Download des Sport in Baden Nr. 10/04 - Badischer Sportbund Nord ...

Weitere Magazine

Empfehlungen

Info

BADISCHER SPORTBUND 4 Hans Leciejewski (60) ist seit 1974 Leiter des Olympiastützpunkts Rhein-Neckar (OSP) mit seinen Außenstellen in Leimen, Mannheim und Schifferstadt. Der deutsche Basketball- und Handballmeister des USC Heidelberg und der SG Leutershausen war bei den Olympischen Spielen 1972 in München Chef des Internationalen Zentrums im Olympischen Dorf und 1984 in Los Angeles Delegationsleiter der deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Bei den XXVIII. Olympischen Spielen 2004 in Athen haben Athleten des OSP zwei Goldmedaillen durch Mandy Haase und Fanny Rinne im Hockey sowie Birgit Fischer und Carolin Leonhardt im Kajak-Zweier gewonnen. Außerdem gab es einmal Silber im Kajak-Vierer mit Fischer und Leonhardt und dreimal Bronze durch die beiden Boxer Rustam Rachimow und Vitali Tajbert sowie Schwimmerin Petra Dallmann mit der 4x200-m-Freistil-Staffel. � Herr Leciejewski, wie bewerten Sie die Ausbeute Ihrer Athletinnen und Athleten? Hans Leciejewski: „Sehr positiv. Denn Medaillengewinner, die so intensiv von uns betreut wurden wie in den letzten vier Jahren, hatten wir noch nie. Insgesamt sind die sechs Medaillen die beste Bilanz unseres OSP seit seinem Bestehen.“ � Bewerten Sie bitte Ihre Medaillengewinner im Einzelnen. Fangen wir mit dem Fliegengewichtler Rustam Rachimow an. Leciejewski: „Rustam ist bei jeder internationalen Meisterschaft gut für eine Medaille. Diesmal hat er so gut geboxt, dass er ganz nahe am Finale dran war. Ein großes Kompliment!“ � Federgewichtler Vitali Tajbert wollte Gold. Leciejewski: „Ja, das hatte er gesagt. Für mich war sein Halbfinalkampf eine klare Enttäuschung; nicht, weil er verloren hat, sondern weil er in diesem Fight in keiner Weise an die vorzüglichen Leistungen in den anderen Kämpfen angeknüpft hat.“ � Petra Dallmann war nach ihrem Medaillengewinn besonders erleichtert. SPORT in Baden Hans Leciejewski freut sich über die beste Bilanz des OSP seit seinem Bestehen. „So erfolgreich waren unsere Athleten noch nie“ Hans Leciejewski, Chef des OSP Rhein-Neckar, zeigt aber auch Schwachstellen des deutschen Spitzensports auf Leciejewski: „Wir hatten alle auf zwei Staffelmedaillen gehofft, und der vierte Platz der 4x200-m-Freistil-Staffel am ersten Tag der Schwimmwettbewerbe war für die deutsche Mannschaft ein erster Dämpfer. Wir haben gesehen, dass die Schwimmer ihre Höchstform bei den deutschen Meisterschaften, also bei der Olympia-Qualifikation, hatten und nicht in Athen. Auffällig war, dass diese Tatsache bei Athleten zu beobachten war, die sich ganz unterschiedlich vorbereitet hatten: Franziska van Almsick und Hannah Stockbauer waren zuletzt im Höhentraining, Petra Dallmann mit vielen anderen auf Mallorca. Umso erfreulicher ist die Bronzemedaille über 4x200 m Freistil.“ � Birgit Fischer und Carolin Leonhardt haben Gold und Silber eingefahren. Leciejewski: „Was für mich eine Sensation ist. Dass Birgit nach dreijähriger Pause wieder so fit war, hätte ich nicht für möglich gehalten. Zwei Wochen vor Athen hatte ich in Sandhofen den Eindruck, dass sie noch nie so austrainiert war. Sie hatte ganz alleine trainiert und dabei offensichtlich alles richtig gemacht. Sie hat sich auf das Wesentliche konzentriert. Dass unsere Carolin als 19-Jährige mit ihr zusammen fahren und dabei soviel lernen durfte, ist natürlich ganz fantastisch. Gold und Silber ist auch deshalb so erfreulich, weil die Ungarinnen in den Vorläufen ganz klar überlegen waren und sich Birgit und Carolin in den Finals unheimlich gesteigert haben.