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Jahresgabe/Juli 2011

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<strong>Jahresgabe</strong>/<strong>Juli</strong> <strong>2011</strong>


KUNSTHANDWERK<br />

DER TOUAREG:<br />

LEDER UND SCHMUCK<br />

Die Qualität<br />

des Roh-Leders<br />

wird geprüft<br />

Frisch gefärbtes<br />

Leder trocknet<br />

neben der<br />

Färbetrommel<br />

Die Lederschatulle<br />

ist fast fertig<br />

Beim<br />

Aufziehen<br />

des Leders<br />

auf Holz<br />

Frisch aus der<br />

Schuh-Produktion:<br />

individuell<br />

und bequem<br />

Wüstenvölker haben ihre spezifi sche Formensprache,<br />

die sich in den Verzierungen<br />

ihrer Gebrauchsgegenstände zeigt. Ob es<br />

eine Kalebassenschale, der Knauf eines<br />

Messers oder der Sattel des Reitkamels ist<br />

– alles, was im täglichen Leben benutzt<br />

wird, soll auch schön sein.<br />

Die wenigen Gerätschaften, die ein nomadischer<br />

Haushalt braucht, werden<br />

pfl eglich behandelt und mit Achtsamkeit<br />

eingesetzt.<br />

Diese Philosophie kennen auch die Benediktiner<br />

von Münsterschwarzach sehr<br />

gut, ist Kapitel 31 der Regel des heiligen<br />

Benedikt genau diesem Thema, dem<br />

pfl eglichen Umgang mit Werkzeug, Gerätschaften<br />

und Kleidung, gewidmet.<br />

Nun sind die Tuareg in den Sahelländern<br />

am Südrand der großen Wüste Sahara<br />

schon längst keine Nomaden mehr,<br />

sondern haben sich zum größten Teil in<br />

Städten und Dörfern angesiedelt. Die<br />

Achtsamkeit im Umgang mit ihren Werkzeugen<br />

und bei der Herstellung kunsthandwerklicher<br />

Produkte haben sie jedoch<br />

beibehalten.<br />

Diese Sorgfalt, die für die Touareg in der<br />

Wüste überlebensnotwendig war – denn<br />

was nützt ein lederner Wassersack am<br />

Brunnen, wenn er schlampig genäht ist<br />

und das Wasser unterwegs verliert? –<br />

diese Sorgfalt bleibt bis heute sichtbar in<br />

der Verarbeitung der modern gestalteten<br />

Taschen, Schuhe und Schlüsselanhänger,<br />

welche von Handwerkskooperativen in<br />

Burkina Faso und Niger für den fairen<br />

Handel produziert werden.<br />

Mâitre Cissé Abala Mme Cissé<br />

Neben der Lederverarbeitung sind die<br />

Touareg vor allem für ihre hohe Kunst als<br />

Silberschmiede bekannt.<br />

Die Künstler lernen die Kunst des Silberschmiedens<br />

in einer Designschule, die –<br />

ausgehend von traditionellen Touareg-<br />

Schmuckstücken wie z.B. dem Kreuz von<br />

Agadez oder der Chat-Chat-Kette – eine<br />

Vielzahl von edelsten Modellen hervorgebracht<br />

hat. Der Spagat zwischen „Identität<br />

wahren“ und der Fähigkeit, den Kundengeschmack<br />

zu treffen, glückt den Silberschmieden<br />

auf eine hervorragende Weise.<br />

Jedes Schmuckstück ist ein individuell gefertigtes<br />

Kunstwerk mit der Signatur des<br />

jeweiligen Silberschmieds in der vom Verschwinden<br />

bedrohten Schrift der Touareg:<br />

Tifi nak. Moussa (Moses) Ouhmoudou<br />

ist ein junger, moderner Targi und Silberschmied,<br />

der in Ouagadougou einen kleinen<br />

Laden hat.<br />

Hier verkauft Moussa Schmuck<br />

aus kleinen Werkstätten Burkina<br />

Fasos und Niger. Von April<br />

bis <strong>Juli</strong> dieses Jahres konnte<br />

der Fair-Handel Moussa<br />

Ouhmoudou einladen, seine<br />

Arbeiten den mainfränkischen<br />

Weltläden vorzustellen.<br />

Eine reiche Auswahl des original Touareg-Schmuckes fi nden Sie im Fairhandel<br />

der Abtei, Schweinfurter Str. 40, 97359 Münsterschwarzach<br />

Tel: 09324-202-73, FAX: 09324-20493 oder per e-mail: info@fair-handel-gmbh.de<br />

Beispiele davon im Internet: www.fair-handel-gmbh.de


EDITORIAL<br />

INHALT<br />

Seite<br />

Br. Stephan Veith OSB<br />

Vorwort ................................................................... 3<br />

P. Anselm Grün OSB<br />

Idole in der Kirche – gibt es sie noch? ....................... 4<br />

P. Jonathan Düring OSB<br />

Idole wirken blendend ................................................ 6<br />

Dr. Reinhard Klos<br />

Eine Spurensuche – Man muss kein Megastar dafür sein . 8<br />

P. Silvanus Kessy OSB<br />

„Gott“ geht auch ohne Mobiltelefon .......................... 10<br />

P. Edgar Friedmann OSB<br />

Idole und Anti-Idole ................................................ 12<br />

Orlando Vasquez<br />

Gottheit, repräsentiert durch ein Objekt .................... 14<br />

Anja Legge<br />

Von leuchtenden Fixsternen und falschen Feuern ....... 16<br />

Fr. Karl v. Ö. Pemsl OT<br />

Heilige als Idole ...................................................... 18<br />

Br. Thomas Morus Bertram OSB<br />

Mein Idol – mein Name ............................................ 20<br />

Br. Stephan Veith OSB<br />

Vorbilder von Mitbrüdern .......................................... 22<br />

Hendrik Weingärtner<br />

Wie hätte ich mich verhalten? .................................. 24<br />

Interview: Abt Michael Reepen OSB ........................... 26<br />

Projekt: Handwerkerausbildung in Peramiho ............... 28<br />

Werbung Prokura: .................................................... 29<br />

Werbung VT-GmbH .................................................... 30<br />

Namen/Nachrichten .................................................. 32<br />

Serie/Dank ............................................................. 37<br />

Br. Thomas Morus Bertram OSB<br />

Aus dem Nähkästchen geplaudert ............................ 39<br />

Hinter den Fans der Idole steckt eine Sehnsucht nach Freiheit.<br />

Und manchmal hängt neben den Bildern ihrer Stars der, der<br />

die Freiheit verkörpert – Jesus Christus.<br />

Portrait:<br />

P. Aurelian Weiß OSB<br />

IMPRESSuM<br />

Ruf in die Zeit<br />

AUSGABE JULI <strong>2011</strong>, NR. 3/11<br />

MISSIONSBENEDIKTINER<br />

MÜNSTERSCHWARZACH<br />

Das Magazin für Freunde, Förderer und Interessenten der Missionsarbeit<br />

der Abtei Münsterschwarzach<br />

Abonnement<br />

Bestellung an prokura@abtei­muensterschwarzach.de<br />

oder Telefon 09324/20­287 vierteljährlich, kostenfrei<br />

Redaktion<br />

Br. Stephan Veith (verantw.), Br. Thomas Morus Bertram (verantw.),<br />

Br. Alfred Engert, P. Jonathan Düring, Br. Joachim Witt, Br. Manuel Witt<br />

Herausgeber<br />

Missionsprokura der Abtei Münsterschwarzach<br />

97359 Münsterschwarzach Abtei<br />

Tel.: 09324/20275 Fax: 09324/20270<br />

E­Mail: prokura@abtei­muensterschwarzach.de<br />

Internet: http://www.abtei­muensterschwarzach.de<br />

Auslandsspenden<br />

Bei Spenden aus dem Ausland bitte unseren<br />

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Liga Bank eG, Kto. Nr. 3015033, BLZ 750 903 00<br />

Bei Adressenänderungen und Spenden wenden Sie sich bitte an<br />

die Spendenbuchhaltung der Missionsprokura<br />

Tel: 09324/20­287 oder 20­276<br />

Fax: 09324/20­494<br />

E­Mail: prokura@abtei­muensterschwarzach.de<br />

Bildnachweis<br />

J. Rogosch (S. 1), Fair­Handel (S. 2, 14, 15), Diözese Limburg<br />

(S. 4), DAHW (S. 5), P. Jonathan (S. 7), T. Lurz (S. 8), dpa (S. 12,<br />

16, 17, 39), KNA (S. 19, 27), Fr. Karl (S. 18), W. Nigg (S. 20), Br.<br />

Thomas Morus (S. 9, 28, 36, 37, 40), P. Silvanus (S. 10, 11), E. Müller<br />

(S. 24, 25), F. Bertele (S. 29), Goldschmiede (S. 30, 31), A. Legge<br />

(S. 26, 32, 33, 34, 35), Br. Robert (S. 38)<br />

Gesamtherstellung:<br />

Benedict Press, Vier­Türme GmbH, 97359 Münsterschwarzach Abtei<br />

Konzeption: Klaus Gold<br />

BR. STEPHAN VEITH OSB<br />

Missionsprokurator<br />

Liebe<br />

Leserinnen<br />

Leser...<br />

... das Wort „Idol“ verbinden wir meist mit der Jugend. Hat sie die richtigen Idole?<br />

Hat sie überhaupt noch welche? Eltern schütteln den Kopf, wenn sie sich die Poster<br />

von Fußballstars und vermeintlichen Popgrößen in den Zimmern ihrer Kinder<br />

genauer anschauen. Geben Jugendliche allerdings an, dass sie keine Idole haben,<br />

dann empfinden wir das als bedenklichen Mangel an Idealismus.<br />

Woher kommt dieses gespaltene Verhältnis zum Umgang mit Idolen? Es rührt wohl<br />

aus der doppelten Bedeutung des Begriffs. Wir verstehen darunter Götzenbilder<br />

und Vorbilder zugleich. „Idole der Jugend“ können Michael Jackson und Johannes<br />

Paul II. sein; Albert Schweitzer und die Beatles, Mutter Teresa und Messi, John<br />

F. Kennedy oder Mick Jagger oder Lena oder der heilige Franziskus. Manchmal<br />

sogar alle zusammen.<br />

Welche Idole heute in Afrika oder Lateinamerika, in Asien oder konkret in unseren<br />

Schulen verehrt werden, das ist Thema dieses „Rufs in die Zeit“. Und wie<br />

wir richtig mit diesen Idolen umgehen. Und wer die wahren Helden sind. Das<br />

können nämlich Menschen sein, von denen es gar keine Poster zu kaufen gibt.<br />

