2011 - Alpmann Schmidt
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6<br />
1. Teil<br />
Die Arbeit am Sachverhalt<br />
C. Die Erfassung des Prozessstoffes<br />
6 Der zu erfassende Prozessstoff besteht<br />
n in erster Linie: aus dem Tatsachenvortrag der Parteien, da grundsätzlich nur die<br />
von den Parteien vorgetragenen Tatsachen Gegenstand der Entscheidung sein<br />
können (Verhandlungsgrundsatz des Zivilprozessrechts),<br />
n darüber hinaus aus den Ergebnissen einer Beweisaufnahme, aus den Beweisantritten<br />
und Rechtsausführungen der Parteien und aus der Prozessgeschichte.<br />
I. Der entscheidende Prozessstoff:<br />
Der Tatsachenvortrag der Parteien<br />
7 Der entscheidende Prozessstoff ist der Tatsachenvortrag der Parteien:<br />
Die Parteien müssen die Tatsachen vortragen; nur mit Tatsachenvortrag können sie<br />
die anzuwendenden Normen – Anspruchsgrundlagen, Gegennormen, Hilfsnormen u.Ä.<br />
– ausfüllen. Die rechtliche Beurteilung und Bewertung ist dagegen die auf diesem<br />
Tatsachenvortrag aufbauende Aufgabe des Gerichts (für die Klausur: des Bearbeiters,<br />
der sich an die Stelle des Gerichts versetzen muss); der Vortrag der Parteien hierzu<br />
bedeutet i.d.R. nur Anregungen, mit denen sich das Gericht allerdings auch zu befassen<br />
hat.<br />
8 1. Tatsachen sind „konkrete, nach Raum und Zeit bestimmte, vergangene oder gegenwärtige<br />
Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens“.<br />
5 Ihr Vortrag ist von der Äußerung eines bloßen Urteils (Werturteil, Bewertung,<br />
Meinung) zu unterscheiden, wobei die Abgrenzung ggf. schwierig sein kann. Für<br />
den Zivilprozess kann maßgeblich nur sein, ob der vorgetragene Umstand als solcher<br />
durch ein Beweisverfahren nach der ZPO festgestellt werden kann oder nicht: 6<br />
Als Tatsache ist daher jeder äußere oder innere Vorgang oder Zustand zu verstehen,<br />
der der Nachprüfung und Klärung zugänglich ist.<br />
Beispiel: Der auf Bezahlung des Kaufpreises für einen gebrauchten Wagen Verklagte erklärt die Anfechtung<br />
des Vertrags, weil der Kläger, der seiner Natur nach ein ausgesprochener Betrüger sei, ihn<br />
beim Vertragsschluss hereingelegt habe. Dies sind lediglich Meinungsäußerungen, die keiner objektiven<br />
Klärung zugänglich sind; daher kein Tatsachenvortrag, der eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung<br />
begründen könnte. Der Beklagte müsste z.B. vortragen, dass der Kläger einen schweren Unfallschaden<br />
des Wagens gekannt und verschwiegen habe: Dies wäre dann ein einer Beweisaufnahme zugänglicher<br />
Tatsachenvortrag.<br />
2. Daraus folgt:<br />
9 a) Eindeutiger Vortrag von Tatsachen ist der Vortrag von<br />
n äußeren Tatsachen: Gegenwärtige oder vergangene Geschehnisse oder Zustände,<br />
z.B.: Beschaffenheit einer Sache, Geschwindigkeit, Unfallablauf, Inhalt von Vertragsverhandlungen,<br />
Wortlaut einer Willenserklärung.<br />
5 BGH DRiZ 1974, 27; NJW 1981, 1562; MDR 1998, 283.<br />
6 s. BGH NJW 1978, 751; BGH Urt. v. 16.11.2004 – VI ZR 298/03, NJW 2005, 279.