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Jahresgabe/Juli 2011

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Blick nach innen richten, kann ich mich<br />

selber fragen: Was ist MEIN Lebenstraum?<br />

Was sind MEINE Überzeugungen?“ Bei der<br />

Beantwortung dieser Fragen können wiederum<br />

andere Menschen helfen, Vorbilder,<br />

die jetzt bewusst ausgewählt werden, weil<br />

sie dem eigenen Inneren entsprechen.<br />

„Mich haben beispielsweise der Theologe<br />

Karl Rahner und der Psychotherapeut<br />

Carl Ransom Rogers unheimlich fasziniert.<br />

Die haben mich angesprochen, zu denen<br />

habe ich aufgeschaut...“, erinnert sich<br />

Wunibald Müller.<br />

Wenn „Fan-Kult“<br />

ins Negative umschlägt<br />

Eine übersteigerte Orientierung am Vorbild<br />

kann jedoch auch ernste Gefahren bergen.<br />

„Der Fan­Kult schlägt dann ins Negative<br />

um, wenn ich ein Stück meiner eigenen<br />

Identität abtrete, mich hinter einem Idol<br />

verstecke und es zum Ersatz für meine eigene<br />

Identität mache“, warnt der Theologe<br />

und Therapeut. Und doch brauchen wir<br />

Idole. Sie begleiten uns ein Leben lang.<br />

„In uns Menschen ist das Bedürfnis verankert,<br />

dass wir zu jemandem aufschauen<br />

wollen, der größer ist als wir selbst“, präzisiert<br />

Müller.<br />

Diese „Sehnsucht nach dem Numinosen“,<br />

wie es Rudolf Otto nannte, will gestillt<br />

werden. Früher waren dafür Religion und<br />

kirchliche Vorbilder zuständig. Heute, in<br />

einer säkularisierten Gesellschaft übernehmen<br />

zunehmend mediale Kultfi guren aus<br />

der Gesellschaft diese Funktion.<br />

Letztlich gibt man sich jedoch hier mit<br />

einem billigen Abklatsch zufrieden. Medien­Stars<br />

– und seien sie noch so strahlend<br />

und berühmt – können die in sie gesetzten<br />

Erwartungen meist einfach nicht<br />

erfüllen. Auch sie sind begrenzt, können<br />

nicht halten, was sie versprechen.<br />

Ein Heiliger sieht immer<br />

zuerst den anderen<br />

Anders bei den Heiligen. In ihnen sieht<br />

Wunibald Müller einen tragfähigen Gegenentwurf,<br />

ein Leitbild, das weiterbringt und<br />

nicht zurückwirft. „Ein Heiliger sieht immer<br />

zuerst den anderen, er erkennt die Heilig­<br />

Edith Stein<br />

(Ordensname: Teresia Benedicta vom Kreuz).<br />

Philosophin, Nonne,<br />

Märtyrerin der katholischen Kirche.<br />

Geboren 12.10.1891 in Breslau.<br />

Gestorben 09.08.1942<br />

im KZ-Auschwitz-Birkenau.<br />

1987 selig gesprochen, 1998 heilig gesprochen.<br />

keit im anderen, nimmt aber auch dessen<br />

Schwächen wahr. Ein Star jedoch will gesehen<br />

und bewundert werden. Er ist narzistisch<br />

und selbstverliebt, für andere ist da<br />

kein Raum…“, defi niert Müller. Ein zweiter<br />

wichtiger Aspekt ist für Müller, dass ein<br />

Heiliger stets Gott die Ehre geben will:<br />

„Seine Hingabe, sein Sich­Verschwenden<br />

führt ihn zu den Menschen und zu Gott.<br />

Die an ihn gerichtete Bewunderung gibt<br />

der Heilige weiter. Auf diese Weise können<br />

wir über Heilige auch mit der göttlichen<br />

Energie in Kontakt treten.“<br />

Ein Star hingegen gibt nichts weiter:<br />

„Flüchtiger Ruhm und falscher Glanz bleiben<br />

an ihm haften und blähen ihn auf…“<br />

Früher oder später kommt es zur Explosion,<br />

weil er den enormen Druck nicht mehr aushalten<br />

kann. Es folgt die Flucht in Drogen,<br />

Alkoholexzesse, Gewalt oder Depression.<br />

„Heilige wie Mutter Theresa, Bischof Oscar<br />

Romero oder Edith Stein sind für mich<br />

Fixsterne, an denen ich mich ausrichten<br />

kann. Ihre durch harte Arbeit erworbene<br />

Heiligkeit erlebe ich als echte, handgreifliche<br />

und konstante Orientierungshilfe, auf<br />

die ich mich jederzeit verlassen kann. Stars<br />

sind hingegen manchmal wie das ignis fatuus,<br />

das falsche Feuer, die Halluzination<br />

in der Wüste…“, resümiert Müller.<br />

Wozu führt es?<br />

Dennoch ist es Müller wichtig, auch hier<br />

genau hinzusehen. „Ich möchte nicht von<br />

vornherein sagen: Hier sind die Heiligen<br />

der katholischen Kirche und dort die bösen<br />

Stars. Es gibt sicherlich auch im weltlichen<br />

Bereich Figuren, von denen etwas Positives<br />

ausgeht… Die Grundfrage ist immer: Wozu<br />

führt es? Macht es mich glücklicher?“ Zudem<br />

verwischen durch das Vordringen<br />

medialer Phänomene in die Religion die<br />

ehemals scharfen Grenzen immer mehr.<br />

So ist der künftige Selige Papst Johannes<br />

Paul II. für Müller eine „Mischform mit<br />

allen Sonnen­ und Schattenseiten“: „Johannes<br />

Paul II. war ein zutiefst religiöser<br />

und spiritueller Mensch, hat sein Bild durch<br />

die Anpassung an heutige Bedürfnisse<br />

aber auch gefährdet. Sein Beispiel zeigt,<br />

dass es gar nicht so einfach ist, das richtige<br />

Maß zu fi nden.“<br />

Wir sind alle<br />

zur Heiligkeit berufen<br />

Wichtig erscheint am Ende für Wunibald<br />

Müller dreierlei: „Gerade junge Menschen<br />

brauchen konkrete Begegnungen mit Menschen,<br />

die ihnen die befreiende Botschaft<br />

des Christentums vorleben.“ Das können<br />

die Brüder der Communauté de Taizé ebenso<br />

sein wie Pater Anselm Grün. Darüber<br />

hinaus dürfe man das Heilig­Sein nicht zu<br />

stark überhöhen, „denn auch ein Heiliger<br />

ist ein Sünder“.<br />

Drittens und letztens jedoch „sollten wir<br />

erkennen, dass auch wir dazu berufen sind,<br />

heilig zu werden“. „Heiligkeit bedeutet der<br />

zu werden, der zu werden Du berufen und<br />

bestimmt bist“, zitiert Müller den Mystiker<br />

Thomas Merton: „Und da habe ich ein Leben<br />

lang mit mir selbst zu tun!“<br />

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