Veröffentlichungsreiche der Abteilung Regulierung von Arbeit ... - WZB
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Genauso ist "Konflikt", so wie Bourdieu diesen Begriff verwendet, kein destruktives Prinzip.<br />
Hier muß man eher <strong>von</strong> einem praktischen Konsens im Dissens sprechen, da wie<strong>der</strong>um da<strong>von</strong><br />
auszugehen ist, daß jede Konfliktstrategie, auch jene die intentional verfolgt wird, Bezug auf<br />
den jeweiligen "Gegner" nimmt: Selbst in Extremsituationen (den ohnedies seltenen Gelegen<br />
heiten <strong>der</strong> offenen Austragung <strong>von</strong> Interessenkonflikten anläßlich bspw. <strong>von</strong> Lohnrunden, per<br />
sönlichen Karrierekämpfen, etc) verständigen sich die Konfliktpartner. Sie kennen die ange<br />
messene Form <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung sowie <strong>der</strong> damit verbundenen Spielregeln; sie begegnen<br />
einan<strong>der</strong> nicht ahnungs- und erwartungslos, son<strong>der</strong>n bauen auf gemeinsamen Erfahrungen<br />
bspw. darüber, welche For<strong>der</strong>ungen angemessen und durchsetzbar o<strong>der</strong> aber überhöht und als<br />
Verhandlungsspielraum nutzbar sind; sie stellen eine Gesprächsbasis her; sie signalisieren<br />
einan<strong>der</strong>, welche Taktiken und Gesprächsstrategien eingeschlagen werden können, etc. - eine<br />
Summe aufeinan<strong>der</strong>bezogener Aktionen und Reaktionen, welche schon in <strong>der</strong> Kenntnisnahme<br />
<strong>der</strong> Strategien des Gegenübers, in <strong>der</strong> positiven o<strong>der</strong> negativen Beantwortung <strong>der</strong> wahrge<br />
nommenen Impulse, einen verbindenden bzw. integrativen Faktor darstellen - in welcher<br />
Intention die Impulse auch immer gesetzt sein mochten.<br />
Aus dem "Konfliktprinzip" sollten aber auch nicht unbedingt schon Aussagen über subjektive<br />
Wahrnehmungen abgeleitet werden. Der Begriff bezeichnet nämlich weniger den bewußt<br />
wahrgenommenen Konflikt des empirischen Akteurs (dessen spezifische Situations<br />
interpretation). Er ist vielmehr Produkt einer theoretisch-analytischen Re-Konstruktionsarbeit.<br />
Ein Prinzip also, das sozusagen auf Basis <strong>der</strong> empirisch-konkreten Situationsinterpretationen<br />
erst entwickelt wird, dann aber ein, <strong>von</strong> konkreten Aussagen abstrahierendes Phänomen in<br />
sozialen Beziehungen bezeichnet.39 Das gilt übrigens auch für das Konkurrenzprinzip. Bour<br />
dieu re-konstruiert in diesem Sinne die beiden Prinzipien "Konkurrenz" und "Konflikt", und<br />
geht da<strong>von</strong> aus, daß sie grundlegende Momente sozialer Phänomene bezeichnen - auch <strong>der</strong><br />
freundschaftlichen, kollegialen Beziehungen, die nach Auskunft <strong>der</strong> Involvierten ausschließlich<br />
als harmonisch zu bezeichnen wären.<br />
Auf Basis dieser beiden Prinzipien wird jedenfalls eine dynamische Konzeption sozialer Struk<br />
turbildung geschaffen. Darus kann man auch für die spezielle Thematik betrieblicher Sozial<br />
organisationen ableiten, daß sie aus dem konflikthältigen Zusammenspiel strategischer Prak<br />
tiken betrieblicher Akteure hervorgehen. Betriebliche Strukturbildung ist somit ein aus<br />
einan<strong>der</strong>setzungsreicher Prozeß des Organisierens sozialer Beziehungen. Eine Momentauf<br />
nahme dieses dynamischen Spiels <strong>der</strong> Feld-Kräfte zeigte den Stand <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungen.<br />
39) Zu den erkenntnistheoretischen Fundamenten dieser Form <strong>der</strong> wissenschaftlichen Re-Konstruktionsarbeit<br />
siehe Bachelard (1987) bzw. zur Bourdieuschen Variante: s. Anm. 42.<br />
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