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Revolutionstheorie heute ? 90 Jahre Oktoberrevolution ...

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Margret Johannsen: Palästina: Zwei Regierungen und kein Staat<br />

Abbas seinen Anspruch auf die Konzentration<br />

der Staatsgewalt beim Präsidialamt zunächst<br />

durch. Dass er ausgerechnet Dahlan mit dieser<br />

Funktion betraut hatte, dürfte das Ende der<br />

Einheitsregierung beschleunigt haben. Als<br />

Chef der Präventiven Sicherheit, einer Art Geheimer<br />

Staatspolizei der PA, betrieb Dahlan in<br />

den 19<strong>90</strong>er <strong>Jahre</strong>n die gnadenlose Verfolgung<br />

der Hamas. Später galt er als Kopf der Pro-<br />

Fatah-Milizen im Gazastreifen. In Israel wie in<br />

der US-Administration genoss Dahlan große<br />

Sympathien 7 – vor allem in Washington galt<br />

der 46-jährige als Repräsentant der „jungen<br />

Garde“ der Fatah und Hoffnungsträger nach<br />

einem Generationswechsel in der Führung der<br />

säkularen Nationalbewegung. Die Hamas<br />

hatte also gute Gründe, ihren alten Widersacher<br />

auch in seinem neuen Amt zu fürchten.<br />

Dass Abbas’ Präsidentengarde mit Geld und<br />

Ausbildungshilfe aus Washington verstärkt<br />

wurde, dass eine neue Fatah-Miliz unter Führung<br />

Dahlans für den Einsatz im Gazastreifen<br />

entstand, dass Fatah-Kämpfer in Ägypten trainiert<br />

und mit Billigung Israels in den<br />

Gazastreifen geschleust wurde, verschärfte die<br />

Spannungen zwischen den bewaffneten Kräften<br />

der rivalisierenden Koalitionspartner. Am<br />

12. Juni kamen die Exekutivkräfte der Hamas,<br />

eine von ihr als Gegengewicht zu den Fatahdominierten<br />

Polizeikräften aufgebaute Truppe,<br />

dem befürchteten Putsch der Fatah zuvor<br />

und brachten den Sicherheitsapparat in einem<br />

generalstabsmäßig geplanten Feldzug in ihre<br />

Gewalt. Ihr militärischer Sieg kostete Dahlan<br />

den Job.<br />

Seit der Machtübernahme der Hamas im<br />

Gazastreifen sind die palästinensischen Autonomiegebiete<br />

nicht nur territorial, sondern<br />

auch politisch zweigeteilt. Die Regierung Fayyads,<br />

die ihre Basis in der Westbank hat, erhielt<br />

umgehend die Anerkennung Israels, der USA<br />

und der EU und die Zusage, sie mit Geld und<br />

Gesten guten Willens zu stärken. Die<br />

Regierung Haniyehs, die im Gazastreifen<br />

herrscht, wird weiterhin in der Erwartung boykottiert,<br />

dass die Palästinenser unter dem<br />

Druck von Not und Hoffnungslosigkeit ihren<br />

Irrtum vom Januar 2006 korrigieren, sich von<br />

der geächteten Hamas abwenden und der abgewählten<br />

Fatah eine neue Chance geben.<br />

Nach der Absetzung der Einheitsregierung<br />

regierte Abbas zunächst per Dekret, erhielt<br />

allerdings die Unterstützung des PLO-Zentralrats.<br />

Die von der Fatah dominierte PLO<br />

und ihre Organe besitzen nach der Lesart des<br />

Präsidenten eine höhere Legitimität als der<br />

Legislativrat, weil sie nicht nur die Palästinenser<br />

in den besetzten Gebieten, sondern auch<br />

die in der Diaspora lebenden repräsentieren.<br />

Während das Machtteilungsarrangement von<br />

Mekka noch vorgesehen hatte, dass die Hamas<br />

der PLO beitritt, ist hiervon unter den neuen<br />

Bedingungen der vertieften politischen Spaltung<br />

vorerst nicht mehr die Rede. Richtet man<br />

den Blick über Palästina hinaus auf die gesamte<br />

Region, so könnte noch mehr auf der<br />

Strecke geblieben sein: Das Experiment einer<br />

zur Integration in die Politik bereiten Variante<br />

des politischen Islam, durch freie Wahlen in<br />

Regierungsverantwortung zu gelangen, sich<br />

den demokratischen Spielregeln zu unterwerfen<br />

und trotz Wahlsieg die Macht mit den<br />

Verlierern zu teilen, ist vorerst gescheitert.<br />

Wird sich der „Bruderkrieg“ in der Westbank<br />

wiederholen? Vermutlich nicht. Zwar ist<br />

die Hamas auch in der Westbank populär.<br />

Aber sie ist politisch geschwächt, weil ein Teil<br />

ihrer zivilen Führungspersönlichkeiten (Minister,<br />

Abgeordnete, Bürgermeister) in Haft ist;<br />

ihr militärischer Flügel kann zudem angesichts<br />

der israelischen Militärpräsenz nur im Untergrund<br />

operieren. Für ein Show-down mit der<br />

Fatah sind dies schlechte Voraussetzungen.<br />

Auch umgekehrt kann bezweifelt werden, dass<br />

die Fatah den offenen Kampf mit der Hamas<br />

sucht. Zwar ist die Fatah in der Westbank besser<br />

verankert als im Gazastreifen, aber eine<br />

kohärente Bewegung ist sie nicht – weder an<br />

der Basis noch im Zentralkomitee ist die<br />

Entscheidung der Führung, im Gazastreifen<br />

die militärische Machtprobe mit der Hamas zu<br />

wagen, unumstritten. 8 Schließlich besteht die<br />

Krise der Fatah fort, die zu ihrer Wahlniederlage<br />

geführt hat; in weiten Teilen der Bevölkerung<br />

wirft man ihr Verknöcherung, Lagerkämpfe,<br />

Nepotismus, Korruption und Inef-

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