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Revolutionstheorie heute ? 90 Jahre Oktoberrevolution ...

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Uwe-Jens Heuer: Die <strong>Oktoberrevolution</strong> und der Kommune-Entwurf<br />

charakterisiert wurde. 3 Es erwies sich, dass das<br />

sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln<br />

eine staatliche Wirtschaftsplanung in<br />

mehr oder weniger dirigistischer Form erforderte,<br />

dass die Verteilung nach der Leistung<br />

der staatlich sanktionierten rechtlichen Regelung<br />

bedurfte, dass bei fortbestehenden Ausbeuterklassen<br />

Repression notwendig blieb,<br />

aber auch nach deren Enteignung fortbestand,<br />

dass vornehmlich die äußere Auseinandersetzung<br />

mit den bürgerlichen Nachbarn ohne<br />

Staat nicht auskam bis hin zum Extrem der<br />

Errichtung der Mauer an der Westgrenze der<br />

DDR. Die Repression nahm sicherlich im<br />

Laufe der <strong>Jahre</strong> ab, blieb aber bestehen. Der<br />

Staat fiel keineswegs von selbst. Er ist nicht<br />

minder zählebig als die Gesetze des Marktes.<br />

Die damalige Gleichsetzung von Diktatur<br />

des Proletariats und Demokratie als Macht des<br />

Volkes negierte ein spezifisches Demokratieproblem,<br />

da ohnehin das Volk herrsche. Lenin<br />

hatte demgegenüber immer zwischen diktatorischer<br />

Unterdrückung und Demokratie unterschieden.<br />

Dort, wo es Unterdrückung, wo es<br />

Gewalt gäbe, gäbe es keine Freiheit, keine<br />

Demokratie. Ohne Aufhebung der Staatsmacht<br />

sei „der wahre Demokratismus, d. h.<br />

Gleichheit und Freiheit, nicht erreichbar.“ 4<br />

Solange der Staat als Zwangsinstrument besteht,<br />

ist vollständige Demokratie nicht möglich.<br />

Insofern konnte sinnvoll nicht von der<br />

vollständigen Volksherrschaft gesprochen werden,<br />

sondern „nur“ von der Demokratisierung<br />

des bestehenden Staates. Demokratisierung<br />

bedeutet nicht Herrschaft oder Macht des Volkes,<br />

sondern Erhöhung seines Einflusses auf<br />

den „eigenen Staat“.<br />

Nun könnte man den Einwand erheben,<br />

dass sich das alles aus der Tatsache ergäbe,<br />

dass sich der Sozialismus nur in einem Teil der<br />

Welt entwickelt hat. Ich will deshalb noch<br />

einen Schritt weitergehen und die Behauptung<br />

aufstellen, dass wir uns für die absehbare<br />

Zukunft von dem Ziel einer Gesellschaft ohne<br />

Macht und Herrschaft verabschieden sollten.<br />

Es war ausgedrückt im Marxschen Entwurf<br />

der Pariser Kommune und wurde dann kurze<br />

Zeit (1917) von Lenin aufgenommen. Es wur-<br />

de dann in der DDR als bereits verwirklicht<br />

charakterisiert (DDR kein Staat im eigentlichen<br />

Sinne mehr). Demokratie wurde nicht<br />

als Entwicklungsprozess gesehen, sondern als<br />

ein für allemal erreicht.<br />

Domenico Losurdo bezeichnete die Überlegungen<br />

von Marx und Engels zum Absterben<br />

des Staates als anfechtbar. Sie hätten<br />

sich aus den historischen Erfahrungen mit den<br />

Militärdiktaturen in Frankreich einerseits und<br />

der für notwendig gehaltenen Abweisung<br />

anarchistischer Kritik andererseits ergeben. Es<br />

ging um den Versuch, „der drohenden Anklage<br />

des Etatismus zu entgehen“. Lenin hätte<br />

1917 in „Staat und Revolution“ in der notwendigen<br />

Abrechnung mit dem Sozialchauvinismus<br />

den Marxismus auf den Anarchismus heruntergebracht.<br />

5 Ich denke <strong>heute</strong>, dass für den<br />

in der Schweiz, einem entwickelten kapitalistischen<br />

Land, lebenden Lenin sein Kommune-<br />

Entwurf in erster Linie für das Vorantreiben<br />

der Revolution, nicht aber für den neuen Staat<br />

gedacht war. Nur so ist wohl der rasche Paradigmenwechsel<br />

zu erklären.<br />

Es gibt viele Ursachen für die Fortexistenz<br />

des Staates für alle absehbare Zukunft. Allein<br />

solange es Knappheit gibt, wird es einen Staat<br />

geben müssen. Eine durchgreifende Lösung<br />

zur Rettung der Umwelt ist wohl erst recht<br />

ohne Einsatz des Staates unmöglich.<br />

Widerlegt ist zweitens gleichermaßen die<br />

Annahme von Marx und Engels von der sich<br />

ständig verstärkenden Zentralisierung des<br />

bürgerlichen Staates und die damit verbundene<br />

Aufassung, dass es keine demokratischen<br />

Verbesserungen geben könne, die in der kommunistischen<br />

Bewegung fortwirkte, aber auch<br />

die Vorstellung von Bernstein und Kautsky<br />

und der sich auf sie stützenden Sozialdemokraten<br />

von der ständigen Entwicklung der<br />

Demokratie.<br />

Marx hatte dem Ausbau des Staatsapparats<br />

Napoleons des III. die Revolution kontrapunktisch<br />

gegenübergestellt. Diese Zentralisation<br />

der Macht trug dazu bei, eine entsprechende<br />

Zentralisation der Gegenmacht zu fordern,<br />

eben in Gestalt der Diktatur des Proletariats.<br />

Der erste Weltkrieg mit seiner massi-

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