiat <strong>und</strong><br />

andere intertextuelle Beziehungen, in: Zeitschrift für Semiotik, Band 14, Heft 3, 1992, S. 192f.


Werbespots, Plakate <strong>und</strong> Anzeigen, die explizit aussagen, dass sie <strong>Werbung</strong> sind, funktionie-<br />

ren selbstreflexiv <strong>und</strong> können beim Konsumenten deshalb Sympathien wecken, weil dieser<br />

die Werbeaussage nicht erst dekodieren muss.<br />

Während eines Werbespots für das Parfüm Jade wurde folgender Satz eingeblendet: „Warum<br />

schauen Sie beide Werbefernsehen? Gibt es nichts Schöneres? Schalten Sie doch ab.“ Ähnlich<br />

über sich selbst <strong>und</strong> den Status einer <strong>Werbung</strong> reflektierend arbeitet die Anzeige von den<br />

Queens Hotels, auf denen zu lesen steht: „Diese Anzeige kann Müdigkeit verursachen.“ 18<br />

Über die Werbeflut, der man tagtäglich bewusst oder unbewusst wahrnehmend ausgesetzt ist,<br />

wird auf folgendem Lucky-Strike-Plakat reflektiert.<br />

18 Vergl. Werler, Herbert: Millionengrab <strong>Werbung</strong>. Die Sünden der Werber <strong>und</strong> die Fehler ihrer Auftraggeber,<br />

Stuttgart 1993, S. 44


Vergleichende <strong>Werbung</strong> hat gesetzlich mittlerweile eine Sonderstellung inne: Zwei oder mehr<br />

Produkte oder Leistungen dürfen in der <strong>Werbung</strong> explizit unter Nennung der Marken, erkenn-<br />

bar präsentierten Produkten oder Leistungen miteinander verglichen werden. 19 Falls die wer-<br />

bende Firma nicht ausdrücklich den Namen des Konkurrenzprodukts nennen will, bleibt ihr<br />

dennoch ein weites Feld der Anspielungen <strong>und</strong> des Komparativs 20 (Beispiel: Dash „Wäscht so<br />

weiß – weißer geht’s nicht!“ 21 )<br />

<strong>Werbung</strong>, die sich auf firmenfremde Produkte bezieht, ist durchaus erlaubt. Am Beispiel der<br />

Printwerbung von der Zigarettenmarke Lucky Strike sieht man, wenn zugleich Bezug auf das<br />

Markenimage des anderen Produkts (hier: Marlboro mit dem Werbeimage Pferd beziehungs-<br />

weise Cowboy) genommen wird:<br />

Auf dem Werbeplakat der Firma Microsoft wurde mittels mutierter Pinguine, die das Mas-<br />

kottchen von Linux, dem Konkurenten von Microsoft, symbolisieren, die Nachteile eines of-<br />

fenen Betriebsstystems dargestellt. Linux revanchierte sich mit einer sehr ähnlich gestalteten<br />

19 Schweiger / Schrattenecker: <strong>Werbung</strong>, S. 318<br />

20 Römer, Ruth: Die Sprache der Anzeigenwerbung, Düsseldorf 1968, S. 109f. <strong>und</strong> 197f.<br />

21 Hars, Wolfgang: Lexikon der Werbesprüche, S. 351


Werbebotschaft, auf der ein Pinguin vor kaputten Fenstern (Windows – als Reminiszenz auf<br />

das Microsoft Windows Betriebssystem) zu sehen war:<br />

In den 80er Jahren wurde verstärkt für den Kräuterschnaps „Jägermeister“ geworben. In der<br />

Printkampagne waren verschiedene Menschen zu sehen, die in der einen Hand ein volles Glas<br />

<strong>und</strong> in der anderen Hand eine Flasche Jägermeister hielten. Daneben oder darüber stand der<br />

Satz „Ich trinke Jägermeister, weil…“, der unterschiedliche Begründungen, warum man Jä-<br />

germeister trinke, enthielt. Diese Kampagne hatte einen durchschlagenden Erfolg. Die Macher<br />

sahen sich gezwungen, sich weitere Sprüche einfallen zu lassen. Sie spielten mit dem<br />

„Mensch-Glas-Flasche-Spruch“-Konzept, indem sie selbstbezügliche Anzeigen gestalteten.<br />

Ähnlich wie das letzte Motiv von Jägermeister funktioniert auch das Werbeplakat von Lucky<br />

Strike, auf dem nichts zu sehen ist. Allerdings weiß der Konsument durch jahrelange Werbe-<br />

kampagnen dieser Firma genau, um welches Produkt es sich handelt, da die Aufmachung im-<br />

mer dieselbe ist.


