Andrej Pleterski
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(nach: Friedrich 1959, 86 f)<br />
Arnu- “bringen, fortbewegen, transportieren, fortschaffen” bedeutet in den Gesetzen “ersetzen”,<br />
Partizip arnuwant- “(zur Begattung) geführt” und arnuala- “Deportierter, Deportierte” (Friedrich<br />
1959, 88, 118). Dabei ist der Gebrauch des Wortes in zwei Paragraphen interessant. § 19a (Tafel I)<br />
“Wenn irgend[ein] Luwier einen Menschen, entweder einen Mann oder eine Frau, aus Hattuša stiehlt<br />
und ihn nach Arzawa bringt (und wenn) sein Herr ihn findet, so darf er (ihn) nur in sein Haus<br />
bringen” (Friedrich 1959, 20 f, 92 f). - § 82* (Tafel II) “Wenn seine Sklaven (und) Mägde Gr[eue]l<br />
begehen, so bringt man sie weg und siedelt den einen in dieser Stadt und den anderen in einer<br />
anderen [Sta]dt an” (Friedrich 1959, 84 f).<br />
Beide Beispiele beschreiben eine Situation, wo die Person von einem Ort in einen anderen<br />
gebracht wird, unabhängig von ihrem Willen. Das substantivisch gebrauchte Wort in § 86*a (Tafel<br />
II) übersetzt Friedrich mit "Deportierte", was eine unfreiwillige Migration von Personen von einem<br />
Ort zum anderen kennzeichnet. Auch die Bedeutung “ersetzen” ist in allen Paragraphen mit der<br />
Rache eines zugefügten Schadens verknüpft, also handelt es sich wieder um eine Tat, die nicht<br />
gerade von Herzen kommt und eher gewaltsam ist als nicht. Das etymologische Wörterbuch des<br />
Hethitischen bestätigt das beschriebene Bedeutungsfeld (Puhvel 1984, 162 ff). Arnu- wird gebraucht<br />
in den Bedeutungen “abschließen, umsiedeln, bewegen, bringen” (örtlich und zeitlich), “ausliefern,<br />
ersetzen, übergeben, heben, beschweren (eine Beschwerde erheben), bringen, entfernen, verjagen,<br />
verschicken, schicken, Gefallen tun, beenden, annähern, (zur Paarung) bringen”. Diese letzte<br />
Bedeutung steckt in dem Wort arnuandan (Hethitisches Gesetzbuch: § 77, 83, 84) “schwanger,<br />
trächtig, befruchtet”. - Arnuwala- ist eine ausgesiedelte Person (beiderlei Geschlechts), ein<br />
Aussiedler, eine Aussiedlerin (aus dem besiegten Land, gebunden an eine bestimmte Wohnstätte).<br />
Das Wort bedeutet nicht Gefangener, Gefangene, weil das das Wort appant- kennzeichnet. Das<br />
akkadische NAM.RA = šallatu bezieht sich auf alle Arten von beweglicher Beute (Leute, Tiere,<br />
Waren), das hethitische NAM.RA = arnuwala- aber nur auf Menschen (Puhvel 1984, 166 f).<br />
NAM.RA ist ein sumerisches Ideogramm, das auch von anderen Völkern übernommen wurde, das<br />
sie aber natürlich auf ihre Weise ausgesprochen haben.<br />
Das Hethitische Wörterbuch (Friedrich, Kammenhuber 1980, 336 ff) enthält noch einige<br />
interessante Details. Der soziale Status des (der) arnuwala ist niedriger als der des Freien, aber höher<br />
als der des Sklaven. Im Gegensatz zum Sklaven ist die (der) arnuwala seit althethitischer Zeit direkt<br />
vom König abhängig. Das Anspannen eines (einer) arnuwala ist auch als Todesstrafe bei Freien bzw.<br />
Adeligen bezeugt. Grammatikalisch ist arnuwala eine Ableitung auf -ala vom Verb arnu- und hat<br />
passive Bedeutung.<br />
Arnuwala- ist also eine Person, die mit Gewalt von einem Ort zu anderen gebracht worden war.<br />
In diesem erwartet sie Geschlechtsverkehr mit dem Entführer, wovon § 86*a spricht. Indirekt zeigt<br />
sich auch hier die kausale Verbindung hoditi - roditi. Man kann über sie eine (Todes-) Strafe<br />
verhängen, in dem man sie anspannt, was mit der Geschichte von Marko-Janko übereinstimmt, als er<br />
das angespannte Pferd erschlägt. Das ist allerdings auch ein Detail des römischen Oktoberpferdes<br />
und der altindischen Aovamedha. Marko-Janko erschlägt also auf irgendeine Weise eine seiner<br />
Frauen. Arnuandan bezieht sich im Gesetzbuch auch auf Tiere. Dann ist es nicht mehr ungewöhnlich,<br />
daß der Geschlechtsverkehr mit Pferd und Maultier neben den Geschlechtverkehr mit der<br />
Deportierten und ihrer Mutter gestellt wird. In einer bestimmten Zeit und Umgebung hatte es<br />
zwischen ihnen offensichtlich keinen Unterschied gegeben. Das war die Zeit, als es noch keinen<br />
Mythos gegeben hat, denn die Menschen haben ihn einfach gelebt. Die Paare Pferd - Maultier,<br />
Tochter - Mutter führen zu der Gleichsetzung Pferd - Tochter, Maultier - Mutter. Das Maultier ist<br />
ein Tier, das unfruchtbar ist, das sich nicht vermehren kann. In diesem Sinn ist es auch<br />
geschlechtslos. Damit sind wir wieder bei der Gestalt des bösen Herrschers angelangt, der ein<br />
Sinnbild der Unfruchtbarkeit ist und den man deswegen töten muß, wie wir aus der detaillierten<br />
Abhandlung von Banaszkiewicz (1986, 156 ff) erfahren. Marko-Janko erschlägt also die<br />
Schwiegermutter als Sinnbild der Unfruchtbarkeit und zeugt mit Lenka die Fruchtbarkeit. Aber die<br />
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