Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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136 Hellmut Seier<br />
mus, der der Gründungskonstellation der Dozentenschaft das Gepräge gegeben<br />
hatte und der sich auch im NSDDozB kräftig regte, trat hier zugleich in den Dienst<br />
der politischen Gefolgschaftsbildung, als er mit der Berufungsbegutachtung und<br />
mit der Nachwuchsschulung zwei Machtmittel in die Hände bekam, deren Gebrauch<br />
zudem in die wissenschaftliche Sphäre übergriff 160 .<br />
Dies wiederum hinderte die Rektoren daran, die Abwehrtaktik auf die bloße<br />
Defensive zu beschränken. Gerade wenn sie sich selbst als die Wegbereiter des<br />
Nationalsozialismus sahen, mußten sie den Intentionen der „Nebenregierung"<br />
auch auf politischem Felde entgegentreten. Darin brauchten sie nicht so weit zu<br />
gehen wie Otto Mangold, der bei Rektoratsantritt in Freiburg seinen politischen<br />
Primatanspruch öffentlich mit der alternativen Rücktrittsdrohung unterstrich 151 .<br />
Auf der Rektorenkonferenz von 1937 zeichnete sich vielmehr eine andere Taktik<br />
ab. Sie lief darauf hinaus, das „Spannungsverhältnis zwischen Rektor und Dozentenbundsführer"<br />
ohne Umschweife anzusprechen, es als „durchaus gesund und naturgegeben"<br />
hinzunehmen, es als das „Spannungsverhältnis zwischen dem erstrebenswerten<br />
Fernziel und dem realpolitisch Möglichen" aufzufassen 152 , es mithin auf<br />
dialektischem Wege gleichsam zu domestizieren — und mit alledem dennoch den<br />
politischen Führungsanspruch abzusichern. Die Deutung wurde von dem Marburger<br />
Rektor Leopold Zimmerl formuliert, nachdem der Streit wegen des politischen<br />
Auskunftsrechts in Berufungssachen zum Austrag gekommen war.<br />
Zimmerl hatte die Erfahrung gemacht, daß andere Rektoren, um politische<br />
Stellungnahme zu Berufungsvorschlägen ersucht, diese mit der Begründung verweigerten,<br />
da<strong>für</strong> sei allein der Dozentenbundsführer zuständig. Zimmerl seinerseits<br />
holte im umgekehrten Falle die Äußerung seines Dozentenbundsführer zwar gleichfalls<br />
ein. Er fühlte sich aber nicht an sie gebunden, deswegen nicht, weil „eine<br />
solche Bindung meines Erachtens dem Führergedanken widerspräche". Davon<br />
hatte er im August 1937 dem REM Mitteilung gemacht und zugleich darum gebeten,<br />
daß „die Stellung des Rektors als politischen Führers der Hochschule in<br />
unmißverständlicher Weise klargelegt" werde. Denn „Verhandlungen mit anderen<br />
Hochschulen, an denen offenbar eine Art Doppelregierung besteht, wären sonst<br />
auf die Dauer äußerst erschwert" 153 . Wenn er indessen nicht bloß die wissenschaftliche,<br />
sondern auch die politische Führung <strong>für</strong> sich in Anspruch nahm, so tat er<br />
dies doch mit der Bereitschaft, den Dozentenbundsführer daran zu beteiligen. Vor<br />
der Rektorenkonferenz grenzte er die beiderseitigen Positionen folgendermaßen ab:<br />
„Aufgabe des Rektors ist es, realpolitisch zu denken und verantwortungsvoll zu<br />
entscheiden. Der Rektor hat also zu entscheiden, was von dem, was der Dozenten-<br />
150<br />
Die Arbeit des NSDDozB „beschränkte sich im wesentlichen auf personalpolitische<br />
Fragen" (DC-SHA, Jahreslagebericht 1938, II, S. 4).<br />
151<br />
„Sollte sich erweisen, daß meine Zusammenarbeit mit der Partei und ihren Gliederungen<br />
nicht möglich ist, so werde ich zurücktreten. Als Rektor der Universität und besonders<br />
auch als Nationalsozialist kann und werde ich den Führungsanspruch nicht aufgeben."<br />
(O. Mangold, a.a.O., S. 8.)<br />
152<br />
Protokoll der Rektorenkonferenz in Marburg am 15. 12. 1937, S. 10 (HAB-REM 128).<br />
153<br />
HAB-REM 107, D. Rektor d. Univ. Marburg an REM, 10. 8. 1937.