Selbstreferentielle <strong>Werbung</strong> arbeitet mit Witz, Ironie oder dem Unterlaufen klassischer Wer-<br />

becodes, die dem Betrachter einiges an Dekodierarbeit abverlangt. Der Werbekonsument<br />

kann natürlich nur dann eine derartige <strong>Werbung</strong> dekodieren, wenn er über ein gewisses Re-<br />

pertoire an gesehenen Werbespots, Anzeigen oder Filmen, auf die sich die <strong>Werbung</strong> bezieht,<br />

verfügt. 22<br />

6. Intertextuelle Bezüge in der <strong>Werbung</strong><br />

Der Begriff „Intertextualität“, geprägt von Julia Kristeva in den sechziger Jahren, wird ver-<br />

wendet, um den Umstand zu umschreiben, dass Texte Bezug auf andere Texte nehmen. 23 In<br />

der Literaturwissenschaft wird der Intertextualitätsbegriff in einem recht engen Rahmen be-<br />

handelt, da die Forscher sich darauf beschränken, Intertextualität in einem literarischen Um-<br />

feld zu untersuchen, allerdings unter Einbeziehung des Gattungswechsels. 24<br />

Wenn man bereit ist, den Begriff der Intertextualität auf andere Medien auszuweiten, dann<br />

kommt man nicht umhin, eine neue Definition für den „Text“ zu finden, der in dem Moment<br />

kein Text im literarischen Sinne mehr ist, sondern beispielsweise ein Bild, ein Film oder Mu-<br />

sik sein kann. Dies tat Roland Barthes, indem er die „Texte“ nicht mehr Texte nannte, son-<br />

dern „Zeichensysteme“. 25<br />

22<br />

Diese Voraussetzung existiert auch bei Filmen, die sebstreferentiell arbeiten: ohne Vorkenntnisse versteht man<br />

den „Witz“ nicht <strong>und</strong> kann keine Decodierarbeit leisten.<br />

23<br />

Broich, Ulrich, Pfister, Manfred (Hrsg.): Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, Tübingen<br />

1985, S. IX<br />

24<br />

Lenz, Bernd: Intertextualität <strong>und</strong> Gattungswechsel. Zur Transformation literarischer Gattungen, in: Intertextualität.<br />

Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, S. 158f.<br />

25<br />

Barthes, Roland: Elemente der Semiologie, Frankfurt a.M. 1979, S. 76


In derartigen Zeichensystemen wird jedes gesprochene oder geschriebene Wort, jede Geste,<br />

jede Situation zu einem Zeichen, das von einem Rezipienten erst dekodiert werden muss. Die<br />

Zeichen werden über einen technischen Kanal, ein Medium, ausgetauscht. 26 Dies kann sowohl<br />

die menschliche Stimme als auch beispielsweise das Fernsehen sein.<br />

<strong>Werbung</strong> ist demnach ein Zeichensystem, das der Rezipient mit Hilfe seines gespeicherten<br />

Kulturwissens dekodieren kann. Viele Werbespots oder Werbeanzeigen nehmen Bezug auf<br />

andere kulturelle oder künstlerische „Texte“ beziehungsweise Zeichensysteme. Dabei kann<br />

die <strong>Werbung</strong> unabhängig vom Medium auf andere Systeme Bezug nehmen. Das bedeutet,<br />

dass <strong>Werbung</strong> voller Anspielungen steckt, sei es auf Literatur, Sprichwörter, Liedtitel <strong>und</strong> –<br />

texte oder auf andere <strong>Werbung</strong>. 27 Im Folgenden nenne ich den Text, auf den Bezug genom-<br />

men wird, „Prätext“ <strong>und</strong> den Bezug nehmenden Text „Referenztext“.<br />