Man muss nur richtig hinschauen.<br />

Es grüßt Sie herzlich<br />

3


ZuM THEMA<br />

Idole in der Kirche<br />

– gibt es sie noch?<br />

von P. Anselm Grün OSB<br />

Wenn ich ältere Menschen geistlich begleite,<br />

erzählen sie mir oft, dass sie von ihrem<br />

Heimatpfarrer oder ihrem Heimatkaplan<br />

begeis tert waren. Oft war die Begeisterung<br />

für den Pfarrer der Grund, dass sie selbst<br />

den Priesterberuf gewählt haben. Heute<br />

beklagen sich viele Christen, dass sie keine<br />

Vorbilder mehr in der Kirche erleben. Lange<br />

Zeit waren Roger Schutz oder Mutter<br />

Teresa solche Vorbilder. Aber wo sind diese<br />

Vorbilder heute?<br />

Was sind Idole?<br />

Bevor ich von Vorbildern, Idealbildern und<br />

Idolen spreche, möchte ich eine kurze Begriffserklärung<br />

geben. Idole sind von ihrem<br />

Ursprung her Götterbilder. Die christliche<br />

Tradition hat die „Idololatrie“, die Verehrung<br />

von Götzenbildern verboten. Stattdessen<br />

hat sie die Menschen hingelenkt zum<br />

wahren Bild Gottes, zu Jesus Christus, in<br />

dem Gott für uns sichtbar und anschaubar<br />

geworden ist. Heute denken wir bei Idolen<br />

nicht an Götzenbilder, sondern an Filmschauspieler,<br />

Sportler oder Musiker. Junge<br />

Menschen lassen sich von Idolen leiten.<br />

Dabei hat ihr Schwärmen für ihre Idole<br />

durchaus etwas mit Götzenverehrung zu<br />

tun. Die Idole werden in den Himmel hinauf<br />

gehoben. Ihnen wird gleichsam göttliche<br />

Verehrung zuteil. Man verehrt die Idole, um<br />

in ihrem Glanz den eigenen Wert zu erahnen.<br />

Doch dies führt in der persönlichen<br />

Entwicklung nicht weiter. Den Idolen fehlt<br />

der Aufforderungscharakter, den Vorbilder<br />

haben. Sie wirken oft genug als Ersatz dafür,<br />

selber zu reifen und an sich zu arbeiten. Man<br />

schwärmt für ein Idol und erwartet sich davon,<br />

dass man Anteil hat an seinem Glanz.<br />

Doch man sonnt sich in fremdem Glanz,<br />

statt sich auf den Weg zu machen und den<br />

Glanz der eigenen Seele zu entdecken.<br />

Idealbilder verwandeln<br />

den Menschen<br />

Gegenüber den Idolen ihrer Umgebung hat<br />

die frühe Kirche auf Jesus Christus verwiesen,<br />

der das wahre Ebenbild des Vaters ist.<br />

Und man hat auf die Heiligen verwiesen, die<br />

etwas vom Glanz Jesu Christi in ihrem eigenen<br />

Antlitz widerspiegelten. Weder Christus<br />

noch die Heiligen waren Idole. Sie waren<br />

vielmehr Idealbilder. Und diese Idealbilder<br />

sollten sich in die Menschen einbilden und<br />

sie in Berührung bringen mit den eigenen<br />

Kräften, die in ihrer Seele bereit lagen. Die<br />

Idealbilder verwandeln den Menschen. Sie<br />

ziehen ihn nach vorne. Sie helfen, dass die<br />

Menschen all das in sich entdecken, was<br />

auch das Idealbild des Heiligen darstellt.<br />

Bischof Dr. Franz Kamphaus<br />

Geboren 1932 in Lüdinghausen/Münsterland.<br />

Priesterweihe 1959.<br />

Bischof von Limburg 1982–2007.<br />

Für die Erziehung vieler Generationen waren<br />

die Idealbilder eine große Hilfe, um gute<br />

Christen zu formen, um immer wieder auch<br />

Heilige hervorzubringen, die sich von anderen<br />

Heiligen herausfordern ließen, sich ganz<br />

und gar für Gott und für die Menschen einzusetzen.<br />

Idealbilder und Vorbilder haben<br />

die Aufgabe, den Menschen aufzufordern,<br />

diesen Bildern ähnlich zu werden. Sie wollen<br />

etwas im Menschen in Bewegung bringen,<br />

während Idole oft nur zum Ersatz für das<br />

eigene ungelebte Leben werden.<br />

Gefahren von Idealen<br />

In der Psychologie ist man den Idealbildern<br />

gegenüber heute vorsichtig geworden. Denn<br />

man sieht die Gefahr, dass jemand sich mit<br />

einem hohen Idealbild identifi ziert und dabei<br />

seine eigenen Grenzen überspringt. Er<br />

hält sich selbst für ideal und verdrängt dabei<br />

seine negativen Seiten. Die werden dann zu<br />

Schattenseiten. Wer meint, er könne nur die<br />

Liebe des hl. Franziskus leben, der verdrängt<br />

seine Aggressionen. Und diese Aggressionen<br />

werden sich dann vom Unbewussten<br />

– vom Schatten aus, wie C.G. Jung sagt –<br />

destruktiv auf den Menschen auswirken. Die<br />

Liebe hat dann als Schatten das harte Urteilen<br />

über andere, die nicht so gläubig sind.<br />

Oder bei anderen werden die hohen Ideale<br />

ausgeglichen durch das ständige Reden<br />

vom Teufel. Weil man sich selbst ganz ideal<br />

sieht, sieht man sich ständig vom Teufel angefochten.<br />

Man wittert überall den Teufel.<br />

Letztlich ist es der Teufel im eigenen Herzen,<br />

den man an die Wand malt, weil man ihn<br />

bei sich lieber nicht wahrnehmen möchte.<br />

Richtiger Umgang<br />

mit Idealbildern<br />

Es braucht daher einen richtigen Umgang<br />

mit den Idealbildern. Idealbilder fordern uns<br />

4


heraus, locken die guten und starken und<br />

frommen Seiten in uns hervor. Sie sind Antrieb,<br />

an uns zu arbeiten, uns nicht zufrieden<br />

zu geben mit einem oberfl ächlichen Leben.<br />

Aber die Idealbilder brauchen als Ausgleich<br />

die Tugend, die der hl. Benedikt so sehr<br />

geschätzt hat: die Demut. Die Demut ist<br />

der Mut, hinabzusteigen in die Tiefen der<br />

eigenen Seele, auch in die dunklen Schattenseiten<br />

der Seele. Demut ist verwandt mit<br />

humilitas, was Erdverbundenheit, mit beiden<br />

Beinen auf dem Boden stehen, meint.<br />

Idealbilder, die uns begeistern, können uns<br />

verlocken, so wie sie den Ikarus im griechi­<br />

Dr. Ruth Pfau<br />

Geboren 1929 in Leipzig.<br />

Studium der Medizin in Mainz und Marburg.<br />

Seit 50 Jahren als Lepra- und<br />

Tuberkulose-Ärztin in Pakistan tätig.<br />

schen Mythos verlockt haben. Ikarus war<br />

so fasziniert vom Licht der Sonne, der er<br />

entgegen fl og, dass er nicht merkte, wie<br />

die Sonnenstrahlen das Wachs an seinen<br />

Flügeln schmolz. So stürzte er jählings<br />

ab. Wir sollen keine Himmelsstürmer sein,<br />

sondern mit beiden Beinen auf der Erde<br />

stehen. Dann können wir uns herauslocken<br />

lassen von Idealbildern. Dann werden<br />

wir Schritte der Entwicklung machen,<br />

Schritte auf Gott zu. Wir werden unsere<br />

Wahrheit immer mehr vom Licht Christi erhellen<br />

und verwandeln lassen.<br />

Heilende Wirkung von Idealen<br />

Idealbilder wollen sich in uns ein­bilden,<br />

damit wir mit dem ursprünglichen Bild in<br />

Berührung kommen, das Gott sich von jedem<br />

von uns gemacht hat. Wenn wir mit<br />

dem einmaligen Bild Gottes in Berührung<br />

sind, dann empfi nden wir inneren Frieden,<br />

Freiheit, Liebe und Lebendigkeit. Wenn wir<br />

uns mit zu großen Bildern identifi zieren, werden<br />

wir blind für die eigenen Bedürfnisse<br />

und Schattenseiten. Daher geht es darum,<br />

sich von den Bildern der Ideale und Idole<br />

anregen zu lassen, ohne sich mit ihnen zu<br />

identifi zieren. Dann haben sie eine heilende<br />

Wirkung auf uns.<br />

Der Schweizer Psychologe C.G. Jung spricht<br />

von archetypischen Bildern, wie sie etwa<br />

im Bild des Heiligen uns begegnen. Diese<br />

archetypischen Bilder haben die Wirkung,<br />

uns zu zentrieren, uns in die eigene Mitte<br />

zu führen, zu unserem wahren Selbst. Sie<br />

sind Quellen innerer Kraft und Lebendigkeit.<br />

Und sie sind notwendig für unsere innere<br />

Heilung. Aber wenn sich jemand mit<br />

archetypischen Bildern identifi ziert, etwa<br />

mit dem Bild des Heilers oder Helfers, dann<br />

wird er bei seinem Helfenwollen blind für<br />

die eigenen Bedürfnisse, die er unter dem<br />

Deckmantel des Helfens ausagiert.<br />

Idealbilder unserer Zeit<br />

Die Menschen sehnen sich heute nicht nur<br />

nach den Idealbildern der Vergangenheit.<br />

Sie schauen aus, ob sie heute in der Kirche<br />

solche Idealbilder und Lichtgestalten<br />

sehen. Da bieten sich durchaus auch heute<br />

noch Menschen an, die überzeugen,<br />

wie etwa Bischof Kamphaus oder Sr. Lea<br />

Ackermann oder Dr. Ruth Pfau, die in Pakistan<br />

als christliche Ärztin und Ordensfrau<br />

wirkt. Allerdings gibt es nicht viele lebendige<br />

Vorbilder. In der Vergangenheit sehen<br />

wir mehr Ideale: Mutter Teresa, Thomas<br />

Merton, Roger Schutz, Erzbischof Helder<br />

Camara, Erzbischof Romero, der den Märtyrertod<br />

starb. Es ist eine Herausforderung<br />

an uns, authentisch unser Christsein zu<br />

leben. Wir können nicht mit dem Vorsatz<br />

antreten, für andere Vorbilder zu sein. Das<br />

wird nur zu einer Ich­Aufblähung führen.<br />

Aber wir sollen unserer Verantwortung gerecht<br />

werden, uns vom Geist Jesu durchdringen<br />

zu lassen. Dann dürfen wir vertrauen,<br />

dass die Menschen auch in uns<br />

Bilder Jesu Christi erkennen, Ikonen, die<br />

etwas ausstrahlen von der Liebe und Freiheit<br />

Jesu C hristi. Nicht indem wir uns den<br />

jungen Menschen gegenüber als Vorbilder<br />

darstellen, wirken wir als Vorbilder, sondern<br />

wenn wir in aller Demut unser Leben<br />

authentisch leben, wenn wir immer durchlässiger<br />

werden für den Geist Jesu Christi.<br />

Dann wird dieser Geist Jesu auch heute<br />

durch Menschen hindurch die Menschen<br />

berühren und sie zu ihrem eigentlichen<br />

Bild hinführen, das Gott sich von ihnen<br />

gemacht hat.<br />

P. Anselm Grün OSB<br />

Geboren 1945 in Junkershausen •<br />

Profess 1965 • Priester 1971 • Seit<br />

1977 Cellerar der Abtei Münsterschwarzach<br />

• Geistlicher Begleiter<br />

und Bestsellerautor christ licher<br />

Spiritualität<br />

5


ZuM THEMA<br />

Idole wirken blendend<br />

von P. Jonathan Düring OSB<br />

Im Buch Exodus des Alten Testamentes<br />

steht das Gotteswort: Du sollst Dir kein Bild<br />

von mir machen!<br />

Ein Gottesbild – und sei es das frömmste<br />

– das sich beim genauen Betrachten nicht<br />

wieder aufl öst, ist immer eine Verzerrung<br />

der Wirklichkeit. Das gleiche gilt auch für<br />

das Bild, das wir uns von einem Menschen<br />

machen können. Kein Bild erfasst das ganze<br />

Geheimnis der menschlichen Person. Bilder<br />

(auch Worte und Begriffe) erzeugen allzu<br />

schnell die Illusion der Verfügbarkeit (für<br />

eigene Interessen und Zwecke). Um eine<br />

solche – meist geschäftsmäßige – Verfügbarkeit<br />

aber geht es bei allen Idolen. Nach<br />

außen hin stehen sie da als die von allen<br />

bewunderten strahlenden Gewinner, aber<br />

wie es ihnen nach innen hin geht, darf sogar<br />

sie selber nicht mehr interessieren – es<br />

könnte ihre Wirkung auf die Bewunderer<br />

beeinträchtigen.<br />

Idol – ein abgöttisch<br />

verehrter Mensch<br />

Jemand, der in der Öffentlichkeit als Idol<br />

gilt oder von den Medien dazu gemacht<br />

wird, ist laut Duden zunächst einmal nur ein<br />

"abgöttisch verehrter Mensch". Der Preis für<br />

ein Leben als Idol ist hoch. Die Scheinwerfer<br />

der Medien werden ganz schnell zu Richt­<br />

Scheinwerfern, die dann ein Ziel beleuchten,<br />

das dadurch nur umso besser abgeschossen<br />

werden kann. Der Aufwand, um immer im<br />

rechten Licht zu erscheinen, ist gewaltig.<br />

Dabei geht es nicht nur um die Zeit, die<br />

dafür aufgewendet werden muss oder um<br />

die Schminke, die auch noch die kleinsten<br />

Fältchen zu überdecken hat, damit durch<br />

die Bestrahler ja keine ungewollten dunklen<br />

Stellen sichtbar werden. Idole müssen immer<br />

blendend aussehen. Es hat ihnen auch immer<br />

blendend zu gehen. Dass dies nicht gerade<br />

wahrhaftigkeitsfördernd wirkt, ist verständlich.<br />

Idole sehen dabei zwar gut aus,<br />

sehen selber aber meistens gar nicht viel, da<br />

sie von dem auf sie gerichteten (Blitz­)<br />

Licht geblendet sind. Sie sollen wohl<br />

auch gar nicht (mehr) so viel sehen und<br />

hören von den Menschen, denn sie stehen<br />

im Dienst derer, die sie über die reine<br />

Menschlichkeit hinaus heben und in<br />

göttliche Nähe rücken. Ihr eigentlicher<br />

Lohn sind die verzückten Gesichter, das<br />

enthemmte Kreischen, der tosende Applaus<br />

und der rhythmische Jubel der<br />

unüberschaubaren Menge.<br />

Was nennst<br />

Du mich gut?<br />

Obwohl er wirklich Möglich keit und<br />

Grund genug dazu gehabt hätte, die<br />

sich immer wieder um ihn drängenden<br />

Menschenmengen als Beweis seiner<br />

Größe und Genialität anzusehen, wies<br />

Jesus seine Bewunderer immer wieder<br />

zurück. Oft auch schroff (vgl. Mk 10,17f<br />

und Lk 18,18f). Die – wohl sogar ehrlich<br />

gemeinte – Frage: „Guter Meister,<br />

was muss ich tun, um das ewige Leben<br />

zu gewinnen?" beantwortete Jesus mit<br />

der schroffen Feststellung: „Warum<br />

nennst du mich gut? Niemand ist gut<br />

außer Gott, dem Einen". Auch als eine<br />

Frau aus der Menge seine Mutter seligpries,<br />

weil sie ihn zur Welt gebracht<br />

und an ihrer Brust gestillt hatte, ließ<br />

er diese im Grunde schroff abblitzen.<br />

Die Reaktion Jesu auf solch bewundernde<br />

Äußerungen hörte sich eher<br />

nach „Hört auf mit dem Quatsch!" an,<br />

als nach Freude über die Hochachtung,<br />

die er oder seine Mutter durch die anderen<br />

Menschen erfahren haben.<br />

Wer andere bewundert,<br />

wertet sich selber ab<br />

Es darf nicht darum gehen, einen<br />

Menschen auf den Sockel zu stellen,<br />

weil wir ihn bewundern wollen (oder<br />

sollen). Bewunderung führt in die Irre.<br />

6


Wer bewundert wird, gerät in die Gefahr des<br />

Hochmuts. Wer andere bewundert, wertet<br />

sich selber ab. Wer sich selber abwertet, ist<br />

in der Gefahr, vom – natürlich heimlichen –<br />

Neid vergiftet zu werden. Innerlich vergiftete<br />

Menschen sind ungenießbar. Nicht selten<br />

sogar gemeinschaftszerstörend – sosehr wie<br />

es auch hochmütige Menschen sind.<br />

So wie Höfl ichkeit in manchen Fällen lediglich<br />

als galante Form der Verachtung praktiziert<br />

wird, ist Bewunderung nicht selten<br />

eine Form der Reduzierung auf das Unwesentliche.<br />

Wer das Bad in der bewundernden<br />

Menge braucht oder sucht, braucht sich<br />

nicht zu wundern, wenn er statt in der Fülle<br />

des Lebens in der Gülle des Lebens landet.<br />

Es gibt genügend aktuelle Beispiele dafür,<br />

dass dies nicht nur ein schönes Wortspiel<br />

ist, sondern sehr wohl die Realität unserer<br />

Mediengesellschaft beschreibt.<br />

Hochwürden klingt merkwürdig<br />

Wie irritierend eine plötzliche Hervorhebung<br />

aus der Menge wirken kann wurde mir<br />

deutlich anlässlich meiner Primiz in meiner<br />

Heimatgemeinde. Bis dahin galt für mich<br />

auf die Frage, wie man mich denn nun –<br />

nach meinem Klostereintritt – ansprechen<br />

solle, immer der Grundsatz: „Als den, den<br />

Ihr kennengelernt habt". Für zuhause hieß<br />

das einfach: „Als Johannes".<br />

Nun kam ich als „Frischgeweihter" zurück.<br />

Die Begrüßung begann schon vor dem<br />

berühmtesten Tor der Stadt. Von dort aus<br />

wurde ich von Vertretern der Gemeinde, von<br />

Freunden und Bekannten vor das historische<br />

Rathaus begleitet, wo mich der in Amtskette<br />

erschienene Bürgermeister offi ziell und<br />

festlich empfi ng. Ich stand etwas unbeholfen<br />

in der Situation. Gott sei Dank wusste<br />

ich um den Rückhalt der alten Freunde, die<br />

mitten in der Menge dabei waren. Bis dahin<br />

hatte mich, wenn wir uns begegneten auch<br />

der Bürgermeister immer als „Johannes“<br />

angesprochen. Jetzt aber begrüßte er mich<br />

feierlich mit den Worten „Hochwürden Pater<br />

Jonathan". Ich errötete. Jedes weitere Mal,<br />

wenn der Titel „Hochwürden" mich traf, errötete<br />

ich noch mehr. Als ich dann auch noch<br />

die Gesichter meiner verschmitzt grinsenden<br />

alten Kumpels sah, wünschte ich mir ein<br />

tiefes Loch, in das ich verschwinden könnte.<br />

Zu merkwürdig klang dieses „Hochwürden"<br />

in mir nach – ich wusste, dass ich das so<br />

nicht bin.<br />

Willst Du bewundert<br />

oder geliebt werden?<br />

Am Tag der Primiz selbst nahm mich eine<br />

alte Iphöferin, die wohl meine Unsicherheit<br />

gespürt hat, kurz beiseite, legte die Hand<br />

auf meine Schulter, schaute mir in die Augen<br />

und gab mir einen von Herzen kommenden<br />

Rat: „Du musst Dir nur klar sein, was<br />

Du möchtest, Johannes. Möchtest Du, dass<br />

Dich die Leute bewundern, oder möchtest<br />

Du, dass die Menschen Dich lieben? Wenn<br />

Du bewundert werden willst, musst Du immer<br />

perfekt sein und kannst Dir keine Fehler<br />

erlauben. Wenn Du geliebt werden möchtest,<br />

darfst Du ruhig auch mal einen Fehler<br />

machen – Du musst dann nur dazu stehen.<br />

Das macht Dich menschlich." – Dafür bin<br />

ich ihr von Herzen immer wieder dankbar.<br />

Das schönste Kompliment und die größte<br />

Würdigung ist es, wenn uns jemand in unserer<br />

Menschlichkeit erkennt und uns dies<br />

spüren lässt. Und wenn wir die Botschaft<br />

des Neuen Testamentes ernst nehmen, wissen<br />

wir, dass diese Würde auch Gott liebend<br />

gern von uns erfahren würde.<br />

P. Jonathan Düring OSB<br />

Geboren 1960 in Iphofen • Profess<br />

1984 • Priesterweihe 1989<br />

• Seit Oktober 2008 im Priorat<br />

Damme als Subprior und Seelsorger<br />

tätig<br />

7


ZuM THEMA<br />

Eine Spurensuche<br />

– Man muss kein Megastar dafür sein<br />

von Dr. Reinhard Klos<br />

„Er ist einer, der viel kann.“ – „Er rettet<br />

Menschen und bekämpft das Böse.“ – „Er<br />

ist ganz groß und ganz stark.“ So stellen<br />

sich Kinder einen Helden vor. Der Radio­<br />

Kurs von Kollegiaten des Münsterschwarzacher<br />

Egbert­Gymnasiums hat Helden und<br />

Heldenbilder gesucht. Im Kindergarten, in<br />

Schulen, im Sport, in der Literatur, in der<br />

Kirche. Gibt es das noch heute: Helden?<br />

Ein Jahr lang beschäftigte sich der Radio­<br />

Kurs der Klosterschule mit dem Thema<br />

„Helden und Vorbilder“ in umfangreichen<br />

Recherchen und Auswertungen. Die Fragestellung<br />

war: Gibt es in einer immer unübersichtlicher<br />

werdenden Welt noch Menschen,<br />

die uns Halt und Orientierung bieten? Gibt<br />

es heute noch Helden? Die Schüler suchten<br />

Thomas Lurz aus Würzburg<br />

Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart,<br />

Kriegshelden und Friedensaktivisten,<br />

real existierende und Romanhelden und<br />

nicht zuletzt Vorbilder des Glaubens.<br />

Beispiel 1: Sport.<br />

Der Schwimmer Thomas Lurz aus Würzburg<br />

hat viel erreicht. Er wurde Weltmeister und<br />

Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen<br />

Spielen. Wenn er siegt, jubelt ihm<br />

das Stadion zu. Er hält sich für ehrgeizig,<br />

trainiert über 30 Stunden pro Woche und<br />

schwimmt dabei bis zu 110 Kilometer. Als<br />

Held möchte er dennoch nicht bezeichnet<br />

werden. „Zu einem Helden gehört auch,<br />

jemand anderem in irgendeiner Form geholfen<br />

zu haben, und das ist bei mir im<br />

Sport eigentlich nicht der Fall.“<br />

Beispiel 2: Jugendliteratur.<br />

Eine Umfrage bei Fünftklässlern ergab,<br />

dass „Charlie Bone“ dort hoch im Kurs<br />

steht. Wenn er Bilder sieht, kann er in sie<br />

hineingehen und mit den abgebildeten<br />

Menschen reden. Diese magischen Kräfte<br />

helfen ihm, die „Bösen“ zu bekämpfen. Er<br />

hilft damit den „Guten“, ganz so wie sich<br />

Thomas Lurz das vorstellt. Charlie Bone als<br />

Titelheld der Reihe „Die Kinder des roten<br />

Königs“ der britischen Autorin Jenny Nimmo<br />

wird so zum Vorbild.<br />

8


Beispiel 3: Kriegshelden.<br />

Ein Wort, das uns heute nur schwer über<br />

die Lippen geht. Die Schüler befragten Veteranen<br />

des Zweiten Weltkriegs über ihre<br />

Erlebnisse. Bei den Erzählungen stand<br />

meist nicht das Töten des Feindes, sondern<br />

die Rettung der eigenen Kameraden<br />

im Mittelpunkt. Ein ehemaliger Unteroffi<br />

zier erinnerte sich etwa, dass er seine<br />

Soldaten noch rechtzeitig aus ihrem Zelt<br />

gejagt hatte, bevor die Granate einschlug.<br />

Die Berichte sind ein weiterer Beleg dafür,<br />

dass praktizierte Nächstenliebe offenbar<br />

als Wesenszug des Heldentums verstanden<br />

wird.<br />

Beispiel 4: Glaubenszeugen.<br />

Die angehenden Journalisten befragten<br />

Missionare der Abtei Münsterschwarzach<br />

nach ihren Erfahrungen. Von Bruder Thomas<br />

Morus Bertram erfuhren sie: Er hatte<br />

siebenmal Malaria, er hat zwei Mitarbeiter<br />

wegen Aids verloren und einen Großteil<br />

seines Gehörs eingebüßt. In einer Nacht<br />

fuhr er vier vergiftete Kinder sechs Stunden<br />

lang auf einer Schlammstraße durch strömenden<br />

Regen ins Krankenhaus. Drei von<br />

ihnen überlebten. Ein Held? Bruder Thomas<br />

Morus wiegelt ab. Auch er will nicht<br />

als Held da stehen: „Manchmal sind es<br />

die kleinen Dinge, die viel wichtiger sind.<br />

Etwas, das im Verborgenen geschieht, aber<br />

Gott sieht es.“<br />

Feindesliebe Bruder Thomas Morus Bertram OSB<br />

Beispiel 5: Helden des Alltags.<br />

Die Recherchen führten die Oberstüfl er<br />

ins Antonia­Werr­Zentrum Wipfeld, das<br />

etwa 100 Mädchen und ihre Familien in<br />

prekären Lebensverhältnissen betreut. Der<br />

stellvertretende Leiter der Einrichtung, Dr.<br />

Alfred Hußlein, erzählte von einer jungen<br />

Auszubildenden, die er am Vortag entlassen<br />

durfte: „Sie hatte überhaupt keine Eltern.<br />

Da gab es so viele Rückschläge und<br />

Tiefschläge. Niemand hätte ihr zugetraut,<br />

dass sie ihr Leben in den Griff bekommt,<br />

und trotzdem hat sie jetzt eine Ausbildung<br />

zur Gärtnerin abgeschlossen. Das ist für<br />

mich eine Heldin.“<br />

Dr. Reinhard Klos<br />

geboren 1974 • Studium der<br />

Germanistik, Sozialkunde und Geschichte<br />

in Bamberg und Würzburg<br />

• seit 2005 Lehrer am Egbert­<br />

Gymnasium der Benediktiner­Abtei<br />

Münsterschwarzach.<br />

9<br />

Die Kandidaten auf der Tatfunk Preisverleihung


ZuM THEMA<br />

„Gott“ geht auch<br />

ohne Mobiltelefon<br />

Die junge Generation Tansanias und ihre Idole<br />

von Fr. Silvanus Kessy OSB<br />

Jedes Alter hat seine eigenen Idole. Für<br />

den Menschen als Wesen mit Verstand und<br />

Dynamik gibt es in den verschiedenen Lebensabschnitten<br />

auch verschiedene Idole.<br />

Es ist interessant, dass die unterschiedlichen<br />

Generationen auch verschiedene<br />

Dinge als Idole ansehen. Die Menschen<br />

fi nden so großen Gefallen an den unterschiedlichsten<br />

Dingen, dass diese zum Idol<br />

erkoren werden.<br />

Noch vor zwei Jahren konnte man hier in<br />

Tansania nicht über wirkliche Idole sprechen.<br />

Bei den meisten Leuten, besonders<br />

Das Mobiltelefon ist ständig dabei<br />

bei den Jugendlichen, ging es eher um<br />

Hobbies. Das Interesse lag bei Musik und<br />

Fußball. Gegenwärtig stehen für die jungen<br />

Leute in Tansania Mobil­Telefone und Motorräder<br />

an erster Stelle. Das sind ihre Idole.<br />

Die meisten jungen Menschen in Tansania<br />

haben kein geregeltes Einkommen. Weder<br />

Ausbildung noch einen Arbeitsplatz.<br />

Sie sind arm. Umso mehr überrascht es<br />

mich, dass die meisten jungen Männer und<br />

Frauen ein Mobil­Telefon besitzen. Manchmal<br />

haben sie sogar mehrere. In Tansania<br />

gibt es vier große Telefongesellschaften:<br />

Airtel, Vodacom, Zantel und Tigo. Es ist<br />

ganz und gar nicht ungewöhnlich, dass<br />

so mancher junge Mensch für jede dieser<br />

Telefongesellschaften ein Handy und eine<br />

Sim Card hat. Wenn man die Leute fragt,<br />

warum sie so viele Handys haben, so lautet<br />

die Antwort: um erreichbar zu sein.<br />

Traurig ohne Handy<br />

P. Severin vom Zakeo Zentrum hat einmal<br />

geschrieben: „Wenn Du jederzeit und<br />

überall erreichbar sein möchtest, kannst<br />

Du keine wichtige Person sein. Gott ist die<br />

wichtigste Person, aber ihn kann man auch<br />

ohne Mobil­Telefon erreichen“. Ein junger<br />

Mann erzählte mir, dass er ohne Mobil­<br />

Telefon nicht mehr leben kann. Wenn er<br />

sein Handy verlieren würde, wäre es, als ob<br />

er etwas sehr Wichtiges in seinem Leben<br />

verloren hätte.<br />

Ein Oberer einer religiösen Gemeinschaft<br />

startete ein Experiment. Er bat alle Mitglieder<br />

der Gemeinschaft, die Handys bei ihm<br />

abzugeben. Alle folgten dieser Bitte. Der<br />

Obere bemerkte jedoch später, dass alle<br />

sehr traurig waren. Es gab keine Lebendigkeit,<br />

keine Gespräche, keine Zufriedenheit,<br />

keinen Frieden und keine Entspannung<br />

mehr. Alle waren trübselig, weil man ihnen<br />

ein wichtiges Idol weggenommen hatte.<br />

Die anderen haben’s auch<br />

Ein weiteres Idol in Tansania sind Motorräder.<br />

Aus China werden viele günstige Motorräder<br />

importiert. Schon für rund 850<br />

Euro kann man ein Motorrad erwerben. Es<br />

ist schon verrückt, manche jungen Männer<br />

haben keine Wohnung, kein Essen, nicht<br />

genügend Kleidung oder Geld für Arztbesuche,<br />

aber sie müssen sich unbedingt ein<br />

Motorrad kaufen, denn die anderen haben<br />

auch eines. Natürlich setzen die jungen<br />

Leute diese Motorräder auch zum Transport<br />

von Personen – wie ein Taxi – ein.<br />

10


Motorräder sind nicht nur Transportmittel, sondern vor allem ein Statussymbol<br />

