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Er hat so Heimweh gehabt - Welcker-online.de

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Leserwelt gewirkt hätte. »Der Weltkrieg <strong>de</strong>r kleinen Entente gegen <strong>de</strong>n einen<br />

wehrlosen, verbannten, verfehmten und obendrein letzten Habsburger!« Wir<br />

sind ja eh die reinen Schaferln, und ich sehe es <strong>de</strong>r Reichspost an, sie verlangt<br />

das Zugeständnis, daß <strong>de</strong>r kindliche Kronprinz noch harmloser wäre<br />

und ein neugeborner vollends das Pathos <strong>de</strong>s europäischen Einspruchs nicht<br />

rechtfertigen wür<strong>de</strong> — schon in Anbetracht <strong>de</strong>s Umstan<strong>de</strong>s, daß wir ihrer<br />

doch <strong>so</strong> viele haben, in<strong>de</strong>m ja Habsburgersprossen <strong>so</strong> ziemlich das einzige<br />

sind, was im Weltkrieg nicht ausgegangen ist, und von ,jener Vorsehung, in<br />

<strong>de</strong>ren Namen die Waffen gesegnet wur<strong>de</strong>n, offenbar als <strong>Er</strong>satz für die Verluste<br />

gedacht waren, die die Menschheit erlei<strong>de</strong>n <strong>so</strong>llte. Im übrigen jedoch wer<strong>de</strong><br />

ich nicht zögern, <strong>de</strong>r Dummfrechheit begreiflich zu machen, daß <strong>de</strong>r Angriff<br />

nicht <strong>de</strong>m gelte, <strong>de</strong>r vor und nach einem mißglückten Putsch <strong>de</strong>r wehrlose<br />

Einzelne ist, <strong>so</strong>n<strong>de</strong>rn ihr selbst, die immer wie<strong>de</strong>r bereit ist ihm auf die Beine<br />

zu helfen, und daß man bei einer gefühlsmäßigen Abschätzung <strong>de</strong>s Falls<br />

doch weniger geneigt sein wird, ihn zu bemitlei<strong>de</strong>n, als die Lakaien <strong>de</strong>r von<br />

Staatsklei<strong>de</strong>rn abgelegten Herrschaften zu verachten. Natürlich nicht um ihrer<br />

Treue willen, <strong>so</strong>n<strong>de</strong>rn wegen <strong>de</strong>r Gesinnung, <strong>de</strong>r sie treu geblieben sind.<br />

Gewiß ist es schön, noch ein Tellerlecker zu sein, wenns nichts mehr zu lecken<br />

gibt, wiewohl sich ein <strong>so</strong>lcher schon durch die Hoffnung entschädigt,<br />

daß es wie<strong>de</strong>r einmal was geben wer<strong>de</strong>. Aber <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r keiner war, <strong>so</strong>lange<br />

die hassenswerte Macht ein Haus hielt, just in <strong>de</strong>m Augenblick, da ihr <strong>de</strong>r<br />

Versuch sich zu restaurieren mißlungen und da sie abgezogen ist mit <strong>de</strong>m<br />

Versprechen, es da capo besser zu machen, eine Zähre abpressen zu wollen<br />

— das kann nur einem Dummkopf einfallen, <strong>de</strong>r eine Schlechtigkeit im Schil<strong>de</strong><br />

führt. Gewiß ist es peinlich, einer abgekrachten Majestät die Wohltat zu<br />

verdanken, über sie die Wahrheit sagen zu können, aber da es die einzige<br />

Wohltat ist, die man ihr verdankt, und da sie andauernd Miene macht, sie wie<strong>de</strong>r<br />

zurückzuziehen (die entrückte Gefahr al<strong>so</strong> von <strong>de</strong>r drohen<strong>de</strong>n einigermaßen<br />

wettgemacht wird), <strong>so</strong> kann man sie getrost von ihr annehmen. Es ist lei<strong>de</strong>r<br />

Gottes auch das einzige Risiko <strong>de</strong>r Monarchen, daß sie wenigstens hinterdrein<br />

die Wahrheit hören, da sie zeit ihres Wirkens nicht <strong>so</strong> unvernünftig waren,<br />

<strong>de</strong>m Beleidiger <strong>de</strong>n Beweis zu gestatten, <strong>so</strong>n<strong>de</strong>rn <strong>so</strong> vernünftig, ihn<br />

schon für <strong>de</strong>n Ausspruch unschädlich zu machen. Darum ist es die vollkommenste<br />

Dummheit <strong>de</strong>r Welt, von zwei <strong>so</strong> verschie<strong>de</strong>n ausgestatteten Gegnern<br />

<strong>de</strong>n feige zu nennen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn nie geschmeichelt <strong>hat</strong> und von vornherein<br />

verhin<strong>de</strong>rt war, ihm das zu sagen, was er ihm wenigstens hinterdrein sagen<br />

muß, um zu verhin<strong>de</strong>rn, daß sich das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen<br />

Gewalt und Wahrheit erneuere. Ist Gewalt nicht feige, <strong>so</strong>lange sie da ist? Füglich<br />

könnte doch nur dort, wo Wahrheit auch vor <strong>de</strong>m Anwesen<strong>de</strong>n möglich<br />

und <strong>de</strong>r Beweis erlaubt war, wo die Verantwortung keine an<strong>de</strong>re als die für je<strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>rn Angriff war und kein Helfer bereit, <strong>de</strong>n Mut zu konfiszieren bevor<br />

er ihn bestraft, dieser als Mütchen an <strong>de</strong>m Abwesen<strong>de</strong>n verdächtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Aber <strong>so</strong> wenig ein Eselstritt bezeugt, daß <strong>de</strong>r Tote ein Löwe war, <strong>so</strong> wenig<br />

beweist <strong>de</strong>r Tritt, <strong>de</strong>r einem Feind gilt, <strong>de</strong>n die eigenen Angehörigen nicht für<br />

tot halten, gegen <strong>de</strong>n Angreifer. Es kommt eben immer darauf an, wem er versetzt<br />

wird und von wem; und nichts ist getan mit <strong>de</strong>m schlichten Hinweis auf<br />

eine i<strong>so</strong>lierte Wehrlosigkeit, die doch gegen das Los eines Menschen, <strong>de</strong>r<br />

beim Gotterhalte sitzen blieb, erträglich ist und wie erst gegen das von ungezählten<br />

Wehrhaften, die lieber bei ihren Kin<strong>de</strong>rn, Bräuten, Müttern geblieben<br />

wären als in Schützengräben zu verfaulen und sich vorher von <strong>de</strong>m inspizieren<strong>de</strong>n<br />

Oberbefehlshaber »Aha!« sagen zu lassen. Ich weiß, daß die<br />

Reichspost bei dieser <strong>Er</strong>innerung eine Träne ins Treuaug einhängt und »Sol-<br />

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