Hier muss Niklas Luhmann also widersprochen werden, welcher der Auffassung war, dass<br />

Intertextualität eines der Momente sei, in denen sich <strong>Werbung</strong> von der Kunst unterscheidet 28 ,<br />

denn die <strong>Werbung</strong> handhabt Intertextualität vielleicht zu anderen Zwecken als die Kunst, im<br />

Endeffekt sind die Themen <strong>und</strong> Darstellungen der <strong>Werbung</strong> aber ähnlich wie die Kunst durch-<br />

drungen von Anspielungen <strong>und</strong> Zitaten.<br />

In ihrer Art der Bezugnahme kann die Intertextualität der <strong>Werbung</strong> in folgende Gr<strong>und</strong>formen<br />

unterschieden werden:<br />

1) eine mehr oder weniger vollständige Übernahme von Prätexten – also Zitate, die ent-<br />

weder als solche markiert oder unmarkiert sind. 29 Beispiel: „Wie es euch gefällt“ als<br />

Anzeigenwerbung für das Softwareunternehmen Jawa [sic!] <strong>und</strong> als Zitat des Titels<br />

einer Komödie von William Shakespeare.<br />

2) Übernahme der syntaktischen Struktur. Beispiel: Der Film „Manche mögen’s heiß“<br />

mit Marilyn Monroe wird in der VW Polo-<strong>Werbung</strong> verfremdet übernommen: „Man-<br />

che mögen’s sicher“. 30<br />

3) Übernahme einzelner lexikalischer Elemente. Beispiel: Die Schlagzeile „Täglich<br />

frisch gepresst“ einer Anzeige für den B<strong>und</strong>esverband Druck, nimmt Bezug auf den<br />

26<br />

Link, Jürgen: Literatursemiotik, in: Literaturwissenschaft. Ein Gr<strong>und</strong>kurs, hrsg. von Helmut Brackert <strong>und</strong> Jörn<br />

Stückrath, Hamburg 2000, 6. Auflage, S. 20f.<br />

27<br />

vergl. Stöckl, Hartmut: Werbliche Persuasion als Vermittler zwischen öffentlichem <strong>und</strong> privatem Diskurs, in:<br />

Beiträge zur Persuasionsforschung, S. 295f.<br />

28<br />

Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien, Opladen 1996, 2. Aufl., S. 86<br />

29<br />

Holthuis, Susanne: Intertextualität. Aspekte einer rezeptionsorientierten Konzeption, Tübingen 1993, S. 108f.<br />

30<br />

vergl. Janich, Nina: Werbesprache. Ein Arbeitsbuch, Tübingen 2001, 2. Auflage, S. 175


Werbespot für den Orangensaft Valensina: „Schmeckt wie frisch gepresst.“ 31<br />

4) Bezugnahme auf die syntaktische <strong>und</strong> inhaltliche Struktur eines Prätextes. Beispiel: Im<br />

Slogan für die Zigarettenmarke Lucky Strike „Lucky Strikes. Sonst nichts.“ wird auf<br />

den Slogan der Campari-<strong>Werbung</strong> „Campari. Was sonst.“ angespielt. 32<br />

5) Bildliche Anspielungen kommen in Werbespots oder Anzeigen häufig vor. Beispiel:<br />

Im Werbespot der Münchner Versicherungen tritt ein Mafioso (Mario Adorf) auf, der<br />

starke Ähnlichkeit mit Marlon Brando in „der Pate“ hat. Für den Werbespot „Rocher“<br />

der Firma Ferrero konnte Pierce Brosnan gewonnen worden, der in einem 007-<br />

Ambiente <strong>und</strong> in Bond’scher Manier auftritt <strong>und</strong> meint: „Ich gewinne immer, wenn<br />

ich auf Gold setze.“<br />

6) In Zeitschriften finden sich häufig Anzeigen, die von ihrem Layout <strong>und</strong> Textaufbau an<br />

