Revolutionstheorie heute ? 90 Jahre Oktoberrevolution ...
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Heinz Karl: Clara Zetkin – <strong>Oktoberrevolution</strong> und die sozialistische Perspektive<br />
sich „in Wunschvorstellungen über die proletarische<br />
Weltrevolution (zu) flüchten, die mit<br />
einem Schlag alle Probleme und Aufgaben<br />
lösen und alle Schwierigkeiten beseitigen<br />
wird.“ 71 Entschieden wandte sie sich gegen all<br />
jene – wie Ruth Fischer und die deutschen<br />
Ultralinken – „die sich mit Eifer auf die russische<br />
Frage stürzten, um dadurch zu verdekken,<br />
dass ihnen vollständig die politische<br />
Fähigkeit fehlt, die Probleme und Aufgaben<br />
der kommunistischen Partei im eigenen<br />
Lande auch nur richtig zu sehen und zu formulieren,<br />
geschweige denn zu lösen.“ 72 Eine<br />
zweifellos noch <strong>heute</strong> aktuelle Polemik.<br />
Clara Zetkin hat in allen politischen und<br />
theoretischen Debatten, in denen es um die<br />
<strong>Oktoberrevolution</strong>, ihre Erfahrungen und<br />
Lehren, die von ihr ausgehenden Wirkungen<br />
und Impulse ging, drei Grundpositionen vertreten.<br />
Erstens betonte sie immer die Machtfrage<br />
als die Kernfrage revolutionärer Prozesse und<br />
progressiver Gesellschaftsgestaltung.<br />
Zweitens kennzeichnete sie immer die<br />
Frage des Verhältnisses der Arbeiterklasse –<br />
der führenden Klasse im Kampf gegen das<br />
Kapital – zu den werktätigen Bauern und den<br />
Mittelschichten überhaupt (namentlich auch<br />
der Intelligenz), d. h. das Problem ihrer Hegemonie,<br />
als eine Lebensfrage jeder revolutionären<br />
Bewegung und jedes revolutionären<br />
Staates.<br />
Drittens betrachtete sie – unter den Bedingungen<br />
der Diktatur des Proletariats – die<br />
volle Entfaltung der Sozialreform im weitesten<br />
Sinne (d. h. einschließlich der Umgestaltung<br />
des kulturellen Lebens usw.) und die<br />
volle Verwirklichung einer lebendigen sozialistischen<br />
Demokratie als wichtigste Formen<br />
und Methoden einer schrittweisen sozialistischen<br />
Umwälzung der Gesellschaft in Richtung<br />
einer immer vollständigeren und umfassenderen<br />
Verwirklichung sozialistischer Verhältnisse.<br />
Clara Zetkin lenkt immer wieder das Augenmerk<br />
auf die beiden entscheidenden, mit<br />
der <strong>Oktoberrevolution</strong> beginnenden Wirkungen<br />
der sozialistischen Umwälzung der Ge-<br />
sellschaft: zum einen die Entmachtung des<br />
Kapitals mit all ihren sozialen und kulturellen<br />
Folgen und sich eröffnenden Möglichkeiten;<br />
zum anderen das auf eine feste staatliche<br />
Basis gestellte Ringen um den Frieden.<br />
Anmerkungen<br />
* Dem Text liegt ein Vortrag auf der Konferenz des Marxistischen<br />
Arbeitskreises zur Geschichte der deutschen<br />
Arbeiterbewegung bei der Partei Die Linke, der Geschichtskommission<br />
beim Parteivorstand der DKP und<br />
der Marx-Engels-Stiftung „Die <strong>Oktoberrevolution</strong> 1917 -<br />
eine weltgeschichtliche Zäsur“ am 17. März 2007 in Berlin<br />
zu Grunde.<br />
1 C. Zetkin: Für die Sowjetmacht.Artikel, Reden und Briefe<br />
1917-1933, Berlin 1977, S. 406.<br />
2 Ebenda, S. 475/476.<br />
3 E. Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte<br />
des 20. Jahrhunderts, (München Wien 1995), S. 79.<br />
4 Ebenda, S. 22.<br />
5 F. Mehring: Gesammelte Schriften, Bd. 4, Berlin 1963, S.<br />
506.<br />
6 Das neue Rußland, 1927, Nr. 9/10, S. 15.<br />
7 R. Luxemburg: Gesammelte Briefe, Bd. 5, Berlin 1984, S.<br />
329. – So am 24. November an Luise Kautsky; ähnlich<br />
(„schon ihr Versuch ist epochemachend“) am gleichen<br />
Tage an Franz Mehring (ebenda). Dies sind die frühesten<br />
dezidierten Aussagen Rosa Luxemburgs zur <strong>Oktoberrevolution</strong>.<br />
Am 15. November hatte sie Mathilde Wurm<br />
geschrieben: „Um die Russen bangt mein Herz sehr,<br />
ich erhoffe leider keinen Sieg der Leninisten, aber immerhin<br />
– ein solcher Untergang ist mir doch lieber als<br />
‚Lebenbleiben für das Vaterland’ ...“ (ebenda, S. 322).<br />
8 Ebenda, S. 329.<br />
9 Ebenda, S. 344.<br />
10 K. Liebknecht: Gesammelte Reden und Schriften, Bd. IX,<br />
Berlin 1968, S. 371.<br />
11 Vgl. ebenda, S. 385.<br />
12 Vgl. ebenda, S. 386.<br />
13 F. Mehring: Ges. Schriften, Bd. 15, Berlin 1973, S. 760, 759.<br />
14 C. Zetkin: Für den Frieden. In: Für die Sowjetmacht, S. 34.<br />
15 Vgl. R. Luxemburg: Gesammelte Werke, Bd. 4, Berlin<br />
1974, S. 338-341.<br />
16 C. Zetkin: Für den Frieden, S. 37.<br />
17 C. Zetkin: Der Kampf um Macht und Frieden in Rußland.<br />
In: Für die Sowjetmacht, S. 43-46.<br />
18 Vgl. R. Luxemburg: Ges. Werke, Bd. 4, S. 332-334.<br />
19 G. Badia: Clara Zetkin. Eine neue Biographie, Berlin<br />
(1994), S. 157.<br />
20 Ebenda, S. 161/162.<br />
21 Vgl. ebenda, S. 157.<br />
22 Vgl. R. Luxemburg: Ges. Briefe, Bd. 5, S. 319, 322, 329, 332,<br />
344; dies.: Ges. Werke, Bd. 4, S. 334, 338-341, 365.<br />
23 Vgl. R. Luxemburg: Ges. Werke, Bd. 4, S. 397 ff.<br />
24 Rosa Luxemburg und die Freiheit der Andersdenkenden,<br />
Berlin (19<strong>90</strong>), S. 182.<br />
25 Ebenda, S. 218.<br />
26 Vgl. W. Lenin: Zum vierten <strong>Jahre</strong>stag der <strong>Oktoberrevolution</strong>.<br />
In: Werke, Bd. 33, Berlin 1962, S. 38.<br />
27 R. Luxemburg u. die Freiheit der Andersdenkenden, S.<br />
220.<br />
28 Vgl. ebenda, S. 217.