Es gibt nicht nur schöne Seiten am Motorradfahren, wie die Hospitalstation II in Ndanda belegt<br />

Aber für manche Menschen ist es nur<br />

Show. Es wird schnell gefahren und bis<br />

zur Höchstgeschwindigkeit beschleunigt,<br />

um Krach zu machen und die Aufmerksamkeit<br />

auf sich zu lenken. Die meisten haben<br />

noch nicht einmal einen Führerschein.<br />

Wegen zu hoher Geschwindigkeit passieren<br />

oft Unfälle, so dass viele junge<br />

Männer verunglücken und sich dabei ihre<br />

Knochen brechen. Sehr anschaulich ist das<br />

in unserem Hospital auf Station II zu sehen.<br />

Dort liegen die jungen Männer nach<br />

Motorradunfällen und müssen verarztet<br />

werden.<br />

Als Pfarrer wurde ich wegen der Handys<br />

bereits mit Besorgnis erregenden Fällen<br />

konfrontiert. So haben viele Ehepaare<br />

Probleme oder sich sogar schon getrennt.<br />

Grund: das Handy. Manche Männer und<br />

Frauen verabreden sich über das Handy<br />

mit ihren Zweit­Freunden oder ­Freundinnen<br />

und das gibt Ärger…<br />

Ein Mann beklagte sich bei mir, dass seine<br />

Ehefrau ihm einen großen Verlust bereitet<br />

hat. Ich fragte nach der Art des Verlusts.<br />

Nachdem seine Ehefrau eine Nachricht von<br />

der Nachbarsfrau auf seinem Handy gelesen<br />

hatte, zerschmetterte sie das teure<br />

Mobil­Telefon auf dem Boden. Dieser Verlust<br />

war für ihn so groß, dass er nicht mehr<br />

bereit war, weiterhin mit seiner Ehefrau<br />

zu leben.<br />

So zeigt es sich, dass diese Idole Unheil<br />

gebracht haben!<br />

11<br />

Fr. Sylvanus Kessy OSB<br />

Geboren 1966 in Kishumandu/<br />

Tansania • Profess 1996 • Priesterweihe<br />

2001 • Prior der Abtei<br />

Ndanda seit 2010


ZuM THEMA<br />

ZuM THEMA<br />

Idole und Anti-Idole<br />

Einzelpersönlichkeiten bestimmen auf den Philippinen über den Lauf der Politik<br />

von P. Edgar Friedmann OSB<br />

Nicht Sachfragen, sondern Persönlichkeitsprofi<br />

le stehen auf den Philippinen in<br />

der Politik im Vordergrund. Präsidenten<br />

werden zu angehimmelten Idolen oder zu<br />

Symbolen der Unterdrückung. Für die Entwicklung<br />

des Landes ist dies eher hinderlich.<br />

Die Philippinen waren fast 400 Jahr lang<br />

unter spanischer Herrschaft, bevor sie im<br />

Jahr 1898 die einzige Kolonie der USA wurden.<br />

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab<br />

Plakatwände für die Präsidentenwahlkämpfe<br />

Amerika seine Kolonie auf und half dem<br />

Land beim Auf­ und Ausbau eines demokratischen<br />

Staatswesens. Die Verfassung des<br />

Staates ist der der Vereinigten Staaten von<br />

Amerika ähnlich. Damit geht eine starke<br />

Stellung des jeweiligen Präsidenten einher.<br />

Der Diktator Ferdinand Marcos<br />

Nicht Idol, sondern eher Symbol, nämlich<br />

für Unterdrückung, Ausbeutung und Korruption<br />

war seither vor allem Ferdinand<br />

Marcos. Von den Präsidenten nach der<br />

amerikanischen Zeit regierte er am längsten,<br />

von 1965 bis 1986. Er verhängte von<br />

1972 bis 1981 das Kriegsrecht über das<br />

Land, um gegen kommunistische und andere<br />

Aufständische vorgehen zu können.<br />

Nach und nach schaffte er die demokratischen<br />

Institutionen ab und regierte nur<br />

noch durch Dekrete. Über seine „Cronies“<br />

– das sind „Spezis“ – beherrschte er die<br />

gesamte Wirtschaft des Landes und entwickelte<br />

sich auf diese Weise zum steinreichen<br />

Diktator. Der Reichtum von Fer­<br />

12


dinand Marcos und seiner Frau Imelda, die<br />

heute noch am Leben ist, nahm geradezu<br />

sagenhafte Ausmaße an. Die Philippinos<br />

fühlten sich von Marcos mehr unterdrückt<br />

als von den ehemaligen Kolonialmächten.<br />

Corazon Aquino<br />

Auf Marcos folgte Corazon Aquino. Sie<br />

wurde sehr schnell zum Idol für Demokratie<br />

und Freiheit. Dies lag schon an den dramatischen<br />

Geschehnissen, die zum Sturz<br />

des Diktators führten.<br />

1983 wollte Oppositionsführer Benigno<br />

Aquino aus dem Exil in den USA in seine<br />

Heimat zurückkehren. Als er in Manila aus<br />

dem Flugzeug stieg, wurde er angeblich<br />

von einem kommunistischen Rebellen erschossen.<br />

Das Volk aber wusste instinktiv,<br />

wer die Drahtzieher des Mordes waren.<br />

Von diesem Zeitpunkt an kam der Thron<br />

des alternden Diktators ins Wanken und<br />

er musste schließlich einer vorgezogenen<br />

Neuwahl zustimmen. Die Opposition einigte<br />

sich auf Corazon Aquino, die Witwe<br />

ihres ermordeten Führers, als Kandidatin<br />

gegen Marcos. Nachdem Marcos und seine<br />

Anhänger das Wahlergebnis offensichtlich<br />

massiv gefälscht hatten und Frau Aquino<br />

zur Präsidentin erklärt worden war, kam<br />

es zur berühmt gewordenen unblutigen<br />

Rosenkranz­Revolution, bei der die katholische<br />

Kirche entscheidend mitwirkte.<br />

Denn der Erzbischof von Manila, Kardinal<br />

Sin, mobilisierte Hunderte von Ordensfrauen,<br />

die sich den anrückenden Panzern<br />

auf den Straßen von Makati entgegenstellten.<br />

Damit ließ das schon gespaltene Militär<br />

den Präsidenten vollends im Stich und<br />

Marcos fl oh innerhalb weniger Stunden<br />

aus dem Land. Am Ende der aufregenden<br />

Tage wurde Cory Aquino am 25. Februar<br />

1986 als Präsidentin der Philippinen gefeiert<br />

und ihr dramatischer Sieg machte sie<br />

noch mehr zum Idol der Freiheit.<br />

Als solches blieb sie bis zum Ende ihrer<br />

sechsjährigen Amtszeit und später bis zu<br />

ihrem Tod bei der Mehrheit der Philippinos<br />

unumstritten. Den enormen Problemen<br />

des Landes nach der langen Marcos­Zeit<br />

war die politisch unerfahrene Frau jedoch<br />

wenig gewachsen. Zu ihrem Nachfolger<br />

als Präsident wurde der frühere Generalstabschef<br />

Fidel V. Ramos gewählt. Dieser<br />

erfahrene und nüchterne Mann führte das<br />

Land in solider Weise, aber auch er konnte<br />

die strukturellen Probleme der Gesellschaft<br />

nicht lösen und die Tatsache nicht ändern,<br />

dass ein hoher Prozentsatz der Philippinos<br />

unter der Armutsgrenze lebte.<br />

Ein Schauspieler als Präsident<br />

So konnte sich zur nächsten Wahl ein Kandidat<br />

zum neuen Idol für soziale Gerechtigkeit<br />

aufschwingen, der vor allem bei den<br />

einfachen Philippinos beliebte Filmschauspieler<br />

Joseph Estrada. Er versprach, die<br />

Armut nachhaltig zu bekämpfen, und wurde<br />

trotz Warnungen zum Beispiel seitens<br />

der Kirche auf Anhieb mit großer Mehrheit<br />

zum Präsidenten gewählt.<br />

Doch bereits nach zwei Jahren kam es<br />

zu einer zweiten Revolution und Estrada<br />

musste in Schmach und Schande der gewählten<br />

Vizepräsidentin Gloria Macapagal­Arroyo,<br />

der Tochter eines vor Marcos<br />

beliebten Präsidenten, Platz machen.<br />

Idol nach Vorbild seiner Eltern<br />

– Präsident Benigno Aquino Jr.<br />

Die recht lange und nicht allzu glückliche<br />

Amtszeit von Frau Arroyo ist wohl ein<br />

Grund dafür, dass schließlich im Jahr 2010<br />

der Sohn von Benigno und Corazon Aquino<br />

mit Leichtigkeit die Wahl zum Präsidenten<br />

gewann. Benigno Aquino Jr. – genannt<br />

Noynoy oder P­Noy – ist gewiss für das<br />

höchste Staatsamt qualifi ziert, aber selbst<br />

seine Anhänger geben zu, dass andere<br />

Kandidaten bessere Führungsqualitäten<br />

besitzen.<br />

Der Tod seiner überaus beliebten Mutter<br />

Corazon während der Wahlkampagne<br />

brachte Noynoy Aquino ohne Zweifel einen<br />

zusätzlichen Bonus als Idol für Freiheit<br />

und Demokratie ein.<br />

Idol der Männlichkeit<br />

Nach meinen Beobachtungen in 28 Jahren<br />

geht es in der Politik der Philippinos<br />

überwiegend um Ehre und Ansehen von<br />

Personen. Das jüngste Beispiel dafür ist der<br />

Boxer Mani Pacquiao. Er wurde nach seinen<br />

vielen internationalen Siegen als Idol<br />

für Stärke und Männlichkeit im vergangenen<br />

Jahr ins Parlament gewählt.<br />

Sachfragen stehen demgegenüber eher<br />

im Hintergrund. Gemeinsame Einsichten<br />

zu gewinnen und sie demokratisch in die<br />

Tat umzusetzen, fällt sehr schwer. Auch<br />

deshalb wird der durchaus vorhandene<br />

Reichtum des Landes wenig erschlossen<br />

und die noch weithin arme Bevölkerung<br />

kann sich kaum entwickeln.<br />

13<br />

P. Prior Edgar Friedmann OSB<br />

Geboren 1940 in Bamberg • Profess<br />

1961 • 1983 Missionsaussendung<br />

• 1983 – 2002 Novizenmeister<br />

und Studienpräfekt<br />

• Seit 2002 Prior von Digos.