Reportagen oder Enzyklopädie-Artikel erinnern. Manche von ihnen sind derart schwer<br />

als <strong>Werbung</strong> zu erkennen, dass nur die kleine, am Kopf der <strong>Werbung</strong> angebrachte Be-<br />

zeichnung „Anzeige“ sie als solche erkennbar macht. 33 Ein Beispiel wäre die Anzeige<br />

für Schweppes Tonic, die so gestaltet ist:<br />

Schweppsouette (frz.; -suet), (die), höfischer altfranzösischer Gesellschafts-<br />

tanz im 9/8-Takt aus der Zeit � Heinrich des Verschweppten (783-1683), den<br />

man heute<br />

[Bild der Getränke-Flasche]<br />

noch im Spiegelsaal von Versailles in Anwesenheit des gesamten diplomati-<br />

schen Corps um eine riesengroße Flasche Sweppes Tonic Water herum tanzen<br />

sieht.[…] 34<br />

Diese verschiedenen Werbestrategien versuchen, die „kognitive Disposition des Rezipienten<br />

<strong>und</strong> seine Wissensbestände“ 35 als Ausgangspunkt zu verwenden, um Unbekanntes als Be-<br />

kanntes zu präsentieren. Dieses Vorgehen, welches Stöckl als „semantisches Recycling“ 36<br />

bezeichnet, erhöht die Erfolgschancen einer erfolgreichen Persuasion.<br />

31<br />

dies.: Wenn <strong>Werbung</strong> mit <strong>Werbung</strong> <strong>Werbung</strong> macht. Ein Beitrag zur Intertextualität, in: Muttersprache 107, S.<br />

303<br />

32<br />

Hier liegt eine Wechselwirkung vor: eine (rhetorische) Frage des Prätextes wird im Referenztext beantwortet.<br />

Vergl. Burger, Harald, Buhofer, Annelies (Hrsg.): Handbuch der Phraseologie, Berlin 1982, S. 79<br />

33<br />

Janich, Nina: Werbesprache, S. 176<br />

34<br />

vergl. Kessler, Christine: Diskurswechsel als persuasive Textstrategie, S. 278<br />

35<br />

Stöckl, Hartmut: Werbliche Persuasion als Vermittler zwischen öffentlichem <strong>und</strong> privatem Diskurs, S. 297<br />

36 ebenda, S. 297


Inwieweit Intertextualität verschiedene Funktionen übernimmt, wurde von Bernd Schulte-<br />

Middelich untersucht 37 , allerdings nur die textbasierende Intertextualität. Er beschreibt fol-<br />

gende Funktionen des Referenztextes bezüglich des Prätextes:<br />

• Abwertung<br />

• Aufwertung<br />

• Reduktion<br />

• Bestätigung<br />

• Erneuerung<br />

• Überbietung<br />

• Innovation<br />

• Interpretation<br />

• Bewertung<br />

• Belehrung<br />

• Distanzierung<br />

• Komisierung<br />

• Ironisierung<br />

• Kontrastierung<br />

• Kritik / Negation<br />

Diese Funktionen kann man ohne weiteres auf Intertextualität ausweiten, die nicht nur rein<br />

textbasierend, sondern als Teil eines medialen Zeichensystems fungiert.<br />

Schulte-Middelich geht in seiner Untersuchung der Intertextualität noch weiter <strong>und</strong> sieht in<br />

gewissen Texten „nicht nur die Brüchigkeit tradierter Kunstbegriffe“ 38 , sondern auch eine<br />

intertextuelle Struktur, die „selbst zur Metapher für die Brüchigkeit unserer Wirklichkeitsmo-<br />

delle“ 39 geworden ist.<br />

7. Parodie <strong>und</strong> <strong>Werbung</strong><br />

Die Parodie (von griech. „para“, Gegen-, Neben- oder Beigesang) hat ihren Ursprung in der<br />

Literatur. Die frühesten Parodien waren ernsthafte Horaz-Nachdichtungen. Danach wurden<br />

Verarbeitungen immer vorlagenkritischer <strong>und</strong> humorvoller. Die Parodie ist eine „Darstel-<br />

