Revolutionstheorie heute ? 90 Jahre Oktoberrevolution ...
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Georg Fülberth: Initiative Alte Soziale Marktwirtschaft<br />
Denkbar ist aber auch, dass die „Frankfurter<br />
Allgemeine“ gerade in ihrer Eigenschaft<br />
als repräsentative konservative Zeitung<br />
einer Berichtspflicht nachkommen wollte.<br />
Offenbar ist man dort der Ansicht, dass die<br />
neue Partei „Die Linke“ auf absehbare Zeit<br />
eine Tatsache ist, mit der zu rechnen und die<br />
deshalb in Augenschein zu nehmen ist. Dazu<br />
gehört auch, dass sie zu Wort kommt. Kommentieren<br />
kann man sie ja immer noch nach<br />
eigenem Gusto.<br />
Hat Oskar Lafontaine in der FAZ sein<br />
Sozialistisches Manifest verkündet? Nein,<br />
oder, genauer: nicht nur dort. Er äußert sich in<br />
unterschiedlichen Medien und trägt das, was<br />
er für richtig hält, so vor, wie es seiner Meinung<br />
nach in der jeweiligen Umgebung verstanden<br />
werden soll – in der BILD-Zeitung<br />
(das ist allerdings ein paar <strong>Jahre</strong> her), in der<br />
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland“<br />
und in der „jungen Welt“. Zwar hängt er<br />
sein Mäntelchen nicht nach dem Wind, aber er<br />
(oder sein Ghostwriter) bedenkt die Aufnahmefähigkeit<br />
des Publikums, das von Organ<br />
zu Organ anders ist. Es kann reizvoll sein, den<br />
FAZ-Text mit einem anderen Dokument zu<br />
vergleichen: der Rede „Was ist die Linke?<br />
Grundlinien linker Politik“, die Lafontaine<br />
auf der XI. internationalen Rosa-Luxemburg-<br />
Konferenz am 14. Januar 2006 in Berlin vorgetragen<br />
hat. Der Inhalt ist derselbe, die Verpackung<br />
anders. In der FAZ wendet sich Lafontaine<br />
an das Publikum einer Zeitung, die<br />
sich selbst als „liberal-konservativ“ versteht.<br />
„Liberal“ steht hier für „wirtschaftsliberal“.<br />
Wie kann er es anfangen, dass dort nicht<br />
gleich abgeschaltet wird?<br />
Er beginnt mit einem Zitat des Papstes<br />
Johannes Paul II. über den Kapitalismus: „Die<br />
menschlichen Defizite dieses Wirtschaftssystems,<br />
das die Herrschaft der Dinge über die<br />
Menschen festigt, heißen Ausgrenzung, Ausbeutung<br />
und Entfremdung.“ Solche Sätze<br />
könnte man auch bei anderen Autoren finden,<br />
hätte sie aber gerade bei diesem Absender<br />
nicht unbedingt erwartet. Wir stoßen hier<br />
gleich am Anfang auf eine Besonderheit der<br />
Zitierweise Lafontaines: er ruft Zeugen auf,<br />
die in der Regel für andere Äußerungen bekannt<br />
sind, und transportiert über deren für<br />
die Linke eher untypischen, seinem Publikum<br />
aber geläufigen Namen seine eigene Botschaft.<br />
Marx und Keynes fehlen.<br />
Zurück zu Wojtyla. Lafontaine ist Katholik.<br />
Die wirtschafts- und sozialpolitische Position<br />
von Johannes Paul II. ist niedergelegt in der<br />
Enzyklika „Centesimus annus“ von 1991, die<br />
ihrerseits in der Nachfolge von „Rerum Novarum“<br />
(Leo XIII., 1891) und „Quadragesimo<br />
anno“ (Pius XI., 1931) steht. Sie alle gehen<br />
zurück auf Thomas von Aquin (1225-1274)<br />
und gehören zur Katholischen Soziallehre, die<br />
in der Bundesrepublik durchaus einflussreich<br />
gewesen ist, unter anderem durch Oswald von<br />
Nell-Breuning (18<strong>90</strong>-1991). Der rechte Gewerkschaftsführer<br />
Georg Leber bekannte sich<br />
zu ihr, und auf dieser Spur kam sie auch in die<br />
Programmatik des DGB – zumindest wurde<br />
dafür gesorgt, dass dort nichts stand, was damit<br />
unverträglich wäre.<br />
Selbst der Begriff „demokratischer Sozialismus“,<br />
den Lafontaine verwendet, stammt<br />
in gewisser Weise aus den Fünfzigerjahren.<br />
Zwar hat ihn in der Weimarer Republik schon<br />
Karl Kautsky verwendet, aber die Karriere<br />
dieser Wörter-Kombination begann erst mit<br />
der Gründung der sozialdemokratischen Sozialistischen<br />
Internationale (1951), die sich<br />
damit von Kommunismus und Konservatismus<br />
abgrenzen wollte. Dies war auch die Zeit,<br />
als die „Freiheit“ gegen den Kollektivismus<br />
gesetzt wurde. Lafontaine stellt sie ebenfalls<br />
zentral, nun allerdings gegen den freiheitsberaubenden<br />
Marktradikalismus.<br />
Das nächste Zitat ist Rousseau entnommen:<br />
„Zwischen dem Schwachen und dem<br />
Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt,<br />
und das Gesetz, das befreit.“ Derlei kann man<br />
auch woanders finden, Rousseau aber ist<br />
Bildungsgut. Zu Lafontaine passt er besonders<br />
wegen dessen häufig – auch in diesem<br />
Aufsatz – vorgetragenen Bekenntnisses zur<br />
plebiszitären Demokratie.<br />
Sehr überraschend ist aber der nächste Zeuge:<br />
Oswald Spengler (1880-1936) war einer der<br />
Vordenker der „Konservativen Revolution“,