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Blick nach innen richten, kann ich mich<br />
selber fragen: Was ist MEIN Lebenstraum?<br />
Was sind MEINE Überzeugungen?“ Bei der<br />
Beantwortung dieser Fragen können wiederum<br />
andere Menschen helfen, Vorbilder,<br />
die jetzt bewusst ausgewählt werden, weil<br />
sie dem eigenen Inneren entsprechen.<br />
„Mich haben beispielsweise der Theologe<br />
Karl Rahner und der Psychotherapeut<br />
Carl Ransom Rogers unheimlich fasziniert.<br />
Die haben mich angesprochen, zu denen<br />
habe ich aufgeschaut...“, erinnert sich<br />
Wunibald Müller.<br />
Wenn „Fan-Kult“<br />
ins Negative umschlägt<br />
Eine übersteigerte Orientierung am Vorbild<br />
kann jedoch auch ernste Gefahren bergen.<br />
„Der FanKult schlägt dann ins Negative<br />
um, wenn ich ein Stück meiner eigenen<br />
Identität abtrete, mich hinter einem Idol<br />
verstecke und es zum Ersatz für meine eigene<br />
Identität mache“, warnt der Theologe<br />
und Therapeut. Und doch brauchen wir<br />
Idole. Sie begleiten uns ein Leben lang.<br />
„In uns Menschen ist das Bedürfnis verankert,<br />
dass wir zu jemandem aufschauen<br />
wollen, der größer ist als wir selbst“, präzisiert<br />
Müller.<br />
Diese „Sehnsucht nach dem Numinosen“,<br />
wie es Rudolf Otto nannte, will gestillt<br />
werden. Früher waren dafür Religion und<br />
kirchliche Vorbilder zuständig. Heute, in<br />
einer säkularisierten Gesellschaft übernehmen<br />
zunehmend mediale Kultfi guren aus<br />
der Gesellschaft diese Funktion.<br />
Letztlich gibt man sich jedoch hier mit<br />
einem billigen Abklatsch zufrieden. MedienStars<br />
– und seien sie noch so strahlend<br />
und berühmt – können die in sie gesetzten<br />
Erwartungen meist einfach nicht<br />
erfüllen. Auch sie sind begrenzt, können<br />
nicht halten, was sie versprechen.<br />
Ein Heiliger sieht immer<br />
zuerst den anderen<br />
Anders bei den Heiligen. In ihnen sieht<br />
Wunibald Müller einen tragfähigen Gegenentwurf,<br />
ein Leitbild, das weiterbringt und<br />
nicht zurückwirft. „Ein Heiliger sieht immer<br />
zuerst den anderen, er erkennt die Heilig<br />
Edith Stein<br />
(Ordensname: Teresia Benedicta vom Kreuz).<br />
Philosophin, Nonne,<br />
Märtyrerin der katholischen Kirche.<br />
Geboren 12.10.1891 in Breslau.<br />
Gestorben 09.08.1942<br />
im KZ-Auschwitz-Birkenau.<br />
1987 selig gesprochen, 1998 heilig gesprochen.<br />
keit im anderen, nimmt aber auch dessen<br />
Schwächen wahr. Ein Star jedoch will gesehen<br />
und bewundert werden. Er ist narzistisch<br />
und selbstverliebt, für andere ist da<br />
kein Raum…“, defi niert Müller. Ein zweiter<br />
wichtiger Aspekt ist für Müller, dass ein<br />
Heiliger stets Gott die Ehre geben will:<br />
„Seine Hingabe, sein SichVerschwenden<br />
führt ihn zu den Menschen und zu Gott.<br />
Die an ihn gerichtete Bewunderung gibt<br />
der Heilige weiter. Auf diese Weise können<br />
wir über Heilige auch mit der göttlichen<br />
Energie in Kontakt treten.“<br />
Ein Star hingegen gibt nichts weiter:<br />
„Flüchtiger Ruhm und falscher Glanz bleiben<br />
an ihm haften und blähen ihn auf…“<br />
Früher oder später kommt es zur Explosion,<br />
weil er den enormen Druck nicht mehr aushalten<br />
kann. Es folgt die Flucht in Drogen,<br />
Alkoholexzesse, Gewalt oder Depression.<br />
„Heilige wie Mutter Theresa, Bischof Oscar<br />
Romero oder Edith Stein sind für mich<br />
Fixsterne, an denen ich mich ausrichten<br />
kann. Ihre durch harte Arbeit erworbene<br />
Heiligkeit erlebe ich als echte, handgreifliche<br />
und konstante Orientierungshilfe, auf<br />
die ich mich jederzeit verlassen kann. Stars<br />
sind hingegen manchmal wie das ignis fatuus,<br />
das falsche Feuer, die Halluzination<br />
in der Wüste…“, resümiert Müller.<br />
Wozu führt es?<br />
Dennoch ist es Müller wichtig, auch hier<br />
genau hinzusehen. „Ich möchte nicht von<br />
vornherein sagen: Hier sind die Heiligen<br />
der katholischen Kirche und dort die bösen<br />
Stars. Es gibt sicherlich auch im weltlichen<br />
Bereich Figuren, von denen etwas Positives<br />
ausgeht… Die Grundfrage ist immer: Wozu<br />
führt es? Macht es mich glücklicher?“ Zudem<br />
verwischen durch das Vordringen<br />
medialer Phänomene in die Religion die<br />
ehemals scharfen Grenzen immer mehr.<br />
So ist der künftige Selige Papst Johannes<br />
Paul II. für Müller eine „Mischform mit<br />
allen Sonnen und Schattenseiten“: „Johannes<br />
Paul II. war ein zutiefst religiöser<br />
und spiritueller Mensch, hat sein Bild durch<br />
die Anpassung an heutige Bedürfnisse<br />
aber auch gefährdet. Sein Beispiel zeigt,<br />
dass es gar nicht so einfach ist, das richtige<br />
Maß zu fi nden.“<br />
Wir sind alle<br />
zur Heiligkeit berufen<br />
Wichtig erscheint am Ende für Wunibald<br />
Müller dreierlei: „Gerade junge Menschen<br />
brauchen konkrete Begegnungen mit Menschen,<br />
die ihnen die befreiende Botschaft<br />
des Christentums vorleben.“ Das können<br />
die Brüder der Communauté de Taizé ebenso<br />
sein wie Pater Anselm Grün. Darüber<br />
hinaus dürfe man das HeiligSein nicht zu<br />
stark überhöhen, „denn auch ein Heiliger<br />
ist ein Sünder“.<br />
Drittens und letztens jedoch „sollten wir<br />
erkennen, dass auch wir dazu berufen sind,<br />
heilig zu werden“. „Heiligkeit bedeutet der<br />
zu werden, der zu werden Du berufen und<br />
bestimmt bist“, zitiert Müller den Mystiker<br />
Thomas Merton: „Und da habe ich ein Leben<br />
lang mit mir selbst zu tun!“<br />
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