37 Schulte-Middelich; Bernd: Funktionen intertextueller Textkonstruktion, in: Intertextualität. Formen, Funktio-<br />

nen, anglistische Fallstudien, S. 197ff<br />

38 ebenda, S. 230<br />

39 ebenda, S. 230


lungsweise, die ein als bekannt vorausgesetztes Werk durch Entstellung oder Verformung des<br />

Inhalts, aber unter Beibehaltung der Form lächerlich macht.“ 40<br />

Den Begriff als solches einzugrenzen fällt schwer, denn „schließlich existiert eine Fülle von<br />

Fachliteratur, deren Lektüre die unterschiedlichsten Stellungnahmen zur Parodie zutage för-<br />

dert“ 41 .<br />

Als Funktion der Parodie kann einerseits die Adaption einer Vorlage zur Formulierung einer<br />

eigenständigen Botschaft gelten, andererseits kann sich die Adaption auch völlig in der Komi-<br />

sierung der Vorlage erschöpfen. 42<br />

So wurde beispielsweise Wolfgang Petrys populärer Song "Hölle! Hölle! Hölle!" parodiert,<br />

indem auf einem Plakat drei leere Zigarettenhüllen nebeneinander zu sehen waren <strong>und</strong> von<br />

der Überschrift "Hülle! Hülle! Hülle!" geziert wurden.<br />

Beliebte Opfer von Parodien sind auch Werbespots, die in Sendungen wie „Kalkofes Matt-<br />

scheibe“ (Premiere) <strong>und</strong> „Switch“ (Pro7) auf humorvolle Weise persifliert werden. Während<br />

Oliver Kalkofe gerne Dauerwerbesendungen, die schlecht vom Amerikanischen ins Deutsche<br />

synchronisiert werden, parodiert, bevorzugen die Macher von Switch als Parodievorlagen<br />

einschlägig bekannte Werbespots wie die nicht jugendfreien „ruf mich an!“-Spots oder Alko-<br />

holwerbung. Wie auch die Intertextualität funktioniert die Parodie nur dann vollständig, wenn<br />

der Rezipient die parodierten Vorlagen kennt.<br />

40 www.wissen.de<br />

41 Müller, Beate: Komische Intertextualität. Die literarische Parodie, Trier 1993, S. 13<br />

42 vergl. Artikel „Parodie“ in: Literaturlexikon. Begriffe, Realien, Methoden, hrsg. von Volker Neid, Bd. 14,<br />

Gütersloh 1993, S. 193-196


8. Fingierte Werbespots in Kinofilmen<br />

Das Reflektieren über <strong>Werbung</strong> an <strong>und</strong> für sich oder über bestimmte <strong>Werbung</strong> geschieht nicht<br />

nur in Werbespots mit wirtschaftlichem Hintergr<strong>und</strong>, sondern auch in solchen, die extra für<br />

eine Filmproduktion hergestellt worden <strong>und</strong> in einen Film oder eine Serie eingebettet sind.<br />

Die bekanntesten Beispiele werde ich hier ausführen.<br />

Der spanische Regisseur Pedro Almodóvar (geb. 1949) drehte 1980, 1988 <strong>und</strong> 1990 die Filme<br />

„Pepi, Luci, Bom <strong>und</strong> andere Mädchen aus der Clique“(Pepi, Luci, Bom y otras chicas del<br />

monton), „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ (Mujeres al borde de un ataque de<br />

nervios) <strong>und</strong> „Fessle mich!“ (Atame!). In den Filmhandlungen baut Almodóvar Werbespots<br />

ein, die die Darstellerinnen <strong>und</strong> Darsteller im Rahmen der Erzählung ansehen. Die Werbe-<br />

spots sind humorvoll <strong>und</strong> lassen sich leicht in die Handlung der Filme einbetten. In „Fessle<br />

mich!“ sehen sich die beiden Protagonisten einen Werbespot der „Gerontobank“ an, die die<br />

spanischen Zuschauer dazu animieren will, sich rechtzeitig um ihre Altersvorsorge zu küm-<br />

mern. Während die deutschen Rentner sich in Discos vergnügen, müssten spanische Rentner<br />

