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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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106 Hellmut Seier<br />

Versionen, deren „wechselnde Bedeutung" das „Verständnis" erschwere 4 . In den<br />

Hochschulerlassen von 1933 und 1935 besagte es offenbar folgendes. Erstens ersetzte<br />

es die herkömmlichen parlamentarisch-kollegialen durch monokratische, autoritäre,<br />

letztinstanzlich ministeriell geleitete Formen der Willensbildung. Nach nationalsozialistischer<br />

Auffassung bedeutete dies keine Opferung, sondern eine Straffung<br />

der genossenschaftlichen Organisation, weshalb die überlieferte Rechtsnatur der<br />

Universität als einer staatlich beaufsichtigten, öffentlich-rechtlichen Korporation 5<br />

niemals expressis verbis beseitigt wurde. Vielmehr wurde sie zweitens unter dem<br />

Einfluß der Ganzheitsideologie und nach dem Schema der Führerverfassung 6 zu<br />

einer in Unterführer (Rektor), Führerrat (Senat) und Gefolgschaft (Dozentenschaft<br />

und Studentenschaft) gegliederten und durch gegenseitige Treuepflicht irrational<br />

gebundenen Gemeinschaft umstilisiert. Damit wurde eine Vorstellung übertragen,<br />

die - ob nun im Ursprung neoromantische Idee, ob bloßer instrumentaler Mythos -<br />

auch nach den eigenen Prämissen mit der Voraussetzung stand und fiel, daß<br />

Lehrende und Lernende sich zu einer solchen, die Totalität des Führungsanspruchs<br />

begründenden Gemeinschaft wirklich aktivieren lassen würden. Fehlte diese Voraussetzung,<br />

so entfiel mit ihr der idealistische Schleier, hinter dem sich die zentralistisch-autoritäre<br />

Komponente als der wesentliche Kern des Führerprinzips enthüllte.<br />

So akzeptabel der Wehrmacht und auch der Verwaltung die Reduzierung<br />

aufs Autoritäre erscheinen konnte, zumal einfache Befehlsverhältnisse mit geklärten<br />

Kompetenzen immerhin Schutz gegen Parteiwillkür versprachen 7 , so wenig vermochten<br />

die körperschaftlichen Einheiten gesellschaftlicher und kultureller Natur<br />

darin eine Erleichterung zu erblicken.<br />

Für die Universität kam, wie gesagt, noch der Bruch mit einer Tradition hinzu,<br />

die ihre entscheidende Ausprägung dem Jahrhundert des Liberalismus und der<br />

Selbstverwaltung verdankte. Die Humboldt-Schleiermachersche Schöpfung war<br />

staatlich oktroyiert und ließ dem administrativen Format der preußischen Hochschulreferenten,<br />

einem Althoff und Johannes Schulze, Anreiz und Spielraum. Aber<br />

sie war zugleich geprägt von der Wissenschaftsidee des Idealismus, die keine prag-<br />

4 Nämlich. Führerprinzip, 1. als Herstellung der Einheit der Reichsgewalt anstelle der<br />

Gewaltentrennung, 2. als „Aufbau des Rechts auf konkreten Gemeinschaften, die Führer und<br />

Gefolgschaft in sich schließen", 3. als „Einmannprinzip" statt pluralistisch-kollegialer<br />

Willensbildung. Sodann werde Führertum noch als persönliche Eigenschaft der „Gemeinschaftspersönlichkeit"<br />

aufgefaßt, vgl. Th. Maunz, Verwaltung (Grdz. d. Rechts- u.<br />

Wirtsch.wiss., Reihe A) Hamburg 1957, S. 41ff., dort weitere Literatur. - Hitlers Version:<br />

Mein Kampf, Bd. II (39. Aufl. Mch. 1937), S. 492ff.<br />

5 A. Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, Tübingen 1933, S. 44.<br />

6 H. Krüger, Der Aufbau der Führerverfassung, in: Deutsches Recht 5 (1935), S. 210-12,<br />

sowie die übrigen Beiträge des Hefts (Nr. 8), das dem Führerprinzip gewidmet ist.<br />

7 Das war wohl das Motiv <strong>für</strong> die scharfe Unterscheidung zwischen Gemeinschaftsführung<br />

und Verwaltungsleitung bei Fr. Hartmann, Führer und Beamter, ebd., S. 212—14, oder Maunz,<br />

Der Führergedanke in der Verwaltung, ebd., S. 219—21; vgl. ders., Verwaltung, a.a.O., S. 43.<br />

Gegen die Ausklammerung der Verwaltung aus dem Geltungsbereich des Führerprinzips<br />

wandte sich E. R. Huber, Verfassung (Grdz. d. Rechts- u. Wirtsch.wiss., Reihe A) Hamburg<br />

1937, S. 243 f.

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