PDF Datei laden - Christophorus Hospiz Verein e.V.
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1. Mai 2012<br />
Ich werde von der Familie angerufen, dass<br />
Frau B. gestorben sei.<br />
Mit einem Strauß Flieder fahre ich in das<br />
Heim, um von Frau B. Abschied zu nehmen.<br />
Das Zimmer von Frau B. wird für<br />
mich aufgeschlossen. Ich stelle meinen<br />
Flieder in dem Marme<strong>laden</strong>glas, das ich<br />
von zuhause mitgebracht hatte, auf das<br />
Nachtkästchen. Frau B. ist mit einer<br />
schwarz-weißen Bluse bekleidet. Die Hände<br />
liegen unter der Bettdecke – alles ist<br />
sauber und ordentlich.<br />
Während ich am Bett von Frau B. sitze,<br />
klopft es. Es ist Herr Z., der junge Stationsleiter:<br />
„Die Herren vom Bestattungsdienst<br />
sind da“. Herr Z. will Platz für den<br />
Sarg schaffen und wirft dabei das Telefon<br />
vom Nachtkästchen. Die Batterien kullern<br />
unter das Bett. Herr Z. entschuldigt sich:<br />
„Ich vertrag das nicht“. Er verlässt rasch<br />
das Zimmer.<br />
Die beiden Bestatter sind sehr freundlich,<br />
sie halten mich für eine Angehörige. Ich<br />
sage, dass ich eine <strong>Hospiz</strong>helferin sei. Sie<br />
ziehen Frau B. ein weißes Spitzenhemd an<br />
und fahren ihr mit einem Kamm durch die<br />
Haare. Geschickt nehmen sie der Verstorbenen<br />
die Ohrringe und den Ehering ab.<br />
Ich gebe Frau B. einen Fliederzweig in die<br />
Hand und mache ein Foto von den Händen.<br />
Die Bestatter geben mir den Schmuck<br />
der Verstorbenen und verabschieden sich<br />
freundlich.<br />
Ich hebe die Teile des Telefons und die Batterien<br />
vom Boden auf und setze das Telefon<br />
wieder zusammen. Es funktioniert<br />
noch.<br />
Auf dem Gang treffe ich Herrn Z. und händige<br />
ihm den Schmuck von Frau B. aus.<br />
Herr Z. sagt: „Ich weiß, dass das Sterben zu<br />
unserem Beruf gehört – aber ich kann das<br />
nicht sehen, das gelbe Gesicht …“. Ich versuche<br />
ihn zu trösten und erzähle ihm von<br />
meiner ersten Begegnung mit einer Sterbenden.<br />
Ich frage nach seinem Alter – er ist<br />
26. Ich bin 76 – da habe ich einen Vorsprung<br />
von 50 Jahren.<br />
Später schicke ich den Angehörigen das<br />
Foto der Verstorbenen mit dem Fliederzweig<br />
in den Händen.<br />
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