betteln gehen. Das läge daran, dass sich die Deutschen rechtzeitig um ihre Altersvorsorge<br />

kümmern (man sieht ein junges Pärchen in Nazi-Uniformen in einem Büro Formulare unter-<br />

schreiben), während die Spanier anderweitig beschäftigt sind (Ein tango-tanzendes Pärchen<br />

wird gezeigt).<br />

In „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ sieht sich die Protagonistin einen Werbe-<br />

spot an, in dem sie selbst die Hauptrolle spielt. Sie mimt die Mutter eines Mörders, die dank<br />

eines speziellen Waschmittels alle verräterischen Blutflecken aus der Kleidung ihres Sohnes<br />

wäscht <strong>und</strong> diese Kleidung stolz den ermittelnden Kommissaren präsentiert.<br />

In „Pepi“ steigt die Protagonistin in die Welt der <strong>Werbung</strong> ein <strong>und</strong> hat mit einem Werbespot<br />

über Unterhöschen, die geruchsverbessernd wirken (sie verwandeln den Geruch von Blähun-<br />

gen in Rosenduft), einen großen Erfolg.<br />

Der Regisseur John Landis (geb. 1950) drehte im Jahr 1977 den Episodenfilm „Kentucky<br />

Fried Movie“, dessen Fortsetzung, „Amazonen auf dem Mond“ (Amazon Women on the<br />

Moon) zehn Jahre später. Beide Filme sind gespickt mit parodistischen Werbespots, sei es<br />

<strong>Werbung</strong> für ein Mittel gegen Glatzen (nämlich künstliche Teppichhaare), oder Anpreisung<br />

einer Pastete, die nicht nur kalorienarm ist, sondern auch als Springseil oder Gummiball fun-<br />

gieren kann. Nytex P.M. wird als Schlafmittel vorgestellt, nach dessen Einnahme man nicht


mal durch heftiges Schütteln oder Ohrfeigen geweckt werden kann. Das Kopfschmerzmittel<br />

Sanhedrin wird im Werbespot von einem Wissenschaftler vorgestellt, in dessen Labor zahl-<br />

reiche Menschen Kopfschmerz verursachenden Schlägen ausgesetzt sind, deren Folgen nur<br />

mit Sanhedrin gelindert werden können.<br />

Beide Regisseure, sowohl Almodóvar als auch Landis, verdeutlichen in ihren fingierten Wer-<br />

bespots, wie sehr die <strong>Werbung</strong> Teil der audio-visuellen Medien geworden <strong>und</strong> in öffentlichen<br />

sowie im privaten Leben integriert worden ist.<br />

Eine spezielle Art des fingierten Werbespots zeigt der Film „Die Seifendiebe“ (Ladri di Sa-<br />

ponette) von Maurizio Nichetti (Italien 1988). Dieser Film verbindet drei Handlungsebenen:<br />

die des Regisseurs (gespielt von Nichetti), der im Fernsehstudio seinen neorealistischen Film<br />

„die Seifendiebe“ vor dessen Ausstrahlung vorstellen soll, die Handlung des Films „die Sei-<br />

fendiebe“ <strong>und</strong> die einer durchschnittlichen Familie, die den Abend vor dem Fernseher ver-<br />

bringt <strong>und</strong> den Film ansieht.<br />

Die Handlungsebene des Schwarz-Weiß-Films im Film erzählt die Geschichte einer ärmli-<br />

chen Familie, die im Italien der 50er Jahre ihr Dasein fristet – der Mann ohne Arbeit, die Frau<br />

als Sängerin in einer kleinen Bar, der ältere Sohn die ewigen Streitereien seiner Eltern hin-<br />

nehmend <strong>und</strong> der jüngere Sohn oft unbewusst am Abgr<strong>und</strong> einer selbst verschuldeten Katast-<br />

rophe hangelnd. Die Atmosphäre <strong>und</strong> der Titel des Films erinnern stark an das Schlüsselwerk<br />

des neorealistischen Films „Fahrraddiebe“ (Ladri di biciclette) von Vittorio De Sica (Italien<br />

1948). Jedoch wird „die Seifendiebe“ im Gegensatz zum „Original“ plötzlich von bunten<br />

