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szenierung der „Heiligen Johanna” an der<br />

Deutschen Oper Berlin, in der Ready-<br />

Made-Oper „Mea Culpa” am Burgtheater<br />

und in seinem Krankheitstagebuch. Sterben<br />

als Chance für die Kunst – wenn sonst<br />

keine Chance mehr bleibt.<br />

Der Tod und die Kunst. Es ist eine mächtige<br />

Beziehung, von Anfang an. Seit den an<br />

die Vergänglichkeit gemahnenden Stillleben<br />

des Barock, seit den mittelalterlichen<br />

Totentänzen, von den unzähligen Kreuzigungsbildern<br />

gar nicht zu reden. Memento<br />

mori, gedenke, dass du sterblich bist, rufen<br />

diese Bilder in guter christlicher Tradition<br />

– und schwelgen oft in höchst realistischen<br />

Darstellungen. Die ausgemergelte Gestalt<br />

von Dürers Mutter kurz vor ihrem Tod,<br />

der „tote Christus” von Hans Holbein, der<br />

Isenheimer Altar von Mathias Grünewald,<br />

sie alle bedienen – auch – ein voyeuristisches<br />

Interesse, das erst in der höheren Idee<br />

der Vorläufigkeit alles körperlichen Seins<br />

aufgehoben wird. Dieser Aspekt fehlt zum<br />

Beispiel bei dem umstrittenen Präparator<br />

Gunter von Hagens, weshalb dessen Ausstellung<br />

der „Körperwelten” zu Recht immer<br />

wieder angegriffen wird.<br />

Zumal in der Medienwelt übt das letzte<br />

Tabu, der Tod, offenbar einen unwiderstehlichen<br />

Reiz aus. Wenn der Künstler<br />

Gregor Schneider vorschlägt, einen Todkranken<br />

mit dessen Zustimmung im Museum<br />

öffentlich sterben zu lassen, der Tod<br />

sozusagen als Kunstaktion, ist das, im Rahmen<br />

der Diskussion über öffentliche Sterbebegleitung,<br />

eine unerträgliche Provokation.<br />

Wenn Christoph Schlingensief eine<br />

baumgroße Lunge auf einer Opernbühne<br />

ausstellt – ist das Kunst?<br />

14<br />

Doch ist der Versuch, dem Tod mit künstlerischen<br />

Mitteln beizukommen, nicht von<br />

jeher ein Wesensmerkmal von Kunst gewesen?<br />

Denn ihr größtes Versprechen lautet,<br />

ähnlich wie das der Religion, dass da etwas<br />

ist, das größer ist, das länger hält als das<br />

Leben. Marcel Proust hat der lebenslangen<br />

Krankheit sein Roman-Meisterwerk „Auf<br />

der Suche nach der verlorenen Zeit“ abgetrotzt.<br />

Sterben und Schaffen. Die Beispiele aus<br />

der Kunst sind Legion. Maler wie Edvard<br />

Munch, Egon Schiele, Ferdinand Hodler<br />

oder Dante Gabriel Rossetti, die ihre Frauen,<br />

Geliebten oder Familienangehörigen<br />

auf dem Sterbebett malten, haben sie damit<br />

unsterblich gemacht und der eigenen<br />

Trauer ein Ventil gegeben. Friedrich Rückert<br />

hat seinen innerhalb weniger Wochen<br />

an Scharlach gestorbenen Kindern<br />

Ernst und Luise mit seinen „Kindertotenliedern”<br />

eine ergreifende Totenklage hinterhergeschickt.<br />

Brigitte Maria Meyer widmete<br />

Heiner Müller posthum ein<br />

wunderbares Fotobuch; der große Dramatiker,<br />

schmal und blass, mit seiner kleinen<br />

Tochter auf dem Arm. Und auch die Bilder,<br />

die die Fotografin Annie Leibovitz von<br />

ihrer Freundin Susan Sontag gemacht hat,<br />

nach deren Krebsoperation im Krankenhaus<br />

und zuletzt auf dem Totenbett, sind<br />

intime Begegnungen.<br />

Das künstlerische Begleiten des Sterbens<br />

eines geliebten Menschen ist Trauerarbeit,<br />

aus der großartige Kunst entstehen kann.<br />

Wer mit dem eigenen Sterben an die Öffentlichkeit<br />

geht, verfolgt oft andere Motive.<br />

Auch wenn es Künstler sind, die diesen<br />

Weg wählen. Jörg Immendorff, der an der

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