“ � Genau wie die Hockey-Damen. Leciejewski: „Dieses Gold ist die größte Sensation dieser Olympischen Spiele, der Erfolg dieser Mannschaft ist überhaupt nicht nachzuvollziehen. Man muss sich das mal vorstellen: Sie schlagen Titelverteidiger Australien, stehen dann trotzdem vor dem Aus. Und dann schlägt auch Holland, das bereits Gruppensieger war, in einem eigentlich bedeutungslosen Spiel die Australierinnen, und Deutschland holt die Goldmedaille durch Siege über Südkorea und die Niederlande. Das ist großartig, das macht den Mädels so schnell niemand nach!“ � Nicht unerwähnt soll Ivonne Kraft bleiben, die im Mountainbike-Rennen den siebten Platz erkämpft hat. Leciejewski: „Jede Platzierung unter den ersten Acht ist ein Superergebnis. Im Mountainbike ist die Weltspitze ganz eng beisammen. So war es für die viel höher eingeschätzte Weltmeisterin Sabine Spitz ganz schwer, die Bronzemedaille zu gewinnen.“ � Zurück zum Phänomen Birgit Fischer, Deutschlands erfolgreichster Olympionikin aller Zeiten: Sie lebt in Brandenburg und paddelt für Mannheim-Sandhofen. Wieviel ihrer Zeit verbringt sie am OSP Rhein-Neckar, und was tut sie da? Leciejewski: „Wenn ich Carolin Leonhardt als hundertprozentige OSP-Athletin bezeichne, dann würde ich die Nutzung unserer Dienstleistungen durch Birgit Fischer bei rund zehn Prozent ansiedeln. Wir haben für sie Leistungsdiagnostik durchgeführt, im Training Videoaufnahmen angefertigt, und sicherlich ist sie im Rahmen von Lehrgangsmaßnahmen auch physiotherapeutisch betreut worden. Das war’s dann aber.“ � Bundesinnenminister Otto Schily hat in Athen angekündigt, die staatliche Förderung des deutschen Spitzensports ungekürzt weiterführen zu wollen. Andererseits wabern Gerüchte durchs Land, nach denen die vier baden-württembergischen Olympiastützpunkte in Stuttgart konzentriert werden sollen. Was ist nun tatsächlich zu erwarten? Leciejewski: „Des Ministers Aussage habe ich gelesen. Doch schon vor Athen haben sich Mitarbeiter des Innenministeriums KARLSRUHE // OKTOBER 2004 // JAHRGANG 58 // NR. 10
ei Tagungen in ähnlicher Weise geäußert. Seit einigen Wochen gibt’s in der Tat auch diese Gerüchte von einer Zentralisierung des Hochleistungssports in Baden-Württemberg. Dass die Zentrale in Stuttgart sein soll, halte ich allerdings für völlig ausgeschlossen, denn der OSP Rhein-Neckar ist zu stark und mit über 500 Athleten auch zu groß, um in den vergleichsweise kleinen OSP Stuttgart eingebaut zu werden. Wir haben hier ein zweites wichtiges Standbein: Die zentralen Lehrgänge, die die sieben Verbände Basketball, Boxen, Gewichtheben, Schwimmen, Tischtennis, Volleyball und Rugby ausschließlich bei uns durchführen.“ � Wo würden Sie Ihren OSP in der Rangliste der 20 Servicezentren ansiedeln? Leciejewski: „Wir zählen schon immer zum ersten Drittel, was sich durch die Ergebnisse von Athen nicht verschlechtert hat. Berlin mit sehr vielen und sehr erfolgreichen Athleten ist eine Klasse für sich, aber danach kommen – gemeinsam mit wenigen anderen Olympiastützpunkten – gleich wir. FO- CUS hat die sportliche Leistungskraft der 16 Bundesländer ermittelt. Dabei steht Baden-Württemberg an dritter Stelle hinter Berlin und Nordrhein-Westfalen.