ZuM THEMA<br />

Gottheit, repräsentiert<br />

durch ein Objekt<br />

Idole in Südamerika<br />

Regenbogenkreuz<br />

von Orlando Vasquez<br />

In Lateinamerika gibt es die Angewohnheit,<br />

Mitmenschen aus dem einen oder<br />

anderen Grund zu idealisieren. Getragen<br />

durch ein Massenpublikum, schaffte es<br />

schon mancher zum Superstar. Nehmen wir wir<br />

beispielsweise Pelé oder oder Maradona: Maradona: Aus Aus<br />

einfachen einfachen Verhältnissen stammend, haben<br />

es es beide über den den Fußball geschafft, geschafft, zu<br />

Idolen zu werden. werden.<br />

Pelé hatte das das Glück, dass dass er er mit mit 16 Jahren Jahren<br />

bereits zum zum ersten Mal bei bei einer Weltmeisterschaft<br />

dabei sein durfte. Aber trotz seines<br />

Ruhmes bevorzugte er er ein einfaches<br />

und bescheidenes Leben. Vielleicht, weil<br />

er als Schwarzer beweisen beweisen wollte, wollte, dass<br />

man erfolgreich sein kann, ohne dabei das<br />

Gleichgewicht Gleichgewicht seiner Seele zu zu verlieren.<br />

Vergötterte Stars<br />

Auch Juan Diego Maradona wurde in jungen<br />

Jahren zum Idol. Aufgewachsen in<br />

einem Elendsviertel, konnte er auf einmal<br />

all all das haben, was was das Leben ihm zuvor<br />

versagt hatte, all all das, das, wovon wovon er als Kind Kind<br />

nur geträumt hatte. Er kaufte seinen Eltern Eltern<br />

und und Geschwistern Geschwistern ein ein Haus. Haus. Bis hin zu seinennen<br />

Freunden profi tierten alle alle um um ihn herum<br />

von seinem Erfolg. Dieser Erfolg Erfolg blendete<br />

aber sein sein weiteres weiteres Leben, Leben, da die Menschenschen<br />

ihn wie eine eine Gottheit behandelten.<br />

Im religiösen Bereich Bereich gibt es viele Erfahrungen<br />

in verschiedenen verschiedenen Teilen Südamerikas.rikas.<br />

Mit der Ankunft Ankunft der spanischen spanischen<br />

„Conquistadores“ begann eine Etappe<br />

der Kriege, des Hungers und auch der<br />

neuen Idole, die zwar zwar mitgebracht, aber<br />

nicht als eigen angenommen angenommen wurden. Lassen<br />

Sie mich dies anhand eines Beispiels<br />

veranschaulichen:<br />

14


Einer der wichtigsten Bräuche der Inkazeit<br />

war die Prozession der Mumien während<br />

der Sommersonnwende. Die Inkas glaubten,<br />

dass die mumifi zierten Körper eine<br />

gewisse Energie verwahren und dass diese<br />

zur Lösung drängender Probleme beitragen.<br />

Die Mumien bildeten das Fundament<br />

der verschiedenen Orakel, deren Tempel<br />

überall im großen „Tahuantinsuyo“ (Inkareich)<br />

zu fi nden waren.<br />

Verkörperung Gottes<br />

Der Volksmund sagt, dass der damals zuständige<br />

Bischof von Cusco die Inka­Priester<br />

konsultierte, ob es möglich sei, die<br />

Energie, die diese Mumien verwahrten,<br />

in die Heiligenbilder einer katholischen<br />

Prozession aus Barcelona zu übertragen.<br />

Die Inka­Priester antworteten, dass dies<br />

möglich sei, und so begann der erste<br />

Retablo, religiöse Volkskunst aus Peru<br />

große Prozess des Synkretismus. Für mich<br />

bestätigt sich hiermit, dass das Thema der<br />

Idole mehr ein externes Thema war als<br />

eines der Inkas, da in der religiösen Mystik<br />

nicht nur das Idol verehrt wurde, sondern<br />

die Verkörperung Gottes im eigenen<br />

Leben.<br />

Gemäß der Defi nition „ein Idol ist ein Objekt,<br />

das eine Gottheit repräsentiert“, hat<br />

es mich berührt zu beobachten, wie in der<br />

Volkskunst Heiligenbilder gestaltet werden.<br />

In der peruanischen Kunst wird Gott<br />

sehr oft als alter, weiser Mann dargestellt,<br />

der in den Bergen lebt und sich mittels<br />

einer Energie offenbart, die ihm aus den<br />

Wolken zufl ießt. Damit wird verdeutlicht,<br />

dass er ebenso im Überirdischen wie auch<br />

im irdischen Bereich gegenwärtig ist. Auf<br />

manchen Retablos (Altarbildern) begleitet<br />

ihn ein Regenbogen, in welchem sich die<br />

stärkste Form von Energie offenbart. Ihm<br />

zur Seite fi nden sich zumeist die Sonne<br />

und der Mond, die für die Inkas Bilder der<br />

lebendigen Natur schlechthin sind.<br />

Jesus wird oft als sozialer Kämpfer dargestellt,<br />

als ein gekreuzigter Revolutionär, als<br />

großer Heiler und als Mann, dessen Wort<br />

zu Fleisch geworden ist. So bekundet die<br />

Volkskunst in der Vielzahl ihrer Idole die<br />

grenzenlos­vielfältige Energie der Schöpfertätigkeit<br />

Gottes.<br />

Orlando Vasquez<br />

Geboren 1953 in Lima/Peru •<br />

Initiator und Präsident der Organisation<br />

Inti Raymi • Präsident<br />

verschiedener Handwerkskomi tees<br />

sowie Mitglied im Beratungsausschuss<br />

der peruanischen Regierung zur Förderung<br />

des peruanischen Handwerks.<br />

15


ZuM THEMA<br />

Von leuchtenden Fixsternen<br />

und falschen Feuern<br />

oder: Was der Heilige dem Star voraus hat<br />

von Anja Legge<br />

Wer erinnert sich nicht an die messianisch<br />

anmutenden Auftritte von Michael Jackson,<br />

an die engelsgleich­laszive Marilyn<br />

Monroe, an kreischende Robbie­Williams­<br />

Fans oder das Blumenmeer für die tödlich<br />

verunglückte Lady Diana? Stars und<br />

Sternchen gibt es in unserer multimedialen<br />

Gesellschaft zuhauf. Sie werden in den<br />

Himmel gejubelt, wie Heilige verehrt und<br />

nach ihrem Tod wie Märtyrer glorifi ziert.<br />

Doch wer sind diese „modernen Heiligen“?<br />

Warum spielen sie heute eine so große<br />

Rolle, dass sie gar die Seligen und Heiligen<br />

der Kirche zu verdrängen drohen? Und:<br />

Hat der Medienstar dem Heiligen wirklich<br />

so viel voraus?<br />

Kritische Erwachsene werden<br />

Dass Idole und Vorbilder für die Persönlichkeitsentwicklung<br />

junger Menschen unerlässlich<br />

sind, steht außer Frage. Sie sind<br />

notwendige Orientierungshilfen, damit aus<br />

Kindern reife und (selbst­) kritische Erwachsene<br />

werden können. Das sieht auch Dr.<br />

Wunibald Müller so, Leiter des Recollectio­<br />

Hauses in Münsterschwarzach. Der Prozess<br />

der Identitätsfi ndung beginne damit, dass<br />

sich Heranwachsende zunächst einmal an<br />

Vorbildern aus dem direkten Umfeld orientieren.<br />

„Das können die Eltern, der Pfarrer<br />

oder der Lehrer sein, Menschen, deren<br />

Verhaltens­ und Sichtweisen wir übernehmen<br />

und relativ unrefl ektiert nachahmen“,<br />

erläutert der Theologe, Psychologe und<br />

Psychotherapeut. Doch von ihren ersten<br />

Vorbildern müssen sich Jugendliche im<br />

Alter von 16 bis 23 Jahren wieder lösen.<br />

Dieses Loslassen bringt oft eine Phase der<br />

Unsicherheit, ja der Krise mit sich, ist aber<br />

immens wichtig. „Erst dann kann sich der<br />

Blumenmeer beim Tod von Prinzessin Diana.<br />

16


Blick nach innen richten, kann ich mich<br />

selber fragen: Was ist MEIN Lebenstraum?<br />

Was sind MEINE Überzeugungen?“ Bei der<br />

Beantwortung dieser Fragen können wiederum<br />

andere Menschen helfen, Vorbilder,<br />

die jetzt bewusst ausgewählt werden, weil<br />

sie dem eigenen Inneren entsprechen.<br />

„Mich haben beispielsweise der Theologe<br />

Karl Rahner und der Psychotherapeut<br />

Carl Ransom Rogers unheimlich fasziniert.<br />

Die haben mich angesprochen, zu denen<br />

habe ich aufgeschaut...“, erinnert sich<br />

Wunibald Müller.<br />

Wenn „Fan-Kult“<br />

ins Negative umschlägt<br />

Eine übersteigerte Orientierung am Vorbild<br />

kann jedoch auch ernste Gefahren bergen.<br />

„Der Fan­Kult schlägt dann ins Negative<br />

um, wenn ich ein Stück meiner eigenen<br />

Identität abtrete, mich hinter einem Idol<br />

verstecke und es zum Ersatz für meine eigene<br />

Identität mache“, warnt der Theologe<br />

und Therapeut. Und doch brauchen wir<br />

Idole. Sie begleiten uns ein Leben lang.<br />

„In uns Menschen ist das Bedürfnis verankert,<br />

dass wir zu jemandem aufschauen<br />

wollen, der größer ist als wir selbst“, präzisiert<br />

Müller.<br />

Diese „Sehnsucht nach dem Numinosen“,<br />

wie es Rudolf Otto nannte, will gestillt<br />

werden. Früher waren dafür Religion und<br />

kirchliche Vorbilder zuständig. Heute, in<br />

einer säkularisierten Gesellschaft übernehmen<br />

zunehmend mediale Kultfi guren aus<br />

der Gesellschaft diese Funktion.<br />

Letztlich gibt man sich jedoch hier mit<br />

einem billigen Abklatsch zufrieden. Medien­Stars<br />

– und seien sie noch so strahlend<br />

und berühmt – können die in sie gesetzten<br />

Erwartungen meist einfach nicht<br />

erfüllen. Auch sie sind begrenzt, können<br />

nicht halten, was sie versprechen.<br />

Ein Heiliger sieht immer<br />

zuerst den anderen<br />

Anders bei den Heiligen. In ihnen sieht<br />

Wunibald Müller einen tragfähigen Gegenentwurf,<br />

ein Leitbild, das weiterbringt und<br />

nicht zurückwirft. „Ein Heiliger sieht immer<br />

zuerst den anderen, er erkennt die Heilig­<br />

Edith Stein<br />

(Ordensname: Teresia Benedicta vom Kreuz).<br />

Philosophin, Nonne,<br />

Märtyrerin der katholischen Kirche.<br />

Geboren 12.10.1891 in Breslau.<br />

Gestorben 09.08.1942<br />

im KZ-Auschwitz-Birkenau.<br />

1987 selig gesprochen, 1998 heilig gesprochen.<br />

keit im anderen, nimmt aber auch dessen<br />

Schwächen wahr. Ein Star jedoch will gesehen<br />

und bewundert werden. Er ist narzistisch<br />

und selbstverliebt, für andere ist da<br />

kein Raum…“, defi niert Müller. Ein zweiter<br />

wichtiger Aspekt ist für Müller, dass ein<br />

Heiliger stets Gott die Ehre geben will:<br />

„Seine Hingabe, sein Sich­Verschwenden<br />

führt ihn zu den Menschen und zu Gott.<br />

Die an ihn gerichtete Bewunderung gibt<br />

der Heilige weiter. Auf diese Weise können<br />

wir über Heilige auch mit der göttlichen<br />

Energie in Kontakt treten.“<br />

Ein Star hingegen gibt nichts weiter:<br />

„Flüchtiger Ruhm und falscher Glanz bleiben<br />

an ihm haften und blähen ihn auf…“<br />

Früher oder später kommt es zur Explosion,<br />

weil er den enormen Druck nicht mehr aushalten<br />

kann. Es folgt die Flucht in Drogen,<br />

Alkoholexzesse, Gewalt oder Depression.<br />

„Heilige wie Mutter Theresa, Bischof Oscar<br />

Romero oder Edith Stein sind für mich<br />

Fixsterne, an denen ich mich ausrichten<br />

kann. Ihre durch harte Arbeit erworbene<br />

Heiligkeit erlebe ich als echte, handgreifliche<br />

und konstante Orientierungshilfe, auf<br />

die ich mich jederzeit verlassen kann. Stars<br />

sind hingegen manchmal wie das ignis fatuus,<br />

das falsche Feuer, die Halluzination<br />

in der Wüste…“, resümiert Müller.<br />

Wozu führt es?<br />

Dennoch ist es Müller wichtig, auch hier<br />

genau hinzusehen. „Ich möchte nicht von<br />

vornherein sagen: Hier sind die Heiligen<br />

der katholischen Kirche und dort die bösen<br />

Stars. Es gibt sicherlich auch im weltlichen<br />

Bereich Figuren, von denen etwas Positives<br />

ausgeht… Die Grundfrage ist immer: Wozu<br />

führt es? Macht es mich glücklicher?“ Zudem<br />

verwischen durch das Vordringen<br />

medialer Phänomene in die Religion die<br />

ehemals scharfen Grenzen immer mehr.<br />

So ist der künftige Selige Papst Johannes<br />

Paul II. für Müller eine „Mischform mit<br />

allen Sonnen­ und Schattenseiten“: „Johannes<br />

Paul II. war ein zutiefst religiöser<br />

und spiritueller Mensch, hat sein Bild durch<br />

die Anpassung an heutige Bedürfnisse<br />

aber auch gefährdet. Sein Beispiel zeigt,<br />

dass es gar nicht so einfach ist, das richtige<br />

Maß zu fi nden.“<br />

Wir sind alle<br />

zur Heiligkeit berufen<br />

Wichtig erscheint am Ende für Wunibald<br />

Müller dreierlei: „Gerade junge Menschen<br />

brauchen konkrete Begegnungen mit Menschen,<br />

die ihnen die befreiende Botschaft<br />

des Christentums vorleben.“ Das können<br />

die Brüder der Communauté de Taizé ebenso<br />

sein wie Pater Anselm Grün. Darüber<br />

hinaus dürfe man das Heilig­Sein nicht zu<br />

stark überhöhen, „denn auch ein Heiliger<br />

ist ein Sünder“.<br />

Drittens und letztens jedoch „sollten wir<br />

erkennen, dass auch wir dazu berufen sind,<br />

heilig zu werden“. „Heiligkeit bedeutet der<br />

zu werden, der zu werden Du berufen und<br />

bestimmt bist“, zitiert Müller den Mystiker<br />

Thomas Merton: „Und da habe ich ein Leben<br />

lang mit mir selbst zu tun!“<br />

17


ZuM THEMA<br />

Heilige als Idole<br />

Junge Menschen brauchen Leitbilder<br />

von Fr. Karl v. Ö. Pemsl OT<br />

Schon seit den frühesten Anfängen des<br />

Christentums nahmen Frauen und Männer<br />

in der Kirche eine besondere Stellung<br />

ein, die durch ihr Leben und Handeln, ihre<br />

Werke und Worte Zeugnis für den Glauben<br />

ablegten. Oft führte sie diese konsequente<br />

Lebensführung und das entschiedene Eintreten<br />

für ihren Glauben bis in den Tod,<br />

ins Martyrium. Diese Vorbilder oder Idole<br />

erfahren bis heute eine Verehrung, die regional<br />

begrenzt ist (Selige) oder die gesamte<br />

Weltkirche umspannt (Heilige).<br />

Persönliche Begegnung<br />

mit der Kaiserin<br />

Da ich selber einige Jahre lang regelmäßig<br />

der letzten Kaiserin von Österreich in<br />

ihrem Schweizer Exil begegnen durfte, war<br />

die Seligsprechung ihres Mannes 2004 in<br />

Reliquiar seliger Karl v. Österreich<br />

Rom für mich ein ganz besonderes Ereignis.<br />

Als 1. Ordensmann durfte ich ihn als<br />

Namenspatron wählen! So war es natürlich<br />

für mich eine sehr große Freude als ich<br />

eine Reliquie des neuen Seligen erhielt,<br />

die durch unseren Weihbischof in einem<br />

festlichen Pontifi kalamt in unserer Pfarrkirche<br />

feierlich zur öffentlichen Verehrung<br />

ausgesetzt wurde.<br />

Es freute mich sehr, dass wenige Tage danach<br />

Papst Benedikt XVI. in einer Generalaudienz<br />

in Castel Gandolfo auf dieses<br />

Thema zu sprechen kam, wie Radio Vatikan<br />

berichtete. Er sagte vor einer großen<br />

Menschenmenge: „Jeder sollte einige<br />

Heilige haben, die ihm besonders nahe<br />

sind“ und er führte dann weiter aus: „Mir<br />

selber ist durch meine Studien der hl. Augustinus<br />

ein ganz persönlicher Freund und<br />

Gefährte geworden. Sein Leben war erfüllt<br />

von der Suche nach Wahrheit. Die Unruhe<br />

der Suche habe sein Leben bestimmt, alles<br />

andere habe ihm keine Ruhe gegeben.<br />

Zuletzt sei ihm klar geworden, dass nicht<br />

er die Wahrheit fi ndet, sondern dass die<br />

Wahrheit, die er suchte, ihn gefunden hat.<br />

Wir sollten sicher sein, dass unsere Nähe<br />

zu solchen Heiligen uns wachsen lasse als<br />

Menschen und als Christen. Jeder braucht<br />

in seinem Leben andere Menschen die ihm<br />

nahe sind, Freunde etwa und Familie. Jeder<br />

Mensch braucht aber in seinem Leben<br />

auch Begleiter auf dem Glaubensweg“,<br />

betonte der Papst. „Solche Begleiter auf<br />

dem Glaubensweg könnten geistliche Begleiter<br />

oder Beichtväter sein, es könnten<br />

aber auch einige Heilige sein“.<br />

Junge Menschen<br />

brauchen Leitbilder<br />

Wir alle sind nicht als Einzelwesen auf<br />

diese Welt gekommen, wir sind in eine<br />

Gemeinschaft hineingeboren worden und<br />

brauchten gerade als junge heranwach­<br />

sende Menschen Leitbilder, an denen wir<br />

uns selbst orientieren, unser Leben und<br />

Denken ausrichten konnten. Und hier<br />

kommt es nun darauf an, wo wir unsere<br />

Idole suchen und fi nden, die uns persönlich<br />

beeindrucken und zur Nachahmung anregen.<br />

Junge Menschen ohne religiöse Ausrichtung<br />

fi nden dann wohl eher ihre Idole<br />

in der Musik­ oder Sportszene, in der Politik,<br />

im Film oder Fernsehen. Da kann man<br />

bisweilen eigenartige Identifi kationen mit<br />

ihren Idolen feststellen, die bis zur Wahl<br />

der Kleidung, der Redewendungen, der Gestik<br />

und Mimik führen können und es gibt<br />

oft kuriose Auswüchse dieses Starkults. Da<br />

liegt dann oft das Idol nahe beim Abgott:<br />

der Star, der vergöttert, abgöttisch geliebt<br />

wird, und so erhielt das Idol seinen Negativtouch<br />

in monotheistischen Religionen.<br />

Gerade beim Sport sieht man häufi g, wie<br />

weit eine Nähe zu einem Club oder Verein<br />

gesucht wird, wie viel man bereit ist auf<br />

sich zu nehmen, um ein Idol zu sehen, ein<br />

Spiel oder Konzert mitzuerleben, bei dem<br />

viele in unglaubliche Begeisterungsstürme<br />

bis zur Ekstase ausbrechen können. Dabei<br />

denke ich mir oft, warum solche junge<br />

Menschen sich nicht für einen Heiligen,<br />

ein christliches Vorbild in derartiger Weise<br />

begeistern können?<br />

Absolute Friedensliebe<br />

Aber es gibt sie ja auch, junge Leute, deren<br />

Leben eine Wendung nimmt durch eine<br />

Person wie etwa Mutter Theresa, die schon<br />

zu Lebzeiten so viele junge Frauen in ihren<br />

Orden zog oder Adolf Kolping, der jungen<br />

Männern eine Richtung zeigte und sie in<br />

den Kolpingvereinen oder ­häusern eine<br />

Ausrichtung ihres Glaubens fi nden ließ<br />

und bis heute läßt oder der neue Selige<br />

Papst Johannes Paul II., der so viele junge<br />

Menschen begeisterte bis ins hohe Alter.<br />

Für mich war es der letzte Kaiser und Kö­<br />

18


Junge Teilnehmer bei der Seligsprechung von Mutter Teresa Mutter Teresa<br />

Geboren 1910 in Skopje.<br />

nig von Österreich­Ungarn, Karl aus dem<br />

Hause Habsburg, der in seiner absoluten<br />

Friedensliebe aus dem 1. Weltkrieg auszusteigen<br />

versuchte, in den er durch den<br />

Tod des Kaisers Franz­Josef 1916 als sein<br />

Nachfolger mitten hineingezogen wurde<br />

und der in einer vorbildlichen Weise alle<br />

seine Handlungen in seinem tiefen Glauben<br />

durchbetete und als treuer Familienvater<br />

vielen Männern heute ein Vorbild sein<br />

könnte!<br />

Solche Selige und Heilige können junge<br />

Menschen ebenso begeistern und in ihren<br />

Bann ziehen, dass sie bereit sind alles aufzugeben<br />

und mit ihrem Leben ihnen nachzufolgen,<br />

letztlich in der großen Nachfolge<br />

Jesu Christi, wenn sie etwa in einen Orden<br />

eintreten, den ihr Idol gegründet hat oder<br />

sich engagieren für den Frieden in ihrem Umfeld<br />

oder durch einen Einsatz in der 3. Welt.<br />

Was macht Idole<br />

so unwiderstehlich?<br />

Idole sind also für mich Menschen, die zu<br />

Archetypen wurden – Synonym für ein<br />

ganzes Genre oder eine Zeit. Man fragt<br />

sich, was macht Idole bis heute so unwiderstehlich?<br />

Wieviel hat das Bild, das<br />

wir von ihnen haben, mit der Wirklichkeit<br />

zu tun? Dieses Problem oder diese Diskrepanz<br />

ergibt sich nicht bei den Heiligen,<br />

die mit beiden Beinen auf der Erde stan­<br />

den und durch ihr Leben ein sprechendes<br />

Zeugnis gaben von dem, was sie umtrieb!<br />

Sie haben ihr Leben gemeistert, den guten<br />

Kampf gekämpft. Es lohnt sich ihnen nachzufolgen,<br />

sie zu Vorbildern für mein Leben<br />

zu erwählen, sie haben mir ein gelungenes<br />

Leben vorgeführt, warum also soll ich das<br />

Bewährte nicht nachahmen: Soll etwa das<br />

Rad neu erfunden werden?<br />

Unsere Zeit<br />

braucht Lichtgestalten<br />

Für mich ist es Kaiserin und Königin Zita<br />

von Österreich­Ungarn, die mich wie kein<br />

anderer Mensch beeindruckt hat durch ihren<br />

tiefen Glauben, ihr enormes Gebetsleben<br />

und ihre menschliche Güte, aus deren<br />

Mund ich nie ein böses Wort hörte, auch<br />

nicht über jene, die ihr übel mitgespielt hatten,<br />

als sie und ihr Mann 1918 abgesetzt<br />

wurden, die Heimat verlassen mussten, im<br />

Exil mittellos mit 35 Jahren den Kaiser auf<br />

Madeira 1922 zu Grabe tragen musste,<br />

gefolgt von ihren 7 Kindern, das 8. war<br />

erst im Monat nach dem Tode des Vaters<br />

geboren. In den Wirren der Zwischenkriegsjahre<br />

und im 2. Weltkrieg wurden sie ruhelos<br />

umhergetrieben, nach Portugal und<br />

Belgien, in die USA und schließlich 1962<br />

in die Schweiz, wo sie dann 1989 starb. Ihr<br />

Einreiseverbot nach Österreich wurde erst<br />

1982 auf Intervention des Königs von Spanien<br />

aufgehoben, als sie schon 90 Jahre<br />

Kath. Ordensschwester.<br />

Friedensnobelpreis 1979<br />

Gestorben 1997 in Kalkutta/Indien.<br />

Seligsprechung 2003.<br />

alt war, nachdem man sie 10 Jahre zuvor<br />

nicht einmal zum Begräbnis ihrer ältesten<br />

Tochter hatte einreisen lassen!<br />

So möchte ich meinen kleinen Beitrag<br />

leisten zur Verehrung des letzten apostolischen<br />

Königpaares von Ungarn und erhoffe<br />

auch die Seligsprechung der Kaiserin<br />

Zita, die der neue Selige Papst Johannes<br />

Paul II. wohl schon prophetisch voraussah,<br />

als er bei der Seligsprechung von Kaiser<br />

Karl nicht seinen Todestag als Festtag –<br />

wie sonst üblich – bestimmte, sondern den<br />

Hochzeitstag der beiden, denn diesen haben<br />

sie ja gemeinsam!<br />

Unsere heutige oft dunkle Zeit braucht<br />

solche Lichtgestalten, die unser Leben erhellen<br />

können, denen wir treu im Glauben<br />

nachfolgen können!<br />

Fr. Karl v. Ö. Pemsl OT<br />

Geboren 1944 in der Oberpfalz<br />

• Professe im Deutschen Orden,<br />

im Seelsorgeteam der Deutsch­<br />

Ordens­Werke, Mitarbeit in den<br />

Behinderten­ und Altenhilfeeinrichtungen des<br />

Deutschen Ordens• Vizepostulator im Seligsprechungsprozeß<br />

der Kaiserin und Königin Zita<br />

von Österreich­Ungarn.<br />

19


ZuM THEMA<br />

Mein Idol<br />

– mein Name<br />

von Br. Thomas Morus<br />

Bertram OSB<br />

Nomen est omen<br />

‚Nomen est omen’ – diese lateinische Redensart<br />

kann man frei mit „Der Name ist<br />

Programm“ übersetzen.<br />

Ein Name, den ich trage, oder der mir gegeben<br />

ist, macht etwas mit mir. Sei es nun<br />

ein Spitzname, z. B. ‚Fuzzi’ und ‚Blümchen“,<br />

oder mein Taufname.<br />

Einige Beispiele dafür habe ich aus meiner<br />

Patenklasse vom Egbert­Gymnasium<br />

genommen. Da gibt es Johannes, Florian,<br />

Anna, Joshua, Hannah, Eva, Marie, Sebastian<br />

und Benedikt. Ich erinnere mich,<br />

wie wichtig mir als Kind die Lebensbeschreibung<br />

meines Namenspatrons, des<br />

heiligen Günter, war. Umso mehr wurde<br />

später mein Ordensname für mich zum<br />

Programm.<br />

„Dann ist es halt<br />

ein Doppelname“<br />

Zu meinem Ordensnamen ‚Thomas Morus’<br />

kam ich über krumme Linien, auf denen<br />

Gott bekanntlich gerade schreibt. Wochenlang<br />

war ich auf der Suche nach einem<br />

geeigneten Namen.<br />

Dann passierte es mir während eines<br />

Filmes über unsere Mission in Südafrika,<br />

dass darin eine Pfarrei in der Stadt Vryheid<br />

beschrieben wurde, deren Patron Thomas<br />

Morus ist. Als dann das Gemälde von ihm<br />

kurz im Film erschien, war mir klar: Das ist<br />

mein Name!<br />

Aber ich kannte ihn nicht und er war wie<br />

ein leeres Blatt für mich. So ging ich erst<br />

in die Bibliothek und las seine Lebensbeschreibung.<br />

Je mehr ich über ihn in Erfahrung<br />

brachte, umso deutlicher nahm er in<br />

mir Gestalt an.<br />

Zum Schluss ging ich zu Abt Fidelis und<br />

sagte ihm, dass ich statt drei Namensvorschlägen<br />

nur einen Namenswunsch hätte.<br />

Nach kurzer Bedenkzeit meinte er: „Hast<br />

Du Dir überlegt, dass Du einen Doppelnamen<br />

willst?“ Darauf ich: „Dann ist es halt<br />

ein Doppelname!“<br />

Ein Mann zu jeder Jahreszeit<br />

Wer war Thomas Morus, der Mann, dessen<br />

Heiligsprechung 1935 als ein Zeichen<br />

zum religiösen Widerstand totalitärer Herrschaftsansprüche<br />

angesehen wurde. Viele<br />

Attribute kann man ihm hinzufügen.<br />

Er, der heiliggesprochene Blutzeuge aus<br />

Gewissensgründen. Denn er weigerte<br />

sich, vor einem Unrecht die Augen zu verschließen<br />

und wurde deshalb 1535 enthauptet.<br />

Er hatte es gewagte, der Macht<br />

des Königs von England zu trotzen. Dieser<br />

brillante Humanist und Schriftsteller<br />

(Utopia), der fürsorgliche Familienvater,<br />

der Rechtsgelehrte und Staatsphilosoph,<br />

der Lordkanzler König Heinrichs<br />

VIII und zu guter letzt der Gefangene im<br />

Tower.<br />

Heute ist Thomas Morus der Patron der<br />

KJG (Kath. Junge Gemeinde), der Studenten<br />

und der Politiker, die von seiner<br />

Gradlinigkeit und Wahrheitsliebe viel lernen<br />

können.<br />

Zwei Filme wurden über sein Leben gedreht.<br />

Einer davon trug den Titel: „Ein Mann zu<br />

jeder Jahreszeit“ und wurde mit 6 Oscars<br />

ausgezeichnet. Das Gebet um Humor, ihm<br />

zugeschrieben, ist wie ein Sonnenstrahl in<br />

der Dunkelheit unseres Lebens:<br />

20


Gebet um Humor<br />

Schenke mir eine gute<br />

Verdauung, Herr, und auch<br />

etwas zum Verdauen.<br />

Schenke mir Gesundheit<br />

des Leibes, mit dem nötigen<br />

Sinn dafür, ihn möglichst gut<br />

zu erhalten. Schenke mir eine<br />

heilige Seele, Herr, die das<br />

im Auge behält, was gut ist<br />

und rein, damit sie im Anblick<br />

der Sünde nicht erschrecke,<br />

sondern das Mittel finde,<br />

die Dinge wieder<br />

in Ordnung zu bringen.<br />

Schenke mir eine Seele,<br />

der die Langeweile fremd ist,<br />

die kein Murren kennt und<br />

kein Seufzen und Klagen,<br />

und lass nicht zu, dass ich mir<br />

allzu viel Sorgen mache<br />

um dieses sich breit machende<br />

Etwas, das sich „Ich“ nennt.<br />

Herr, schenke mir Sinn für<br />

Humor, gib mir die Gnade,<br />

einen Scherz zu verstehen,<br />

damit ich ein wenig Glück<br />

kenne im Leben und<br />

anderen davon mitteile.<br />

21<br />

Br. Thomas Morus Bertram OSB<br />

Geboren 1954 in Göttingen •<br />

Profess 1985 • Diplomagraringenieur<br />

• Tansania 1981 – 1984 und<br />

1987 – 2001. Seit 2001 Mitarbeit<br />

in der Missionsprokura


ZuM THEMA<br />

Befragung Befragung Befragung Befragung Befragung der der der der der Mönche Mönche Mönche Mönche Mönche<br />