Werbespots unterbrochen. Der Regisseur, der dies im Fernsehstudio hilflos mit ansehen muss,<br />

protestiert gegen diese Manipulation seines Films. Die Familie vor dem Fernseher nimmt die<br />

<strong>Werbung</strong> gelassen hin. Die Werbeunterbrechungen bestimmen nun immer mehr auf mysteriö-<br />

se Weise die Handlung des Schwarz-Weiß-Films: die beiden Hauptdarsteller halten bei-<br />

spielsweise mitten in einer Unterhaltung inne, schauen in die Kamera <strong>und</strong> warten, bis der<br />

Werbeblock eingeblendet wird. Langsam verwischen sich die Grenzen zwischen den drei<br />

Handlungsebenen: der Sohn im Schwarz-Weiß-Film möchte keine Kartoffeln essen, sondern<br />

starrt aus dem Fernseher heraus auf den Sohn der Familie, die vor dem Fernseher sitzt. Dieser<br />

isst gerade einen Riegel, für den eben noch ein Werbespot gesendet wurde. Die Frau aus der<br />

Parfüm-<strong>Werbung</strong> taucht nach einem Stromausfall im Studio plötzlich im Schwarz-Weiß-Film<br />

auf, während die Frau des Schwarz-Weiß-Films sich mitten in einem Werbespot wieder fin-<br />

det. Der Regisseur ist derart empört, dass er selbst in den neorealistischen Film eintaucht, um<br />

die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Irgendwann findet eine Verfolgungsjagd zwischen


den Ebenen Filmwelt <strong>und</strong> Werbewelt statt. Letzen Endes muss der Regisseur jedoch aufge-<br />

ben, da seine Filmfiguren längst den Verlockungen der Werbewelt erlegen sind.<br />

Nichettis satirischer Blick auf die Fernsehwelt lässt sich nicht nur anhand der störenden Wer-<br />

beeinblendungen belegen, die ständig Filme unterbrechen, sondern auch am Verhalten der<br />

Familie, die das Geschehen im Fernsehen nur nebenbei mitbekommt, sich jedoch von den<br />

Werbesendungen beeinflussen lässt. Der Regisseur reflektiert humorvoll die Herrschaft des<br />

Fernsehens <strong>und</strong> den Einzug der <strong>Werbung</strong> in den Alltag <strong>und</strong> die daraus resultierende Beein-<br />

flussung der Verbraucher.<br />

9. Schluss<br />

<strong>Werbung</strong> ist mehr <strong>und</strong> mehr zu einem bewusst wahrgenommenen Bestandteil des Alltags <strong>und</strong><br />

der Kultur geworden. Sie erfüllt mittlerweile nicht nur wirtschaftliche Zwecke, sondern ist<br />

Gegenstand der Berichterstattung <strong>und</strong> des gesellschaftlichen Diskurses geworden.<br />

Die Wandlung der <strong>Werbung</strong> von der ersten bis zur vierten Art bedeutete auch den Wandel der<br />

<strong>Werbung</strong> bezüglich ihrer Aufgabe. Die <strong>Werbung</strong> nach den ersten Kriegsjahren war reine In-<br />

formation, während die <strong>Werbung</strong>, die wir heute zum Teil im Fernsehen, in Zeitschriften oder<br />

auf Plakaten sehen, zu einer Vermischung von Information <strong>und</strong> Entertainment geworden ist.<br />

Inzwischen ist es fast üblich geworden, besonders in Rahmen von Jugendsendungen oder Ki-<br />

nofilmen <strong>Werbung</strong> zu senden, deren Produkt vollkommen an den Rand gerückt ist, in der das<br />

Bedürfnis nach Entertainment abgedeckt wird. „Medieninhalte können also offenbar eine am-<br />

bivalente Funktion besitzen <strong>und</strong> unbeachtet von einer Klassifikation als <strong>Werbung</strong> oder Unter-<br />

haltung oder Information <strong>und</strong> damit auch unreglementiert fester Programmbestandteil von<br />

