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Jahresgabe/Juli 2011

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ZuM THEMA<br />

Idole in der Kirche<br />

– gibt es sie noch?<br />

von P. Anselm Grün OSB<br />

Wenn ich ältere Menschen geistlich begleite,<br />

erzählen sie mir oft, dass sie von ihrem<br />

Heimatpfarrer oder ihrem Heimatkaplan<br />

begeis tert waren. Oft war die Begeisterung<br />

für den Pfarrer der Grund, dass sie selbst<br />

den Priesterberuf gewählt haben. Heute<br />

beklagen sich viele Christen, dass sie keine<br />

Vorbilder mehr in der Kirche erleben. Lange<br />

Zeit waren Roger Schutz oder Mutter<br />

Teresa solche Vorbilder. Aber wo sind diese<br />

Vorbilder heute?<br />

Was sind Idole?<br />

Bevor ich von Vorbildern, Idealbildern und<br />

Idolen spreche, möchte ich eine kurze Begriffserklärung<br />

geben. Idole sind von ihrem<br />

Ursprung her Götterbilder. Die christliche<br />

Tradition hat die „Idololatrie“, die Verehrung<br />

von Götzenbildern verboten. Stattdessen<br />

hat sie die Menschen hingelenkt zum<br />

wahren Bild Gottes, zu Jesus Christus, in<br />

dem Gott für uns sichtbar und anschaubar<br />

geworden ist. Heute denken wir bei Idolen<br />

nicht an Götzenbilder, sondern an Filmschauspieler,<br />

Sportler oder Musiker. Junge<br />

Menschen lassen sich von Idolen leiten.<br />

Dabei hat ihr Schwärmen für ihre Idole<br />

durchaus etwas mit Götzenverehrung zu<br />

tun. Die Idole werden in den Himmel hinauf<br />

gehoben. Ihnen wird gleichsam göttliche<br />

Verehrung zuteil. Man verehrt die Idole, um<br />

in ihrem Glanz den eigenen Wert zu erahnen.<br />

Doch dies führt in der persönlichen<br />

Entwicklung nicht weiter. Den Idolen fehlt<br />

der Aufforderungscharakter, den Vorbilder<br />

haben. Sie wirken oft genug als Ersatz dafür,<br />

selber zu reifen und an sich zu arbeiten. Man<br />

schwärmt für ein Idol und erwartet sich davon,<br />

dass man Anteil hat an seinem Glanz.<br />

Doch man sonnt sich in fremdem Glanz,<br />

statt sich auf den Weg zu machen und den<br />

Glanz der eigenen Seele zu entdecken.<br />

Idealbilder verwandeln<br />

den Menschen<br />

Gegenüber den Idolen ihrer Umgebung hat<br />

die frühe Kirche auf Jesus Christus verwiesen,<br />

der das wahre Ebenbild des Vaters ist.<br />

Und man hat auf die Heiligen verwiesen, die<br />

etwas vom Glanz Jesu Christi in ihrem eigenen<br />

Antlitz widerspiegelten. Weder Christus<br />

noch die Heiligen waren Idole. Sie waren<br />

vielmehr Idealbilder. Und diese Idealbilder<br />

sollten sich in die Menschen einbilden und<br />

sie in Berührung bringen mit den eigenen<br />

Kräften, die in ihrer Seele bereit lagen. Die<br />

Idealbilder verwandeln den Menschen. Sie<br />

ziehen ihn nach vorne. Sie helfen, dass die<br />

Menschen all das in sich entdecken, was<br />

auch das Idealbild des Heiligen darstellt.<br />

Bischof Dr. Franz Kamphaus<br />

Geboren 1932 in Lüdinghausen/Münsterland.<br />

Priesterweihe 1959.<br />

Bischof von Limburg 1982–2007.<br />

Für die Erziehung vieler Generationen waren<br />

die Idealbilder eine große Hilfe, um gute<br />

Christen zu formen, um immer wieder auch<br />

Heilige hervorzubringen, die sich von anderen<br />

Heiligen herausfordern ließen, sich ganz<br />

und gar für Gott und für die Menschen einzusetzen.<br />

Idealbilder und Vorbilder haben<br />

die Aufgabe, den Menschen aufzufordern,<br />

diesen Bildern ähnlich zu werden. Sie wollen<br />

etwas im Menschen in Bewegung bringen,<br />

während Idole oft nur zum Ersatz für das<br />

eigene ungelebte Leben werden.<br />

Gefahren von Idealen<br />

In der Psychologie ist man den Idealbildern<br />

gegenüber heute vorsichtig geworden. Denn<br />

man sieht die Gefahr, dass jemand sich mit<br />

einem hohen Idealbild identifi ziert und dabei<br />

seine eigenen Grenzen überspringt. Er<br />

hält sich selbst für ideal und verdrängt dabei<br />

seine negativen Seiten. Die werden dann zu<br />

Schattenseiten. Wer meint, er könne nur die<br />

Liebe des hl. Franziskus leben, der verdrängt<br />

seine Aggressionen. Und diese Aggressionen<br />

werden sich dann vom Unbewussten<br />

– vom Schatten aus, wie C.G. Jung sagt –<br />

destruktiv auf den Menschen auswirken. Die<br />

Liebe hat dann als Schatten das harte Urteilen<br />

über andere, die nicht so gläubig sind.<br />

Oder bei anderen werden die hohen Ideale<br />

ausgeglichen durch das ständige Reden<br />

vom Teufel. Weil man sich selbst ganz ideal<br />

sieht, sieht man sich ständig vom Teufel angefochten.<br />

Man wittert überall den Teufel.<br />

Letztlich ist es der Teufel im eigenen Herzen,<br />

den man an die Wand malt, weil man ihn<br />

bei sich lieber nicht wahrnehmen möchte.<br />

Richtiger Umgang<br />

mit Idealbildern<br />

Es braucht daher einen richtigen Umgang<br />

mit den Idealbildern. Idealbilder fordern uns<br />

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