“ � In Athen haben – trotz der 48 Medaillen – viele deutsche Athleten ihre Ziele verfehlt. Sie sind nicht in die Nähe ihrer persönlichen Bestleistungen gekommen. Leciejewski: „Über die Jahrzehnte habe ich beobachtet, dass unsere Athleten und Trainer vor besonderen Höhepunkten wie Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften dazu neigen, fälschlicher Weise eher mehr zu trainieren als zu wenig. Es wäre geschickter, die eine oder andere Re- duzierung vorzunehmen und Ruhephasen in den Trainingsprozess einzubauen.“ � In den Stellungnahmen der Athleten war häufig zu hören, der Druck sei zu groß. Dabei ist es für einen Sportler das Schönste, an Olympia teilnehmen zu dürfen. Warum spüren sie einen übermäßigen Druck? Leciejewski: „Klar ist, Druck lähmt. Aber wer das jetzt als Argument anführt, hat sich vor den Olympischen Spielen zu wenig mit sich und seiner Rolle befasst. Klar ist nämlich auch, dass man ohne einen gewissen Druck keine Höchstleistungen erbringen kann. Bei Olympia, das ja nur alle vier Jahre stattfindet, darf man schon erwarten, dass Athleten die allerbeste Leistung aus sich herausholen. Da jeder Athlet vor Olympia vollkommene Unterstützung genossen hat und genau wusste, was von ihm erwartet wird, klingt das für mich jetzt ein bisschen nach fauler Ausrede. Man kann in unseren OSPs übrigens auch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.“ � Leiden die deutschen Athleten unter den Erwartungen ihrer Sponsoren? Leciejewski: „Von den 460 deutschen Olympioniken haben sicherlich 400 keine Sponsoren mit nennenswertem Förderungsumfang. Wenn Franziska van Almsick vorher sagt, dass sie Gold holen will, dann weiß sie doch genau, dass sie an ihren Worten gemessen wird. Wenn ich das Wort ‚Druck‘ schon höre! In diesem Land steht jeder unter Druck – der Schüler durch die Noten, der Student durch die Examina, der Berufstätige durch die Vorgaben seines Chefs. Und wenn der Malerlehrling den Pinsel drei Mal in den falschen Eimer reinsteckt, kriegt er auch auf die Ohren.“ � Sie hatten das von Minister Schily und DSB- Leistungssport-Chef Ulrich Feldhoff verkündete Mannschaftsziel – Platz 3 – schon vor Olympiabeginn als „hybrid“ bezeichnet. Kennen Deutschlands Sportchefs die Realitäten nicht? Wird unser Sport von Träumern regiert? Leciejewski: „Ja. Inzwischen reden sie ja nicht mehr vom tatsächlich erreichten sechsten Rang, sondern summieren die Medaillen, damit es besser aussieht. Auch wenn man die Platzierungen bis Rang 8 in die Bewertung einbezieht, sieht es deutlich schlechter aus als nach Sydney 2000. An Feldhoffs Argumentation gefällt mir nicht, dass er seine Erwartungen immer aus den Resultaten der Junioren herleitet. Dabei wird übersehen, dass beispielsweise die US- High-Schools kaum Athleten zu Juniorenweltmeisterschaften entsenden und dass die vielen Staaten der ehemaligen Sowjetunion gar kein Geld haben, Junioren zu internationalen Wettkämpfen zu schicken. Die Russen konzentrieren sich auf Olympia und stehen dann vor uns. Ich habe auch den Eindruck, dass viele Jugendliche hier zu Lande schon so stark trainiert werden, dass sie später keine Kraft zu Steigerungen mehr haben oder dem Sport verloren gehen. Wir haben sehr viele gute Nachwuchsathleten, die gar nicht im Top-Bereich ankommen.