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Andrej Pleterski

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kommt, den Vater-Drachen besiegt, seine Schwester befreit, ihr ein Kind zeugt, dann (Jurij) getötet<br />

wird, stimmt so mit dem überein, was wir bisher über die Einsetzung in Erfahrung gebracht haben,<br />

daß sich eine Schlußfolgerung geradezu anbietet. DER HERRSCHER IST ZELENI JURIJ. Jetzt bekommt<br />

sogar der berühmte Klagenfurter Lindwurm seinen Platz in unserer Geschichte. Er soll nämlich in der<br />

Lindwurmgrube (Abb. 8: L)am Anfang des nördlichen Dekumanus von Virunum gehaust haben, also<br />

im nördlichen Teil des Zollfeldes - Sveško polje (Graber 1914, 382), wo nach unserer<br />

Rekonstruktion der symbolische Zweikampf stattgefunden haben soll. Auf die Frage der<br />

Doppelgeschlechtigkeit einiger Helden der Geschichte werde ich mich an dieser Stelle nicht<br />

einlassen.<br />

Ausgelassenes. Die Vorlage des Schwabenspiegeleinschubs zeigt im topographischen Teil eine<br />

Präzision und Details, die nur jemand anführen konnte, der den Ort persönlich kannte oder es von<br />

einem solchen Menschen erfahren hat. Dabei kann man auch an die Geistlichen bei Maria Saal -<br />

Gospa Sveta oder sogar an diejenigen aus dem später verschwundenen Kloster St. Lambert in<br />

Pörtschach - Poreče südwestlich des Tanzenbergs - Plešivec (Kos 1906, Št. 475) denken. Wer so gut<br />

die Landschaft kannte, der kannte auch die Zeremonie. Deshalb ist die Frage angebracht, warum die<br />

erhaltene Aufzeichnung so unvollkommen ist. Die Antwort sehe ich im Ausgelassenen. Der<br />

ursprüngliche Text enthielt eine ausführliche Beschreibung der Zeremonie mit allen für den Schreiber<br />

des 13. Jhs. obszönen Details, womit er die Leser nicht schockieren wollte. Deswegen fehlt die<br />

Weise der Auswahl des Kandidaten mit Hilfe des bunten Stiers, Spuren des Zweikampfs sind nahezu<br />

nicht vorhanden, die Ausführung der heiligen Vermählung können wir nur erraten, noch mehr das<br />

eventuelle Pferdeopfer. Wenn wir ex silentio einen Schluß ziehen wollten, dann muß die Zeremonie,<br />

wenn sie auch symbolisch war, noch immer realistisch genug gewesen sein.<br />

Von diesem Standpunkt betrachtet, wird die erste Frage einzig und allein sinnvoll, die über die<br />

Eigenschaften des Kandidaten der Einsetzer von Ottokars Österreichischer Reimchronik stellt.<br />

nu sagt mir, ob ez umb in also ste, daz er kristenlicher e si geloubic unde ganz, daz dehein<br />

irsales schranz sinem herzen wone bi? (20077 - 20082)<br />

Den Einsetzer interessiert, ob sich der Kandidat vom heidnischen Teil der Zeremonie losgesagt<br />

hat, und er hätte gern Gewährleistung darüber. Eine könnte schon der bunte Stier sein, den der<br />

Kandidat mit sich führt. Der Einschub erwähnt ihn beim Gang zum Stein nicht, also hatte er seine<br />

Rolle schon zuvor gespielt. Wenn er jetzt mit dem Kandidaten zum Stein kommt, bedeutet dies, daß<br />

dieser Teil der alten Zeremonie nicht ausgeführt wurde. Der bunte Stier ist so eine Art “corpus<br />

indelicti”, ein Beweis dafür, daß etwas nicht eingetreten ist. Aber der Einsetzer ist bis zum Schluß<br />

nicht ganz davon überzeugt. Als er sich vom Stuhl entfernt, underwint sich schier des veltpherts und<br />

des stier. Damit nahm er dem Kandidaten jegliche Möglichkeit, sich zu vergessen und mit der Stute<br />

das zu tun, was einst dem dreifachen Rundritt um den Stein folgte. Die Erinnerung an alte Bräuche<br />

muß also in der zweiten Hälfte des 13. Jhs. noch lebendig gewesen sein.<br />

Am Schluß sei noch eine Erzählung angeführt, die vielleicht auch zur Antwort über die Stufe des<br />

christlichen Irrglaubens oder des heidnischen Rechtglaubens, eben abhängig von der Perspektive,<br />

beitragen kann. Arnulf von Kärnten war nach weitverbreiteter Auffassung der Historiker auch<br />

derjenige, der sich im 9. Jh. nach lokalem Brauch einsetzen ließ. Aus der “Skandalchronik”<br />

Antapodosis Bischofs Liutprand von Cremona von der zweiten Hälfte des 10. Jhs. kristallisierte<br />

Jacek Banaszkiewicz auch die Geschichte über Kaiser Arnulf heraus, den wegen unmenschlichen<br />

Verhaltens und insbesondere wegen der Blasphemie am Ende die Läuse fraßen. Er zeigte Gott nicht<br />

die ihm zustehende Achtung, tötete Adlige, verletzte Gesetze, schändete Kirchen und noch so<br />

manches (Banaszkiewicz 1986, 182). Als solcher stellt er die Figur des bösen Herrschers dar<br />

(Banaszkiewicz 1986, 156 ff), die einen Bestandteil der Überlieferung vom Herrscher-Ernährer<br />

bildet. Der Ausruf: “Und warum gerade unser Arnulf?!”, ist am Platz. Schon bei Franc Kos war<br />

Liutprand mit der Feststellung "abgetan", daß er sich mit seinem Werk an seinen Gegnern rächen<br />

wollte, deshalb ist es nicht verwunderlich, daß der Inhalt seiner Schrift so voreingenommen ist (Kos<br />

1906, LXXIX). Der Geschichte als Beschreibung eines tatsächlichen Geschehens darf natürlich nicht<br />

Glauben geschenkt werden, da es aber keinen Rauch ohne Feuer gibt, muß es in Arnulfs Lebenslauf<br />

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