der Abtei Münsterschwarzach<br />

nach ihren (persönlichen) Vorbildern<br />

Dom Erwin Kräutler<br />

Geboren 1939 in<br />

Koblach/Österreich.<br />

Kath. Ordensgeistlicher.<br />

Seit 1980 Bischof und<br />

Prälat von Xingu/Brasilien.<br />

Im Jahr 2010<br />

Alternativer Nobelpreis.<br />

Br. Bernhard Zeh OSB<br />

Geboren 1898 in Wiesau<br />

Gestorben 1972<br />

in Münsterschwarzach.<br />

Ordensmann und Steinmetz<br />

Andre Agassi<br />

Geboren 1970 in Las Vegas.<br />

Ehemaliger US-amerikanischer<br />

Tennisspieler und Olympiasieger.<br />

Seit 2001 mit der deutschen<br />

Tennisspielerin Steffi Graf verheiratet.<br />

Die beiden haben zwei Kinder.<br />

Mahatma Mahatma Mahatma Mahatma Gandhi Gandhi Gandhi Gandhi<br />

Friedensaktivist, geb. 1869<br />

in Porbandar/Indien,<br />

gestorben 1948 in<br />

Neu Delhi/Indien.<br />

22<br />

Abt Abt Abt Abt Bonifaz Bonifaz Bonifaz Bonifaz Vogel Vogel Vogel Vogel OSB OSB OSB OSB<br />

Evagrius Ponticus<br />

Geboren 1912 in Rehau.<br />

Gestorben 2004<br />

in Münsterschwarzach.<br />

Abt von Münster schwarzach<br />

1959–1982.<br />

Charles de Foucauld<br />

Geboren 1858 in Straßburg.<br />

Ermordet 1919 in Algerien.<br />

Ordensgründer von den<br />

„Kleinen Brüdern und Schwestern“.<br />

Seligsprechung 2005.<br />

Geboren 345 in Ibora/Ägypten.<br />

Gestorben 399 in Ägypten.<br />

Christlicher Mönch („Wüstenvater“),<br />

Asket und Schriftsteller.


Meine Großmutter<br />

Wurde Wurde öfters öfters genannt. genannt.<br />

Henri Nouwen<br />

Geboren 1932 in Nijkerk/Niederlande.<br />

1957 Priesterweihe.<br />

Kath. Priester, Theologe, Psychologe,<br />

geistlicher Schriftsteller.<br />

Richard Richard Richard Richard von von von von Weizsäcker<br />

Weizsäcker<br />

Weizsäcker<br />

Weizsäcker<br />

Geboren 1920 in Stuttgart. 1981–1984<br />

Regierender Bürgermeister von Berlin.<br />

1984–1994 Bundespräsident<br />

der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Richard von Weizsäcker ist seit 1953 mit<br />

Ehefrau Marianne verheiratet.<br />

Das Ehepaar hat 4 Kinder.<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Geboren 1685 in Eisenach.<br />