Medien werden.“ 43<br />

Das wissenschaftliche <strong>und</strong> öffentliche Interesse äußert sich durch (zum Teil populär-) wissen-<br />

schaftliche Arbeiten über <strong>Werbung</strong>, in Berichterstattungen in Sendungen oder Artikeln, in<br />

Werbespot-Wettbewerben, durch Sendungen wie „die witzigsten Werbespots der Welt“ (Sat1)<br />

oder „Hotzpotz“ (RTL 2; eine Sendung, in der aktuelle Werbespots präsentiert <strong>und</strong> unter die<br />

Lupe genommen werden), durch virtuelle Besprechungen von Werbespots hinsichtlich ihrer<br />

Originalität, ihrer Darsteller <strong>und</strong> der Story (www.ciao.com) <strong>und</strong> durch Ausstellungen in Mu-<br />

seen. In der Zeitschrift MAX wird jeden Monat eine neue Abstimmung über die beliebteste<br />

Werbeanzeige gestartet. Die Liste der Beispiele könnte noch lange weitergeführt werden.<br />

43 Hartwig, Stefan: Trojanische Pferde der Kommunikation? Einflüsse von <strong>Werbung</strong> <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit<br />

auf Medien <strong>und</strong> Gesellschaft, Münster 1998, S. 102


Trotz Einnahmeeinbußen der Werbewirtschaft erfreut sich die <strong>Werbung</strong> einer umfassenden<br />

Beliebtheit. Allerdings nur, wenn sie unterhält <strong>und</strong> nicht als störend empf<strong>und</strong>en wird. Ange-<br />

sichts dieser Beliebtheit <strong>und</strong> Bekanntheit ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass die <strong>Werbung</strong> mehr<br />

<strong>und</strong> mehr sich selbst reflexiert, im Rahmen von Filmen <strong>und</strong> Beiträgen aufgearbeitet wird <strong>und</strong><br />

„Opfer“ von zahlreichen parodistischen Nachahmungen geworden ist.<br />

Selbstreferentielle Bezüge finden sich also nicht nur in Werken der so genannten „Elite“-<br />

Kulturetablissements wie Literatur <strong>und</strong> Film, sondern haben auch in populärkulturellen Spar-<br />

ten wie die <strong>Werbung</strong> Einzug gehalten <strong>und</strong> somit den Beweis geliefert, wie sehr heutzutage die<br />

<strong>Werbung</strong> zum allgemeinen Medienrepertoire gehört.


Literaturverzeichnis<br />

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Broich, Ulrich, Pfister, Manfred, Tübingen 1985, S. 158 -178<br />

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2001, 5. Auflage<br />

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• Homepage des Verband Privater R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Telekommunikation VPRT e. V.<br />

(http://www.vprt.de)<br />

• Kappers-Kampagne<br />

(http://www.pz-online.de/pmonl/werbeforschung/Kappers_RZ_26_2.pdf)<br />

• wissen.de GmbH Gesellschaft für Online-Information<br />

(www.wissen.de)<br />

• „Print wirkt“-Kampagne der Publikumszeitschriften im Verband Deutscher Zeitschrif-<br />

tenverleger VDZ e.V.<br />

(www.printwirkt.de)<br />

• „Informationsaktion <strong>Werbung</strong>“ des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft<br />

ZAW e.V.<br />

(http://195.143.20.7/zaw/)<br />

• Werbedaten des Gesamtverbands Werbeagenturen GWA e.V.<br />

(http://www.gwa.de/index.php?id=409)<br />

• Lucky-Strike-Motive der KNSK Werbeagentur GmbH<br />

(http://www.knsk.de/)


Filme:<br />

• Pedro Almodóvar: Pepi, Luci, Bom <strong>und</strong> andere Mädchen aus der Clique, Spanien<br />

1980<br />

• Ders.: Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, Spanien 1988<br />

• Ders.: Fessle mich!, Spanien 1990<br />

• John Landis: Kentucky Fried Movie, USA 1977<br />

• Ders.: Amazonen auf dem Mond, USA 1987<br />

• Maurizio Nichetti: Die Seifendiebe, Italien 1988<br />

• Vittorio De Sica: Fahrraddiebe (Italien 1948)

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