“ � Manfred Freiherr von Richthofen, der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), fordert die Konzentration des Sports in der Spitze – die Verschmelzung von Nationalem Olympischem Komitee (NOK) und DSB. Was halten Sie davon? Leciejewski: „Das ist seit zwanzig Jahren überfällig. Es würden damit aber einige Funktionärsposten wegfallen, an denen die Leute kleben. Die Abstimmung pro Leipzig als Olympia-Bewerberstadt hat gezeigt, dass über fünfzig Prozent der Abstimmungsberechtigten über 70 Jahre alt waren, manche waren sogar über 90 Jahre alt – das sagt doch alles. Es ist übrigens zu überlegen, ob man auch die Stiftung Deutsche Sporthilfe in diese neue Sportorganisation einfügt, damit der Sport endlich mit einer Stimme spräche.“ � Doping hat auch in Athen eine Rolle gespielt. Es wurden viele Athleten erwischt und bestraft. Wird es jemals saubere Olympische Spiele geben? Leciejewski: „Nein. Aber für mich war es wichtig, dass das IOC erstmals überhaupt die Doping-Festung USA beschossen hat und gravierende Risse im Schutzwall sichtbar wurden. Die meisten der erwischten Sportler hatten allerdings nicht das Geld für hochwertige Betrugsprodukte.“ � Deutsche Athleten wurden nicht erwischt. Ist Deutschland dopingfrei? Leciejewski: „Dafür möchte ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Allerdings glaube ich schon, dass die unangekündigten Trainingskontrollen, die es auch in Frankreich und Italien gibt, ihre abschreckende Wirkung haben.“ � An Ihrem OSP trainieren viele Nachwuchssportler aus der Kurpfalz. Gibt’s darunter Hoffnungen für Peking 2008? Leciejewski: „Sicher, aber das ist ein langer Weg. Es ist erfreulich, dass fast alle Medaillengewinner im Nachwuchsbereich beim Boxen, Gewichtheben und Schwimmen vom OSP Rhein-Neckar kommen.“ � Was war Ihr schönstes Olympiaerlebnis, was Ihre größte Enttäuschung? Leciejewski: „Das Hockey-Gold, weil es so überraschend war, und die Tatsache, dass bei der Military wieder einmal die Paragrafen über den Sport gesiegt haben.“ Das Interview wurde der Rhein-Neckar- Zeitung Heidelberg entnommen – dafür herzlichen Dank – und leicht gekürzt. Geführt wurde es von Claus-Peter Bach. KARLSRUHE // OKTOBER 2004 // JAHRGANG 58 // NR. 10 SPORT in Baden 5 BADISCHER SPORTBUND
Seite 1: INHALT BADISCHER SPORTBUND „So er
Seite 5 und 6: Fotos: GES Vielfalt ist Trumpf beim
Seite 7 und 8: Die Firma SPORT-TEX HAAG bietet als
Seite 9 und 10: Vom Sofahocker zum Marathonläufer
Seite 11 und 12: Stabwechsel in der Seniorenberatung
Seite 13 und 14: Vielfalt des Ehrenamts In Ettlingen
Seite 15 und 16: Radfahren auf dem Hockenheimring f
Seite 17 und 18: LA OLA - oder: Was hat Suchtpräven
Seite 19 und 20: 16 Teilnehmerinnen waren beim erste
Seite 21 und 22: Harte Arbeit für die fünf Teams:
Seite 23 und 24: künftig beim Arbeitslosengeld II -
Seite 25 und 26: die Einzelauszeichnungen des „Bes
Seite 27 und 28: Hockeyverband Baden-Württemberg, G
Seite 29 und 30: Roll- und Inline-Sport Badischer Ro
Seite 31 und 32: Tanzsport Tanzsportverband Baden-W

Download des Sport in Baden Nr. 10/04 - Badischer Sportbund Nord ...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Template löschen?

Als Template speichern?