Gestorben 1750 in Leipzig.<br />

Komponist, Orgel- und<br />

Klaviervirtuose des Barock.<br />

Loriot (Vicco von Bülow)<br />

Humorist, geb. 1923 in Brandenburg.<br />

Joachim Gauck<br />

Geboren 1940 in Rostock.<br />

Evangelischer Pastor und Bürgerrechtler in der DDR.<br />

1990–2000 Leiter der Gauck-Behörde.<br />

2010 Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten.<br />

Meine Mutter<br />

Wurde öfters genannt.<br />

Oskar Romero<br />

Geboren 1917 in El Salvador,<br />

kath. Erzbischof.<br />

Ermordet 1980 in San Salvador.<br />

Reinhard Mey<br />

Musiker/Liedermacher, geb. 1942 in Berlin.<br />

Die Die Redakteure Redakteure der der<br />

Missionszeitschrift RUF<br />

IN DIE ZEIT haben in den<br />

letzten Wochen bei ihren<br />

Mitbrüdern nachgefragt,<br />

welche persönlichen Vorbilder<br />

sie haben. Natürlich stehen<br />

dabei Jesus Christus und<br />

Heilige wie Maria, Elisabeth,<br />

Benedikt und viele andere<br />

aus dem religiösen Bereich<br />

an erster Stelle.<br />

Darüber hinaus wurden<br />

jedoch auch folgende<br />

Persönlichkeiten aus dem<br />

öffentlichen und privaten<br />

Leben genannt…<br />

23


ZuM THEMA<br />

Wie hätte ich mich verhalten?<br />

Was Schüler des Egbert-Gymnasiums am Oratorium für den neuen<br />

Seligen Pfarrer Häfner bewegt / Vorbild mit Ecken und Kanten<br />

von Hendrik Weingärtner<br />

Wenn Vertreter der Diözese Würzburg danach<br />

gefragt werden, was sie an dem neuen<br />

Seligen der Diözese, Pfarrer Georg Häfner,<br />

bewegt, dann erhält man oft folgende<br />

Eigenschaften als Antwort: „Authentizität,<br />

Standhaftigkeit und Tiefgläubigkeit“. Wie<br />

stehen die Schüler des Egbert­Gymnasiums<br />

der Abtei Münsterschwarzach (EGM) zu<br />

diesen Attributen? Was bewegt gerade die<br />

130 Jugendlichen aller Jahrgangsstufen an<br />

dem Märtyrerpriester des 20. Jahrhunderts,<br />

die sich seit September 2010 im Rahmen<br />

eines szenischen Oratoriums mit dessen<br />

Leben und Sterben auseinandersetzen?<br />

Kann überhaupt eine solche Persönlichkeit<br />

Jugendlichen der heutigen Zeit etwas<br />

auf ihren künftigen Lebensweg mitgeben?<br />

Das Oratorium „Häfner – eine Entscheidung“<br />

wurde im März uraufgeführt. Zum<br />

Inhalt: Georg Häfner wird zusammen mit<br />

anderen Priestern in das KZ Dachau eingeliefert<br />

und muss dabei erste entwürdigende<br />

Schikanen über sich ergehen lassen.<br />

In der Kapelle in Dachau erfährt er,<br />

dass es den Priestern dort gestattet ist,<br />

Eucharistie zu feiern: Ein Rettungsanker.<br />

Häfner trifft auf Blockführer Reinhard, der<br />

von ihm verlangt, dass er ihm kurz vor<br />

seinem nahen Tode die Sterbesakramente<br />

spenden soll – genau nach einer solchen<br />

Handlung in seiner Pfarrei war Häfner ins<br />

KZ gebracht worden! Reinhard verspricht<br />

ihm dafür, dass er dann das Lager unversehrt<br />

verlassen dürfe. Häfner befi ndet sich<br />

in einem Zwiespalt: Auf der einen Seite<br />

die Chance, in Freiheit wieder Dienst in<br />

seiner Gemeinde tun zu können, die aber<br />

verbunden ist mit der besonderen Herausforderung,<br />

einem wenig reuigen Sünder<br />

die Absolution zu erteilen, auf der anderen<br />

Seite das menschenunwürdige Leben und<br />

wahrscheinliche Sterben im Lager Dachau<br />

(siehe auch www.georg­haefner.de).<br />

Die Form des Oratoriums, die vom Komponisten<br />

Markus Binzenhöfer bewusst gewählt<br />

wurde, ist etwas Neues, für Schüler<br />

bisher Unbekanntes, etwas anderes eben<br />

als die bisher bekannten Bühnentheater.<br />

Neben Formen der alten Musik, Rezitativ<br />

und Fuge, fi nden sich auch moderne<br />

Klangbilder in der Komposition wieder.<br />

Als Leitmotiv für die gottferne Welt im<br />

KZ Dachau zieht sich beispielsweise der<br />

Passions­Choral „O Haupt voll Blut und<br />

Wunden“ durch die Musik. Dies fasziniert<br />

Chor, Orchester und Solisten, stellt Herausforderungen<br />

an alle, die es gemeinsam zu<br />

meistern gilt, macht „die Welt ohne Gott“<br />

gegenwärtig. Kein leichtes Unterfangen.<br />

Aber eine Sache gibt es doch, die wirklich<br />

alle Beteiligten, Lehrer, Mönche, Eltern und<br />

Schüler, gemeinsam bewegt: Das Erleben<br />

von Gemeinschaft!<br />

Spuren, die sich nicht<br />

verwischen lassen<br />

Welche Schlüsse jeder für sich selber aus<br />

dem Werk zieht, bleibt offen. Auf jeden<br />

Fall lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

sagen, dass die Beschäftigung mit dem<br />

neuen Seligen Spuren hinterlassen hat, die<br />

sich nicht so leicht verwischen lassen. Viele<br />

Fragen tauchen da auf: Wie hätte ich mich<br />

in dieser Situation verhalten? Wäre auch<br />

ich so standhaft für meine Überzeugungen<br />

eingestanden?<br />

Gerade in seiner geradlinigen Konsequenz<br />

zeigt sich für die Teilnehmer der Vorbildcharakter<br />

Häfners. „Für mich ist Georg<br />

Häfner ein Vorbild, weil er auch unter den<br />

Qualen im KZ für seine Überzeugung eingestanden<br />

ist – bis zuletzt“, sagt Haupt­<br />

24


darsteller Matthias Miersch. Im Oratorium<br />

ruft der neue Selige die Jugendlichen auf,<br />

für ihre Überzeugungen in der heutigen<br />

Gesellschaft einzutreten und diese so mitzugestalten,<br />

anstatt sich wie ein Fähnchen<br />

im Wind biegen zu lassen.<br />

Beispiel für Geradlinigkeit<br />

„Er ist wohl das Paradebeispiel für Geradlinigkeit.<br />

Die Konsequenzen, die er zieht<br />

und die entstehen, kann man sich ansehen<br />

und fragen, ob diese Geradlinigkeit<br />

der Weg ist, den man selbst gehen wollte<br />

oder will“, sagt Achim von Wietersheim,<br />

der einen SS­Schergen verkörpert. Für<br />

andere Schüler hingegen ist es nicht die<br />

Person Häfner, die bewegt. „Am Oratorium<br />

bewegen mich eher die Prinzipien, die<br />

vermittelt werden, als die Person Häfner“,<br />

gibt Marius Mülhaupt zur Antwort. Viele<br />

der Mitwirkenden sehen dies ähnlich. Die<br />

vermittelten Inhalte des Stückes sind es,<br />

die Bedeutung haben, die ins Gewicht fallen,<br />

die mehr ansprechen als der Märtyrer.<br />

Der Mensch dahinter, der ohne Zweifel<br />

auch Ecken und Kanten hatte, scheint<br />

vielen in gewisser Weise unsympathisch<br />

zu sein, scheint viele nicht ansprechen zu<br />

können. Da berichten beispielsweise Zeitgenossen<br />

des Priesters aus Oberschwarzach<br />

von Schlägen in der Schule, was eine<br />

solche Haltung ihm gegenüber verständlich<br />

macht. „Ich bin mir nicht sicher, ob<br />

ich ihm vertrauen könnte“ oder „Georg<br />

Häfner ist mir in gewisser Weise unsympathisch“<br />

zitiert eine Ausstellung „Engagierte<br />

Bürger leisten Widerstand“ Schüler<br />

des Gymnasiums. Zeugt das nicht auch<br />

von einer Unnahbarkeit des Priesters für<br />

die Jugend? Doch wenn auch nicht Häfner<br />

selbst, so sind es zumindest die durch das<br />

Oratorium vermittelten Ideale, die Spuren<br />

hinterlassen.<br />

25<br />

Hendrik Weingärtner<br />

Geboren 1993 • Schüler der 11.<br />

Klasse des Egbert­Gymnasiums<br />

• spielt einen SS­Schergen im<br />

Oratorium


INTERVIEW<br />

„Ich wollte nie ein Vorbild sein!“<br />

Abt Michael Reepen über Idole, Vorbilder und<br />

den göttlichen Kern in jedem Menschen<br />

Abt Michael Reepen OSB<br />

Welche Assoziationen haben Sie zu den<br />

Begriffen Idol und Vorbild?<br />

Ehrlich gesagt habe ich mit beiden Begriffen<br />

meine Schwierigkeiten. Der Begriff<br />

„Idol“ verweist mich auf den Abgott, also<br />

etwas, was Gott gleich oder an seine Stelle<br />

gesetzt wird. Man könnte hier zum Beispiel<br />

an das Goldene Kalb im Alten Testament<br />

denken, das die Menschen zu einem Abgott,<br />

einem Götzenbild erhoben haben.<br />

Zum Begriff „Vorbild“ habe ich als Novizenmeister<br />

einmal ganz unverschämt gesagt,<br />

dass ich nie ein Vorbild sein möchte.<br />

Der Grund dafür lag darin, dass ich nicht<br />

ständig vor meinem Bild herlaufen möchte.<br />

Ich möchte vielmehr ich selbst sein, der, der<br />

ich wirklich bin und nicht jemand, zu dem<br />

andere aufschauen. Für mich ist die Frage<br />

wichtig: Wie fi nde ich zu dem, den Gott<br />

eigentlich mit mir gemeint hat?<br />

Ganz ohne Vorbilder geht es aber dennoch<br />

nicht, oder? Gerade für Heranwachsende,<br />

die mitten in der Persönlichkeitsentwicklung<br />

stecken, sind Vorbilder unerlässliche<br />

Orientierungs hilfen…<br />

Natürlich gibt es im Leben jedes Menschen<br />

Personen, die für die eigene Entwicklung<br />

wichtig sind. Dies beginnt schon bei der<br />

Geburt: Die Eltern sind das erste Vorbild<br />

jedes Menschen. Das setzt sich fort mit<br />

Freunden, Lehrern, in der Pubertät rücken<br />

dann Stars in den Vordergrund und so fort.<br />

Richtig verstanden sind Vorbilder für mich<br />

Menschen, an denen ich reifen und wachsen,<br />

von denen ich etwas lernen kann. Es<br />

sind Menschen, die mir helfen, mein ureigenes<br />

Potential zu entwickeln.<br />

Welche Vorbilder waren (und sind) für Sie<br />

persönlich wichtig?<br />

Da sind zunächst mal meine Eltern und die<br />

Art, wie sie mich erzogen haben. Meine<br />

Eltern haben mir immer eine große Freiheit<br />

gelassen, damit ich mich entwickeln konnte.<br />

Sie standen mir stets offen gegenüber,<br />

haben mich nie gedrängt. Diese Freiheit<br />

hat mir Raum gegeben, meinen eigenen<br />

Weg zu fi nden. Später gab es für mich nie<br />

EIN großes Vorbild, vielmehr bin in den<br />

verschiedenen Lebensphasen immer den<br />

richtigen Menschen begegnet; Menschen,<br />

die mich ein Stück begleitet haben und<br />

die mir geholfen haben, meine geistliche<br />

Seite zu entwickeln. Ich denke da an einen<br />

Erzieher in meiner Schulzeit, der für mich<br />

wichtig war, an den einen oder anderen<br />

Mitbruder.<br />

Welche Rolle spielen Vorbilder in der<br />

Kirche?<br />

Die kirchlichen Vorbilder par excellence<br />

sind ja die Heiligen. Und die sind zweifellos<br />

wichtig. Das Problem ist nur, dass wir<br />

die Heiligen zu hoch auf die Altäre gesetzt<br />

und zu sehr vergoldet haben. Auf diese<br />

Weise wurden sie schlichtweg unerreichbar!<br />

Deshalb fi nde ich es sehr schön, dass<br />

in unserer Abteikirche die Heiligen auf der<br />

Ebene des Volkes stehen. Sie sind mitten<br />

unter uns, sie sind Menschen, die so gelebt<br />

haben wie wir und deren Leben gelungen<br />

26


ist. Und da kann ich mich anschließen.<br />

Da begeistert mich Benedikt ebenso wie<br />

Charles de Foucault, Mutter Teresa oder<br />

Abt Egbert. Das sind Menschen, die vom<br />

lieben Gott die Gnade bekommen haben,<br />

etwas zu leben, was für sie und die Welt<br />

heilsam war. Nicht vergessen sollte man<br />

dabei, dass ja wir alle zur Heiligkeit berufen<br />

sind. Dabei können uns die Heiligen<br />

eine große Hilfe sein. Sie können durch ihre<br />

Qualität etwas in mir selbst wecken. So<br />

kann zum Beispiel die Weite des Herzens<br />

des heiligen Benedikt auch mein Herz weiten.<br />

Oder die Bereitschaft zur Erneuerung<br />

von Abt Egbert erwacht auch in mir. Die<br />

Heiligen können also eine Hilfe sein, dass<br />

sich auftut, was in mir angelegt ist.<br />

In den Heiligen wird schließlich auch etwas<br />

von Gott sichtbar. Und weil sie Menschen<br />

waren wie du und ich, erfahre ich hier: Etwas<br />

von diesem dreifaltigen Gott ist auch<br />

in mir! Christus will auch in mir lebendig<br />

werden. Seine Kraft und seine Liebe wollen<br />

auch in mir geweckt werden.<br />

Papst Johannes Paul II<br />

(Karol Jozef Wojtyla)<br />

geboren 1920 in Wadowice, Polen.<br />

Gestorben 2005 in Vatikanstadt.<br />

Papst 1978–2005.<br />

Welche Vorbilder würden Sie jungen<br />

Menschen von heute ans Herz legen?<br />

Ein ganz eigenartiges Phänomen war für<br />

mich die Verehrung von Papst Johannes<br />

Paul II. In seinen letzten Jahren war er ein<br />

alter, gebrechlicher Mann, und die Lehren,<br />

die er verkündet hat, waren alles andere<br />

als jugendlich. Und doch haben ihn gerade<br />

die Jugendlichen über alles geliebt. Das<br />

Anziehende an ihm war wohl seine totale<br />

Menschenzugewandtheit, sein tiefes Verständnis<br />

und seine Liebe.<br />

Wenn ich Jugendlichen darüber hinaus<br />

eine Empfehlung geben sollte, würde ich<br />

ihnen solche Menschen ans Herz legen, die<br />

sich für andere eingesetzt haben, die dafür<br />

gesorgt haben, dass etwas mehr Frieden<br />

und Liebe in die Welt kommen. Ich denke<br />

da zum Beispiel an Mahatma Gandhi, an<br />

alle, die dem allgemeinen Trend nach Egoismus,<br />

Geld, Macht und Glitzerglanz zumindest<br />

ein bisschen entgegengewirkt und<br />

die Welt verändert haben. Denn das birgt<br />

die Chance, dass sich auch etwas in ihnen<br />

selbst verändert.<br />

Auch wenn Sie das nie so wollten – als<br />

Abt sind Sie heute selbst ein Vorbild.<br />

Welche Botschaft möchten Sie vermitteln?<br />

Was ist Ihr Anliegen?<br />

Mir ist es ein Anliegen, jeden Menschen<br />

so zu nehmen und anzunehmen, wie er<br />

ist. Ohne über ihn zu urteilen. Ich möchte<br />

versuchen, ihn in seiner innersten Klarheit<br />

zu sehen. Ich möchte keine vorgefertigten<br />

Bilder sehen, sondern offen sein für den<br />

eigentlichen Kern. Das war mir schon bei<br />

meiner Arbeit als Novizenmeister und im<br />

Lehrlingsseminar wichtig. Natürlich ist das<br />

manchmal schwierig. Wir denken viel zu<br />

oft in Schwarz und Weiß, verfrachten einen<br />

Menschen vorschnell in eine bestimmte<br />

Schublade. Aber es gibt auch einen anderen<br />

Blick für den Menschen! Ich habe da<br />

ein unverschämtes Vertrauen, dass Gott<br />

in jedem, aber auch jedem Menschen ist.<br />

Das kann total verdeckt und im Innersten<br />

verschüttet sein. Aber daran glaube ich.<br />

An dieses Grundvertrauen knüpft in gewisser<br />

Weise auch mein Wahlspruch „cum<br />

gaudio sancti spiritus“ (in der Freude des<br />

Heiligen Geistes) an. Das lateinische Wort<br />

gaudium meint nicht das aufgesetzte Fröhlichsein,<br />

sondern die innere Freude, den<br />

göttlichen Kern, der in jedem Menschen<br />

leuchtet.<br />

Zu ihren Aufgaben gehört es auch, die<br />

Ordensnamen für die Neuprofessen auszusuchen.<br />

Haben diese Namen Aufforde-<br />

rungscharakter?<br />

Die Novizen machen drei Namensvorschläge,<br />

über die wir dann gemeinsam sprechen.<br />

Mir ist es wichtig, dass der Name stimmt!<br />

Dass jemand zum Beispiel den heiligen<br />

Franziskus toll fi ndet, reicht einfach nicht.<br />

Es muss eine innere Verwandtschaft, ein<br />

innerer Widerhall da sein. Der gewählte<br />

Name muss etwas in seinem Träger anklingen<br />

lassen, so dass er im Laufe seines<br />

Lebens immer mehr in seinen Namen hineinwächst<br />

und die Kraft dieses Heiligen<br />

in ihm lebendig werden kann. Später ist<br />

es dann oft verblüffend zu sehen, welche<br />

Parallelitäten sich da auftun: Im Denken,<br />

im Verhalten, manchmal sogar bis hin zur<br />

Wortwahl! Ich entdecke bei meinen Mitbrüdern<br />

immer wieder einzelne Qualitäten<br />

ihrer Namenspatrone. Und deshalb ist es<br />

nicht egal, welchen Namen man wählt.<br />

Ihr eigener Professname lautet Michael.<br />

Was ist der Hintergrund?<br />

Ich habe meinen Namen nicht gewechselt.<br />

Mein Taufname ist auch mein Ordensname.<br />

Natürlich hatte auch ich drei Vorschläge<br />

und habe mir ernsthaft überlegt, meinen<br />

Namen zu wechseln. Doch dann wurde mir<br />

plötzlich klar, dass der liebe Gott mit dem<br />

Michael schon so viel gemacht hat und<br />

dass er mich unter diesem Schutz auch<br />

weiter führen wird.<br />

Was bedeutet Ihnen der Name Michael?<br />

Michael – „Wer ist wie Gott?“ – hat sehr<br />

viel mit Licht und Dunkel zu tun, mit der<br />

Notwendigkeit zu erkennen, was Licht und<br />

Dunkel, was Gut und Böse ist. Auch in<br />

meinem Leben gibt es viele Punkte, an<br />

denen diese Unterscheidungsgabe wichtig<br />

war, an denen ich erkennen musste: Riecht<br />

es nach Weihrauch oder Schwefel? Außerdem<br />

spielt für mich auch der Aspekt des<br />

streitbaren Engels eine wichtige Rolle: Der<br />

heilige Michael ist stark, er schützt. Und<br />

deshalb stelle auch ich mir manchmal vor,<br />

wie er seine schützenden Flügel um mich<br />

legt, wenn es zu hart wird.<br />

Herzlichen Dank, Abt Michael!<br />

Das Interview führte Anja Legge<br />

27


PROJEKT<br />

Mehr als eine gute Handwerkerausbildung<br />

Helfen Sie jungen Menschen in Tansania<br />

Von Anfang an haben die Mönche und<br />

Schwestern von Peramiho großen Wert auf<br />

die Ausbildung von einheimischen Handwerkern<br />

gelegt. Die Ausbildungswerkstätten<br />

sind seit 1928 in der Trade School –<br />

Berufsschule – zusammengefasst. Die jungen<br />

Menschen bekommen mehr als eine<br />

gute Handwerkerausbildung. Sie werden in<br />

ihren Gaben und Talenten gefördert und<br />

erfahren eine christliche Prägung.<br />

Die als Internat geführte Schule wird zur<br />

Zeit von 90 Jungen und Mädchen besucht,<br />

die in den Berufen Automechaniker, Dreher,<br />

Spengler, Drucker, Buchbinder, Schreiner,<br />

Elektriker und Schneider ausgebildet<br />

werden. Manche haben zuvor nur die siebenjährige<br />

Grundschule besucht, andere<br />

haben zusätzlich vier Jahre Sekundarschule<br />

absolviert. Die Ausbildung mit staatlicher<br />

Abschlussprüfung dauert 4 Jahre. Pro<br />

Jahr müssen die Schüler ein Schulgeld von<br />

ca. 180 Euro bezahlen.<br />

Seit 2006 gibt es auch eine Computerklasse.<br />

Mit Hilfe von Spendern aus<br />

Deutschland konnten wir in Dar es Salaam<br />

20 Computer kaufen. Der Siegeszug dieser<br />

Technologie macht auch vor Afrika nicht<br />

halt und verändert das Leben der Menschen.<br />

Nur wer in die Geheimnisse der<br />

Computerwelt eingeführt ist, hat später<br />

auf dem Arbeitsmarkt Chancen und kann<br />

erfolgreich sein. Außerhalb der Schulzeit<br />

wird der Computerraum für Fortbildungskurse<br />

für jedermann genutzt.<br />

Vielen jungen Menschen ist es nicht möglich<br />

unsere Handwerkerschule zu besuchen,<br />

da die Eltern nicht genug Geld haben, um<br />

das jährliche Schulgeld zu bezahlen. Helfen<br />

Sie bitte mit, dass vielen begabten<br />

Menschen die Ausbildung in Peramiho<br />

ermöglicht wird.<br />

Spendenaufruf<br />

Schulgeld für einen Tag 50 Cent<br />

für einen Monat 15 Euro<br />

für ein Jahr 180 Euro<br />

Liga Bank eG<br />

Konto­Nr. 3015033, BLZ 750 903 00<br />

Kennwort: Handwerker<br />

Herzlichen Dank für Ihre Hilfe<br />

Abt Anastasius Reiser OSB<br />

und die jungen Menschen von der<br />

Handwerkerschule Peramiho<br />

28


Symbole in der sakralen Kunst.<br />

Alle Handwerker, die in der Abtei Münsterschwarzach<br />

tätig sind, kommen mit christlichen<br />

Symbolen tagtäglich in Berührung.<br />

Ob es nun der Bäcker ist, der das Kreuz<br />

in den Brotlaib ritzt, der Gärtner, der die<br />

Palmzweige schneidet oder den Christbaum<br />

fällt, der Schmied, der ein „Ewiges<br />

Licht“ schmiedet oder der Schreiner, der<br />

ein Holzkreuz fertigt.<br />

Besonders tief mit der Symbolik christlicher<br />

Motive befassen sich die Gold­ & Silberschmiede<br />

in ihrer Aufgabe der Herstellung<br />

sakraler Geräte.<br />

Das Wein­ & Wasserkännchen, die Taufkanne,<br />

der Weihwasserkessel oder gar das<br />

Taufbecken. Das alles sind Geräte, die eine<br />

Primizkelch mit Hostienschale<br />

kostbare Flüssigkeit fassen und durch Symbole<br />

zusätzlich gekennzeichnet werden.<br />

Weitere Beispiele sind Patene oder Hostienschale<br />

als Gabenteller, das Ciborium und<br />

auch der Tabernakel als Schutzraum für<br />

das Allerheiligste oder der Leuchter für die<br />

Oster kerze. Dieser ist erst mal nur der Träger<br />

für das Licht, kann jedoch durch seine<br />

Gestaltung selbst zu einem Zeichen werden.<br />

In der christlichen Symbolsprache natürlich<br />

allgegenwärtig ist das Kreuz. Als kleines<br />

Zeichen auf der Patene oder als großes,<br />

an der Wand. Das Kreuz mit einem Korpus<br />

versehen oder schlicht in der Form, mal nur<br />

die Wundmale zitierend oder die Krone des<br />

Christkönigs.<br />

Bischofsstab<br />

Der Krummstab<br />

ist schon seit<br />

den Ägyptern<br />

ab ca. 2707 v.Chr.<br />

(Altes Reich)<br />

als Herrschafts -<br />

symbol bekannt


Die Trauringe symbolisieren den Bund der Ehe, der Diamant die Ewigkeit<br />

Ein weiteres häufi g verwendetes Motiv ist<br />

das des Heiligen Geistes, meist als Taube<br />

dargestellt.<br />

Wodurch entstanden jedoch z. B. die<br />

vielen Symbole Biblischer Gestalten<br />

oder Ereignisse?<br />

Vermutlich,<br />

damit es nur<br />

eingeweih te<br />

Personen erkennen wie der Fisch (ICH­<br />

THYS) und auch, um den vielen Gläubigen,<br />

die nicht lesen und schreiben konnten,<br />

die Heilige Schrift näher zu bringen.<br />

Oftmals ergibt sich erst im persönlichen<br />

Gespräch mit dem Auftraggeber, auf was<br />

es dem Kunden besonders ankommt.<br />

Das Kreuz als Bekenntnis zum Glauben<br />

Beispielsweise der Primizkelch, der den<br />

Priester sein Leben lang begleitet. Vielfach<br />

werden in dieses heilige Altargerät auch<br />

persönliche Symbole mit eingebracht. Ein<br />

Stück Holz aus dem elterlichen Garten<br />

oder ein Stein aus der Heimatpfarrei, die<br />

Ringe der Eltern, das Bild eines Heiligen,<br />

der besondere Bedeutung für den Primizianten<br />

hat und vieles mehr. Vielleicht ist<br />

das eine oder andere Symbol dabei für den<br />

Außenstehenden nicht von Bedeutung, für<br />

den Besitzer jedoch verbirgt sich in diesem<br />

Sinneszeichen etwas ganz besonderes,<br />

kostbares, Kraft und Halt gebendes.<br />

Somit hat jedes sakrale Gerät, das in der<br />

Gold­ & Silberschmiede der Abtei Münsterschwarzach<br />

gefertigt wird, einen kreativen<br />

und symbolischen Hintergrund.<br />

Das Bild zeigt einen Osterleuchter mit<br />

7 Segmenten. Diese stehen für die Schöpfung.<br />

Das 8. Segment, die Osterkerze,<br />

symbolisiert das Licht, die Auferstehung.


NAMEN/NAcHRIcHTEN<br />

Ort des Rückzugs und geistliche Tankstelle<br />

„Wir alle sind ein Leben lang reparaturbedürftig!“<br />

Das Recollectio-Haus in Münsterschwarzach feiert 20-jähriges Bestehen<br />

Als „Oase, geistliche Tankstelle, Intensivstation<br />

mit großer Aussicht auf Heilung,<br />

Sauerstofffl asche, Ort des Rückzugs und<br />

der Ich-Stärke, als bunter Garten, in dem<br />

alles wachsen darf“ bezeichneten Ehemalige<br />

und Freunde das Recollectio-Haus<br />

in Münsterschwarzach bei einem Symposium<br />

zum 20-jährigen Bestehen des<br />

Hauses. Rund 150 Gäste kamen zur Jubiläumsveranstaltung;<br />

unter ihnen viele<br />

ehemalige KursteilnehmerInnen sowie<br />

Menschen, die sich dem Haus und der<br />

Abtei verbunden fühlen.<br />

Das Recollectio­Haus ist ein Angebot<br />

für Priester, Ordensleute und kirchliche<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die<br />

im spirituellen Ambiente der geistlichen<br />

Gemeinschaft der Benediktiner von Münsterschwarzach<br />

innehalten, über ihr Leben<br />

nachdenken, einer Krise nachspüren oder<br />

neue Kraft für ihr berufl iches und persönliches<br />

Leben schöpfen wollen. So heißt es<br />

auf der Homepage des Hauses im Internet.<br />

Gründer ist der Psychotherapeut und Theologe<br />

Dr. Wunibald Müller, der das Haus<br />

gemeinsam mit dem Benediktinerpater,<br />

geistlichen Autor und Cellerar der Abtei<br />

Dr. Anselm Grün leitet. Müllers Intention<br />

war es, „einen Ort der Kraft zu schaffen,<br />

an dem Therapie und geistliche Dimension<br />

miteinander verknüpft werden – getreu<br />

dem Motto: Du hast viel mehr Möglichkeiten,<br />

als du denkst. Ganz zu schweigen<br />

von den ungeahnten Möglichkeiten Gottes<br />

mit dir.“<br />

Beim zweiten Anlauf glückte es<br />

Dass die Durchführung eines so wagemutigen<br />

Projekts alles andere als leicht war,<br />

daran erinnerte der damalige Abt von Münsterschwarzach<br />

Pater Fidelis Ruppert. Auf<br />

einen ersten Brief an die Bischofskonferenz<br />

in den 80er Jahren habe man eine „nicht<br />

sehr ermutigende Antwort“ erhalten. Besser<br />

glückte hingegen der zweite Anlauf mit<br />

Unterstützung durch die Diözesen Würzburg,<br />

Freiburg und Rottenburg­Stuttgart,<br />

so dass man das Haus 1991 eröffnen konnte.<br />

Heute wird die Einrichtung der Benedik­<br />

v.l.n.r. P. Anselm Grün OSB, Generalvikar Karl Hillenbrand, Abt Michael Reepen OSB; Wunibald<br />

