Revolutionstheorie heute ? 90 Jahre Oktoberrevolution ...
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Heinz Karl: Clara Zetkin – <strong>Oktoberrevolution</strong> und die sozialistische Perspektive<br />
... Sie tragen nach meiner Ansicht dazu bei, die<br />
grundsätzlichen Unterschiede der politischen<br />
Einstellung zwischen kleinbürgerlich-demokratischen<br />
Reformsozialisten und revolutionären<br />
Kommunisten scharf hervortreten zu<br />
lassen.“ 35 In ihrer Schrift unterstrich sie Rosa<br />
Luxemburgs grundsätzliches Bekenntnis zur<br />
Politik der Bolschewiki. Sie hob hervor, dass<br />
Rosa sich in der Frage der Konstituante völlig<br />
revidiert hatte und verwahrte sich gegen Levis<br />
Bestreben, Rosas falsche Auffassungen in der<br />
Agrar- und Bündnispolitik gegen die Bolschewiki<br />
auszuspielen. Sie kritisierte Levis<br />
methodologischen Grundfehler des unhistorischen,<br />
undialektischen Herangehens: „Paul<br />
Levi hat die bolschewistische Agrarpolitik als<br />
‚Ding an und für sich’ behandelt, ohne nach<br />
dem geschichtlichen Boden zu fragen, auf<br />
dem sie sich durchsetzen muss.“ 36 Gegen Levis<br />
Hantieren mit abstrakten Demokratievorstellungen<br />
bemerkte sie: „Unbeschadet seines<br />
hehren, idealen Inhalts und Ziels hat es der<br />
wissenschaftliche Sozialismus im Gegensatz<br />
zu dem Utopismus abgelehnt..., ‚ewige sittliche<br />
Prinzipien’ als Grundlage der künftigen<br />
höheren sozialen Ordnung zu betrachten. Ihre<br />
tragende Kraft erblickt er in der Entwicklung<br />
der Produktivkräfte ...“ 37<br />
Erfahrungen und Lehren<br />
des ersten Versuchs<br />
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Clara<br />
Zetkin den Versuch, die Sowjetrepubliken<br />
über verschiedene Zwischenstufen auf die<br />
Bahn einer sozialistischen Entwicklung zu leiten.<br />
Nachdrücklich verteidigte sie die NÖP als<br />
einen schrittweisen, realistischen Zugang in<br />
Richtung Sozialismus. Auf dem IV. Weltkongress<br />
der Komintern (1922) sagte sie von der<br />
Politik der sowjetischen Kommunisten, sie sei<br />
„der erste Versuch weltgeschichtlichen Maßes,<br />
den Marxismus aus einer Theorie zur Praxis<br />
zu machen, sie ist der erste große weltgeschichtliche<br />
Versuch, das Proletariat vom Objekt<br />
der Geschichte zu ihrem Subjekt zu erheben.“<br />
38 Sie machte damit deutlich, worin die<br />
Anziehungskraft des Sowjetstaates auf Kom-<br />
munisten und Revolutionäre in aller Welt lag,<br />
worauf sich insbesondere die Autorität der<br />
KPR(B) in der Komintern vor allem gründete.<br />
Als wichtigste Lehre der <strong>Oktoberrevolution</strong><br />
und der folgenden sowjetischen Entwicklung<br />
für die internationale Arbeiterbewegung<br />
betrachtete Clara Zetkin die Lösung<br />
der Machtfrage als unumgänglichen Durchgangspunkt<br />
auf dem Wege zum Sozialismus.<br />
Bei allen Erörterungen dieser Problematik<br />
müssen wir uns – so erklärte sie in ihrem Referat<br />
auf dem IV. Weltkongress – „über das<br />
Zentralproblem klarbleiben. Das Zentralproblem<br />
ist die Eroberung und Bewahrung der<br />
politischen Macht, ist die Staatsgewalt in den<br />
Händen des Proletariats. Mit ihr steht und<br />
fällt die Möglichkeit, die Gesellschaft zum<br />
Kommunismus umzuwälzen, und das als Werk<br />
des Proletariats selbst. Der Behauptung der<br />
Staatsmacht durch das Proletariat und für das<br />
Proletariat sind alle anderen Erwägungen<br />
unterzuordnen.“ 39<br />
Sie erläuterte diesen Kerngedanken durch<br />
den Vergleich der Erfahrungen in Russland<br />
und in Deutschland seit 1917/1918. In ihrem<br />
Bemühen, den Weg der <strong>Oktoberrevolution</strong> zu<br />
analysieren, seine Erfahrungen für die internationale<br />
revolutionäre Bewegung auszuwerten,<br />
nutzbar zu machen, widmete Clara sich<br />
natürlich auch dem Verhältnis von Allgemeinem<br />
und Besonderem im Komplex dieser<br />
Erfahrungen. In ihrer Schrift „Um Rosa<br />
Luxemburgs Stellung zur russischen Revolution“<br />
betonte sie: „In der geschichtlichen<br />
Rechtfertigung der bolschewistischen Politik<br />
– in ihrer großen allgemeinen Linie – liegt<br />
gleichzeitig ihre Begrenzung.“ 40 Die russische<br />
Revolution habe wesentliche Züge des Kampfes<br />
der Klassen um den Sozialismus herausgearbeitet.<br />
„Jedoch das Wie ihrer Durchsetzung<br />
wird zweifellos sehr verschieden sein. Es<br />
hängt ab von dem großen Komplex vielgestaltiger<br />
und vielverschlungener Umstände, die in<br />
den einzelnen Ländern nebeneinander liegen,<br />
gegeneinander streiten und höchste geschichtliche<br />
Aktivität erlangen, wenn der Hammerschlag<br />
der Revolution die überkommenen<br />
sozialen Normen und Bindungen zerstört. Es