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Revolutionstheorie heute ? 90 Jahre Oktoberrevolution ...

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Uwe-Jens Heuer: Die <strong>Oktoberrevolution</strong> und der Kommune-Entwurf<br />

ven Verstärkung des Zentralismus rief erneut<br />

die Forderung nach einer adäquaten Gegenmacht<br />

hervor. Der sich dann in Europa entwickelnde<br />

Faschismus wirkte als Beweis für<br />

die Entschlossenheit der Bourgeoisie, ihre<br />

Herrschaft mit rücksichtsloser Gewalt zu verteidigen.<br />

Die ständige Entwicklung der Demokratie<br />

hatte nicht stattgefunden. Erst nach<br />

1945 gab es erstmals für eine längere Periode<br />

eine in bestimmtem Umfang auf Integration<br />

zielende Staatsmacht in Gestalt der bürgerlichen<br />

repräsentativen Demokratie. Das war<br />

dem Scheitern des Faschismus, den Kämpfen<br />

der linken Bewegung, der Entwicklung des<br />

Wohlfahrtsstaates, aber auch der Systemkonkurrenz<br />

geschuldet.<br />

Generell ist <strong>heute</strong> das allgemeine Wahlrecht<br />

in den entwickelten bürgerlichen Staaten<br />

gewährleistet ebenso wie die Gesetzgebungskompetenz<br />

des gewählten Parlaments, das seinerseits<br />

den Regierungschef mit der Regierungsbildung<br />

beauftragt.Auf dieser Grundlage<br />

gibt es aber dann eine Reihe wesentlicher formeller<br />

und informeller Einschränkungen, die<br />

es letztlich auch hier ausschließen, von Herrschaft,<br />

von Macht des Volkes zu sprechen.<br />

Auch hier kann es also nur um Demokratisierung<br />

im Sinne einer Erhöhung des Einflusses<br />

des Volkes im bürgerlichen Staat gehen.<br />

Bürgerliche (liberale) Demokratie<br />

und Kolonialismus<br />

Noch ein weiterer Gesichtspunkt ist von großer<br />

Bedeutung. Die Entwicklung der bürgerlich-parlamentarischen<br />

Demokratie und ihrer<br />

Freiheitsrechte im Innern ist eng verknüpft mit<br />

kolonialer Unterdrückung nach außen. Der<br />

Zynismus der damaligen und heutigen Bourgeoisie<br />

kommt gerade darin zum Ausdruck,<br />

dass sie aus den zu Hause bestehenden „demokratischen“<br />

Verhältnissen das Recht ableitet,<br />

andere Völker auszubeuten und zu unterdrükken,<br />

wobei dies eben im Namen der Demokratie<br />

geschieht. Eine Nation kann aber nicht<br />

frei werden, „und zugleich fortfahren, andre<br />

Nationen zu unterdrücken“ erklärte Engels<br />

1847 (MEW 4/417). Die Zustimmung des eige-<br />

nen Volkes, das ja auch bestimmte Früchte<br />

genießt, kann die Unterdrückung anderer<br />

Völker nicht rechtfertigen. Deshalb erhob die<br />

von Marx verfasste Inauguraladresse der soeben<br />

gegründeten Internationalen Arbeiterassoziation<br />

vom 28. 9. 1864 die Forderung, „die<br />

einfachen Gesetze der Moral und des Rechts,<br />

welche die Beziehungen von Privatpersonen<br />

regeln sollten, als die obersten Gesetze des<br />

Verkehrs von Nationen geltend zu machen“<br />

(MEW 16/13).<br />

Die dem gerade entgegenstehende Gegenüberstellung<br />

von guten Demokratien und<br />

bösen Diktaturen und die damit verbundene<br />

Aufhebung der formellen Gleichheit der<br />

Staaten ist das ideologische Zentrum der bürgerlichen<br />

Ideologie seit 1917. Bestimmte Regime<br />

der guten Art dürfen Regime der<br />

schlechten Art angreifen. Für diesen Konflikt<br />

gilt demnach auch nicht das Völkerrecht, wie<br />

im Zusammenhang mit dem Irakkrieg wieder<br />

ganz unverhohlen erklärt wurde. Hat man<br />

dann den Krieg gewonnen, ist der Ruf nach<br />

freien Wahlen erst einmal erledigt, weil man<br />

eine antiimperialistische Mehrheit der „Befreiten“<br />

fürchtet.<br />

Jede Opposition gegen den global aktiven<br />

Imperialismus, wenn sie ein ganzes Land erfasst,<br />

muss sich, wenn sie dauerhaft bleiben<br />

soll, auf die Staatsmacht stützen. Gerade deshalb<br />

ist der Kampf gegen die „Schurkenstaaten“<br />

ein zentraler Bestandteil der imperialistischen<br />

Strategie. Das allgemeine Wahlrecht<br />

dient dabei der eigenen Legitimation, sein<br />

Fehlen der Delegitimation des Opfers. Die<br />

ungeheure ökonomische und ideologische<br />

Dominanz des Imperialismus kann tatsächlich<br />

bedeuten, dass der „Schurkenstaat“ eine solche<br />

Selbstlegitimation scheuen muss. Das ist<br />

unzweifelhaft ein wesentliches demokratisches<br />

Manko. Domenico Losurdo stellt aber mit<br />

Recht die Frage: „Wie sollte das nikaraguanische<br />

Volk (19<strong>90</strong>, U.-J. Heuer) frei wählen können<br />

mit dem Messer des Embargos an der<br />

Gurgel und angesichts der Drohung, die<br />

Aggression in großem Maßstab wiederaufzunehmen?“<br />

Und zu Kuba schreibt er: „Ein Sieg<br />

des Parteienpluralismus etwa in Kuba nach

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