Müller, P. Fidelis Ruppert OSB, P. Meinrad Duffner OSB<br />

tinerabtei Münsterschwarzach, die bis dato<br />

einzigartig im deutschsprachigen Raum ist,<br />

von acht Diözesen fi nanziell mitgetragen,<br />

nämlich Augsburg, Freiburg im Breisgau,<br />

Limburg, Mainz, München­Freising, Paderborn,<br />

Rottenburg­Stuttgart und Würzburg.<br />

Rund 1200 kirchliche Mitarbeiter, Priester<br />

und Ordensleute aus ganz Europa haben<br />

in den vergangenen zwanzig Jahren das<br />

Angebot des Recollectio­Hauses genutzt.<br />

In Kursen von neun bis zwölf Wochen und<br />

in fachkundiger Begleitung durch ein Team<br />

aus Psychotherapeuten, geistlichen Begleitern<br />

und Ärzten durften sie hier „heilen<br />

und gesund werden, Freiheit und menschliche<br />

Weite spüren, sich zum Leben(digen)<br />

wenden, aus Last und Trauer auferstehen“.<br />

Sie haben „gewagt unbequem zu sein, den<br />

Mut zum Leben wieder gefunden, aus ihrer<br />

Angst herausgefunden“, erzählen viele.<br />

„Geschützter Ort,<br />

an dem man auftanken kann“<br />

Ganz in diesem Sinne bezeichnete auch<br />

Abt Michael Reepen das Reco­Haus, wie<br />

es die Mönche liebevoll nennen, als „geschützten<br />

Ort, an dem man auftanken, an<br />

den man sich in einer Krise wenden und<br />

Erneuerung fi nden kann“. Die Besonderheit<br />

liegt seiner Ansicht nach darin, dass<br />

man das Haus nicht auf der grünen Wiese<br />

ansiedelte, sondern im Schatten des<br />

Klosters. Seiner Erfahrung nach tut der<br />

Herzschlag des Klosters den Gästen gut,<br />

ebenso wie die Mitarbeit in den Klosterbetrieben<br />

und der Kontakt mit den Mönchen.<br />

Umgekehrt habe man selbst vom Reco­<br />

Haus und seinen Menschen gelernt, dass<br />

„Krisen zum Leben dazugehören“ und dass<br />

es „keine Schande ist, Hilfe anzunehmen.“<br />

Der Blick auf das Reco­Haus ermutige<br />

die Klostergemeinschaft, „hinzuschauen<br />

und Tabu­Themen wie Sexualität, Ehelosigkeit,<br />

Missbrauch und Sucht offen anzu­<br />

32


Teilnehmer schreiben, was ihnen das Recol lec tio-Haus bedeutet<br />

sprechen.“ Die Bischöfe anderer Bistümer<br />

zeigten sich dankbar für die Arbeit, die<br />

hier geleistet wird, berichtete Abt Michael<br />

weiter. Zugleich sprach er aber auch unverhohlen<br />

die Sorge anderer kirchlicher Organe<br />

an, ob das Haus nicht zu liberal sei.<br />

Dem entgegnen sowohl Abt Michael wie<br />

auch sein Vorgänger Pater Fidelis einhellig:<br />

„Auch wenn manche den Orden verlassen<br />

oder das Priesteramt niederlegen… Alle<br />

gehen versöhnt mit sich selbst, mit Gott<br />

und der Kirche, und alle wissen, wie es<br />

weitergeht.“ In solchen Situationen spüre<br />

man eine befreiende Weite.<br />

Eigene Wahrheit fi nden<br />

Der Gründer des Hauses, Dr. Wunibald<br />

Müller, sieht im Recollectio­Haus eine Reparaturwerkstätte,<br />

denn: „Wir alle sind ein<br />

Leben lang reparaturbedürftig“, betonte<br />

er. Ziel sei es, Menschen bei ihrem Ringen,<br />

die eigene Wahrheit zu fi nden, zu begleiten:<br />

„Hier können sie herausfi nden, was sie<br />

im Innersten bewegt und wozu Gott sie<br />

bestimmt hat – sei es, dass sie die neue<br />

Lust und Leidenschaft als Priester entdecken,<br />

sei es, dass sie einen neuen Weg<br />

beschreiten.“ Souverän ging Müller mit den<br />

kritischen, ja zuweilen bissigen Stimmen<br />

um. Für ihn ist eine derartige Reaktion<br />

verständlich, denn „wer von hier fort geht,<br />

ist in seiner Ich­Stärke gewachsen und<br />

deshalb eben nicht mehr so pfl egeleicht“.<br />

Ungeachtet mancher Widerstände blieb<br />

das Reco­Team unbeirrt auf seinem Weg<br />

– ja, wurde gerade mit Blick auf die aktuellen<br />

Erschütterungen noch gestärkt. Am<br />

Ende des gleichermaßen unterhaltsamen<br />

wie gehaltvollen Festvortrags stand die<br />

Mit Unfertigkeiten<br />

und Wunden leben<br />

selbstbewusste Schlussfolgerung,<br />

dass wohl<br />

Gott selbst die Idee zum<br />

Reco­Haus gehabt haben<br />

müsse, „weil er sich<br />

in Münsterschwarzach<br />

besonders wohl fühlt“.<br />

Interessante Einblicke trug auch der ehemalige<br />

Personalreferent der Diözese München­Freising<br />

Dr. Wolfgang Schwab bei,<br />

der 1995 erstmals im Recollectio­Haus<br />

war. Sein einseitiges Bild von einem „Haus<br />

für angeschlagene Priester, die mit dem<br />

Zölibat haderten“ wich hoher Wertschätzung:<br />

„Hier lernen Menschen, mit ihren<br />

Unfertigkeiten und Wunden zu leben, hier<br />

erfahren sie wirklich Hilfe. Hier habe ich<br />

gelernt: Nichts ist so vielfältig wie Menschen<br />

auf dem Weg zu Gott!“ Gerade vor<br />

dem Hintergrund neuer Strukturpläne und<br />

der Schaffung riesiger Seelsorgeeinheiten,<br />

die Menschen „mit Wucht in tiefe Nöte treiben“,<br />

sei ihm um die Zukunft des Hauses<br />

nicht bang. Von evangelischer Seite gratulierte<br />

Hartmut Stoll, ehemaliger Leiter des<br />

Hauses Respiratio auf dem Schwanberg.<br />

Das Haus der evangelischen Landeskirchen<br />

in Bayern, Baden und Württemberg<br />

für ausgebrannte kirchliche Mitarbeiter<br />

habe viel gelernt von der älteren Schwester<br />

Recollectio.<br />

Bei der Posiumsdiskussion<br />

Mensch werden<br />

und Mensch bleiben<br />

Nach dem Mittagessen und der Möglichkeit<br />

zu persönlicher Begegnung lud Dr.<br />

Ruthard Ott zu einer Podiumsdiskussion<br />

zum Thema „Mensch werden und Mensch<br />

bleiben im Unternehmen Kirche“. Abt<br />

Michael Reepen, Dr. Karl Hillenbrand (Generalvikar<br />

der Diözese Würzburg), Ursula<br />

Schieler (Diözesanreferentin für pastorale<br />

Mitarbeiter der Diözese Rottenburg­Stuttgart)<br />

und Dr. Bernd Deininger (Chefarzt<br />

im Bereich Psychosomatik am Nürnberger<br />

Martha­Maria­Krankenhaus) umrissen die<br />

Bedingungen, die kirchliche Mitarbeiter<br />

für ein gelungenes Menschsein benötigen.<br />

Rasch rückte der Zwiespalt zwischen<br />

(kirchlichem) Anspruch und (menschlicher)<br />

Wirklichkeit in den Mittelpunkt.<br />

Aus dem Publikum wurden ebenso nachdenkliche<br />

wie kritische Stimmen laut und<br />

verwiesen auf die Barmherzigkeit Gottes<br />

statt unbarmherziger Regelungen und die<br />

befreiende Weite der Botschaft Gottes statt<br />

kirchlicher Enge. Abt Michael wünschte sich<br />

für die Zukunft „Freiheit, die dem Heiligen<br />

Geist eine Chance gibt“. Generalvikar Hillenbrand<br />

ermutigte dazu, jeden einzelnen<br />

Mitarbeiter als „Geschenk Gottes“ zu sehen<br />

und dankte dem Haus für seinen Beitrag zu<br />

geistlichen Menschen und menschlichen<br />

Geistlichen. „Ich wünsche mir, dass der Energievorrat<br />

dieser geistlichen Tankstelle nie<br />

ausgeht!“<br />

33


NAMEN/NAcHRIcHTEN<br />

Ein offenes Haus für alle Menschen<br />

Mit der Schließung von Haus Benedikt in Würzburg zum 31. Dezember 2010<br />

ist eine ära zu Ende gegangen – ein Rückblick auf 92 bewegte Jahre<br />

von Anja Legge<br />

Knapp 100 Jahre haben die Benediktiner<br />

aus Münsterschwarzach das Haus Benedikt<br />

als Kolleg, Internat und Bildungshaus<br />

genutzt. Viele Ordensstudenten und<br />

Schüler sind von hier aus ihren Studien<br />

nachgegangen. Und kaum überschaubar<br />

ist die Zahl jener Menschen, die im Haus<br />

Benedikt wertvolle Impulse und Orientierung<br />

für ihren berufl ichen wie privaten<br />

Alltag gefunden haben. Zum Jahresende<br />

2010 wurde das renommierte Haus nun<br />

geschlossen und die Bildungsarbeit nach<br />

Münsterschwarzach verlagert. Ein Anlass<br />

zurückzublicken auf viele facettenreiche<br />

Jahre mönchischen Lebens in der Stadt.<br />

Bereits wenige Jahre nach der Wiederbesiedelung<br />

der Abtei Münsterschwarzach<br />

war es Abt Placidus Vogel ein Anliegen,<br />

in Würzburg ein Studienkolleg für die Ordensstudenten<br />

zu errichten. Deshalb erwarb<br />

man 1918 die Villa Noell, ein Haus<br />

mit Garten und Nebengebäuden zwischen<br />

Platz’schem Garten und Alleestraße (heute<br />

St. Benedikt Straße). Vom neu eingerichteten<br />

Kolleg St. Josef konnten studierende<br />

Mitbrüder nun bequem ihre Vorlesungen<br />

an der Universität Würzburg besuchen. Zu­<br />

gleich war das Haus Internat für Schüler<br />

des Egbert­Gymnasiums, die die Oberstufe<br />

an den Würzburger Gymnasien absolvieren<br />

konnten. Da die Gemeinschaft rasch<br />

wuchs, reichte bald der Platz nicht mehr<br />

aus und man machte sich an die Planung<br />

eines Neubaus mit Seminar und Kirche.<br />

1928 wurde die nach Plänen von Albert<br />

Boßlet erbaute Kirche von Bischof Matthias<br />

Ehrenfried eingeweiht und das Haus in<br />

„St. Benedikt“ umbenannt.<br />

Nacht- und Nebelaktion<br />

Mit dem Aufstieg des Nazi­Regimes begann<br />

auch die Katastrophe für das Haus<br />

St. Benedikt. Tapfer versuchte man sich<br />

gegen das drohende Unheil zu wehren: In<br />

einer Nacht­ und Nebelaktion vervielfältigte<br />

Pater Sales Hess mit einigen Studenten<br />

10.000 Briefe und verschickte diese an die<br />

Wohltäter der Abtei. Mit den Worten „Tante<br />

Felizitas liegt im Sterben“ kündigte er<br />

die Schließung der Abtei Münsterschwarzach<br />

an. Pater Sales kam für diese mutige<br />

Aktion ins Konzentrationslager Dachau,<br />

das Studienkolleg wurde im Mai 1941<br />

aufgehoben. Während man im Haus eine<br />

Lehrerfortbildungsanstalt unterbrachte,<br />

v.l.n.r.: Br. Sturmius<br />

Stöcklein OSB,<br />

Br. Isaak Grünberger<br />

OSB,<br />

P. Cornelius Hörnig<br />

OSB<br />

wurde der benachbarte Platz’sche Garten,<br />

bis dato Tanzlokal und Variété, Schauplatz<br />

für ein düsteres Kapitel in der Würzburger<br />

Geschichte: Der Ort wurde zum Sammelplatz<br />

für die jüdischen Mitbürgerinnen und<br />

Bürger, von dem aus sie zum Verladebahnhof<br />

Aumühle marschieren mussten; dort<br />

starteten dann die Deportations­Züge in<br />

die Konzentrationslager. Zur Erinnerung an<br />

die Opfer wurde im November 2010 ein<br />

eindringliches Mahnmal an der Treppe zum<br />

Platz’schen Garten errichtet.<br />

Zeichen der Hoffnung<br />

Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16.<br />

März 1945 brannte auch St. Benedikt völlig<br />

aus. Doch bereits im Oktober war das<br />

Kolleg das erste Haus Würzburgs, das dank<br />

der Werkstätten der Abtei wieder neu mit<br />

Ziegeln gedeckt war. Für die Bevölkerung<br />

ein Zeichen der Hoffnung, Studenten und<br />

Internatsschüler konnten wieder einziehen.<br />

Als das Münsterschwarzacher Gymnasium<br />

1982 zu einem Vollgymnasium ausgebaut<br />

wurde, schloss man den Internatsbereich<br />

und entschied sich 1983 zur Eröffnung<br />

eines Meditationszentrums. Die Leitung<br />

wurde Pater Willigis Jäger übertragen, der<br />

den Schwerpunkt auf fernöstliche Zen­Meditation<br />

und Kontemplation legte. Doch<br />

sein Ansinnen, kontemplatives Gebet und<br />

Mystik in der Kirche neu zu beleben, wurde<br />

zunehmend kritisch beäugt. Im Jahr 2000<br />

erteilte die Römische Glaubenskongregation<br />

dem weltoffenen Pater ein Rede­ und<br />

Auftrittsverbot. Jäger bat daraufhin um<br />

Exklaustrierung von der Abtei Münsterschwarzach<br />

und zog sich nach Holzkirchen<br />

zurück, wo er im Benediktushof ein „Zentrum<br />

für spirituelle Wege“ aufbaute. „Bis<br />

heute haben wir ein brüderliches Verhältnis<br />

zu Pater Willigis“, berichtet Bruder Isaak<br />

Grünberger, seit 2002 Leiter des Hauses<br />

Benedikt. „Er ist weiterhin Mitglied unserer<br />

34


Klostergemeinschaft und kommt zu den<br />

Festivitäten.“ Das Verdienst Pater Willigis’<br />

lag seiner Ansicht nach im Wagnis, über<br />

den Tellerrand zu schauen. „Willigis sucht<br />

den Frieden unter den Religionen. Und dies<br />

ist auch die Sehnsucht vieler anderer.“<br />

Gastfreundschaft für alle<br />

Für das Haus St. Benedikt wagte man<br />

trotz aller Vorbehalte 2002 einen Neustart.<br />

Neuer Superior und Hausleiter<br />

wurde Bruder Isaak Grünberger, der damit<br />

ein schweres Erbe antrat. „Die ersten<br />

drei Jahre waren hart“, erinnert sich der<br />

Sozialpädagoge und Diakon (Jahrgang<br />

1964). Doch mit großem Einfühlungsvermögen<br />

und Aufmerksamkeit für die Zeichen<br />

der Zeit arbeitete Bruder Isaak ein<br />

völlig neues Konzept aus. „Wichtig war<br />

mir zunächst einmal die Anknüpfung an<br />

die alte Mönchs tradition“, erzählt er: „Wir<br />

wollten mitten in der Stadt mönchisch leben<br />

und für die Menschen einfach nur da<br />

sein.“ Wichtig war es Bruder Isaak zudem,<br />

dass das neue Haus Benedikt „offen für jeden“<br />

ist: „Gastfreundschaft sollte an oberster<br />

Stelle stehen!“ Dass dieses Bemühen<br />

mehr als erfolgreich war, zeigen die vielen<br />

positiven Rückmeldungen. „Zu uns kamen<br />

die unterschiedlichsten Menschen. Viele<br />

hegten eine tiefe und echte Treue zu uns,<br />

für die ich sehr dankbar bin.“ Ganz im Sinne<br />

des leidenschaftlichen Seelsorgers war das<br />

Haus auch für jene Menschen eine Anlauf­<br />

stelle, die verletzt oder enttäuscht von der<br />

Kirche waren. „Viele haben mir gesagt: Bei<br />

euch durfte ich Kirche ganz neu kennen<br />

lernen“, berichtet Bruder Isaak. Darüber<br />

hinaus lebten Ordensstudenten aus aller<br />

Herren Länder im Haus Benedikt. „Wir<br />

hatten immer Multikulti“, schwärmt Isaak,<br />

fügt aber sogleich hinzu, dass dies nicht<br />

immer nur Gaudi und Spaß sei, sondern<br />

„viel Achtsamkeit“ erfordere. „Wir mussten<br />

immer wieder umdenken, um die kulturellen<br />

Eigenarten an einen Tisch zu bringen.<br />

Das war eine große Herausforderung!“<br />

Entscheidung war goldrichtig<br />

Vor allem aber sollte das Haus auch künftig<br />

Bildungs­ und Gästehaus sein – aber<br />

mit völlig neuem Profi l. Bewusst reduzierte<br />

Bruder Isaak die ZEN­Kurse und stellte im<br />

Gelben Programm einen bunten Strauß<br />

verschiedenster Angebote zusammen:<br />

Kurse zu Kontemplation, Leibarbeit und<br />

Yoga fanden sich hier ebenso wie solche<br />

zu Schriftlesung, Lebensorientierung<br />

und Pilgerwanderungen. Ganz neue Perspektiven<br />

eröffneten sich 2004, als Pater<br />

Anselm Grün und Dr. Friedrich Assländer<br />

anfragten, ob man nicht ein spezielles<br />

Kurs programm für Menschen in berufl icher<br />

Verantwortung entwickeln wolle. So entstand<br />

das Grüne Programm „Führen und<br />

geführt werden“ mit zuletzt 56 Kursen im<br />

Jahr. Berufl iche Kompetenzerweiterung<br />

und Persönlichkeitsentwicklung wurden<br />

Das Haus Benedikt in Würzburg<br />

mit Spiritualität und benediktinische Tradition<br />

verknüpft. „Diese Entscheidung<br />

war goldrichtig“, resümiert Isaak: „Damit<br />

übersetzen wir die benediktinische Spiritualität<br />

in den Alltag.“ In internationalen<br />

Wirtschaftskreisen riefen die Coaching­<br />

Kurse Begeisterung hervor. Das Haus war<br />

gut besucht, im November 2009 wurde es<br />

sogar von der Stiftung Warentest zum Testsieger<br />

unter den Führungs­Kursen gekürt.<br />

Wie geht es weiter?<br />

Vor diesem Hintergrund mag die Entscheidung,<br />

Haus Benedikt Ende 2010 zu schließen,<br />

wie ein Blitz aus heiterem Himmel<br />

gewirkt haben. „Dennoch war es die einzig<br />

richtige Entscheidung“, sagt Bruder Isaak.<br />

Nachdem der Pachtvertrag für die Katholische<br />

Landvolkshochschule Klaus von Flüe<br />

in Münsterschwarzach auslief, bot es sich<br />

an, dieses Gebäude auf dem Abteigelände<br />

zu übernehmen. „Mit Blick auf die personelle<br />

und fi nanzielle Situation war jedoch<br />

klar, dass der Unterhalt beider Häuser nicht<br />

zu leisten ist“, erläutert er. Fast zeitgleich<br />

erreichte die Abtei eine Anfrage der Universität<br />

Würzburg nach einem Haus für die<br />

Katholische Fakultät. Spruchreif sind diese<br />

Überlegungen allerdings noch nicht, die Verhandlungen<br />

mit der Universität laufen noch.<br />

Tiefe Dankbarkeit<br />

Ihre Bildungsarbeit konzentrieren die Benediktiner<br />

nun seit dem 1.1.<strong>2011</strong> auf Münsterschwarzach.<br />

Im Haus Benedikt ist es<br />

indes still geworden. Bis ein neuer Mieter<br />

gefunden ist, halten noch drei Benediktiner<br />

die Stellung. Dann gehen auch sie: Pater<br />

Cornelius Hörnig, Krankenhausseelsorger<br />

in der Missionsärztlichen Klinik, bezieht ein<br />

Zimmer bei den Missionaren von Mariannhill,<br />

und Bruder Isaak Grünberger macht<br />

sich gemeinsam mit Bruder Sturmius Stöcklein<br />

auf den Jakobsweg in Spanien, ehe er<br />

sich neuen Aufgaben zuwendet. Obwohl<br />

der Abschied vom Haus Benedikt auch<br />

Trauer weckt, überwiegt für Bruder Isaak<br />

die Dankbarkeit: „Ich bin zutiefst dankbar<br />

für die vielen wertvollen Erfahrungen und<br />

menschlichen Begegnungen, die ich in diesem<br />

Haus machen durfte. Denn auch ich<br />

wurde hier reich beschenkt!“<br />

35


NAMEN/NAcHRIcHTEN<br />

Ältester Missionsbenediktiner der Welt<br />

– P. Heribert (Franz) Ruf OSB – gestorben<br />

Gott, der Schöpfer und Herr<br />

unseres Lebens rief am Mittwoch,<br />

den 18. Mai <strong>2011</strong> unseren<br />

lieben Mitbruder und<br />

Senior der Kongregation<br />

zu sich in sein himmlisches<br />

Reich.<br />

Am 11. April 1913 erblickte<br />

P. Heribert als jüngstes von<br />

neun Geschwistern das Licht<br />

der Welt und erhielt in der<br />

Taufe den hl. Franz von Sales<br />

als Patron.<br />

Von 1919 bis 1927 besuchte<br />

Franz die Volksschule im Heimatort. Dann<br />

wechselte er in die damalige Missionsschule<br />

unserer Abtei nach St. Ludwig. Den<br />

zweiten Teil der Gymnasialzeit in Würzburg<br />

beendete er dort mit dem Abitur. Eine Zäsur<br />

war die Zeit beim Reichsarbeitsdienst<br />

1936. Danach meldete er sich in Münsterschwarzach<br />

und wurde am 15. Oktober<br />

des Jahres ins Noviziat. Am 21. Oktober<br />

1937 legte er die zeitlichen Gelübde ab.<br />

Das folgende Philosophie­Studium an der<br />

Gott, der Schöpfer und Vollender unseres<br />

Lebens, rief am Samstag, den 4. Juni <strong>2011</strong>,<br />

unseren lieben Mitbruder zu sich in sein<br />

himmlisches Reich:<br />

Br. Kilian (Stephan) Iff OSB<br />

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte<br />

Br. Kilian auf unserer Infirmerie. Br. Kilian<br />

kam in Retzstadt (Kreis Main­Spessart) am<br />

17. März 1929 zur Welt; seine Eltern waren<br />

der Landwirt Johann Iff und seine Ehefrau<br />

Johanna, geb. Mai. Als die Mutter bereits<br />

1936 nach langer schwerer Krankheit verstarb,<br />

war es ein schwerer Schicksalsschlag<br />

für die ganze Familie. Eine entbehrungsreiche<br />

Kindheit prägte Br. Kilian für sein ganzes<br />

Leben: er konnte es nicht hinnehmen,<br />

wenn Lebensmittel weggeworfen oder<br />

auch nur Wasser verschwendet wurde.<br />

Von 1935 bis 1943 besuchte er die Volksschule<br />

in Retzstadt und 1948/49 die<br />

Landwirtschaftsschule in Würzburg. Am<br />

Universität Würzburg endete<br />

mit der Einberufung zur<br />

Wehrmacht im Dezember<br />

1939. Die Nachricht von<br />

der Aufhebung der Abtei<br />

im Mai 1941 erreichte ihn<br />

als Sanitäter in Jugoslawien.<br />

Umgehend richtete er ein<br />

Schreiben an den NS­Gauleiter<br />

von Mainfranken und äußerte<br />

darin sein Unverständnis<br />

und seine Betroffenheit<br />

über diese Willkür­Maßnahme.<br />

In den Augen der braunen<br />

Machthaber war dies ein unerhörter<br />

Vorgang, der Verhöre, Disziplinar­Strafen,<br />

öffentliche Maßregelungen vor der Truppe;<br />

schließlich ein Kriegsgerichts­Verfahren in<br />

Marburg zur Folge hatte.<br />

Nach der Entlassung aus amerikanischer<br />

Gefangenschaft kehrte er 1945 zurück<br />

nach Münsterschwarzach und konnte in<br />

Würzburg das Studium der Theologie aufnehmen.<br />

Am 06. <strong>Juli</strong> 1947 empfing Frater<br />

Heribert durch Bischof Matthias Ehrenfried<br />

26.4.1953 kam Br. Kilian<br />

nach Münsterschwarzach,<br />

weitere bedeutende klösterliche<br />

Akzente seines Lebens<br />

waren die Noviziatsaufnahme<br />

am 6.5.1954, die zeitliche<br />

(10.5.1955) und die<br />

ewige Profess am 15.5.1958.<br />

Schon am Tag nach seinem<br />

Eintritt arbeitete Br. Kilian<br />

im Kuhstall und dies wurde<br />

seine Lebensaufgabe, mehr<br />

noch: seine große Liebe – bis<br />

zum Tag vor seinem Heimgang zu Gott. Ob<br />

in Münsterschwarzach, auf dem Gutshof<br />

Kaltenhof bei Schweinfurt (1958 bis 1969)<br />

oder in unserer Filiale Kemphausen/Oldenburg<br />

(1975 bis 1983), stets sorgte er<br />

mit seiner ihm eigenen Ruhe für das liebe<br />

Vieh und verwöhnte es mit speziellen Lekkerbissen.<br />

Hingabe und eine unglaubliche, tägliche<br />

Treue über ein halbes Jahrhundert hin war<br />

für ihn schlicht eine Selbstverständlichkeit.<br />

die Priesterweihe. Am 26. März 1950<br />

brachte die Sendung zur Missionsarbeit<br />

in Südafrika eine entscheidende Wende.<br />

Seine erste Stelle im Zululand trat er in<br />

Mahlabatini an. Ab 1955 war er Pfarrer<br />

in Cassino. Bis 1992 betreute er verschiedene<br />

Stationen.<br />

Er zog sich in die Abtei Inkamana zurück.<br />

Zehn Jahre später entschloss er sich sein<br />

geliebtes Südafrika für immer zu verlassen.<br />

Am 03. Dezember 2004 traf er in<br />

seinem Heimatkloster Münsterschwarzach<br />

ein. Er blieb der begeisterte Mönch und<br />

Missionar der Schwung und Optimismus<br />

ausstrahlte. Pater Heribert war mit einer<br />

nicht alltäglichen Energie begnadet und<br />

nahm in dieser Haltung auch die Hürden<br />

die Alter und Krankheit mit sich brachten.<br />

Großen Wert legte er auf die Verbundenheit<br />

mit den Mitbrüdern und seinen Verwandten.<br />

Wir danken Gott, dass er so lange zu uns<br />

gehörte und bis zuletzt aufmerksam am<br />

Geschehen in und außerhalb der Abtei<br />

teilnahm. R.I.P.<br />

Er war ein Mensch, der ohne<br />

viel Aufhebens einfach „da“<br />

war.<br />

Br. Kilian war ein äußerst<br />

anspruchsloser und genügsamer<br />

Mensch. Im ersten Augenschein<br />

wirkte er schlicht,<br />

doch besaß er ein phänomenales<br />

Gedächtnis sowie<br />

die sprichwörtliche Bauernschläue,<br />

was ihn zum angenehmen<br />

Gesprächspartner<br />

machte. Mit seinem trockenen fränkischen<br />

Humor bereicherte er uns immer wieder.<br />

Geistig rege und vielseitig interessiert<br />

nahm er bis zuletzt alles wahr, was sich im<br />

Kloster, in der Heimat, in Politik und Weltgeschehen<br />

ereignete.<br />

Wir danken Br. Kilian für all die Jahre, die er<br />

mit uns gelebt, gearbeitet und gebetet hat.<br />

R.I.P.<br />

36


DANK/SERIE<br />

Die St. Benedict’s Clinic<br />

bedankt sich für 44.444,44 Euro<br />

Unsere Bitte um Hilfe für vier Euro hat ein<br />

starkes Echo ausgelöst und ein großartiges<br />

Ergebnis gebracht. Br. Stephan konnte uns für<br />

die St. Benedict’s Clinic den „wundersamen“<br />

Betrag von 44.444,44 Euro überweisen.<br />

Wenn Ihre Spenden, liebe Freunde und<br />

Wohltäter, ganz genau diese Summe erbracht<br />

hätten, dann wäre das nicht ein<br />

kleines, sondern schon ein größeres Wunder,<br />

und daran braucht niemand zu glauben.<br />

Natürlich hat da Br. Stephan mitgewirkt<br />

und den Betrag durch eine kleine<br />

Aufstockung ein bisschen verschönert, um<br />

damit die Bedeutung der Zahl Vier noch<br />

einmal hervorzuheben. Ich aber möchte<br />

mich bei Ihnen mit einem aufrichtigen<br />

„Vergelt’s Gott!“ ganz herzlich bedanken.<br />

Ihre Gaben machen es uns möglich, unseren<br />

vielen armen Patienten, wie ich sie<br />

im „Ruf“ vom Februar beschrieben habe,<br />

wieder eine Zeit lang zu helfen.<br />

Unser Mann aus Afrika berichtet<br />

Verkehr in Tanzania ist eine ganz spezielle<br />

Sache, an die sich ein Westeuropäer erst<br />

mal gewöhnen muss. Bei meiner Ankunft in<br />

Dar es Salaam habe ich den tanzanischen<br />

Verkehr gleich von seiner „dicken Seite“<br />

kennen gelernt. Obwohl wir lange im Voraus<br />

angekündigt waren,<br />

wurden wir am Flughafen<br />

nicht von unseren<br />

Mitbrüdern in Empfang<br />

genommen… Die waren<br />

nämlich hoffnungslos im<br />

Stau stecken geblieben.<br />

So entschieden wir uns für<br />

ein Taxi und durften den<br />

üblichen Großstadt­Stau<br />

einer 3­Millionen­Metropole<br />

miterleben. Ein ganz<br />

spezielles Erlebnis auf den<br />

Straßen von Dar es Salaam<br />

sind die Motorrad­Taxen.<br />

Diese Slang­Maschinen<br />

chinesischer Produktion<br />

sind eine wahre Plage.<br />

BR. JONA ScHäFER OSB<br />

Geboren 1954 in Lohr a. Main<br />

Profess 1986,<br />

Bürokaufmann und Buchhändler<br />

von 1993–2009 im Buchladen<br />

der Abtei Münsterschwarzach.<br />

Seit Dezember 2009<br />

als Missionar auf Zeit in Peramiho<br />

(Buchladen) tätig.<br />

Anfang März machte Br. Dr. Ansgar Stüfe<br />

einen kurzen Besuch bei uns. Der Direktor<br />

unserer Clinic, Br. Bernhard Pasacas, nahm<br />

die Gelegenheit wahr, Br. Ansgar die Liste<br />

seiner Bestellungen bei AKTION MEDEOR<br />

für das laufende Jahr vorzulegen und nach<br />

Deutschland mitzugeben.<br />

Ich selber habe die besagte Liste nicht<br />

gesehen, aber die Medikamente, die in<br />

zwei bis drei Monaten eintreffen werden,<br />

kosten erfahrungsgemäß 30.000,00 bis<br />

35.000,00 Euro. AKTION MEDEOR schickt<br />

uns die Pakete nach Davao. Dort werden<br />

sie zur Inspektion geöffnet, bevor wir sie<br />

hierher zum Kloster transportieren dürfen.<br />

Für Br. Bernhard ist das immer eine schwere<br />

Arbeit, aber auch ein Festtag wie Weihnachten.<br />

Auch für mich wird die Freude<br />

dieses Mal besonders groß sein, denn die<br />

Medikamente sind durch Ihre großherzigen<br />

Spenden ja schon bezahlt. Und es bleibt<br />

Zwei, manchmal auch drei Personen auf<br />

einem Rad sind völlig normal, ganz zu<br />

schweigen vom Gepäck: Zwei Leute und<br />

ein Schwein auf einem Motorrad sind hier<br />

durchaus möglich. Auf dem Land ist der<br />

Individualverkehr eher gering. Was sich hier<br />

Landstraße nennt, würde<br />

bei uns gerade noch als<br />

Feldweg durchgehen. Einmal<br />

durfte ich die 600 Kilometer<br />

östlich gelegene<br />

Abtei Ndanda besuchen;<br />

die Piste dorthin war stellenweise<br />

so schlecht, dass<br />

wir nicht flotter als mit<br />

30 km/h vorankamen.<br />

Manchmal wunderte ich<br />

mich, wenn der Fahrer<br />

plötzlich bremste… und<br />

merkte erst hinterher, dass<br />

er das nächste Schlagloch<br />

bereits vorausgeahnt hatte.<br />

Eigentlich beträgt die<br />

erlaubte Höchstgeschwin­<br />

auch noch eine schöne Summe übrig, mit<br />

der Br. Bernhard hier im Land Spritzen, Tabletten,<br />

Hustensaft und manches andere<br />

kaufen kann.<br />

In der Vorfreude auf die große Sendung<br />

grüße ich Sie alle herzlich und dankbar.<br />

Ihr P. Edgar Friedmann in Digos<br />

digkeit 80 km/h. Wer sich am wenigsten<br />

daran hält, sind die Fernreisebusse. Die<br />

schaffen die knapp 1000 Kilometer von<br />

Dar es Salaam bis Songea in etwa 12<br />

Stunden. Wenn man Verkehrskontrollen<br />

und Pausen einkalkuliert, kann man sich<br />

ausrechnen, wie flott die Busse unterwegs<br />

sind. Dass das nicht immer ohne Unfall<br />

abgeht, ist klar. So ist beispielsweise vor<br />

Weihnachten nicht weit von Njombe ein<br />

Bus in den Graben gefahren; drei Tote waren<br />

zu beklagen. Zwei Mitbrüder aus Hanga<br />

waren auch mit im Bus. Der Gurt hat<br />

ihnen das Leben gerettet und so kamen sie<br />

mit einigen Hautabschürfungen und einem<br />

Schrecken davon. Als sehr wirksame Geschwindigkeitsbremse<br />

erweisen sich aber<br />

kleine Huckel in der Straße, „speed bams“,<br />

die am Beginn dichter besiedelter Gebiete<br />

eingebaut werden. Was die Vorfahrtsregelung<br />

betrifft, gilt: Der Stärkere hat Vorfahrt.<br />

Mit diesem Bericht verabschiede ich<br />

mich als ihr Mann aus Afrika.<br />

37


SERIE<br />

Unser Mann aus Kuba<br />

Wovon leben die Kubaner?<br />

Wovon leben die Kubaner eigentlich?, fragen<br />

wir uns oft. Neulich konnte ich in der<br />

Schlange am Postschalter mitzählen, wie<br />

der Rentnerin vor mir ihre monatliche Rente<br />

von 260 Peso ausgezahlt wurde. Kubaner<br />

sind in solchen Dingen recht indiskret,<br />

und so gibt es in der Schalterschlange auch<br />

gar keine Möglichkeit, Abstand zu halten.<br />

260 Peso, das ist die normale Rente hier,<br />

10,40 US­Dollar bzw.7,38 Euro. Der Lohn<br />

eines einfachen Arbeiters beträgt etwas<br />

über 300 Peso, ein Facharzt kommt auf<br />

knapp 900 Peso, gerade einmal 26<br />

Euro im Monat.<br />

Manche Grundleistungen sind kostenlos:<br />

Schule, Gesundheitsversorgung<br />

und eine gewisse Menge Lebensmittel,<br />

für die die Kubaner eine Lebensmittelkarte<br />

haben. Aber diese Lebensmittel<br />

reichen für vielleicht 10 Tage, den Rest<br />

des Monats über müssen die Kubaner<br />

ihre Lebensmittel auf dem Markt kaufen.<br />

Auch wir kaufen dort ein und geben<br />

pro Monat und Person ungefähr<br />

28 Euro aus. Das ließe sich natürlich reduzieren:<br />

Verzicht auf Fleisch (Schweinefl<br />

eisch 1 Euro das Pfund, Hammelfl eisch<br />

etwas mehr, Rindfl eisch gibt es nur für Devisen),<br />

Verzicht auf die guten, tropischen,<br />

frischen Ananas (0,50 Euro die ganze<br />

Frucht), jeden Tag nur Reis und Bohnen.<br />

Manche sind härter getroffen, etwa die<br />

alte Mutter einer Bekannten, der vom Arzt<br />

abwechslungsreiche Ernährung verordnet<br />

wurde. Oder der Obdachlose, der alle paar<br />

Tage zu uns in die Messe kommt. Er bittet<br />

nie um etwas, trotzdem geben wir ihm natürlich<br />

von Zeit zu Zeit ein bisschen. Ohne<br />

Heim und Herd hat er weniger Möglichkeiten<br />

zum Sparen als andere.<br />

Seit Jahresanfang sind viele Arbeiter der<br />

staatlichen Betriebe entlassen worden,<br />

die Rationen der Lebensmittelkarten sind<br />

gekürzt worden. Im April fi ndet der Parteitag<br />

der Kommunistischen Partei statt, ein<br />

Ereignis, das nur ungefähr alle acht Jahre<br />

wiederkehrt, und dem daher große Bedeutung<br />

für die weitere Entwicklung beige­<br />

messen wird. Allgemein wird befürchtet,<br />

dass der Staat weiterhin Arbeiter entlässt.<br />

Gleichzeitig aber bezweifelt man, dass die<br />

kleinen selbständigen Betriebe genug Freiheiten<br />

bekommen, um hinreichend neue<br />

Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Der Pfarrer, in dessen Pfarrbezirk wir wohnen,<br />

Padre Juan, ist Spanier; lange Zeit war<br />

er auf seiner Heimatinsel Mallorca tätig.<br />

Nach seiner Pensionierung vor drei Jahren<br />

fühlte er sich noch nicht reif für den Ruhestand<br />

und beschloss, seine Kräfte der<br />

Kirche Kubas, der Heimat seiner Mutter,<br />

zu widmen.<br />

P. Juan mit seinen Vorräten<br />

In diesem März konnte er endlich den<br />

Startschuss für sein neues Projekt "Cesto<br />

básico, Basis­Korb" geben. Die Caritas­<br />

Gruppe der Pfarrei, die die Situation der<br />

einzelnen Familien genauestens kennt, hat<br />

50 Haushalte benannt, die wirkliche Not<br />

leiden. Jeder Haushalt bekommt nun einen<br />

"Basis­Korb", genauer: eine Plastiktüte. Darin<br />

enthalten: 500 ml Soja­Öl, ungefähr<br />

1½ kg Reis und Erbsen, 1 Tüte Milchpulver<br />

und eine Tüte Kakaopulver (je 500<br />

g), 2 Stück Seife, 1 Putzlappen und 500<br />

g Zucker. Das notwendige Geld (ungefähr<br />

10 US­Dollar pro Tüte, also 500 Dollar im<br />

Monat) stellen wir Benediktiner zur Verfügung,<br />

um auf diese Art den Menschen<br />

hier zu helfen, während wir weiterhin auf<br />

die Zuteilung eines Grundstücks warten.<br />

Nicht allen Kubanern geht es so schlecht.<br />

Wer Arbeit hat, genießt oft Vergünstigungen<br />

wie zum Beispiel freies Mittagessen<br />

in der Kantine. Vor allem aber hat<br />

er die Möglichkeit, illegal an ein Zusatz­<br />

einkommen zu kommen, indem er in seinem<br />

Betrieb stiehlt und die Ware auf dem<br />

Schwarzmarkt verkauft.<br />

Ein Bekannter, der sich auskennt, informierte<br />

uns über die Zusatzeinkünfte von Lehrern:<br />

Wenn der Schüler den Stoff der halbjährlichen<br />

Prüfung nicht beherrscht, muss er<br />

5 Dollar bezahlen, das Abitur kostet pro<br />

Fach 10 Dollar. Immerhin: Wer den Stoff<br />

beherrscht, besteht die Prüfung kostenlos.<br />

Ein besonders unsympathisches Beispiel<br />

konnten wir neulich an einem Imbissstand<br />

beobachten: Drei Polizisten kamen mit<br />

Motorrädern angefahren, stiegen ab,<br />

bestellten freundlich jeder ein „Pan<br />

con lechón" (Brötchen mit Schweinefl<br />

eisch) und eine Dose Cola, aßen<br />

und fuhren weiter. Leider ohne zu<br />

bezahlen.<br />

Viele Kubaner haben noch eine andere<br />

Einnahmequelle: Die Verwandten<br />

im Ausland, vor allem in Miami in Florida,<br />

nehmen zum Teil große Opfer auf<br />

sich, um ihre Familien in der Heimat<br />

zu unterstützen.<br />

„Ich habe zwei Tanten in den USA, die<br />

schicken jeden Monat 200 Dollar", sagte<br />

ein kubanischer Freund. Er lebt mit seiner<br />

Mutter, seiner Schwester und deren Sohn<br />

in einem Haushalt. Für jeden bleiben also<br />

50 Dollar im Monat – deutlich mehr als<br />

sein Monatsverdienst als Lehrer. Die Mutter<br />

ist übrigens streng, der Sohn – immerhin<br />

31 Jahre alt – muss sein ganzes Gehalt<br />

bei ihr abgeben. Auch das trägt natürlich<br />

zum Sparen bei.<br />

So leben und überleben die Kubaner, manche<br />

recht gut, andere gerade am Rande des<br />

Existenzminimums oder sogar darunter.<br />

Br. Robert Sandrock OSB<br />

Geboren 1966 in Geesthacht<br />

• Profess 1987 • Mathematik­<br />

und Physiklehrer • Missionseinsatz<br />

Peramiho 2007–2009 • Seit April 2009 Cellerar<br />

der Gemeinschaft Monasterio Benedictino<br />

de la Epifania del Señor in Havanna/Cuba<br />

38


An der Tür zum Nähkästchenzimmer<br />

prangte ein knallrotes Plakat<br />

mit der Aufschrift: „Heute Tag<br />

unserer Super-Idole”.<br />

Tom schaute verständnislos auf<br />

das Plakat und murmelte: „Was soll<br />

denn das jetzt schon wieder?“ Das<br />

Erste, was er sah, als er die Tür öffnete,<br />

war ein völlig durchgedrehter<br />

Matata. Er sah aus, wie ein Bayern-<br />

München Fan mit Schal und allem<br />

Brimborium, trug ein Pappschild<br />

vor sich her und sang mit einer<br />

irren Lautstärke den Schildtext:<br />

„Schweini vor – noch ein Tor!“ Dabei<br />

trampelte er über das Nähkästchen<br />

und die zwei armen Mädchen.<br />

Die erste, die das Ganze kommentierte,<br />

war Kati: „Du ge hörst nicht<br />

auf die Fanmeile, son dern in die<br />

Klappsmühle mit Deinem Schweini-<br />

Schweinsteiger. So ein Fanterror ist<br />

ja nicht zum Aushalten. Da haben<br />

wir Mädels doch ganz andere Idole.“<br />

Sprach’s, und setzte sich mitten ins<br />

Nähkästchen. „Darf ich bitte mal<br />

wissen, was hier los ist?“ – „Na,<br />

heute ist doch unser Fan-Idoltag,<br />

an dem wir unsere Idole zur Schau<br />

stellen,“ sagte Matata mit seinem<br />

Pappschild. „Und darf ich mal die<br />

Damen fragen, wen sie so bevorzugen,“<br />

fragte Tom.<br />

Da ging aber die Post ab. Kati holte ein<br />

Poster von einem jungen Mann hervor,<br />

auf das sie lauter rote Herzen<br />

gemalt hatte. „Das ist Justin<br />

Bieber, mein Schatz. Ist er nicht<br />

süß?“ Dann begann sie seinen Song<br />

‚Never say never’ zu schmettern,<br />

so dass die anderen sich die Ohren<br />

zuhielten.<br />

Irgendwann ging ihr die Luft aus<br />

und Bahati nutzte die Gelegenheit<br />

für ihren Auftritt. Auch sie hatte<br />

ein Plakat mit einer jungen Frau<br />

Oh happy day?<br />

im Skianzug. „Ich fi nde es super,<br />

wenn Frauen mal ganz oben auf dem<br />

Treppchen stehen, so wie Magdalena<br />

Neuner, und nicht nur Wischtücher<br />

in der Hand halten!“<br />

Dann blickte sie Tom von unten an.<br />

„Und Du, wer ist denn Dein Idol?“<br />

Ohne lange zu überlegen meinte<br />

Tom: „Ich habe ein ganz tolles, aber<br />

leider ist mein Idol schon fast 500<br />

Jahre tot, für mich aber ganz wirklich.<br />

Ich hab’ sogar ein kleines Bild<br />

von ihm, hier,“ und damit fasste<br />

er in seine Brusttasche und zog<br />

einen Zettel mit einem Bildnis heraus.<br />

„Das ist Thomas Morus, mein<br />

Namenspatron.“<br />

Dann setzte er sich und erzählte<br />

lange von diesem Mann und warum<br />

er sein Idol wurde. Unsere drei<br />

Kleinen kuschelten sich an Tom und<br />

hörten gespannt zu, denn es war ein<br />

spannender Lebenslauf.


DAS PORTRAIT<br />

STECKBRIEF:<br />

Name: P. Aurelian Weiß OSB<br />

Geboren: 1928 in Löffelstelzen<br />

1950: Abitur, Eintritt ins Noviziat<br />

1951: Zeitliche Profess<br />

1951 – 1957: Philosophie­ und Theologiestudium<br />

in St. Ottilien und Würzburg<br />

1956: Priesterweihe<br />

1958 – 1968: Als Zelator für die Ausbildung der Novizen mitverantwortlich.<br />

1962 – 1974: Geistlicher Begleiter<br />

in der Kath. Landvolkshochschule<br />

1974 – 1989: Kaplan in Stadtschwarzach<br />

1989 – 2003: Pfarrer in Sommerach und Nordheim<br />

2003 – 2006: Seelsorgstätigkeit in der Abtei<br />

Seit 2006: Mitarbeit im Priorat in Damme<br />

Meine Meinung zum Thema dieser Ruf-Ausgabe:<br />

Wer ein Idol braucht, verliert schnell Gott aus dem Blick.<br />

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